Probleme und Lösungen
Was sind die wahren Probleme der Fotografie, und welche Lösungen werden dazu von den Herstellern angeboten.
Wer die grundlegenden Fragen der Wirtschaftskrise in der Fotoindustrie verstehen und zutreffend beantworten will, muss sich mit den psychologischen Bedürfnissen der Anwender (Kunden) und den dafür angebotenen technischen Lösungen sowie Produkten der Hersteller befassen.
Ein Inhaltsverzeichnis mit direkten Sprungmarken und Überblick über alle bei Probleme und Lösungen behandelten Themenbereiche finden Sie als Pop-Up.
Geschichte
Um die Hintergründe der obigen Sätze zu verstehen und somit Auswirkungen von Erfindungen bewerten zu können, hilft ein kleiner Blick in die Vergangenheit:
- Bis in das frühe 20. Jahrhundert verdarben die meisten Lebensmittel, weil sie nur bedingt haltbar gemacht werden konnten.
- Damals gab es überwiegend nur die Möglichkeiten des Salzens (Pökelns), weil Salz dem Lebensmittel Wasser entzieht, das für die Vermehrung von Bakterien etc. schädlich war. Hinzu kamen Methoden wie das Trocknen und Räuchern. Aber auch durch den umgekehrten Weg durch Einmachen, also dem Hinzufügen von Zucker, konnte man gewisse Lebensmittel haltbarer machen. - Wie wir heute wissen, haben alle jene Konservierungs-Methoden erhebliche negative gesundheitliche Nebenwirkungen.
- Deshalb war die Erfindung der Konservendose im 19. Jahrhundert eine Sensation, die sich weltweit durchsetzte. Jedoch war diese Methode auf große Hersteller beschränkt. Der einzelne Endkunde konnte seine Lebensmittel kaum konservieren und in Dosen verpacken.
- Erst die nächste Erfindung revolutionierte wirklich die Welt: der Kühlschrank. Er war die perfekte Lösung für das Kern-Problem jedes Endkunden.
- Die Weiterentwicklung des Kühlschrankes durch das Gefrierfach und den Gefrierschrank erhöhte seine Gesamtwirkung noch etwas.
- Wir sind heute mit einer Marktdurchdringung / Verbreitung von über 99% der Haushalte derart an den Kühlschrank gewöhnt, dass wir uns kein Leben mehr ohne ihn vorstellen können. Dies wird jedem erst wieder bewusst, wenn ein altes Gerät nach vielen Jahren einmal ausfällt und man sofort Ersatz benötigt.
- Bis in das späte 19. Jahrhundert war das Wäschewaschen eine sehr aufwändige Arbeit, welche die Frauen auch extrem körperlich belastete. Darüber dürfen die romantischen Gemälde der die Wäsche am Fluss waschenden Frauen der damaligen Zeit nicht hinwegtäuschen.
- Reiche konnten Ihre Wäsche waschen lassen. Aber das war für die meisten Familien schlichtweg zu teuer.
- Deshalb führte fließend Wasser sowie Elektrizität in den Haushalten erst zur Erfindung und Massenproduktion von kleinen Waschmaschinen für private Haushalte.
- Nach dem Kühlschrank ist es vermutlich die Waschmaschine und in deren Folge der Trockner, welche kaum ein Haushalt heute mehr missen mag.
- Auch hier liegt der Grund für den Erfolg der Erfindung und des kommerziellen Produktes in der Lösung eines wirklich vorliegenden Problems.
- Die moderne Emanzipation wäre ohne technische Erfindungen wie der Waschmaschine nicht vorstellbar.
- Ähnlich war es in der Fotografie:
- Bis in das späte 19. Jahrhundert war die Fotografie extrem teuer, mit wirklich großen, schweren Kameraausrüstungen verbunden und zog eine komplizierte Nachbearbeitung der Negative mittels teurer sowie hochgiftiger Chemikalien in einem eigenen Chemielabor nach sich.
- Die mit der Fotografie verbundenen Probleme waren so überwältigend, dass sich nur wenige sehr reiche Personen und Adlige damit als Hobby befassen konnten, welche das Geld und die Zeit dazu besaßen. Wie wir jedoch aus obigen Beispielen wissen, war mangels deren Erfindung, Zeit in Form von fehlender Freizeit für die meisten Menschen das extrem einschränkende Problem.
