Dieser Artikel wendet sich an Fotografen/innen aller Stufen: Einsteiger, Anfänger, Hobbyfotografen, ambitionierte Fotografen und Profis, die Informationen zur Entwicklung und Zukunft der Sensoren in Foto- und Video-Kameras suchen.
Ein Inhaltsverzeichnis mit direkten Sprungmarken und Überblick über alle bei Sensor-Dilemma behandelten Themenbereiche finden Sie als Pop-Up.
Hintergrund
Während bei analogen Filmkameras das Kameragehäuse (der Body) ketzerisch nur einen Abstandshalter zwischen Objektiven und Film bildete, stellt der Sensor in modernen digitalen Kameras einen elementaren Baustein dar, welcher mit dem Kameragehäuse meist fest verbunden ist.
Mit anderen Worten konnte man früher im Grunde mit jedem frei erwerbbaren und in fast jede Kamera einlegbaren hochwertigen Film in wirklich jeder Kamera Fotos in bester Qualität aufnehmen, sofern die Objektive dazu passten. Heute hängt die erzielbare Bildqualität hingegen direkt vom Gehäuse resp. vom darin meist fest verbauten Sensor ab.
Deshalb werden heute oft synonym von der Bildqualität des Sensors A und des Kamera-Modells Z gesprochen.
Ganz so einfach ist diese heute in viele Medien durchgeführte pauschalierte Gleichsetzung zwar nicht, weil die Bildqualität noch immer im hohem Maße von der in der Kamera nachgelagerten Bildaufbereitung (auch bei sogenanntem RAW) abhängt, die von einem oder mehreren speziellen Computerchips erbracht werden. Ferner hängt die Bildqualität in noch größerem Maße von den davor angebrachten Objektiven ab. Denn nur, was diese Gläser durchlassen, kann von einem Sensor überhaupt aufgezeichnet und von nachgelagerter Elektronik aufbereitet werden.
Dennoch ist es faktisch korrekt und im Marketing üblich, den Wert des Sensors samt Kamera heute viel höher zu bewerten als zu analogen Zeiten nur das Kameragehäuse. Schließlich kann man den Sensor aufgrund der von mir seit über 10 Jahren geforderten aber noch immer fehlenden Modularität de facto in den meisten Kameraklassen kaum austauschen. (Manche Modelle bei Mittelformatkameras gelten hier als löbliche Ausnahme.)
Letztendlich handelt es sich bei einem Foto-Sensor um einen Computerchip, der zwar nicht dem Mooreschen Gesetz der stetigen Leistungsverdopplung unterliegt, aber dennoch in relativ kurzer Zeit relativ preiswert (im Vergleich z.B. zu Objektiven) weiterentwickelt wird.
Fazit: Die Sensorentwicklung hat seit Jahren einen entscheidenden Einfluss auf die Fotografie und wird ihre Bedeutung in der Zukunft sogar noch erhöhen. Deshalb spielt es auch für die praktische Fotografie und somit jeden Fotografen eine gravierende Rolle, was die Kamerahersteller auf diesem Gebiet derzeit leisten und was sie zukünftig vorhaben.
Definitionen
In diesem Artikel sollen mit dem Begriff Sensor alle Fotosensoren (image sensor) für Kameras umfasst werden. Es wird hier somit vor allem bei den Wirtschaftsanalysen und deren Folgen z.B. nicht zwischen CCD und CMOS oder Hybridsystemen technisch unterschieden. D.h. auf die für diese Analyse irrelevante technische und technologische Segmentierung wird nur in der Folge der Bildqualität für Fotografen eingegangen.
Überdies wird auch nicht bei der Produktionstechnik unterschieden, also ob der Sensor klassisch oder z.B. im Backside Illumination (BSI)-Verfahren über die Rückseite hergestellt wird. Das sind technische Detailfragen, die letztendlich eher über die Kosten von den Firmen entschieden werden und somit sich vom Endkunden nur über den Preis der gekauften Kameras auswählen lassen.
Ferner wird auch nicht zwischen Foto- und Video-Sensoren unterschieden, da dieser Markt und Anwendungsbereich sowieso zusammenwächst.
Der Etat Forschung und Entwicklung (= F&E = R&D = Research and Development), der hier erstmals besonders untersucht werden soll, ist eine wichtige Kennzahl für die technologische Zukunftsorientierung und Zukunftsfähigkeit sowie vor allem den Glauben der Geschäftsführung an zukünftige Märkte und Produkte sowie die Detailorientierung der Firma bezüglich ertragreicher kommender Märkte oder Sektoren in einem großen Markt wie der Fotografie. Deshalb habe ich mir einmal die Mühe gemacht, die relevanten Zahlen der großen Firmen herauszusuchen.
Eingeschränkt werden muss der reine Zahlenwert in mancher Hinsicht: So lässt sich F&E (aus firmenpolitischen Motiven) leicht umgruppieren und somit anderen Bereichen im Konzern zuordnen. D.h. die Zahlen sind nicht einfach mit anderen Firmen zu vergleichen. Aber dadurch sind sie auch nicht immer mit den Zahlen des Folgejahres im eigenen Konzern vergleichbar. Deshalb habe ich zusätzlich noch die Gesamtinvestitionen des Gesamtkonzerns aufgeführt. Sofern diese im Gesamtkonzern fast parallel verlaufen, lässt sich einiges Interessantes ablesen.
Allerdings darf man diese Etats auch nicht eins zu eins umsetzen in Erfolge ein paar Jahre später, oder Forschungsgelder mit zukünftigen Gewinnen gleichsetzen etc. Denn es kommt einerseits immer wieder vor, dass man an Themen forscht, die sich als technisch (momentan) nicht realisierbar herausstellen oder schlichtweg derzeit zu teuer sind. Andererseits passiert es auch immer wieder, dass man Produkte entwickelt, die trotz guter Technik als wenig beliebte Ladenhüter enden, weil man evtl. als Nachzügler zu spät am Markt auftrat. Ferner kommt es auch vor, dass Produkte erforscht und voll entwickelt werden, aber wenige Wochen vor der Endproduktion vom Top-Management (z.T. aus firmenpolitischen Gründen) komplett gestoppt und ad acta gelegt werden. Überdies gibt es durchaus auch Varianten-Entwicklungen: So ist bekannt, dass man bewusst zwei oder sogar mehr Varianten komplett ausentwickelt, um einerseits herauszufinden, wo die Probleme und Kosten tatsächlich liegen, und um andererseits dem Management die letzte Entscheidung zu überlassen. D.h. ein erheblicher Teil des investierten Geldes in F&E amortisiert sich nicht direkt. Und vor allem in Mischkonzernen sind die Forschungsetats resp. die Forschungsergebnisse eines Teilbereiches nicht immer klar zuordenbar. D.h. ein F&E-Etat legt die Zukunft nicht zwangsläufig fest. Aber dennoch sagt die Gesamtgröße des Etats als Zukunftsindikator, sein Wachstum oder die Kürzung viel über die Einstellung einer Firma sowie den Markt insgesamt aus.
Fakten, Gerüchte, Fiktion
Vorab zur Klarstellung:
Alle Firmen halten sich bei den Angaben zu Sensoren, deren Konzeption, der Grundlagenforschung dazu, der technischen Entwicklung und schließlich Produktion sehr im Vagen.
Zwar wird marketing-technisch gerne einmal von Sensationen bei der Forschung etc. berichtet, oder es werden sogar irgendwelche Industrieprodukte mit atemberaubender Leistung auf Messen vorgestellt. Aber, ob und wann diese tatsächlich für die tägliche Fotopraxis verfügbar werden, bleibt dabei meist unklar.
Hinzu kommt die komplizierte japanische Sprache, die sich weder mit Google-Automatismen noch mit Dolmetschern so leicht übersetzen lässt - vor allem, da die japanischen Manager sich zusätzlich oft sehr vage bis orakelhaft zu bestimmten Themen äußern.
Erschwert wird alles durch die üblichen Glaubenskrieger, welche - dafür oder dagegen - sowieso nur das aus einer beliebigen Aussage herauslesen, was sie vorher dort hineindeuten - alles aber sofort (tausendfach geliked) dann unqualifiziert publizieren.
Deshalb schießen die Gerüchte, Vermutungen und oft wildesten Spekulationen aus dem Bereich der Phantastereien oder Science-Fiction Romane ins Kraut.
Sogar vermeintlich objektive Daten erweisen sich bei genauer Untersuchung als wenig belastbar oder veraltet. So sind Marktübersichten m.E. generell mit Vorsicht zu genießen - selbst, wenn sie von Wirtschaftszeitungen veröffentlicht werden.
Und um gleich noch etwas vorweg zu nehmen: Es existieren wesentlich mehr Produzenten im Fotosensorbereich, als die meisten Menschen glauben. Allerdings muss man oft sehr lange suchen, um diese teilweise kleinen und der breiten Bevölkerung weitgehend unbekannten Nischenanbieter zu finden. Sie finden sich übrigens auch in Europa, so z.B. ST Microelectronics in der Schweiz.
Noch unübersichtlicher wird die Angelegenheit, weil zahlreiche Sensorhersteller und Kamerahersteller weitere dem Laien meist unbekannte Firmen vor allem für die Konzeption und Entwicklung der Sensoren - quasi als externe Berater - mit heranziehen. D.h. vollmundige Aussagen wie der Sensor X wurde von der Firma X komplett designed, entwickelt und produziert, sind mit Vorsicht zu genießen.
Man muss sich somit deutlich auf wenige Quellen und Fakten reduzieren, wenn man einen halbwegs realistischen Einblick und Überblick erhalten möchte.
Ich entschuldige mich deshalb auch gleich im Voraus für manche zitierten vagen Zahlen, die Sie sowieso mit den üblichen statistischen Ungenauigkeiten bewerten sollten. Marktanteile sind z.B. immer sehr grobe Schätzungen, die bei kleinen Werten durchaus eine erhebliche Bandbreite besitzen können. Eine mögliche Abweichung von 10% bei großen Schätzzahlen und bis zu 30% bei kleinen halte ich für durchaus realistisch. D.h. ein Marktanteil von 6% kann auch 4 oder 8% bedeuten.
Hinzu kommt, dass der Sensormarkt hoch volatil ist, und sich Werte von einem Jahr zum anderen drastisch ändern können, da vor allem die Großabnehmer (= Smartphone-Hersteller) wie Apple gnadenlos den Zulieferer wechseln, falls der Preis oder die Qualität oder der Service oder die Lieferbedingungen oder die Firmenpolitik nicht ihren Erwartungen entspricht.
Wirtschaftskraft
2007 schätze man ca. 3,6 Mrd. US$ Umsatz, 2009 wurde der Umsatz im Sensorbereich weltweit auf 4,3 bis zu 4,8 Mrd. US$ geschätzt, wobei bereits rund 2 Mrd. US$ auf die Smartphones entfielen.
Der Umsatz stieg bis 2014 rasant um rund 80% auf ca. US$ 8,65 - 8,85 Mrd. Bereits für das Jahr 2015 schätzte man den Markt der Fotosensoren auf ca. US$ 10,3 Milliarden Umsatz. Für Erdbebenjahr 2016, das massive Produktionseinbrüche zur Folge hatte, errechnete man allein für den CMOS-Bereich (etwa 90% aller Fotosensoren) ca. US$ 10,4 Mrd. und insgesamt bis zu 11,4 Mrd. US$. 2017 geht man von ca. 11,2-13,9 Mrd. US$ aus.
Wir sprechen also von einem erstaunlichen Wert.
Die bis 2024 prognostizierten Wachstumsraten liegen - je nach Institut - bei jährlich durchschnittlich 10%. Das liefe auf mehr als eine Verdopplung bis zum Jahr 2024 hinaus. Bereits für 2020 erwartet man ca. 17 - 17,5 Mrd. US$ Umsatz. Allein den Anteil der Bildsensoren für den Autobereich schätzt man für das Jahr 2022 auf bereits bis zu 7,7 Mrd. US$ und den gesamten Bildsensor-Markt dann auf bis US$ 30,3 Mrd.
Optimistischere Schätzungen sprechen sogar von 23,4 Milliarden US-Dollar für 2016 und bis zu $46,8 Mrd. im Jahr 2022.
Sony
Allgemeines zu Sony
Ketzerisch kam Sony, das zwar seit 1980 eher lustlos auch digitale Kameras herstellte, eher wie die Jungfrau zum Kind zu seiner 2006 von Minolta erworbenen kompletten Fotobranche.
Selbstredend spielte Sony auch vorher bereits sowohl bei Sensoren als auch bei Kameras eine Rolle. Aber bis etwa 2006 nahm es eine kleine und bis 2008 eine eher gleichgeordnete Rolle als Mitspieler ein. Erst ab etwa 2005/6 (mit der Übernahme von Minolta) scheint man sich konsequent - unter anderem mit einem eigenen weiterentwickelten BSI-Sensor - dem Bildsensormarkt zugewandt zu haben.
Im Kern besteht Sonys Marktmacht heute auf Sensoren, welche man zumindest seit 2012 konsequent vor allem an Dritte verkauft, die damit hochwertige Endprodukte herstellen - oft in Konkurrenz zu Sonys eigenen Produkten. Ketzerisch ist Sony somit - zumindest bei Sensoren ein klassischer Zulieferbetrieb.