- Wer damals als Normalsterblicher sich der Fotografie widmen wollte, musste damit als fotografische Fachkraft, Berufsfotograf seinen Unterhalt verdienen.
- Das änderte George Eastman mit seiner Firma Kodak.
- George Eastman war ein Visionär, der vor allem in den 1880er Jahren seine Mitmenschen und deren Bedürfnisse genau analysierte. Er erkannte die Probleme der damaligen Fotografie: Kosten, Zeitbedarf, fehlendes chemisches Wissen. Aber es gab das Interesse der breiten Masse an Menschen an dokumentarischen Fotos über ihr eigenes Leben. Später nannte man diese von ihm erkannte Gruppe Amateurfotografen.
- Die immer wieder erzählten Märchen um den Erfolg seiner 1888 gegründeten Firma Kodak sind irreführend. Er erfand nicht die erste kleine Kamera, er erfand auch nicht als erster den Film, oder den Rollfilm. Vieles kaufte er ein oder lies es erfinden oder zumindest optimieren.
- Sein Erfolg und der jahrzehntelange kometenhafte Folgeerfolg seiner Firma beruhten auf einer Dienstleistung. Dabei umriss der damalige Werbeslogan seine extrem kundenorientierte Strategie ganz präzise:
You Press the Button, We Do the Rest.
/ Sie drücken nur auf den Auslöser - Den Rest erledigen wir für Sie
. Damit errang man bis in die 1970er Jahre 80-90% des US-Marktes bei Filmen und Kameras. Weltweit sah es vielfach kaum schlechter aus. Kodak war über Jahrzehnte nicht nur eine Fotofirma. Kodak war schlichtweg die fotografische Institution schlechthin.
Fazit: Erfindungen, welche wirkliche Lösungen für die die Menschheit bewegenden und belastenden Probleme boten, setzten sich immer durch und wurden zu einem ökonomischen Erfolg für die Anbieter / Hersteller.
Lösungen, für die kein Problem existiert
Allerdings gibt es auch haufenweise Lösungen, für die kein Problem existiert. Oder Lösungen, die nur mehr neue Probleme schaffen.
- Damit sind Erfindungen gemeint, die uns Hersteller oder der Staat per Gesetz aufzwingen.
- Ein typisches Beispiel ist der Autoschlüssel:
- Ganz früher waren Autos offen, wie Kutschen.
- In den Großstädten wollte man zunehmend die Autos aufgrund der Diebstahlgefahr abschließen. Deshalb erfand man den Autoschlüssel. Er funktionierte tatsächlich so wie ein Türschlüssel.
- Um die Autodiebstähle weiter zu reduzieren, verband man dann den Schlüssel zum Türschloss mit einem Schlüssel zur Zündung.
- Im späten 20. Jahrhundert kam mit den vieltürigen Autos die Zentralverriegelung auf, weil die meisten Pkw-Fahrer schlichtweg zu oft vergaßen, wirklich alle Türen abzuschließen. Aber man musste noch immer den Schlüssel in zumindest ein Schloss stecken.
- Gegen die Jahrtausendwende setzten sich Autoschlüssel durch, welche die Zentralverriegelung per Knopfdruck auf den Schlüssel ausführten: Ein Druck auf den Schlüssel aus vielen Metern Entfernung schloss oder öffnete alle Türen.
- Bis hierhin war alles sinnvoll und wurde mit Nutzen von den Kunden aufgenommen. Dann gingen die Erfinder jedoch einen Schritt weiter.
- Sie erfanden den Schlüssel, der kein Schlüssel mehr war. Man muss ihn auch nicht mehr in das Zündschloss stecken, und auch nicht mehr drücken. Bereits das reine Annähern an den Pkw öffnet die Türen, das Entfernen schließt sie. Wenn man im Auto sitzt, startet bei manchen Modellen der Motor automatisch (meist beim Betätigen des Gaspedals).
- Das hat jedoch kaum Vorteile, dafür allerdings viele Nachteile: Man muss den Funkschlüssel dennoch immer mitnehmen. In vielen Autos muss man dennoch eine weitere Taste, einen weiteren Schalter zum Starten betätigen. - Aber der größte Nachteil ist die ständig aktivierte Funksteuerung: Nun kann jeder geistige Tiefflieger sich im Internet eine preiswerte Relaisstation kaufen, diese in der Nähe des Autobesitzers mit seinem Schlüssel unauffällig platzieren und dann mit dem zweiten Empfänger-/ Senderteil in der Hand alle Parkplätze in Ruhe ablaufen, das Auto öffnen, starten und ins Ausland fahren. Genial.