Der Vorteil liegt auf mehreren Ebenen: Vor allem die unterschiedlichen und stetig wachsenden Anforderungen der Auftraggeber zwangen Sony zum ständigen Neu- sowie Umdenken (eine heute nicht mehr so übliche Qualifikation bei Großkonzernen), förderten Forschung und Entwicklung und bildeten ein riesiges Erfahrungspotential sowie - dank der wachsenden Kundenaufträge - auch geradezu unglaubliche Skaleneffekte, die sich auszahlten. Für Smartphone-Sensoren werden nur rund 10-20 US$ je Stück bezahlt. Dennoch konnte man aufgrund der hunderten Millionen verkaufter Sensoren immer größere - teilweise astronomische - Summen in die Forschung und Entwicklung (F&E-Abteilung) nur für diese Sensoren investieren.
Das Ergebnis ist seit Jahren überall sichtbar: Sony ist nicht nur Weltmarktführer bei Fotosensoren, sondern stellt derzeit u.a. auch diejenigen Sensoren mit der höchsten Bildqualität in zahlreichen technisch relevanten Messbereichen her.
Sonys geschätzter Marktanteil schwankt zwar deutlich nach Jahr und Erhebungsstelle. Man darf heute aber von soliden 40-45% des Weltmarktes ausgehen. Einzelne Analytiker sprachen 2017 sogar bereits von 50% Marktanteil. Das entsprächen ca. 6 Mrd. US$ Umsatz im Jahr 2017. Seit 2015 steht Sony unangefochten an der Spitze, sowohl bei der Technologie, als auch der Stückzahl, als auch beim Umsatz. Dies bestätigte sich erneut 2019 mit über 49% Marktanteil. Das Wachstum war 2019 so groß, dass man sogar eine weitere Fabrik baute, die ab April 2021 die bereits erneut gesteigerte Nachfrage auch nicht mehr decken kann, sodass seit Dezember 2019 rund um die Uhr produziert wird. Nummer zwei, Samsung, kam nur auf knapp 18% Marktanteil.
Die nächst größten Sensorproduzenten - Samsung und Omnivision - liegen bereits mit ca. 15-20% respektive 10-15% Marktanteil weit abgeschlagen.
Der Hauptantrieb für diese strategische Öffnung kam nicht freiwillig und lag vermutlich Zeitraum 2010-2012, als Sony nach mehreren Jahren des Niedergangs in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte und allein im Jahr 2012 3 Milliarden US$ Verlust schrieb. Heute ist der Sensorbereich - trotz jährlich hoher Investitionskosten - einer der produktivsten und trägt maßgeblich zum Konzerngewinn bei.
Mit nun über 25 Jahren Erfahrung im Sensor-Bereich und dem mit Abstand höchsten Etat für F&E dürfte es Konkurrenten sehr schwer fallen, Sony zu überholen.
F&E bei Sony
Festgehalten werden muss, dass sich das Finanzjahr des Sony-Konzerne vom Kalenderjahr bei Canon unterscheidet, da es vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres reicht. Daraus ergibt sich eine Abrechnung jeweils zum 1. April für die zurückliegenden 12 Monate = auch 9 Monate des Vorjahres. Wenn hier in den Grafiken also z.B. 2020 angegeben wird, so ist das Geschäftsjahr April 2019 bis März 2020 gemeint.
Sony schlüsselte ferner die F&E-Investitionen lange nicht auf, sodass man nur diejenigen des Gesamtkonzerns als Vergleich heranziehen kann, was bei einem derart großen Konzern selbstredend mit großer Vorsicht für einen Vergleich zu bewerten ist.
Sony Gesamtkonzern absolute Zahlen im Bereich F&E = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125).
Deutlich erkennt man ein fast kontinuierliches Wachstum der Investitionen in die Forschung und Entwicklung in den Jahren 1999-2007. Danach wurden aufgrund der ernsten Krise des Gesamtkonzerns die Investitionen bis 2012 drastisch heruntergefahren und erreichten erst ab 2013 wieder ein etwas höheres Niveau. Allerdings sank der Etat insbesondere 2017 wieder deutlich ab, um danach wieder anzusteigen.
Jedoch gelingt es mit dieser Gesamtgrafik nicht, die internen Verschiebungen aufzuzeigen. Wie mir aus gut informierten Quellen mitgeteilt wurde, hat man intern sehr wohl u.a. den Etat für die Sensorentwicklung fast kontinuierlich aufgestockt und manche anderen Forschungsetats dafür noch drastischer gekürzt.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E des Sony Gesamtkonzerns in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr.
Auch hier zeigen sich bereits ab 2005 deutlich Bremsspuren im Gesamtkonzern, welche durchaus auf die gravierenden operativen Probleme 5 Jahre später hindeuten. Geiz bei Forschung und Entwicklung revanchiert sich inzwischen spätestens 5 Jahre später mit entsprechenden Einbrüchen am Markt.
Bewertung Sony
Hier geht jedoch vieles in der Gesamtgrafik unter. Interne Etatverschiebungen lassen sich so nicht zeigen. Dennoch liegen mir glaubhafte Informationen vor, dass F&E im Sensorbereich (zumindest bis 2014/15 siehe unten) fast kontinuierlich und überproportional gesteigert wurde.
Dennoch wird auch erkennbar, dass Sony ab 2008 als Gesamtkonzern sich bei vielen Produkten bis 2013 im Bereich F&E zurückgenommen hat.
Die Folgen der Einsparungen bei F&E zeigten sich bei Sony bereits sehr früh und führten in eine ernste Krise ab 2010. Die Analysten sahen im Nachhinein die Gründe in zahlreichen Produktbereichen in einem technischen Rückstand zu den übrigen (teilweise neuen) Mitbewerbern. - Nachher waren wieder alle schlauer. Aber die F&E-Etats waren immer veröffentlicht, wurden offensichtlich jedoch nicht gelesen.
Auch wenn es hart klingt: Sony investiert auch heute nur in wenigen Bereichen erheblich mehr in F&E. Insgesamt handelt es sich seit dem Jahre 2010 eher um ein inflationsbereinigtes Nullsummenspiel.
Zur Beschwichtigung der Gemüter: Sony investierte 2016/17 noch immer über 447 Mrd. Yen (entspricht aktuell ca. 3,4 Mrd. Euro) in den Bereich in den Gesamtkonzern für Forschung und Entwicklung. Aber das Produktspektrum ist auch sehr breit.
Derzeit kann man - aus nachträglicher Sicht aufgrund der Ergebnisse - festhalten, dass der Sensorbereich allem Anschein nach ausreichend Mittel erhält, um auch kostspielige Entwicklungen an der vordersten Forschungsfront durchzuführen.
Auffällig ist der insgesamt geringe Etat F&E-Anteil angesichts dieses großen Konzerns: bei 8,1057 Billionen Yen (=ca. 61 Mrd. Euro) Umsatz im Finanzjahr 2016 stehen 447,456 Mrd. Yen (= ca. 3,4 Mrd. Euro) gegenüber. Da ist ein Anteil von nur 5,5%. Das mag für eine hohe Effizienz der Forschung sprechen, oder auch dafür, dass man in manchen Bereichen evtl. zu wenig forscht und entwickelt.
Die Frage ist trotz der hohen Gesamtsumme, ob dies langfristig für alle Produkte des Großkonzerns ausreicht? Denn paradoxer Weise sind Sonys Smartphones - trotz der besten Foto-Sensoren - z.B. kaum gefragt und führen auch sonst kaum irgendwelche Bestenlisten an. Auch bei zahlreichen anderen Produkten läuft man derzeit noch der Konkurrenz eher hinterher. D.h. nicht alles ist bei Sony eitel Sonnenschein.
Semiconductors / ab 2019: I&SS = Imaging & Sensing Solutions
Aufgrund einer Konzernumstrukturierung 2015/16 wurde der Bereich Semiconductors mit den Sensoren offiziell ausgegliedert. Deshalb müssen die Zahlen dazu nun auch etwas detaillierter publiziert werden. Hier werden die offiziellen Geschäftsjahre verwendet: also 2019 umfasst April 2019 - März 2020. 2019 wurde der Bereich in einer der zahllosen Umstrukturierungen bei Sony umbenannt in I&SS = Imaging & Sensing Solutions. 2020 kam es erneut zu einer Umstrukturierung, die wieder eine völlige Neubewertung der Zahlen 2018-2020 erforderlich machte.
Sony I&SS / Semiconductors absolute Zahlen im Bereich F&E = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125). Das sind beeindruckende Werte: rund 1 Milliarde Euro jährlich für Forschung und Entwicklung.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E des Bereiches Sony I&SS / Semiconductors in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr. Dennoch zeigt sich, dass der Etat schwankt und keineswegs kontinuierlich steigt. Vor allem hat Sony 2020 aufgrund der Weltwirtschaftskrise sowie sinkender Nachfrage im Smartphone-Bereich, für welchen die meisten Sensoren hergestellt werden, Sparmaßnahmen durchgeführt, welche über die im Jahr 2019 bereits verfügte Deckelung hinausgingen.
Absolut wie relativ betrachtet ist das Ergebnis erstaunlich, lässt sich jedoch erklären:
In den hier nicht gezeigten, weil von Sony verschwiegenen, Vorjahren hat man die Investitionen für Forschung und Entwicklung auf ein absolut gesehen extrem hohes Niveau hochgeschraubt.
Mit dem derzeitigen Etat (rund 1 Milliarde Euro jährlich) kann man umfassende Forschung auf dem Feld der Sensoren betreiben.
Sony ist in diesem Bereich derzeit technologisch unangefochtener Marktführer. Der Vorsprung auf vielen Gebieten ist groß. Deshalb konnte man es sich auch leisten (oder glaubte es zumindest), die Forschung in den Jahren 2016 und 2017 zu reduzieren. Mehr zu entwickeln als der Markt fordert, wird vom Markt nicht (immer) honoriert. Dies gilt umso mehr, wenn dafür die Preise unangemessen steigen.
Sony ist ökonomisch bei Sensoren operativ unangefochtener Marktführer. Deshalb kann auch eine Zeitlang dazu übergehen, Kasse zu machen. Dies ist auch notwendig, da es sich um kurzlebige Produkte in einem hochvolatilen Markt handelt.
Der Marktdruck nach geringeren Preisen ist enorm, so dass auch Sony rationalisiert und spart, wo man es kann.
Zum Verständnis nochmals: Forschung und Entwicklung sowie deren Etats sind - im Gegensatz etwa zu Universitäten - kein abgehobener Selbstzweck, den man auf Dauer quersubventioniert. Sobald das Management die oben genannten Faktoren mit hoher Wahrscheinlichkeit als zutreffend feststellt, wird zur Profitmaximierung auch gekürzt.
Sobald es jedoch notwendig ist, wird der Etat wieder erhöht.
Festhalten muss man jedoch auch, dass die größte Euphorie sowie die jahrelange technische Aufholjagd vorbei sind. Sensoren sind weitgehend ausgereift und werden auch bei Sony eher in Details weiterentwickelt. Und bereits diese Weiterentwicklung auf hohem Niveau ist sehr teuer.
Das alles muss nicht negativ sein, zeigt jedoch, dass man - zumindest kurzfristig - bei der reinen Hardware der Sensoren nicht mehr mit massiven Technologiesprüngen rechnen darf. Diese Technologiesprünge bei der Bildqualität finden bereits jetzt eher auf dem Feld Computational Photography sowie Künstliche Intelligenz (KI, AI) statt. Zukünftig wird dieses Feld für die faktisch erzielbare Bildqualität sogar noch dramatisch ansteigen - weit mehr, als die meisten Fotografen derzeit wahrhaben wollen.
Imaging Products & Solutions - IP&S
Aufgrund einer Konzernumstrukturierung 2015/16 wurde der Bereich Imaging Products & Solutions (IP&), der auch (aber nicht nur) die Kamera-Produkte beinhaltet, offiziell aufgeführt und die Zahlen dazu nun auch etwas detaillierter publiziert. Leider hat Sony danach wieder mehrfach umstrukturiert: So wurde der große und katastrophal defizitäre Bereich Smartphones integriert, welcher das Bild völlig verzerrt. Deshalb sind hier jeweils zwei Kurven aufgezeigt: des alten kleines Bereiches (ohne Smartphones = Blau), sowie des neuen großen Konzernbereiches (mit Smartphones = Orange).
Sony Imaging Products & Solutions - IP&S absolute Zahlen im Bereich F&E = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125). Der Etat schrumpfte fast kontinuierlich.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E des Bereiches Sony Imaging Products & Solutions - IP&S in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr. Ein seit Jahren rückläufiger Etat. Dies gilt auch für das Jahr 2017, wenn man die in dieser Statistik nicht eingerechnete Inflation dazurechnet.
Absolut wie relativ betrachtet ist das Ergebnis erstaunlich, lässt sich jedoch erklären:
In den hier nicht gezeigten, weil von Sony verschwiegenen, Vorjahren hat man die Investitionen für Forschung und Entwicklung hochgeschraubt, um den Rückstand bei Kameras gegenüber den Mitbewerbern aufzuholen.