- Auspuffanlagen:
- Jahrzehntelang forschten Entwickler an den Lärmproblemen der Verbrennungsmotoren und ersannen hochkomplexe Auspuffanlagen, um den Lärm der Motoren zu reduzieren.
- Irgendwann kamen sie auf die Idee der Schallüberlagerungen mit versetzten Wellen. Das Ergebnis besteht darin, dass man dadurch de facto den Lärm fast komplett auslöschen kann, weil sich die phasenversetzten Schallwellen weitgehend auslöschen.
- Statt dies auszuführen, nutzen die Ingenieure vor allem bei Audi und anderen Sportwagenherstellern diese Technik jedoch dazu, den Lärm der Auspuffanlagen zu vergrößern, aber in einem prestigeträchtigen tiefen und röhrenden Frequenzbereich - quasi Formel-Eins-Lautstärke für Otto Normalverbraucher.
- Über die von Umweltaktivisten und dem Staat geforderten zwangsweisen Einführungen von sinnlosen Erfindungen finden interessierte Leser mehr im Artikel Umweltschutz.
Fazit:
- Es finden sich inzwischen immer mehr Erfindungen, welche keine wahren und drängenden Probleme mehr lösen, sondern - höflich ausgedrückt - nur noch Nischen und Randgruppen etwas bieten, worunter jedoch die Mehrzahl der Normalverbraucher eher leidet.
- Auf der anderen Seite existieren in der Praxis noch immer Probleme, welche von zumindest vielen Herstellern nicht erkannt und gelöst werden.
Der moderne Fotobereich
Das rückwärtige Display
- Der Erfolg der digitalen Fotografie beruhte auf der Lösung eines elementaren Problems der analogen Fotografie: der langen Dauer der Entwicklung - sowohl des belichteten Filmes als auch der Fotografen.
- In meiner Stadt dauerte es in den 1970er Jahren mindestens eine Woche, bis man die entwickelten Negative oder Dias erhielt.
- In den 1980er Jahren konnte man bei einigen Anbietern dies gegen erhebliches Aufgeld auf ca. 3 Tage reduzieren.
- Der damit verbundene Nachteil lag nicht so sehr in der Zeit, die man für das Abgeben der Filmrollen im Laden und dem erneuten Fahren in die Stadt zum Abholen benötigte, sondern in der Lernkurve.
- Als Wissenschaftler schrieb ich zu (fast) jedem Foto mit Kugelschreiber auf Papier alle Kamera-Einstellungen auf. Nur so konnte ich mir dies merken und dann die Ergebnisfotos auswerten.
- Aber selbst dann war die Lernkurve gering und der Aufwand horrend, um als Amateur Fortschritte in der Fotografie zu erzielen.
- Nur Berufsfotografen konnten damals im eigenen Labor die Fotos noch am selben Tag ausbelichten. Bereits dieser Zeitvorteil gab ihnen in jener Zeit den von Amateurfotografen kaum einholbaren Erfahrungsvorsprung. Kurzum die Lernkurve der Berufsfotografem mit eigenem Labor war viel steiler.
- Das Aufschreibverfahren war den meisten anderen Amateur-Fotografen zu kompliziert. In der Folge lernten sie aus den eigenen Fotos auch kaum etwas. D.h. Laien blieben meist Laien in der Fotografie.
- Erst das rückwärtige Display der digitalen Kamera erlaubte das sogenannte Chimping - das sofortige Betrachten des Ergebnisfotos.
- Damit konnte nun jeder sofort erkennen, was er falsch gemacht hatte, und es folglich sofort - noch am Ort der Aufnahme - korrigieren.
- Die ersten Displays waren klein, boten nur eine geringe Auflösung, waren bei Sonnenlicht nicht zu erkennen und aus heutiger Sicht minderwertig. Aber sie erfüllten den Hauptzweck für Berufsfotografen und Amateure: Die Lernkurve wurde extrem steil, und alles sparte auch noch Zeit sowie Geld.
- Eigentlich hätte die Folge sein müssen, dass die Hersteller diese Displays immer größer, hochauflösender etc. hätten machen müssen. Aber erstaunlicher Weise scheint hier eine Grenze erreicht zu sein, bei der kaum mehr etwas im dedizierten Kamerabereich (= bei klassischen Systemkameras) weiterentwickelt wird. Bei manchen (spiegellosen) Kameras findet sich sogar der umgekehrte Weg, weil man durch Verkleinerung des Kameragehäuses nun auch nur noch kleine Displays verbauen kann.
- Hingegen finden sich immer größere Displays bei Smartphones, die auch in allen anderen Disziplinen weit voraus sind - bis hin zur Darstellung von HDR(I)-Bildern.
Auflösung in Mega-Pixel
- Als die Fotoindustrie in den 1990er Jahren zunehmend digitale Kameras anbot, war deren Bildqualität zuerst lausig. Meine erste bot 640*480 Pixel mit fürchterlich farbverschobenen Bildern.
- Dass es damals zum jahrelang erbittert geführten Mega-Pixel-Krieg kam, war folglich verständlich, denn in der Anfangszeit waren die Unterschiede sofort auf dem PC-Monitor und jedem Ausdruck sichtbar.
- Spätestens mit dem Jahre 2012 trat jedoch bei 36 Mega-Pixel eine Sättigung ein, da die dazu erforderlichen Hochleistungsobjektive weitgehend fehlten. D.h. es trat ein Grenznutzen ein.
- Mit den neuesten Objektiven ab ca. 2015 konnte man die Mega-Pixel-Grenze weiter hochschrauben. Die Sony A7R Mark IV setzte im Bereich Vollformat 2019 mit 60 MP einen neuen Bestwert. Im Mittelformat lag man bereits bei 100-150 Mega-Pixel.
- Aber selbst mit den teuersten Monitoren von Apple 6K und Dell 8K kann man nur 6.016 * 3.384 respektive 7.680 * 4.320 Pixel anzeigen. Das sind 20 respektive 33 Mega-Pixel.
- Ferner reicht die Ausbelichtung auf allen Fotomedien spielend für 1,5 *1 Meter aus. Wer Wandtapeten benötigt, kann dazu spezielle Software wie PhotoZoom etc. verwenden.
- Mit höheren Mega-Pixel-Zahlen sind jedoch auch gravierende Nachteile verbunden:
- Eine immer früher einsetzende Beugung, welche das Abblenden erschwert oder verunmöglicht, weil dann die Fotos wieder unschärfer werden.
- Eine immer höhere Verwacklungsgefahr, die im Grunde nur durch ein stabiles Stativ vermieden werden kann.
- Immer lichtstärkere, hochwertige, große, schwere und teure Objektive werden erforderlich, um die Leistung des Sensors überhaupt auszureizen.
- Ein zunehmender Aufwand bei der Reinigung der Objektive sowie insbesondere der Sensor-Reinigung, weil mit zunehmender Auflösung auch jeder kleinste Schmutz sichtbar wird.
- Teure moderne Hochleistungsspeicherkarten zum Abspeichern der großen Bilder in der Kamera.
- Ein Hochleistungs-PC für die Bildbearbeitung der heute über 100 Mega-Byte großen RAW-Dateien.
- Teure, große, externe Speicher (Festplatten und Blu-rays) für die Datensicherung.
- Da die Hersteller jedoch in diesem Aspekt der Bildqualität (über die Erhöhung der Mega-Pixel-Anzahl) respektive der sogenannten Auflösung ihre angeblich einzige Chance gegen die Konkurrenz sehen, werden weitere sinnlose Entwicklungen forciert.
- Geradezu groteske Züge nehmen die Vierfach- bis zu 16-Fach-Aufnahmen an.
- Dabei werden mittels der Pixel-Shift-Methode (auch High-Res-Mode genannt) die Sensoren um 1 Pixel oder nur ein halbes Pixel horizontal und vertikal verschoben.
- Das Ergebnis ist bis zu 2 GB groß und muss teilweise nachträglich mit unergonomischer Software des Kameraherstellers mühsam bearbeitet werden.
- Es funktioniert sowieso nur bei absoluter Verwacklungsfreiheit sowohl des Statives als auch der völligen Unbeweglichkeit des Motives.
- Das Hinderlichste ist jedoch der Umstand, dass man - wie in der analogen Zeit - das Ergebnis erst zuhause - oft Stunden später - am Monitor sehen kann. Und dann stellt man meist fest, dass ein Teilbild doch verwackelt ist. Dadurch ist dann die ganze Serie zerstört.