Sony erreichte 2018 sein Ziel (zumindest quartalsweise) Marktführer im Bereich Vollformat in den USA durch seine neuen spiegellosen Kameras zu werden.
Der Vorsprung auf den Gebieten Kamera-Sensoren und Kamera-Software ist vorhanden. Deshalb konnte man es sich auch leisten (oder glaubte es zumindest), die Forschung in den letzten Jahren zu reduzieren. Mehr zu entwickeln als der Markt fordert, wird vom Markt nicht (immer) honoriert. Dies gilt umso mehr, wenn dafür die Preise unangemessen steigen würden. Letzteres gilt insbesondere angesichts des von Sony selbst initiierten Preiskrieges bei Vollformatkameras.
Festhalten muss man jedoch auch, dass die größte Euphorie sowie die jahrelange technische Aufholjagd vorbei sind. Kameras sowie deren Sensoren sind weitgehend ausgereift und werden auch bei Sony eher in Details weiterentwickelt.
Das alles muss nicht negativ sein, zeigt jedoch, dass man - zumindest kurzfristig - auch bei der reinen Kamera-Hardware nicht mehr mit massiven Sprüngen rechnen darf.
Bitte beachten Sie auch hier, dass diese absoluten Zahlen nicht mit denjenigen z.B. von Canon direkt vergleichbar sind. In beiden / fast allen Firmen finden sich in den jeweiligen Sparten auch noch andere Produkte. Bei Sony kommt hinzu, dass viele Kosten der Forschung für Kamera-Sensoren in den obigen großen Etat bei allgemeinen Sensoren fallen. D.h. man kann theoretisch mit weniger Ausgaben im Einzel-Forschungsetat Imaging durchaus evtl. dieselben oder sogar mehr Forschungsergebnisse erzielen.
Canon
Allgemeines zu Canon
Canon konzipiert, entwickelt und fertigt eigene Foto-Sensoren für seine eigenen Foto- und Video-Kameras.
Dieser Punkt wird allerdings in allen Medien derart pauschaliert und hochgespielt, sowie teilweise von absoluter Unabhängigkeit gesprochen oder diese zumindest suggeriert, dass man das einmal hinterfragen muss.
Nachweislich stammen zumindest manche 1-Zoll-Sensoren aus der Sony-Fertigung. D.h. sie wurden evtl. noch von Canon mitkonzipiert und evtl. mitentwickelt, aber von Sony hergestellt. Letzteres lässt sich bereits daraus ableiten, dass auch Canon (mit seinen 1-Zoll-PowerShot-Modellen) vom Erdbebenschaden des Sony-Sensor-Werkes 2016 betroffen war.
Auffällig bei Canon ist, dass die Firma auch 2017 1-Zoll-Sensoren durchaus selbst entwickelt und produziert, aber nur noch für Video-Kameras. Das sagt bereits sehr viel über den Wert der klassischen Fotografie in den Augen des dortigen Managements. Die 1-Zoll-Sensoren für die wenigen selbst verkauften Edel-Pocket-Fotokameras bezieht man hingegen extern vor allem von Sony.
Die Vagheit mancher Aussagen liegt darin begründet, dass sich Canon (wie viele andere Firmen) in diesem Punkt sehr schwer tut, die Wahrheit zu publizieren. Derartige in der Industrie übliche Kooperationen mit von manchen Kunden als vermeintliche Feinde angesehenen Firmen werden von Teilen der eigenen Klientel ungern gesehen.
Im Übrigen möchte ich auch an der pauschalen These der Unabhängigkeit einer Firma in der modernen Industriegesellschaft rütteln. Heute sind alle Materialien derart komplex, dass bereits aufgrund der Zuliefersituation keine Firma mehr wirklich unabhängig sein kann. Keine mir bekannte Firma besitzt heute mehr die komplette Kontrolle über die vertikale Wertschöpfungs-/Produktionskette - noch nicht einmal bei Kameras oder auch nur Sensoren. Die Abhängigkeiten sind in der modernen Produktion derart kompliziert, dass selbst Top-Manager erstaunt sind, dass sich manche in einer Vorstandsbesprechung kühn hingeworfene Aussage und Entscheidung dann doch nicht umsetzen lässt oder katastrophale Auswirkungen hat, die keiner voraussah.
Während man der Sensorproduktion von Canon 2009 noch bis 14%, 2011 noch ca. 10% Weltmarktanteil zusprach, schrumpfte dies dramatisch auf ca. 4% im Jahr 2015. Dies lag nicht nur daran, dass Canon in absoluten Zahlen weniger klassische Kameras verkaufte und folglich auch Sensoren nur für sich produzierte, sondern auch daran, dass das Smartphone-Geschäft kometenhaft anstieg, woran Canon keinen Anteil hat.
Aufgrund der Rückgänge bei den Verkäufen der eigenen Kameras seit 2010 musste Canon die dadurch entstehenden negativen Skalen-Effekte in den Griff bekommen und entschloss sich im September 2016 erstmals, seine Sensoren auch an andere Firmen zu verkaufen. Dieser Plan sollte binnen zweier Jahre umgesetzt werden.
F&E bei Canon
Aufgrund von immer wieder vorgenommenen Umstrukturierungen im Konzern und Umbenennungen kommt es auch intern zu nachweisbaren Größenveränderungen. So führte Canon 2008 eine komplette Reorganisation durch, welche auch F&E betraf. Allerdings konnte ich diese Veränderung durch von Canon korrekt angegebene Zahlen berücksichtigen.
F&E der Bereiche Camera bis 2008 und Consumer ab 2008 = Imaging System R&D ab 2012 in absoluten Zahlen = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125).
Deutlich erkennt man ein dramatisches Wachstum der Investitionen in die Forschung und Entwicklung in den Jahren 2000-2005. Danach ging das Wachstum deutlich zurück - und lief im Grund auf eine Inflationsbereinigte Null hinaus.
Dennoch muss man positiv festhalten, dass Canon nominal den F&E-Etat bis 2017 fast jährlich erhöhte. Dann ging es jedoch auch nominell zurück. 2018 kam es zu einer Umgruppierung, indem die Industrie-Geräte für Video und Profi-Video-Kameras in den Bereich Others ausgelagert wurden.
2020 kam es zu einem Kahlschlag bei den Geldern für Forschung und Entwicklung bei Kameras: -28,5%. Das ist langfristig verheerend.
F&E des Canon Gesamtkonzerns in absoluten Zahlen = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125).
Gut erkennt man ein deutliches Wachstum der Investitionen in die Forschung und Entwicklung in den Jahren 1999-2007. Danach gingen die Investitionen markant zurück und wurden sogar negativ. De facto verblieb es viele Jahre auf dem absoluten Niveau von 2006 - und dies ohne Inflationsberücksichtigung. 2020 wurde vor allem beim Unter-Bereich Imaging gespart.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E der Bereiche Camera bis 2008 und Consumer ab 2008 = Imaging System R&D ab 2012 in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr.
Ab dem Jahr 2008 wird überdeutlich, dass Canon im Kamera-Bereich die Investitionen drastisch einfror. In vielen Jahren waren die Zahlen rückläufig - und dies ohne Inflationsbereinigung.
Ungünstig ist ferner der seit 2018 erstmals dreijährig anhaltende negative Trend. Seit 3 Jahren wurde systematisch gekürzt.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E des Canon Gesamtkonzerns in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr.
Ähnlich sieht es im Gesamtkonzern aus, indem man abgesehen von wenigen ungeplanten Ausreißern - ab 2006 durchschnittlich nur noch Inflationsausgleich betrieb.
2020 kam es zu einem Kahlschlag bei den Geldern für Forschung und Entwicklung bei Kameras: -28,5%. Das ist langfristig verheerend.
Bewertung Canon
Selbstredend kann man auch bei den Investitionen für F&E rationalisieren, indem man die Mittel effizienter einsetzt, z.B. durch Zusammenarbeit mit externen Forschern und Forschungszentren. Das tat Canon (wie auch andere Firmen).
Dennoch wird überdeutlich, dass Canon als Gesamtkonzern etwa um den Zeitraum 2005 bis 2007 aufhörte, machtvoll bei Forschung und Entwicklung voranzustürmen.
Die Folgen der Einsparungen bei F&E zeigen sich erst Jahre später und schleichend an. Das fällt vielen Beobachtern kurzfristig kaum auf. Aber nach zehn Jahren sollte es heute jedem Analytiker klar sein. - Den Fotografen ist es anhand der inzwischen produzierten Kameras bereits klar.
Auch wenn es hart klingt: De facto hat Canon bereits vor ca. 10 Jahren aufgehört, ein technologisch führender Konzern im Bereich Fotografie zu sein.
3,401487 Billionen Yen (= ca. 25,7 Mrd. Euro) Jahresnettoumsatz 2016 standen einem F&E-Etat von 302,376 Mrd. Yen (= ca. 2,3 Mrd. Euro) gegenüber. Das entsprach 8,9%. Bei der Foto- und Filmsparte Imaging System, die auch noch Drucker enthält, waren es 1,095289 Billionen Yen (= ca. 8,3 Mrd. Euro) Umsatz zu 91,752 Mrd. Yen (= ca. 693 Mio. Euro) 8,4%. Dieser prozentual hohe Forschungsetat ist beachtlich. Aber führte erstaunlicher Weise - zumindest aus Sicht der fotografierenden Kunden - bisher nicht zu den gewünschten Ergebnissen.
Canon selbst hat bereits erkannt, dass die eigene F&E nicht so effizient ist, wie z.B. diejenige bei Sony. Aber Effizienzsteigerungsprogramme im Konzern gehen meines Erachtens an der zentralen Schwachstelle vorbei. Das Hauptproblem liegt darin, dass Canon für seine großen Sensoren (vorwiegend APS-C und Vollformat) sehr aufwändige Forschung und Entwicklung betreiben muss, während Sony diese an sehr kleinen Sensoren für die Smartphones durchführen kann. Letzteres ist einfacher, billiger und schneller durchzuführen. Anschließend adaptiert Sony dies nur noch für große Sensoren. Canon fehlt allerdings nicht nur der Sektor der kleinen Sensoren zum Testen, sondern Canon fehlen auch die riesigen Skaleneffekte sowie Gewinne aus jenem Sektor. Deshalb halte ich es für ausgeschlossen, dass Canon - Effizienzsteigerungsprogramme / Sparprogramme hin oder her - jemals die gleiche Effizienz bei der Sensorentwicklung wie Sony erzielen kann. Daraus folgt wiederum, dass Canon letztendlich für dieselbe Bildqualität wesentlich mehr für F&E ausgeben muss. Das ist ein strategischer Nachteil.
Lösungsoptionen bieten sich nur in wenigen Richtungen an:
Kooperation mit anderen Kamera-/Sensorfirmen, um Kosten zu verteilen, aber andere Firmen auch an seinem Wissen teilhaben zu lassen. Dies wurde 2016 angegangen. Bisher hielt sich die Nachfrage jedoch in Grenzen.
Abfinden mit einer etwas geringeren Sensorqualität bei gleichem Produktpreis. Dies scheint m.E. derzeit die Aussitzpolitik, die man sich als Marktführer glaubt, leisten zu können. Einigen Kunden ist die bereits erzielte Qualität in der Tat gut genug.
Deutliche Steigerung der Investitionen in F&E mit (hoffentlich) daraus folgender Steigerung der Sensorqualität bei letztlich Erhöhung der Produktpreise. In der gegenwärtigen Fotokrise sind Preissteigerungen allerdings zumindest nicht absatzfördernd. Als den Preis beschränkende Größe bei Kameras kommt hinzu, dass der nächste Mitbewerber - Nikon - derzeit mit eher niedrigen Preisen beim reinen Gehäuse bei zumindest vergleichbarer Gesamtqualität, und bei den Sensoren etwas höherer Bildqualität wirbt.
Ausweichen auf andere, lukrativere Zukunftsmärkte. Dies scheint Canon mit Video zumindest teilweise zu verfolgen. Aber auch dort wird sehr bald die Sensorqualität eine entscheidende Bedeutung spielen, so dass man das Problemfeld nur kurzfristig verlagert, statt es langfristig zu lösen.
Die Frage ist nur, ob Sparen langfristig ausreicht? Die Folgen der Einsparungen sind bereits heute bei den Sensoren sichtbar. Im APS-C-Bereich rüstete Canon seit 2016 sukzessive alle neuen Modelle mit demselben hochwertigen 24-MP-Sensor aus. Dadurch erzielt die Firma größere Stückzahlen und somit Skaleneffekte, d.h. geringere Kosten. Der Vorteil für die Kunden liegt darin, dass sie im Grunde die billigste Kamera wählen können, da sie den identischen Sensor enthält, wie die teuerste und sich zumindest bei der Verwendung von RAW-Dateien nicht unterscheiden kann. Das werden die Kunden jedoch irgendwann auch erkennen. Daraufhin werden die Käufe für teurere Kameras nachlassen und damit die Gewinne des Konzerns schrumpfen.
Bevor jetzt wieder ungerechtfertigte Häme ausbricht. Das haben andere Firmen, insbesondere Nikon, auch schon praktiziert.
Im September 2018 kam jedoch heraus, dass der überwiegende Teil der Investitionen in F&E in den letzten Jahren in das neue RF-Bajonett und neue Objektive flossen. Für Sensoren wurden sehr wenig getan.
Die Offenheit, mit der Canon im September 2018 in Interviews zugab, dass es im Kamerabereich weder kann noch will, ist erschreckend. Die Bildqualität des Sensors in der neuen R ist sogar geringer als diejenige der schon vor zwei Jahren bemängelten 5D IV.
Im Januar 2019 bestätigte der CEO von Canon in einem Interview meine Vermutung. Canon wird die Gelder für Forschung und Entwicklung von klassischen Kameras für private Fotografen auf profitablere Gebiete umlenken.
Anfang 2021 wurde dies erneut im Jahresbericht für das zurückliegende Geschäftsjahr 2020 bestätigt: Moreover, we will strengthen our investment in product development and our investment in sales & marketing activities to enhance new business growth. Es geht um völlig neue Firmenbereiche. Dazu gehören keine dedizierten Kameras für Fotografen.
Nikon
Allgemeines zu Nikon
Nikon hat eine wechselvolle Geschichte bei der Sensorentwicklung hinter sich.
Nikon scheint (gemäß meinen Recherchen) zumindest bis 2012 selbst konzipierte Sensoren hergestellt zu haben. Allerdings hatte Nikon keine eigene Produktionsstätte für die Sensoren, sondern ließ sie u.a. bei Sony und Toshiba fertigen (wurde inzwischen von Sony aufgekauft). Gleichzeitig bezog man jedoch für viele eigene Produkte fast immer auch Sensoren von verschiedenen Fremdherstellern.
Nach allem, was bekannt ist, scheint Nikon seit Jahren Sonys größter Abnehmer bei großen Sensoren (APS-C und Vollformat) zu sein. Dementsprechend groß ist Nikons Einfluss bei Sony, aber auch seine Abhängigkeit von Sony.
Zumindest im Zeitraum ca. 2010 bis ca. 2014 arbeite Nikon konstruktiv mit Sony an der Entwicklung neuer Sensoren. Diese Zeiträume ergeben sich, wenn man von den modernen Entwicklungszyklen von ca. 2 Jahren ausgeht. Selbstredend kann (und wird) der Beginn der ersten Gespräche zur Kooperationsanbahnung viel weiter zurückreichen.
In diesem Zeitraum entwickelte und produzierte man zumindest den 36 Mega-Pixel-Sensor für Vollformat-Kameras gemeinsam, der aufgrund der ISO-Invarianz und des damit verbundenen hohen Dynamikumfanges zurecht gelobt wurde.
F&E bei Nikon
Festgehalten werden muss, dass sich das Finanzjahr des Nikon-Konzerns vom Kalenderjahr bei Canon unterscheidet, da es vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres reicht. Daraus ergibt sich eine Abrechnung jeweils zum 1. April für die zurückliegenden 12 Monate = auch 9 Monate des Vorjahres.
Nikon schlüsselte ferner die F&E-Investitionen bis einschließlich 2010 nicht auf, sodass man nur diejenigen des Gesamtkonzerns als Vergleich heranziehen kann, was mit Vorsicht für einen Vergleich zu bewerten ist.
Nikon Gesamtkonzern im Bereich F&E in absoluten Zahlen = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125).
Sieht man zuerst einmal von den Wellenbewegungen ab, so stieg der Etat für F&E bis zum Jahr 2013 an (auf 76,5 Mrd. Yen). Seitdem geht es tendenziell bergab - auch mit 62,2 Mrd. resp. 61,052 Mrd. Yen für das abgelaufene Finanzjahr 2020 (bis Ende März 2020).
Nikon Imaging Products Business segment im Bereich F&E in absoluten Zahlen = Mrd. Yen (Euro sind in etwa 1/125).
Seit 2013 wird der Etat nominal gekürzt.
An dieser Grafik wird auch ersichtlich, warum Nikon auf fremde Hilfe (Sony etc.) z.B. bei der Sensorentwicklung angewiesen ist: Der Etat für F&E ist in absoluten Zahlen gemessen relativ klein und schrumpft seit 6 Jahren weitgehend kontinuierlich. Für das gerade abgelaufene Finanzjahr 2020 (Ende März 2020) erfolgte erneut eine Kürzung beim Forschungsetat des Bereiches Imaging.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E des Nikon Gesamtkonzerns in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr.
Abgesehen von der wilden Berg- und Talfahrt, ging es seit 2012 für Jahre insgesamt bergab. Seit 2014 war der gesamte Etat F&E deutlich negativ. Erst im Jahr 2019 legte der Gesamtforschungsetat wieder deutlich zu. Die Zahlen für die Geschäftsjahre 2020 und 2021 (bis Ende März) gingen wieder nach unten.
Bereits die wilden Ausschläge der Veränderungen nach oben und unten deuten auf eine ziemlich planlose Art der Vergabe der Fördermittel hin. Man erhält den negativen Eindruck, dass man Geld in Forschung investiert, sofern es a) frei verfügbar ist, oder b) man unbedingt ganz schnell etwas Besonderes erreichen möchte. Langfristige solide Grundlagenforschung sieht jedoch anders aus.
Jährliche Veränderungen der Investitionen in F&E des Bereiches Nikon Imaging Products in Prozent zum jeweils vorausgehenden Jahr.
Konnte man 2012 noch ein stolzes Wachstum des Etats verzeichnen, so geht es seitdem deutlich bergab und ist selbst ohne Berücksichtigung der Inflation negativ. - Für Nikon liegen erst ab 2011 Einzelzahlen für den Kamerabereich vor. Die negative Zahlen für 2020 und 2021 geben das Ergebnis für das jeweils abgelaufene Geschäftsjahr (bis Ende März 2020 respektive 2021) an.
Bewertung Nikon
Die jährlichen Schwankungen im F&E-Etat bei Nikon sind erheblich. Seit 2014 wurde im Gesamtkonzern massiv eingespart. Ob diese Einsparungen bei F&E langfristig gut sind, darf bezweifelt werden.
Der Etat ist insgesamt klein und in den letzten Jahren negativ. Ohne fremde Hilfe bei der Sensorentwicklung würde dies massive Auswirkungen haben. Aber auch so ist das Gesamtbild nicht unbedingt erfreulich.
Meines Erachtens erklären diese massiven Kürzungen zumindest mit, warum zahlreiche Kameramodelle der letzten Zeit mit Unverständnis aufgenommen wurden. So boten z.B. die D3400, die D5600 und die D7500 eher magere Neuerungen zum jeweiligen Vorgängermodell. Und auch manche anderen Dinge wie der Internet-Anschluss (SnapBridge) mancher neuen Kameramodelle waren eher halbherzig, unterfinanziert und folglich (auch technisch) unausgereift.
Dennoch gelang es Nikon durch die selbst seit Jahren vollmundige verlautbarte Konzentrierung auf die wirklich wichtigen und ertragsstarken Kameramodelle und Objektive, dort herausragende Produkte anzubieten (D500, D850 etc.). Aber in der Breite fehlen die Neuerungen.
749,273 Mrd. Yen (= ca. 5,7 Mrd. Euro) Jahresnettoumsatz des Gesamtkonzerns im Finanzjahr 2016 standen einem F&E-Etat von 63,632 Mrd. Yen (= ca. 480 Mio. Euro) gegenüber. Das entsprach 8,5%. Bei der Foto- und Filmsparte waren es 383,024 Mrd. Yen (= ca. 2,9 Mrd. Euro) Umsatz zu 24,921 Mrd. Yen (= ca. 188 Mio. Euro) - also 6,5%. Dieser prozentual hohe Forschungsetat des Gesamtkonzerns ist beachtlich. Aber der Wert für die Foto-Branche ist deutlich geringer. Nikon sieht seine Zukunft offensichtlich nicht mehr nur im Fotobereich.
Fazit: Es sieht bei Nikon ziemlich durchwachsen aus.
Zusammenfassende Bewertung
Man könnte sich angesichts der Gesamtzahlen zurücklehnen und sich selbstgefällig einflüstern: na ja, ist doch alles noch ganz in Ordnung.
Nein: Kein Konzern hat sich in den letzten Jahren besonders bei den F&E-Etats engagiert. Das ist cum grano salis eine inflationsbereinigte Null. Allerdings sind die Kostensteigerungen in der technischen Forschung sehr hoch und liegen weit über dem normalen Kostenindex. D.h. de facto handelt es sich um eine Kürzung der Forschungsetats.
Dass man auch bei der Forschung Kosteneinsparungen und Rationalisierungen nutzen kann, ist korrekt. Aber damit alleine lassen sich die Rückgänge kaum erklären. Man darf den Firmen folglich durchaus eine gewisse Lustlosigkeit attestieren. Man gewinnt den Eindruck, dass auch das Top-Management den Bereich klassische Fotografie für ausentwickelt hält. Geld, sofern es in der Krise überhaupt noch zur Verfügung steht, wird tendenziell eher für die anderen, neuen, zukunftsträchtigen Bereiche und Technologien verwendet.
Das sind bereits mittelfristig schlechte Nachrichten für die Fotografen / Kunden. Es könnte durchaus sein, dass sie zukünftig wirklich nur noch Detailverbesserungen in neuen Modellen (seien es Kameras oder Objektiven) erhalten.
Ob die Kunden fehlende relevante Neuerungen jedoch wirklich mit ständigem Neukauf belohnen, wird schon seit Jahren bezweifelt. Die meisten Fotografen halten die vorhandenen Kameras und Objektive für gut genug.
Auch die Ausstattung mehrerer Kameramodelle mit demselben Sensor halte ich für zweischneidig und letztendlich halbherzig. Wenn man zu wenig Geld für die Forschung und Entwicklung zur Verfügung hat, dann sollte man konsequent weitergehen und die Anzahl der Kameramodelle generell verringern statt weiterhin eine (zu) große Modellpalette zu führen, die man dann doch letztendlich fast alle mit dem identischen Sensor mit logischer Weise gleicher Bildqualität ausstattet.
Hoffentlich ist nun auch für alle Kritiker anhand dieser Daten, welche aus den original Jahresberichten der Firmen stammen, endgültig belegt, dass die Kamerahersteller in der Fotokrise der letzten Jahre sogar ihre F&E-Etats kürzten.
Bruch und Neuanfang der Kooperation mit Sony
Es ranken sich endlose Gerüchte um Sonys Vergabepolitik für entwickelte Sensoren an fremde Firmen. Manche Autoren sprechen von einer Wartezeit von einem halben Jahr, nachdem Sony etwas entwickelt oder in eigenen Kameras eingesetzt hat, andere von 1 Jahr, wieder andere von 2 Jahren, die angeblich früher üblich waren. D.h. heißt aber, dass alle diese Autoren bis 2017 davon ausgingen, dass Sony alle seine Sensoren nach einer angemessenen Wartezeit der Konkurrenz zugänglich macht.
Aber bereits bei Sonys Nachfolgemodell, dem 42-MP-Sensor für Vollformat-Kameras, scheinen Konflikte zwischen Sony und seinen Partnern Nikon und Pentax aufgebrochen zu sein. Sony gab diesen Sensor nicht mehr an Nikon oder andere Mitbewerber weiter. Diese erhielten nur die alte 36-MP-Version. Den qualitativ hochwertigeren 42-MP-Sensor behielt Sony ausschließlich für seine eigenen Kameramodelle (A7R und A99).
Gleichgültig, was nun im Detail in den alten Kooperations-Verträgen stand oder wie dies im Einzelnen rechtlich zu interpretieren ist. Hier hat Sony de facto den größeren Nutzen aus der Kooperation gezogen, und Nikon wurde benachteiligt. Nikons Know-How floss einseitig zu Sony.
Allerdings muss man auch darauf hinweisen, dass Nikons Techniker aus dem gemeinsam mit Sony entwickelten Sensor durch die jahrelange eigene Erfahrung mit der optimierteren Software in den nachgelagerten Prozessoren eine höhere Bildqualität herauskitzelten. Dass dies Sony ärgerte, ist verständlich, zeigt aber auch, dass die Techniker von Sony noch nicht so gut waren.
Nikon musste für seine - wie üblich zu den Olympischen Spielen - im Jahr 2016 herausgebrachte neue Profikamera (D5 ) einen anderen, qualitativ nicht ganz so hochwertigen und vor allem nicht ISO-invarianten Sensor verwenden. Nikon erhielt somit bereits 2015/2016 nicht den neuen Sony Hochleistungssensor, den Sony selbst und ausschließlich für seine neue A9 im Jahr 2017 verwenden wollte.
Zwar hielten beide Partner über den Konflikt nach außen hin weitgehend Stillschweigen. Aber intern soll es nach den mir vorliegenden Informationen zu beiderseitigen heftigen Vorwürfen gekommen sein. - Und Nikon soll nicht der einzige sich benachteiligt fühlende Beschwerdeführer gewesen sein.