- Auch weitere Aspekte der Bildqualität liegen im Fokus der Hersteller:
- So wird der ständige Gewinn beim Dynamikumfang gelobt. De facto liegt er seit Jahren bei rund 14 Blenden im Fotobereich. Bei Video-Kameras werden hingegen bereits 16-17 erzielt. Aber der Punkt Dynamikumfang wurde schon seit mindestens 100 Jahren - also bereits in der analogen Film-Zeit marketing-technisch hochgeputscht. Allerdings kann man nur ca. 6 Blenden ausbelichten, und selbst hochwertige Monitore können kaum mehr darstellen. Dennoch reicht dies nicht an das menschliche Sehen, noch kann es HDR(I) ersetzen.
- Auch beim Rauschen werden die Fortschritte ständig gelobt. Dabei werden gern die niedrigen ISO-Stufen herausgestellt, die man jedoch oft nur auf dem Stativ für stehende Motive verwenden kann. In Wirklichkeit hat sich seit 2012 bei den höheren ISO-Zahlen das Rauschen praktisch nicht mehr verbessert. Ganz im Gegenteil schneiden manche hochmodernen Sensoren bei über 20.000 ISO inzwischen sogar wieder schlechter ab. Darüber dürfen astronomische Einzelangaben wie ISO 3 Mio. nicht hinwegtäuschen. Bei derartigen ISO-Stufen kommt kein auch nur halbwegs verwendbares Foto mehr heraus.
- Bei beiden Kategorien der Bildqualität kann nur die Computational Photography in der Fotopraxis wirklich helfen, indem sie Mehrfachaufnahmen zusammenrechnet. Dabei sind jene Smartphones - trotz kleinerer Sensoren - den dedizierten Kameras weit überlegen.
Fazit:
- Selbstverständlich sind mehr Mega-Pixel für manche Fotografen und eine höhere Auflösung für manche Foto-Stile ein Vorteil.
- Für immer mehr Fotografen ist bei der Auflösung in Mega-Pixeln jedoch schon lange ein Gut genug-Zustand eingetreten. Mehr Mega-Pixel stellen heute für die meisten Fotografen kein sofortiges Kaufargument mehr dar.
- Vor allem, wenn man die mit der höheren Auflösung verbundenen Nachteile betrachtet, ist für viele Fotografen ein Grenzwert des Nutzens erreicht.
Objektive
- Die Objektive bilden das begrenzende Element der heute hochwertigen Sensoren.
- Viele ältere Objektive sind weder für digitale Kameras noch für digitale Fotosensoren von über 30 Mega-Pixel gerechnet oder konzipiert.
- Deshalb haben alle namhaften Hersteller in den letzten Jahren massive Forschung und Entwicklung betrieben, welche (zumindest ab ca. 2015) zu fast überall wirklich hochwertigen Objektiven führten.
- Vor allem die Hersteller spiegelloser Kameras haben mit ihren neuen Bajonetten jedoch den Grenzbereich beschritten: Sie haben die neuesten Objektive (seit etwa Ende 2018) vor allem an den Rändern und Ecken schärfer gemacht.
- Hinzu kommen immer lichtstärkere Objektive, die gleichzeitig erstmals völlig offenblendtauglich sind, also bereits bei Offenblende schon die maximale Schärfe bieten. Man muss folglich damit nicht mehr abblenden.
- Das ist besonders für die neue Zielgruppe Video wichtig, die eine weitgehend gleichmäßige Schärfe über das gesamte Bild hinweg wünscht und sowieso gerne mit Offenblende und ND-Filtern arbeitet.
Dafür nehmen sie ein hohes Volumen, ein hohes Gewicht und einen mindestens 1/3 bis 50% höheren Preis gerne in Kauf. Echte Video-Objektive sind nämlich nochmals um Klassen teurer, schwerer und voluminöser.
- Bei Fotografen bin ich mir hingegen über den Nutzen dieser neuen Objektive nicht so sicher.
- Natürlich ist es schön, wenn der Schärfeverlauf über fast das ganze Bild hinweg möglichst gleichmäßig ausgebildet ist.