Eine der Folgen war, dass Sony seine Sensorproduktion 2015 aus dem Fotobereich ausgliederte und de jure am 1. April 2016 zu einer selbständigen Firma - Sony Semiconductor Solutions Corporation - machte.
Das war übrigens kein Aprilscherz, sondern der übliche Beginn des neuen Sony-Geschäftsjahres.
Nur so war an ein weitere auch für Sony wichtige Kooperation mit anderen Firmen zu denken.
Der immer und überall unkritisch wiedergekauten Presseverlautbarung, dass dieses Outsourcing nur aufgrund der hohen Gewinne dieser Abteilung zustande kam, kann ich nicht folgen. Der entscheidende Satz lautet: The aim of this new structure is to enable each of the three main businesses within this segment, namely the semiconductor, battery and storage media businesses, to more rapidly adapt to their respective changing market environments and generate sustained growth. Der bewusst verwirrende Vorspann und der gezielt nachgesetzte Punkt lautet, um sich schneller den Marktanforderungen anzupassen. Diese Marktanforderungen kamen im Sensorbereich ausschließlich von den sogenannten Kooperationspartnern, die sich das bisherige Verhalten der Firma Sony so nicht mehr bieten lassen wollten. Dies wird auch in der weiteren Verlautbarung ersichtlich: R&D, business control, sales and other operations related to the semiconductor business, which are currently overseen by business groups and R&D units within Sony Corporation, will be transferred to Sony Semiconductor Solutions. Die komplette Auslagerung auch aller sonst zentralisierten Firmenbereiche wäre zur Gewinnoptimierung oder zur freien Forschung nicht erforderlich gewesen.
Aktueller Zustand (2019ff.)
Sony ließ verlautbaren, dass man eine separate Sensorfirma mit Brandschutzmauern zum Mutterkonzern und der eigenen Fotosparte aufgebaut hatte.
Diese Sensorfirma hat die Technologie für Sensoren inne - also die gesamte Forschung und Entwicklung. An den Ergebnissen dieser Technologie kann angeblich jede interessierte Firma gegen Vertrag und Geldzahlungen an Sony Anteil haben und daraus Nutzen ziehen. Das alleine wäre nichts neues, da Lizenzen etc. schon seit Jahrhunderten üblich sind.
Weitergehend können fremde Firmen - alleine oder zusammen mit der Sensorsparte von Sony - auf der Technologie aufbauend eigene Foto-Sensoren konzipieren, entwickeln und bei Sony fertigen lassen.
Das klingt in der Theorie und der Presse- sowie Marketingsprache erst einmal sehr positiv. Aber lassen Sie uns diese Floskeln einmal hinterfragen.
Brandschutzmauern klingen gut.
Aber nur die rechtlich formale Ausgliederung eines Firmenteils aus dem Konzern unterbindet keine persönlichen Beziehungen der Manager und selbst der einzelnen Mitarbeiter zu anderen Personen im Mutterkonzern. Hinzu kommt der Umstand, dass die verschiedenen Projektleiter innerhalb der Sensorsparte natürlich miteinander essen gehen und sich dabei austauschen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass sich ein Abteilungsleiter Entwicklung für Canon und einer für Nikon und einer für Pentax - natürlich rein zufällig - mit einem Entwicklungsleiter für Sony-Sensoren regelmäßig beim Mittagstisch treffen und sich dabei nicht nur über Sushi unterhalten.
Weitere Probleme treten bei Beförderungen auf. Wenn ein qualifizierter Projektmitarbeiter aus einem Team für Nikon-Sensoren zum Projektleiter, Team-, Gruppenleiter oder Abteilungsleiter eines anderen (rein zufällig Sony) Entwicklerteams aufsteigt, so nimmt er selbstverständlich sein Wissen mit. Das müssen noch nicht einmal die in der Autoindustrie üblichen Container mit Aktenordner sein.
Selbst, wenn es das Top-Management aufrichtig meinen würde, und strengste Kontrollen sowie härteste Strafen gegen eigene Mitarbeiter bei Verstößen verhängen würde, so ist dem einseitigen Informationsfluss oder - verständlicher ausgedrückt - der Industriespionage natürlich Tür und Tor geöffnet. D.h. jede Firma, die mit Sony zusammenarbeitet, muss damit rechnen, dass ihre gesamte Konzeption frühzeitig (also Jahre im Voraus) dem Konkurrenten bekannt wird.
Wenn schon so ziemlich alle Computersysteme der Firma Sony inzwischen von außen angegriffen und viele davon mit verheerenden Schäden nicht nur für den Konzern, sondern auch für die Kunden gehackt wurden, so darf man annehmen, dass intern noch wesentlich weniger Schutzmaßnahmen für Daten vorliegen. Firmen sollten folglich davon ausgehen, dass im Zweifel Systemadministratoren der Firma Sony freien Zugriff auf die gesamten Projekt-Unterlagen der Kooperation haben.
Im Übrigen räumten Vertreter der Fotosparte des Sony Mutterkonzerns in einem Interview 2017 mit dem Fotofachmagazin DPReview auch ein, dass sie selbst alle neuen Entwicklungen ihrer Forschungsabteilung zuerst erhalten und nur deshalb so kurze Entwicklungszeiten (wie bei der A9) realisieren können.
Zur Klarstellung: Ich behaupte nicht, dass dies illegal oder auch nur illegitim ist. Allerdings muss man durchaus sachlich festhalten, dass hier die informationellen, technologischen und technischen Vorteile deutlich bei Sony liegen.
Zugriff auf die gesamte Technologie der Sensorfirma Sony klingt berauschend - fast wie die Freiheit der Forschung an Universitäten.
Allerdings liegt ein oft übersehener Unterschied zwischen Technologie und Technik vor: Technologie meint Grundlagenforschung. Diese ist zwar wichtig, aber nicht so relevant, da die tatsächliche technische Umsetzung daraus erst ein in der Fotokamera nutzbares Produkt macht.
Grundlagenforschung und Technologie meint z.B.: den Benzin-Verbrennungs-Motor. Der Haken daran liegt im Detail. Sofern der Erfinder des Benzinmotors sagt, alle dürfen diese Technologie verwenden, aber nicht die Technik des von mir konkret daraus bereits entwickelten Benzinmotors, so stehen die anderen Firmen ziemlich angeschmiert da. D.h. de facto müssen Sie auf der technologischen Basis alle technischen Details neu erfinden und dürfen niemals den anderen bereits existierenden Motor kopieren. D.h. letztendlich bleibt ein erheblicher Zeitvorsprung des Mutterkonzerns.
2018 mehrten sich Gerüchte, dass Nikon sich zumindest teilweise von Sony abwenden will und zukünftig Projekte mit TowerJazz verwirklichen möchte. 2020 veröffentlichte TowerJazz tatsächlich in seinen TowerJazz (Geschäftsunterlagen auf S. 33 den Satz: Growing market share with a leading DSLR maker und zwei Fotos von Nikon-Kameras - eventuell der Z50 und der D7500 (beide sind APS-C-Kameras). Dafür will TowerJazz die Sensoren hergestellt haben. Und auch den neuen Sensor mit 60MP Auflösung für die eigene Sony A7RIV (2019) erhielt bis heute keine andere Kamera.
Festzuhalten bleibt ferner, dass Sony seinen schnellen Sensor für die Profi-Sportkameras A9 und A9II bis heute nicht an andere Firmen gegeben hat. Als Plattform angeboten wurde seit Ende 2018 nur ein neuer ziemlich vager Sensor, der ca. 36 MP bieten soll bei angeblich bis zu 60 Bilder je Sekunde. Aber niemand hat ihn bisher verwendet.
Warum begeben sich zunehmend Firmen in Sonys Abhängigkeit?
Erstaunlicher Weise hat bisher noch niemand, weder sich und anderen, diese banale Frage gestellt. Vermutlich, weil die Antworten eher unangenehm, vielschichtig und komplex sind.
Auf der einen Seite finden sich seit den 1980er Jahren verstärkte ökonomische Tendenzen, sich auf die eigentlichen Kernkompetenzen der Firma zu beschränken und alles andere auszulagern.
Die wahren Gründe des sogenannten Out-Sourcing sind jedoch vielschichtig.
Wenn man sich die kleinen Forschungsetats der kleinen Kamerahersteller ansieht, so scheint der Grund schlichtweg im Geldmangel zu liegen. Mit den eigenen Mitteln könnte man keinen modernen Sensor selbst konzipieren, entwickeln und produzieren.
Grundsätzlich ist es natürlich korrekt, wenn man sich keine Dinge an das Bein bindet, die man nicht wirklich kann, die im eigenen Haus zu teuer sind, oder intern mangels kompetenter Mitarbeiter in einer miserablen Qualität gefertigt werden (schlechter als bei Drittanbietern) oder immer zu spät fertig werden.
Allerdings werden die Koordinationskosten zwischen Mutterkonzern und ausgelagerten Dienstleistern oft sträflich unterschätzt. Hinzu kommen Anlaufschwierigkeiten, Kommunikationsschwierigkeiten, oft kulturelle Verständnisprobleme, Zeitzonenunterschiede etc. Nicht selten sind solche Auslagerungen de facto sehr teuer und können im Einzelfall sogar zum Ruin der Mutterfirma führen.
Aber die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wie Gewinn, Umsatz je Investition oder der sogenannte Cash-flow sehen natürlich besser aus. Auch die gesunkenen Mitarbeiterzahlen (und folglich Personalkosten) werden an der Börse immer sofort honoriert.
Hinzu kam ein zunehmendes kurzfristiges Denken vieler Manager, die auf ihrem Karriereweg zur Firmenspitze sowieso oft nur 1-2 Jahre auf einer Position sind und die Folgen einer Entscheidung meist nicht mehr ausbaden müssen, aber von den guten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen durch jährliche Boni profitierten.
Überdies beherrschte lange Zeit eine völlig irrige Annahme das Out-Sourcing: Angeblich wären die Zulieferer in der schwächeren Position und könnten gnadenlos geknebelt werden. Inzwischen dürfte einigen Entscheidern schmerzlich klargeworden sein, dass in zahlreichen Fällen heute die Zulieferer die besseren Karten haben.
Ganz unglücklich ist, dass viele Firmen einmal beschlossene Out-Sourcing-Katastrophen - auch bei belegten Fakten - meist nicht mehr korrigieren, sondern nur noch an den Symptomen herumdoktern und sich irgendwie damit arrangieren. In der Tat ist nämlich das spätere erneute sogenannte In-Sourcing, also der komplette Neuaufbau einer Abteilung im eigenen Haus, alles andere als einfach oder billig oder schnell zu bewerkstelligen.
Mangelnde Sensibilität und technische Fachkompetenz des Managements vieler Firmen:
Nicht nur ich, sondern auch zahlreiche andere Firmenberater attestieren einem großen Anteil der Geschäftsführer eine mangelnde Sensibilität für die kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Folgen der Technologieauslagerung und der Industriespionage.
Spricht man diesen Punkt im Management konkret an, stellt sich nicht selten die fachliche Ahnungslosigkeit über die wichtigen technischen Details heraus. Vor allem in den letzten zwei Dekaden haben sich immer mehr Menschen (auch Manager) daran gewöhnt, dass angeblich alle Informationen sowieso frei im Internet verfügbar seien. Nicht wenige Entscheider folgern daraus, dass man deshalb die eigenen Informationen auch nicht besonders schützen muss, da man offensichtlich deren Wert oft nicht mehr erkennt.
Viele Entscheider gehen fälschlicher Weise auch davon aus, dass man diese Dinge bereits durch Patente gesichert hätte, was oft ein Trugschluss ist. Ferner sind wie bereits ausgeführt nicht die Grundlagen so entscheidend, sondern die technische Umsetzung im Detail. Und oft lässt sich nur dieses kleine Detail dann patentrechtlich schützen. D.h. im schlimmsten Fall kann eine andere Firma das Produkt nachbauen, wenn sie auch nur ein relevantes Detail daran ändert. Für klassische Nachbauer ist es so oft sogar möglich ihre eigenen winzigen Verbesserungen anzubringen, die der Kunde dann auch noch als Vorteil ansieht.
Hinzu kommt, dass viele Manager überwiegend aus dem Wirtschaftsbereich stammen und eher in rein betriebswirtschaftlichen Kennzahlen denken, sprechen sowie handeln. Hier legt wiederum die Krux darin, dass technisches und technologisches Fachwissen sehr schwer zu quantifizieren sind.
Massenanziehungseffekt, Agglomerationseffekt:
Eigentlich handelt es sich um einen Effekt, der eher aus anderen Bereichen bekannt ist. Wächst eine Stadt, so zieht sie - irgendwie magisch - langsam aber stetig immer mehr Einwohner an.
Etwas Ähnliches scheint bei Firmen zu existieren. Je mehr Opfer in das Netz der Spinne gegangen sind, umso schneller folgen weitere. Dies geschieht sogar, obwohl die Anreize objektiv gesehen nicht steigen. Oft höre ich von Managern: Wenn A und B dort sind, dann können / sollten / müssen wir auch dort hin. - Ich nutze diesen Effekt gerne bei Messen, auf denen unser Stand ohne Besucher ist. Sobald ich alle Mitarbeiter (bis auf eine Person) auf die Kundenseite stelle, strömen plötzlich immer mehr Besucher an unseren Stand, sodass ich dann langsam die neutral gekleideten Mitarbeiter wieder zur Beratung nach innen ziehen kann. Selbstverständlich bin ich mir darüber bewusst, dass es sich um einen hinterlistigen Trick aus der Kiste der Verkaufspsychologie handelt. Aber er wirkt.
Bei Firmen mit Out-Sourcing-Tendenzen hat dies jedoch evtl. eine sehr schädliche Auswirkung. Letztendlich werden sehr viele Firmen von den wenigen oder sogar einem einzigen Anbieter abhängig und dann bis ins Mark erpressbar.
Verstärkt wird dies durch den Abwanderungsprozess der eigenen Fachkräfte. So musste Nikon durch die Zusammenarbeit mit Sony in den letzten Jahren eine ständige und - wie Gerüchte besagen - sogar zunehmende Abwanderung seiner eigenen Sensorfachkräfte hin zu Sony verschmerzen.
Hinzu kommt ein aktiver Erweiterungsprozess der Sensor-Hersteller selbst, der zu Aufkäufen (Sony erwarb Anfang 2016 die gesamte APS-C-Sensor-Produktion von Toshiba) oder Fusionen führt (Aptina fusionierte mit ON Semiconductor 2014). In manchen für die Fotografie relevanten Bereichen führt dies zur monopolartigen Marktbeherrschung: So finden sich inzwischen nur noch 3 APS-C-Sensor-Hersteller.
Persönlich sehe ich Out-Sourcing durchaus differenziert:
Unwichtige Bereiche kann und sollte man tatsächlich abgeben, sofern die ganzheitliche Nutzen-Kosten-Analyse dafür spricht.
Aber wichtige Bereiche sollte man aus strategischen Gründen unbedingt im eigenen Haus behalten, gleichgültig wie unbequem deren Mitarbeiter, wie hoch die Kosten und wie aufwändig die ganze Angelegenheit ist. - Wie Sie meinen bisherigen Ausführungen entnehmen können, halte ich die Sensorproduktion für einen Kernbereich der Kamera- und Video-Hersteller. Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei um eine Überlebensfrage.
Man möge mich aber bitte richtig verstehen: Eine herabgewirtschaftete, unterfinanzierte, demoralisierte F&E-Sensor-Abteilung zu halten, sichert keinem Hersteller langfristig das Überleben. Man muss den Wert der Sensoren erkennen und dies dann auch dementsprechend finanziell im Etat würdigen. D.h. es ist die Aufgabe des Managements dafür zu sorgen, dass sich dieser Bereich auch lohnt. Hier halte ich den von Sony beschrittenen Weg der Öffnung für Dritte sowie (faire) Kooperationen durchaus als eine gangbare Option.
Weitere Kamerahersteller
Panasonic
Weitgehend unbekannt ist, dass Panasonic zu den größeren Sensorproduzenten weltweit gehört(e).
So ist anzunehmen, dass es alle seine MFT-Sensoren für die Foto- und Video-Kameras selbst konzipiert, entwickelt und herstellt.
Allerdings findet sich Panasonic seit 2014 in einer Partnerschaft mit TowerJazz (Wikipedia Englisch bei der Sensorherstellung in einer eigenen Tochterfirma TowerJazz Panasonic Semiconductor Co. (TPSCo), sodass einige Sensoren auch von diesem Hersteller resp. der gemeinsamen Tochter stammen. - Jene Firma TowerJazz scheint nicht nur mit Panasonic, sondern auch mit anderen Herstellern eine neue Allianz aufbauen zu wollen, die ab 2018 modernste Kamerasensoren (auch für Dritte) entwickeln und anbieten möchte. Gerüchteweise soll sich angeblich Nikon (zumindest teilweise) von Sony abwenden und neue Sensoren bei TowerJazz entwickeln und fertigen lassen. Andere Quellen vermuten, dass Panasonic 2018 weitgehend alles an TowerJazz verkaufte - also selbst nicht mehr Sensoren produziert.
Jedoch scheint bei Panasonics MFT- = 4/3-Zoll-Format die Sensorgröße inzwischen einschränkende Grenzen zu setzen. So wurden die euphorischen Ankündigungen zur 8K-Video-Kamera für Privatnutzer zeitlich deutlich nach hinten verschoben. Man spricht derzeit nur noch von einer Profikamera bis zu den Olympischen Spielen 2020.
Olympus
Olympus scheint keine eigene Sensorproduktion zu besitzen.
Aufgrund der strategischen Partnerschaft bezüglich der Mirco-Four-Thirds-Klasse mit Panasonic, darf man davon ausgehen, dass Olympus vermutlich einige Sensoren bei Panasonic herstellen ließ/lässt. Allerdings ist auch bekannt, dass einige neuere Sensoren von Sony stammen.
Es scheint so zu sein, dass Olympus zwar die für seine Kameras gebauten Sensoren mitkonzipiert, sie jedoch überwiegend von dritten entwickelt werden.
Fujifilm
Auch Fujifilm besitzt eine eigene Sensorproduktion. Dies ist jedoch eher auf CCDs und für Smartphones ausgerichtet.
Allerdings ist von zahlreichen Sensoren in Fuji-Kameras bekannt, dass sie von anderen Sensorherstellern wie z.B. Sony stammen.
Viel eher scheinen die Techniker der Firma heute nur noch mit der Sensorkonzeption beschäftigt zu sein. Die Herstellung übernehmen Dritte.
Seit mindestens 2013 arbeiten Fujifilm und Panasonic gemeinsam an neuen Sensoren, die gemäß Verlautbarungen (in naher Zukunft) erhebliche Neuerungen bieten sollen. Allerdings scheinen sie mit Zentralverschluss auf dem Sensor (kein rolling shutter) und 60 Bildern je Sekunde bei 8K-Filmen sowie größerem Dynamikumfang eher für den Bereich Video konzipiert zu sein.
Leica
Die Produktionszahlen der angesehenen Firma Leica sind (je Modell) so gering, dass sie es sich leisten kann, auch auf kleine Nischenanbieter mit geringer Produktionskapazität als Sensorlieferanten zurückzugreifen.
Hier zeigen sich die damit verbundenen Vor- und Nachteile:
Als Vorteil ist zu werten, dass man aufgrund der weltweit unerwartet großen Auswahl die eigene Abhängigkeit vom Lieferanten verringert.
Ferner kann man mit kleinen Firmen eher individuelle Lösungen durchsetzen.
Als Nachteil ist zu sehen, dass man so kaum auf die Skaleneffekte kommt, welche den Sensor preiswert machen.
Noch einschränkender wird die Suche nach modernen Hochleistungssensoren für den Fotobereich. Die wirklich großen Anbieter (wie z.B. Sony oder Samsung) geben sich mit solch kleinen Stückzahlen nicht ab. Dort würden die Kosten für F&E, individuelle Konzeption und Maschineneinstellung zur Produktion zu hoch sein. D.h. der Zugang zu einigen qualitativ hochwertigen Sensoren bleibt versperrt.
Samsung
Samsung stellt Bildsensoren für sich und andere Firmen her.
Da Samsung jedoch Ende 2015 de facto - wie ich meine sehr mutig - komplett aus dem klassischen Fotobereich ausgeschieden ist, spielt es nur noch bei Smartphones eine aktive Rolle.
Zusammenfassend lässt sich über die meisten kleinen Kamerahersteller festhalten, dass sie sich - zumindest inzwischen - nicht mehr allein an einen einzigen Hersteller von Sensoren binden wollen.
Die Zukunft
Fakten
Auch, wenn es klassische Fotografen ungern hören, bereits die Gegenwart für die Fotowirtschaft sieht schlecht aus und folglich auch für die Fotografen.
Überdies zielt die Zukunft eindeutig weg vom Standbild hin zum Video.
Bereits heute werden jährlich geschätzt über 3 eventuell sogar rund 4 Milliarden Foto-Sensoren überwiegend für die Smartphones hergestellt, welche inzwischen jeweils 2-3 besitzen (1 Selfie-Kamera hinten und 1-2 Front-Kameras). Hinzu kommen bereits heute jeweils viele Millionen Sensoren für die Industrie, die Sicherheitsdienste / Überwachung, die Medizin, Luftfahrt (Drohnen), Web-Cams (z.B. in Laptops), Roboter und (dramatisch ansteigend) die Autoindustrie bis hin zu selbstfahrenden Autos sowie die gern übersehenen Barcode- und Dokumenten-Lesegeräte. - Der Anteil der ca. 20-30 Millionen gefertigten (d.h. nicht unbedingt an Endkunden verkauften) Foto-Kameras liegt somit bei unter einem Prozent.
Daraus folgt, dass sämtliche grundlegende Forschung und Entwicklung an Fotosensoren bereits seit mindestens 2012 selbstredend auf diesen Märkten stattfindet und nicht mehr für Fotografen. Fotografen erhalten bestenfalls Jahre später die heruntergereichten Abfallprodukte der anderen Märkte. So wurden BSI-Sensoren schon seit 2007 produziert, seit 2009 von Sony optimiert, 2010 überall besprochen und kurz darauf in Smartphones (iPhone4s etc.) eingesetzt, fanden jedoch erst zögerlich sowie Jahre später Einzug in die größeren Sensoren der klassischen Foto-Kameras und kamen erst 2015 mit Sonys a7RII und 2017 bei Nikons D850 im Bereich Vollformat an. Der bereits 2012 für Smartphones entwickelte Stacked CMOS-Sensor fand ebenfalls erst 2017 bei Sonys A9 Verwendung.
Und selbst die banale Tatsache, dass wir heute fast nur noch CMOS-Sensoren (= CIS = CMOS Image Sensor, mit weit über 90% Marktanteil) statt CCDs in Fotokameras verwenden, liegt zum größten Teil an den Smartphones, welche diese Technik zuerst in großer Stückzahl einsetzten und dann dort sukzessive alle technischen Probleme lösten.
Da die Schärfe dieser Aussage nicht so leicht zu verstehen ist, hier nochmal im Klartext: Die CCD-Sensoren (CCD Englisch - CCD Deutsch) waren bereits vor 10 Jahren qualitativ hochwertiger und sind es in vielen technischen Bereichen sogar heute noch (vor allem in den wichtigen Bereichen hohe Licht-Empfindlichkeit und geringes Rauschen. Die Smartphone-Hersteller wollten jedoch die qualitativ minderwertigen CMOS-Sensoren (CMOS Englisch - CMOS Deutsch), weil diese preiswert und schnell in großen Stückzahlen herstellbar waren. Dann wurde mit Milliardeninvestitionen diese minderwertige Technologie systematisch hochgepäppelt. Hätte man dieselben Investitionen und vor allem die Wissenschaftler und Techniker für die Verbesserung der CCD-Sensoren verwendet, hätten wir heute deutlich hochwertigere Fotosensoren, deren bessere Bildqualität jeder Anwender sofort am Ergebnis sehen würde. - Dies relativiert dann auch die immer wieder so vollmundig geäußerten warmen Worte der Kundenorientierung oder der technischen Orientierung der Firmen an höchster Bildqualität. In Wirklichkeit geht es um ganz einfache ökonomische Vorteile.
Wer den Rückstand der Fotobranche nicht glaubt, kann einmal die Linkliste der modernen Sensorhersteller unten im Literaturverzeichnis durchklicken und wird auf deren Internet-Seiten erstaunt feststellen, dass die um 2015 angebotenen Smartphone-Sensoren bereits all das bessaßen, wovon man in der Fotobranche noch träumte - wie z.B. vollfunktionstüchtiger Phasenautofokus auf dem Sensor (phase-detection autofocus - PDAF), oder gleichzeitige Doppelbelichtung für HDRI (zigzag high dynamic range - zHDR), oder Synchronisierung der Bildinhalte von zwei oder mehreren Kameras / Sensoren auf einem Smartphone zum gleichzeitigen auslösen und Zusammen-/Umrechnen in ein Foto. Mit letzteren werden nicht nur Stereoaufnahmen möglich, sondern Dinge, welche klassische Kameras vermutlich nie beherrschen werden. Oder haben Sie schon etwas von gyrogesteuerten Sensoren gehört, welche im Sensor die Verwacklungen korrigieren? Oder von 4K-Video mit 60 Bildern in der Sekunde. Oder von 240 Bildern in der Sekunde Zeitlupe (beides iPhone 8). Oder von fast 1.000 Bilder je Sekunde Zeitlupe, das Sony bereits entwickelt. Oder von 3D-Bild-Sensoren? Letztere sind bereits zur Gesichtserkennung im iPhone 8 und X enthalten, und sie werden für selbstfahrende Autos, Drohnen und Roboter aufgrund der Anforderung des räumlichen Sehens benötigt. Zusammenfassend: noch kleinere Sensoren, bei gleichzeitig noch höherer Bildqualität bei schlechtem Licht, höhere Auflösung, besserer Autofokus, mehr Bilder je Sekunde und 3D-Funktionen, welche die meisten Fotografen sich überhaupt noch nicht vorstellen können. - Die Sensoren dafür sind bereits heute verfügbar, und wir werden sie vermutlich sehr bald in kaufbaren Produkten wie Smartphones erhalten. Aber vermutlich erhalten wir so etwas erst viel später in klassischen Kameras, wenn überhaupt.