- Aber erfahrungsgemäß platzieren sowieso ca. die Hälfte der Fotografen ihr wichtiges Motiv in die Mitte des Bildes. Die erfahreneren Fotografen setzen ihre Motive auf die Drittellinien oder die Linien des Goldenen Schnittes. - An den ca. 10-15% weniger scharfen Rändern der bisherigen Spitzenobjektive platzieren sehr wenige Fotografen ihre Hauptmotive. Und ich habe noch nie ein Foto gesehen, auf dem der Fotograf bewusst sein Motiv in eine der vier äußersten Ecken gestellt hat.
- Falls jemand dieses Extrem wollte, so könnte er es seit mindestens 15 Jahren mittels mehrerer zusammengefügter Panorama-Fotos auch mit dem schlechtesten Objektiv hochwertiger erzielen.
- Ganz im Gegenteil nutzen viele Fotografen den (heute eher geringen) Schärfeabfall zum Rand hin bewusst aus, um dort von störenden Nebenmotiven abzulenken. Ganz gezielt wurde und wird dies in der Nachbearbeitung am PC mit Abschattungen und künstlichen Vignettierungen praktiziert.
Fazit:
- Selbstverständlich sind hochwertigere Objektive für manche Fotografen für manche Foto-Stile und alle Videografen generell ein Vorteil.
- Für immer mehr Fotografen war jedoch bei Objektiven bereits im hochwertigen DSLR-Bereich schon 2018 ein Gut genug-Zustand eingetreten. Nochmals um einige (wenige) Prozent) schärfere Objektive stellen heute für viele Fotografen kein sofortiges Kaufargument einer neuen spiegellosen Kamera mehr dar.
- Vor allem, wenn man die mit dem Systemwechsel (Spiegel zu spiegellos) verbundenen Nachteile betrachtet, ist für viele DSLR-Fotografen ein Grenzwert des Nutzens erreicht.
- Ganz ärgerlich wird es, wenn sich herausstellt, dass die sündhaft teuren modernen Objektive einen erheblichen Teil ihrer vermeintlich optischen Leistung nur durch nachträgliche kamerainterne Manipulation erhalten, die zudem in das RAW hineingeschrieben wird und so die Bildqualität beim Nachbearbeiten negativ beeinträchtigt.
Autofokus
- Vor allem der Einzug der künstlichen Intelligenz brachte einen signifikanten Vorteil beim Autofokus: So wurden in den letzten Jahren Gesichtserkennung und sogar Augenerkennung (nicht nur bei Menschen) zu einem viel beworbenen und besprochenem Argument.
- Allerdings fokussiert der Augen-AF keineswegs immer treffsicher auf das Auge, sondern oft auf die Wimpern oder sogar die Augenbrauen. Oder er versagt bei langen Haarfransen und auch nur leicht über den Kopf gezogenen Kappen völlig.
- Dennoch sind die Vorteile für Aufnahmen von Personen (das klassische Porträt) und auch Tieren hilfreich.
- Aber für viele andere Fotostile hat sich nichts verbessert.
Fazit:
- Selbstverständlich sind hochwertigere AF-Systeme mit künstlicher Intelligenz hilfreich.
- Für viele Fotografen hunderter anderer Foto-Stile stellt diese KI allerdings kein sofortiges Kaufargument einer neuen spiegellosen Kamera mehr dar.
Serienbildgeschwindigkeit - Dauerfeuer
- In den letzten Jahren wurde die Serienbildgeschwindigkeit aller Kameras scheinbar explosionsartig gesteigert - bis zu über 30 Bilder in der Sekunde.
- Bei genauer Betrachtung stellen sich jedoch ein paar Einschränkungen heraus:
- Entweder wird der Autofokus nicht nachgeführt. D.h. nur das erste Foto eines sich bewegenden Motives ist scharf. Wer macht jedoch im sekundenlangen Dauerfeuer Aufnahmen einer Statue oder eines Hauses?
- Oder die Serienbildgeschwindigkeit kann nur für 1 Sekunde oder zumindest nur wenige Sekunden gehalten werden. Dann speichert die Kamera erst einmal für bis zu über einer Minute den Puffer auf die Speicherkarte und blockiert solange alles.
- Oder der Rolling-Shutter-Effekt verbiegt alle bewegten Elemente. Hohe Serienbildgeschwindigkeiten können nur mit elektronischem Verschluss erzielt werden. Dieser führt allerdings zu sichtbaren, hässlichen Verbiegungen aller Geraden. Am deutlichsten wird dies bei Propellern oder Rotoren. Aber auch bei geschwungenen Golfschlägern ist es erkennbar.