Das Sensor-Dilemma besteht somit für alle Hersteller darin, dass man heute hochwertige großflächige Sensoren (überwiegend für klassische Foto-Kameras) nur noch dann zu einem erträglichen Preis erforschen und entwickeln kann, wenn man dies zuerst an den kleinen Sensoren im Smartphone-Bereich durchführt und die meisten Kosten dort verrechnen kann. Hierzu ein fiktives Rechenbeispiel:
Die Erforschung einer völlig neuen alles Bisherige übertreffenden Sensortechnologie kostet 500 Millionen Euro. Die Entwicklung dieser Technologie bis zum produktionsfähigen Sensor verschlingt nochmals 500 Millionen. Diese 1 Milliarde Euro Gesamtkosten lassen sich bei 1 Milliarde produzierter kleiner Sensoren für Smartphones etc. mit 1 Euro je Stück sehr leicht auf die Stückkosten und die Abnehmer verteilen. Für die Weiterentwicklung / Adaption der Technologie auf größere Sensoren fallen dann nochmals 100 Millionen an. Diese lassen sich dann durchaus auf die 1 Million klassischen Fotokameras mit je 100 Euro Stückkosten verteilen.
Muss hingegen ein Kamerahersteller die Gesamten F&E-Kosten von 1 Milliarde auf die Kameraklasse umlegen, so wird dies selbst bei 1 Million Fotokameras mit Stückkosten von 1.000 Euro für die meisten Kameraklassen undurchführbar. Und selbst für die teure Profiklasse wird es unrealistisch, da dort je Modell kaum 100.000 Stück verkauft werden und somit die umgelegten Stückkosten bei 10.000 Euro lägen.
Kurzum: Wer nicht an dem Milliarden-Geschäft der Smartphone-Produktion beteiligt ist und daran verdient, oder zumindest seine Forschungskosten dort amortisiert, besitzt für die alleine durchgeführte Entwicklung großflächiger Sensoren einen gravierenden strategischen Nachteil.
Thesen
Wenn man die obigen Fakten betrachten, welche sich seit spätestens 2010 abzeichneten, dann muss man diese auch weiterdenken und für die Zukunft Schlüsse ziehen.
Selbstredend ist der Wert einer Kamera in der täglichen Fotopraxis nicht nur am Sensor festzumachen. Aber exakt das tun in Wirklichkeit fast alle Käufer. Die anderen Bereiche wie Ergonomie, Gewicht, Volumen sind jedoch für die meisten Menschen sehr komplex und vor allem in der Werbebroschüre nicht so leicht zu erkennen. Hingegen lassen sich +1 Lichtwert beim Dynamikumfang, -1 Lichtwert beim Autofokus bei Dunkelheit, oder eine etwas höhere Linienzahl, oder x% mehr Kontrast oder mehr Mega-Pixel etc. ganz leicht in Zahlen darstellen. Auch, wenn das oft Laborwerte unter Extrembedingungen sind, die in der Fotopraxis der meisten Fotografen eher selten vorkommen und somit selten genutzt werden können.
Der oben aufgezeigte Trend - moderne Smartphones gegen veraltete Fotokameras - wird sich sogar dramatisch weiter verstärken. Wir werden in Kürze Smartphones mit noch wesentlich mehr Fotosensoren als bisher sehen. Für modernste 3D- und Interaktiv- sowie Virtual Reality-/ Augmented-Reality-Lösungen gehen manche Beobachter von bis zu einem halben Dutzend Kameras / Bildsensoren je Mobilgerät aus.
All dies verschärft die negativen Skaleneffekte im klassischen Fotobereich. Für immer weniger Fotoapparate mit Sensoren im Format 3:2 oder 4:3 und in sowieso seltenen Größen (MFT, APS-C und Vollformat sowie Mittelformat) steigen die Kosten für Forschung und Entwicklung angesichts des bereits heute erreichten Qualitätsniveaus massiv an und erhöhen so die ohnedies schon hohen Kamerapreise weiter. In der Folge werden noch weniger Fotografen solche teuren Produkte kaufen.
Da die hohen Investitionen in Fotosensoren ausschließlich durch die riesigen Stückzahlen im Bereich Smartphone und zukünftig Automotive wieder eingespielt werden können, sprechen wir spätestens in den 2020er Jahren von zumindest hohen einstelligen Milliarden-Stückzahlen an Sensoren jährlich.
Sensor-Hersteller, welche nicht mindestens einen Anteil von 10% an dieser Weltmarktproduktion besitzen, werden es schwer haben, die immer höheren Investitionen in die Forschung und Entwicklung langfristig finanzieren zu können. Firmen mit einem Marktanteil unter 5% wird dies bereits mittelfristig extrem schwerfallen.
Und hier sehe ich ernstliche Probleme für viele Zulieferer der Fotoindustrie und sogar den Marktführer bei Kameras - Canon. Alle Zahlen, welche mir Vorliegen gehen bei Canon von derzeit deutlich unter 5% Anteil am Sensormarkt aus.
Selbstverständlich kann man versuchen, als Edel-Sensorhersteller in einer Marktnische mit horrenden Preisen zu überleben. Das Problem ist in der Fotobranche jedoch, dass nur wenige Kunden diese bereits heute rasant steigenden Sensor- und damit Kamerapreise wirklich bezahlen können oder wollen.
Zwar findet bereits heute hinter den Kulissen in unfassbarem Umfange gegenseitige Lizenzierung statt, da keine Firma wirklich alles selbst erfindet oder nacherfinden will. Aber Lizenzen kosten Geld und werden immer zeitverzögert herausgegeben. D.h. der Lizenznehmer gerät in Zeitverzug und wird zunehmend abhängig vom Lizenzgeber.
Es kommt noch schlimmer für die klassischen Kamerahersteller: Die Macht der Smartphone-Hersteller ist heute bereits derart groß, dass sie den Sensorherstellern diktieren können, wohin entwickelt wird. Erstaunlicherweise sind vor allem die großen Sensorhersteller von diesen oft gnadenlosen Auftraggebern wie Apple extrem abhängig und erpressbar. Dies gilt vor allem für Sony. D.h. je größer die eigenen Produktionszahlen bei Sensoren sind, desto stärker sind die Firmen gezwungen, in diesem Bereich in Forschung und Entwicklung zu investieren, nur um ihre technisch etwas fortschrittlichere Position und damit die eigenen Produktionszahlen zu halten. - D.h. die angeblich so mächtigen Sensorhersteller wie Sony sind auch wieder nur Getriebene.
Folglich wage ich die Prognose, dass der Sensormarkt weiterhin volatil bleibt und Marktverschiebungen nicht auszuschließen sind.
Da die kleinen Sensoren für Smartphones immer weiterentwickelt werden und diejenigen der Fotosparte entweder um Jahre hinterherhinken oder diese neue (=bessere) Technologie zukünftig überhaupt nicht mehr erhalten, wird sich der qualitative Abstand der Fotos vom Smartphone zu denen auf völlig überteuerten klassischen Fotoapparaten stetig weiter verringern. In der Folge wird die Zahl der klassischen Fotografen weiter zurückgehen. Und damit natürlich auch deren regelmäßige Ein-/Neukäufe.
Dank der zunehmenden Produktion von Smartphones und kleinen Sensoren für z.B. den Automotive-Bereich werden dort die Skaleneffekte noch größer (man darf vermuten, dass dann die Preise je Stück insgesamt unter 10 US$ je Sensor sinken). Gleichzeitig werden die bereits heute im Vollformat ca. 100-Mal höheren Kosten je Sensor sich nochmals drastisch erhöhen. D.h. die bereits seit langem vorhandene (aber von fast allen Fotografen übersehene resp. geleugnete) Spaltung in einen ständig wachsenden Niedrigpreissektor bei Sensoren mit riesigen Stückzahlen und ein ständig schrumpfendes Hochpreissegment wird sich verschärfen. Gleichzeitig wird der Qualitätsunterschied immer geringer werden.
Aus dieser Sackgasse helfen im Grunde nur strategische Partnerschaften der Kamerahersteller mit den großen Sensorherstellern im Smartphone-Bereich. Damit sind nicht immer die bekannten Marken der Smartphone-Hersteller selbst gemeint. Denn exakt diese lassen sehr oft bei Dritten herstellen und beziehen die Einzelteile nach Lust und Marktlage von überall her.
Allerdings stehen so mancher strategischen Partnerschaft erhebliche Hindernisse im Weg. So sind z.B. die emotionalen Kriegsschäden zwischen Korea und Japan noch lange nicht behoben. Und wie man bei Sony sah, kann man sich bei unseriösen Partnerschaften auch ganz schnell die Finger verbrennen - mit bis zu beinahe existenziellen Folgen für die eigene Firma.
Und selbst, falls alles ideal läuft, so wage ich die These, dass diese Entwicklung letztendlich zu sehr ähnlichen Sensoren bei ganz wenigen Sensorherstellern führen wird. D.h. bei zunehmender Konzentration auf wenige Sensorhersteller wird der Fotograf in einigen Jahren praktisch identische Sensoren und damit Bildqualität erhalten. Mit anderen Worten wird die heute noch so dominierende Bildqualität des Sensors als Unterscheidungskriterium entfallen oder zumindest zurückgedrängt werden.
Sonys strategischer Vorteil
Zum Abschluss noch die erfreuliche Nachricht für die Sony-Anhänger: Derzeit sehe ich aufgrund der Analyse der Sensoren nur Sony als langfristig erfolgreich überlebende Firma in der Fotobranche.
Es liegt vor allem an dem hohen Engagement des Konzerns bei kleinen Sensoren für Smartphones. Dort sind die produzierten Stückzahlen im wahrsten Sinne des Wortes gigantisch im Vergleich zu denjenigen im klassischen Fotobereich. Das erlaubt einerseits andere Skaleneffekte, welche die Kosten für die Produktion senken, und andererseits trotz niedriger Verkaufspreise von ca. 20 Euro je Sensor kontinuierlich hohe Einnahmen.
Ferner ist der Innovationsdruck in diesem Bereich extrem, und bei den kleinen Sensoren zahlt sich jede technische Verbesserung derzeit auch noch in einer mess- und sogar sichtbar höheren Bildqualität aus. D.h. die Forschung lohnt sich dort wirklich.
Angesichts der hohen Aufwendungen für F&E im Sensorbereich für Smartphones, die dort in den Verkaufspreis eingerechnet werden, ist die Effizienz der Forschung für die großen Sensoren hoch. Man muss - ketzerisch verkürzt - im Grunde die Technologie nur noch auf große Flächen technisch übertragen.
Auch, wenn letzteres keineswegs ein Kinderspiel ist, so gelingt es den Sony-Technikern doch zunehmend gut und vor allem immer schneller. D.h. die Innovationszyklen sind in diesem fotografischen Teilbereich des Sony-Konzerns sehr kurz - deutlich kürzer als bei den Mitbewerbern.
Derselbe Aufwand für Forschung und Entwicklung bei großen Bild-Sensoren im klassischen Fotobereich erbringt einerseits angesichts der dort bereits weitgehend ausgereizten Technik und andererseits angesichts der dort anderen physikalischen Rahmenbedingungen nur noch wenig (es steht dort durch die vielfach so große Sensorfläche viel mehr Licht zur Verfügung). D.h. nur als Abfallprodukt der Smartphones lohnt sich so etwas überhaupt. Dies sieht man sogar an den Sony- resp. von Sony mitentwickelten Sensoren selbst: Seit 2012 erzielt man im Vollformat nur noch eher messbare Verbesserungen der Bildqualität und ist bereits zufrieden, wenn man die hohe Bildqualität von 36 auf 42 oder auf 45 Mega-Pixel übertragen resp. halten kann. Bitte verstehen Sie mich richtig. Das ist technisch bereits eine Leistung, da früher mit dem Anstieg der Pixelzahl die Bildqualität teilweise schlechter wurde. Aber für viele Fotografen rangiert das schon im Bereich des Gut-Genug.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil, der (auch von Analytikern) gerne übersehen wird: Die CMOS-Sensoren sind geradezu darauf ausgelegt, dass man die nachgelagerte Elektronik in den Sensor und sogar bis auf die einzelne Pixelebene herunterbricht und dort integriert. Hier spielt der Elektronikkonzern Sony erneut seine Vorteile aus, wie man es am Stacked CMOS-Sensor der Smartphones und in der Profikamera A9 erkennt. Auch dort wurde eine für den Smartphone-Bereich entwickelte sowie dort sinnvolle Technologie technisch für den Vollformat-Sensor adaptiert und weiterentwickelt - in der fast unglaublich kurzen Zeit von nur 2 Jahren.
Zusammenfassend: Den strategischen Hauptvorteil Sonys für die klassische Fotografie sehe ich im soliden Standbein bei Sensoren im Smartphone-Bereich. Das können andere Mitbewerber nicht ausgleichen.