- Schaltet man für gerade abgebildete Geraden deshalb bei den damit beworbenen Fotokameras zurück auf den mechanischen Verschluss, so erzielt man selbst in der 3.000-Euro-Klasse nur 5-6 Bilder je Sekunde - mit nachgeführtem treffsicherem Autofokus nicht selten weniger. Das hatten wir jedoch schon 2012 bei den gleichwertigen damaligen Fotokameras.
- Hinzu kommt, dass fast alle modernen Kameras bei hoher Serienbildgeschwindigkeit die Bit-Tiefe der Dateien reduzieren. Statt 14 werden dann maximal 12 oder nur 11-Bit geboten. Überdies komprimieren dann manche Kameras sogar noch verlustbehaftet, wodurch die Bildqualität weiter leidet.
- Selbst neueste Profikameras können nur maximal 16 Bilder in der Sekunde mit mechanischem Verschluss liefern. Aber selbst das dürfte für viele Fotografen bereits zu viel sein, da man dann stundenlang nachher am PC das beste Bild unter sehr guten heraussuchen muss.
- Das sind die Gründe, warum die meisten Fotografen ihre spiegellosen Kameras nur mit maximal 10 Bildern in der Sekunde betreiben. Mehr ist für die meisten Anwender Overkill, der nur noch die Arbeit erhöht.
Fazit:
- Selbstverständlich sind höhere Serienbildgeschwindigkeiten hilfreich für ganz bestimmte sehr schnelle Sportarten.
- Aber wie oft fotografieren die meisten Amateure diese?
- Für viele Fotografen hunderter anderer Foto-Stile stellt das nochmals erhöhte Dauerfeuer somit kein sofortiges Kaufargument einer neuen spiegellosen Kamera mehr dar.
Der elektronische Sucher - EVF
- Mit den spiegellosen Kameras wurde der elektronische Sucher (EVF: electronic view finder) eingeführt und ständig verbessert.
- Mit den Jahren wurden auch Funktionen integriert, die - wie das rückwärtige Display - das Zeug zur Revolution der Fotografie hatten.
- Unter den vielen Vorteilen (siehe: Vergleich: Spiegellos - DSLR) sind die in der Fotopraxis wichtigsten vermutlich für den Fotografen:
- Aufhellung aller Motive bei Dämmerung und Dunkelheit.
- Farbkennungen, welche im Sucher die scharf fokussierten Bildteile sofort optisch und einfach anzeigen. Dies erleichtert das Fokussieren vor allem mit nur manuell einstellbaren Objektiven.
- Erkennung der gewählten Bildhelligkeit des Ergebnisbildes bereits vor dem Auslösen. So werden viele falsch belichtete Aufnahmen vermieden.
- Kurzum: der EVF hat das Zeug dazu, die Lernkurve zu versteilen, Frust zu ersparen und das Erlernen der schwierigen Fotografie zu erleichtern.
- Unter den vielen Nachteilen (siehe: Vergleich: Spiegellos - DSLR) sind die in der Fotopraxis wichtigsten vermutlich für den Fotografen:
- Bei sehr vielen Kameramodellen wird dennoch das Ergebnisbild falsch belichtet - meist um bis zu einer Blende zu dunkel. D.h. der Sucher zeigt das Bild zu hell an.
- Die Auflösung selbst der teuersten Spitzen-EVFs liegt weit unter jedem optischen Sucher respektive dem Auflösungsvermögen des menschlichen Auges.
- Die Bilddarstellung erfolgt verzögert, was sogar bei den neuesten und schnellsten spiegellosen Profikameras für Tier- und Sportfotografie dazu führt, dass man sich schnell bewegende Objekte auch schnell aus dem Sucher verliert.
- Erstaunlich viele Menschen haben ergonomische Probleme mit den flackernden Suchern, welche bei weitem nicht den gesamten Dynamikumfang des menschlichen Auges darstellen können.
Fazit:
- Selbstverständlich sind die modernsten hochauflösenden elektronischen Sucher hochwertig für bestimmte Aufgaben und in Teilbereichen den optischen Suchern überlegen. Ferner werden sie kontinuierlich weiterentwickelt.
- Aber derzeit sind sie noch weit davon entfernt, einen optischen Sucher in allen Teilbereichen der Fotografie zu übertreffen.