Hinzu kommt die Kombination aus technisch wirklich hervorragenden Bild-Sensoren mit inzwischen sehr guten Kameras, welche dank der über 20-jährigen Zusammenarbeit mit Zeiss seit 2016/17 auch mit den G-Master-Objektiven hervorragende Gesamtsysteme besitzen. Das könnte den Ausschlag geben.
Allerdings muss es Sony nun auch endlich gelingen, aus seinen eigenen Sensoren unter allen Einsatzbedingungen eine bessere Bildqualität herauszukitzeln als die Mitbewerber - und nicht nur auf in der Fotopraxis selten zu erreichenden Laborwerten und Papierdenkmodellen für die Werbeprospekte.
Ferner muss bei steigender Kundenzahl der Service weltweit ausgebaut werden.
Letztendlich muss man bei F&E die Geschwindigkeit beibehalten, um die Führungsposition langfristig auch zu behalten. D.h. es gibt selbst in der Fotobranche trotz allem Erfreulichen noch einige Hürden zu überwinden.
Aber im Hintergrund lauern noch immer die erheblichen technischen und ökonomischen Schwierigkeiten des Gesamtkonzerns, der bei weitem noch nicht mit allen Produkten wieder auf der Erfolgsschiene fährt.
Im Übrigen bedeutet technischer Vorsprung nicht unbedingt Marktmacht, wie das Beispiel Betamax zeigte. Mit Betamax besaß Sony im letzten Jahrhundert eindeutig die hochwertigere Technologie sowie Technik bei Video-Kassetten, -Aufzeichnungs- sowie -Abspielgeräten. Aber die Kombination aus Hochnäsigkeit, Hochpreispolitik und Verkennung der Kundenwünsche (Gut-Genug-Prinzip) führte damals dennoch zum Sieg des schlechteren VHS-Systems.
Falls nun Kenner der Marktlage bei Sony schmunzeln, weil sie exakt diese Symptome wiedererkennen zu glauben, so sei eine Warnung ausgesprochen: Die Kunden scheinen derzeit das seit Jahren anders wahrzunehmen. Für sie waren auch 5.700 Euro nur für das A9-Gehäuse offenbar ein akzeptabler Preis. Über den überlasteten Service beschweren sich auch erstaunlich wenige. Letztendlich scheinen derzeit viele der Kunden tatsächlich sehr an den herausragenden technischen Papierwerten jener Sony-Kameras interessiert zu sein und nehmen dafür so manchen Nachteil in Kauf. - Zumindest momentan scheint das Marketing der Firma Sony einen wichtigen Nerv mancher Fotografen getroffen zu haben. Das gelingt Sony auch deshalb, weil die Konkurrenten sich seit Jahren ziemlich schwertun, sinnvolle Neuerungen einzuführen und diese dann auch optimal zu bewerben. Die Hauptschuld liegt somit an der Konkurrenz, welche hier eine offene Flanke bot. So war es früher viele Jahre Canon, die mit sinnvollen, faszinierenden, bis hin zu futuristisch abgedrehten und in der Fotopraxis unbrauchbaren Neuerungen ständig das Publikum faszinierte und so erst in den 70-90er Jahren die neue Marktposition als Nummer eins erreichte. Auch Nikon war früher technisch innovativer und vor allem deutlich besser in der Kommunikation und in der Werbung.
D.h. sicher ist nichts. Oder wie Walter Giller so treffend zu sagen pflegte: Es bleibt schwierig.
Nachtrag und Analyse 2024
Zumindest bis 2023 einschließlich stritten sich Canon und Sony noch um die jeweilige Marktführerschaft. D.h. Sony konnte trotz aller Vorteile nur aufholen, aber (noch) nicht auf Platz eins überholen. Immerhin war Nikon inzwischen deutlich auf Platz drei verwiesen worden.
Der bei Verfassung der ersten Version dieses Artikels über das Sensor-Dilemma glaubten nur wenige meinen Analysen und Prognosen, dass 2023 nur noch weniger als 8 Mio. dedizierte Kameras verkauft werden würden. Der Absturz der dedizierten Kameras in die Bedeutungslosigkeit der Hi-Fi-Nische verlief dramatisch schnell. Gleichzeitig stiegen Produktion und Verkauf der ständig mittels Künstlicher Intelligenz optimierten Smartphones auf rund 1,5 Milliarden Stück jedes Jahr.
Hinzu kommt, dass sich 2024 eher 4 Kameramodule, aber durchschnittlich zumindest 3 in jedem Smartphone befanden. D.h. die Produktionszahlen jener kleinen Kameramodule haben sogar nochmals drastisch zugenommen. Um deren Bedarf abzudecken, wurden in den letzten Jahren sogar komplett neue Fabriken zusätzlich erbaut und weitere sind für die Zukunft bereits fest geplant. Deshalb fließen inzwischen auch noch größere Gelder für Forschung und Entwicklung dort hinein, weil sie sich bei 4-6 Milliarden Kameramodulen im Jahr definitiv amortisieren. Der daraus folgende technologische Fortschritt war in den letzten Jahren derart groß, dass sich Hersteller wie Sony 2022 aus der Deckung wagten und prognostizierten, dass ihre (sowie andere) bereits in der Entwicklung sich befindenden Smartphone-Sensoren im Jahr 2025 sogar jede dedizierte Vollformat-Kamera bei der Bildqualität erreichen respektive übertrumpfen werden.
Ein wichtiger Grund ist jedoch der Video-Bereich, der wie noch früher bereits vorausgesagt 2024 bereits die Gegenwart darstellte. Dedizierte Kameras werden zwar noch höflich als Hybrid-Modelle bezeichnet, waren spätestens Anfang der 2023 Jahre jedoch sehr hochwertige Video-Kameras, mit denen man auch noch - allerdings immer mühsamer - fotografieren kann. Nicht nur die Menüs, die Kameragehäuse und die Objektive wurden hin zu Video optimiert, sondern vor allem die Sensoren. Seit Jahren wurde dafür sogar auf für die Fotografen wichtigen Bereiche der Bildqualität verzeichnet. So wurde u.a. der für die Bildqualität wichtige Dynamikumfang signifikant reduziert, um eine höhere Serienbildgeschwindigkeit zu erreichen. Bei der Sony A9III waren es 2024 120 Bilder in der Sekunde, was nur für Video interessant ist. Auch der dort verwendete Global-Shutter-Sensor spielt seine wahren Vorteile nur bei Video aus. Im Fotobereich konnte man schnelle Bewegungen mit dem mechanischen Verschluss schon lange ohne Verzerrungen respektive Verbiegungen aufnehmen.
D.h. von den weniger als jährlich verkauften 8 Mio. dedizierten Kameras sind vermutlich inzwischen die Hälfte für Videografen und nicht mehr für Fotografen.
Insgesamt stiegen für Kunden die Preise der dedizierten Kameras in den letzten Jahren derart an, dass viele Interessenten aus finanziellen Gründen nicht mehr mithalten können oder sogar bereits aussteigen mussten. Dadurch nahm der Einfluss der Reichen im Kamerabereich deutlich zu.
Bereits 2023 trat die vorausgesagte Abnahme der Aussagekraft der Bilanzzahlen ein.
Die Bereiche Imaging etc. wurden einerseits immer tiefer in den Konzernstrukturen herabgestuft und so versteckt. Andererseits wurden sie zunehmend mit anderen Produktklassen / Abteilungen / Unterbereichen zusammengelegt. Das reduzierte deren Detail-Aussagekraft.
Überdies wurden die Bereiche Imaging, Cameras etc. bei den Kameraprodukten weit ausdifferenziert. U.a. kamen hinzu: Spezialvideo-Kameras für Kino und Kabel-/Bezahl-Fernsehen sowie Überwachungskameras, sodass man über die klassischen dedizierten Kameras kaum mehr etwas aussagen kann.
Zudem wurde auch jeder Bereich durch neue Dienstleistungen und Produktediversifiziert. Da kamen neu Abteilungen, Bereiche, Aufgaben und Dienstleistungen hinzu, wie: Automotive (Kameras für alles, was fährt, schwimmt, taucht, fliegt) auch Smart Mobility oder Component Solutions genannt, Robotik (vor allem in der Industriefertigung), New Concept und IP-Remote, VR (Virtual Reality), AR (Augmented Reality), MR (Mixed Reality - eine Art Augmented Reality / angereicherte Realität - Canon spricht dabei auch synonym von 3D und XR), Volumetric Video 3D-Video mit Body-Kameras an den Spielern, um die Sportart aus deren Position zu sehen - aber auch für Spielfilme, Werbung etc.), New Concept Cameras und IP-Remote Cameras (beides sind automatische respektive Roboter-Systeme vor allem zum Ersatz von Fotografen), Adanced Surveillance Ultra-high-sensitivity Cameras sowie Video-Analysis, Video-Edition, Infrastructur, Inspection SaaS (Hardware und Dienstleistungen für Firmen und Sicherheitsdienste), Content-Analyse, Content-Aufbereitung, Content-Vermarktung, Service rund um Imaging und Überwachung, Medizin etc. Bei zahlreichen Firmen kommen noch eigene Smartphones oder zumindest die Zusammenarbeit mit Smartphone-Herstellern dazu. Das Angebot reicht derzeit schon hin bis zu sogenannten Mehrwert-Analysen rund um Bild-Daten für Firmen und Behörden u.a. im Sicherheitsbereich (totale KI-Überwachung der Bevölkerung klingt nicht so werbewirksam). Hinzu kommen bezahlte Cloud-Dienstleistungen für alle (Firmen und Amateure) für die Bildlagerung und Bildbearbeitung bei den Kameraherstellern. Viele Hersteller sehen inzwischen in derartig kleinteiligen Produkten / Dienstleistungen / Märkten die Zukunft des eigenen Imagings. Daraus folgt, dass die Einnahmen des Bereiches Imaging wachsen werden, aber auf ganz anderen Feldern als der früher zentralen Kamera-Hardware.
Dies sichert dem Bereich Imaging das Überleben. Aber es handelt sich folglich auch nicht mehr um den früheren klassischen Bereich der Kameras (für Fotos und Videos). Das Management strebt Gewinne in vielen Zukunftsfeldern an und lässt aussterbende (Kern-) Bereiche (wie die klassischen dedizierten Fotokameras) zurück.
Die Werte für F&E jener Imaging-Abteilungen wurden somit in den letzten Jahren immer unspezifischer für die reinen dedizierten Foto-Kameras und sogar für die Video-Kameras. Hinzu kam der für Analysten negative Umstand, dass immer mehr Konzerne dazu übergingen, nur noch Zahlen für Forschung und Entwicklung der übergeordneten Bereiche (also oberhalb vom Imaging) anzugeben. Somit wurde die gesamte Aussagekraft der Bilanzberichte beim Punkt F&E entwertet. Dazu kamen in den 2020er Jahren auch noch die hohe Inflation und vor allem der dramatische Währungsverfall des Yen. Da F&E jedoch zu einem großen Teil in Fremdwährung (überwiegend US-Dollar) zu bezahlen ist, waren gleichbleibende oder sogar nominal steigende Ausgaben in Yen faktisch dennoch weniger Wert als früher. Zudem kam ein erschreckendes Missmanagement der Forschung und Entwicklung bei den Kameraherstellern während der Corona-Pandemie, das sich bis Anfang 2024 auswirkte, indem es kaum neue Sensoren gab: Die angeblich neuen Kameraprodukte enthielten überwiegend alte Sensoren, die man mit KI aufgehübscht hatte. In fast allen Konzernen flossen die Gelder für Forschung und Entwicklung sowieso nur noch in die zukunftsträchtigen Produkt- und Service-Bereiche. Aber dazu gehörten dedizierte Fotokameras definitiv nicht mehr.
Fakt ist, dass sich die Produktklasse dedizierte Kamera (Foto und auch Video) in der Produktendphase befindet. Dies kann ein langsames Sterben bedeuten, aber auch zu einem abrupten Ende führen - zumindest bei manchen Herstellern. Denn sie können die noch übrig gebliebenen wenigen Mitarbeiter in den eigentlichen Kamerabereichen in andere Abteilungen übernehmen respektive versetzen. Entlassungen könnten dadurch weitgehend vermieden werden. Somit zieht letzteres Argument der Schönredner nicht mehr.
Fakt ist ferner, dass der real bezahlende Endkundenmarkt für dedizierte Kameras weiter schrumpft. Darüber täuschen die vom japanischen Management leicht politisch steuerbaren Produktions- und Verschiffungs-Zahlen oft hinweg. Hinzu kommt, dass es sich zudem bei vielen Firmen um einen prozentual schrumpfenden eigenen Marktanteil handelt. Dabei wird es unter 10% Marktanteil immer schwerer, Gewinne zu erzielen. Jedoch besaßen nur die drei Großen (Canon, Sony und Nikon) zweistellige Marktanteile. Letztendlich ist die Entscheidung in allen derartigen Managements voraussehbar: Sie werden leise zuerst aus der Forschung und Entwicklung, dann der Produktion und danach dem Vertrieb dedizierter Kameras sowie deren Objektive aussteigen.
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