- Vor allem sind hochwertige elektronische Sucher der derzeit größte Preistreiber moderner Kameras. Deshalb werden nur in die teuersten Modelle auch wirklich hochwertige EVFs verbaut. D.h. elektronischer Sucher ist nicht gleich elektronischer Sucher.
- Für viele Fotografen stellt somit der heute verfügbare elektronische Sucher noch kein sofortiges Kaufargument einer neuen spiegellosen Kamera dar oder wird zum zwangsweisen Wechselgrund zu spiegellosen Systemen.
- Diejenigen, welche den elektronischen Sucher als einen Vorteil für ihren eigenen Fotostil sehen, sind meines Erachtens bis Ende 2019 schon zu spiegellosen Systemen mit elektronischem Sucher gewechselt. Die anderen Fotografen warten überwiegend ab.
Probleme im Fotobereich und deren Lösungsvorschläge
Nachdem wir die angeblichen Probleme und Wünsche der Fotokunden aus der Sicht der Kamera-Hersteller betrachtet haben, schauen wir uns nun die wahren Probleme und Lösungen aus der Sicht der Fotografen an.
Volumen und Gewicht
- Seit mindestens 20 Jahren sprechen Wissenschaftler bereits von der Überalterung der westlichen / industriellen Bevölkerung. In den letzten 10 Jahren kamen auch immer mehr Berichte über eine solche Überalterung in den sogenannten Schwellenländern wie China hinzu.
- Mit zunehmendem Alter sowie bei krankheitsbedingten Einschränkungen wünschen sich viele Menschen respektive Fotografen kleinere und leichtere Kameras.
- Zuerst gingen die klassischen Kamerahersteller perfekt auf diese Zielgruppe mit kleinen Pocket- und dann Bridge-Kameras ein.
- In Ihrem Irrglauben, dass jedoch nur höhere Bildqualität das Ziel aller Fotografen und vor allem Fotografinnen sei, vernachlässigten sie diese Kamerasparten und wandten sich den Systemkameras mit Wechselobjektiven zu.
- Als die Hersteller herausfanden, dass die meisten der Fotografen jedoch keine Wechselobjektive mit sich herumtragen wollten, weil diese zu groß und zu schwer waren, erfanden sie die spiegellose Kamera.
- Bei spiegellosen Kameras ist zwar das Kameragehäuse kleiner und leichter. Aber dafür muss man noch immer weitere Objektive mit sich herumtragen. Noch schlimmer ist jedoch, dass man nun bei fast allen einen zweiten Akku mitschleppen muss, der nicht nur Volumen und Gewicht wieder auf fast das alte Niveau erhöht, sondern, dass man diese Akkus auch vergessen oder verlieren kann.
- Kurzum: Die Hersteller klassischer Kameras haben die Kernprobleme der älteren und kranken jüngeren Menschen - Gewicht und Volumen - nicht wirklich gelöst.
- Ganz anderes hingegen die Hersteller der Smartphones: Selbst, wenn man eine massive Schutzhülle oder sogar einen gepolsterten ledernen Schutzumschlag herumpackt, sind diese Geräte signifikant kleiner und leichter. Vor allem passen Sie spielend in jede Brust- oder Jackentasche - sowie in jede Damenhandtasche.
- Da wir nun schon einmal bei alten und behinderten Menschen sind. Die meisten Menschen tragen inzwischen eine Brille, weil sie schlecht sehen. Das Phänomen betrifft inzwischen sogar bereits Kinder.
- Kein einziger Hersteller klassischer Kameras mit Spiegel und optischem Sucher oder mit spiegellosen Kameras und elektronischem Sucher konnte bisher technische Lösungen anbieten, welche Brillenträger wirklich überzeugten.
- Die modernen, großen, hochauflösenden, kontrastreichen, hellen Smartphone-Displays sind hingegen sogar mit Sonnenbrillen in der grellen Sonne einfach zu bedienen.
- Fazit: Mit dem Smartphone benötigt man keinen Sucher mehr. Ein weiteres Argument, warum es wenig sinnvoll ist, den Sucher zu optimieren.
Schutz
- Anwender wünschen im Grunde ein sicheres Gerät, mit dem sie keinen Ärger und auch keinen Pflegeaufwand haben. Niemand schafft sich gerne etwas an, das ihm dann Zeit stielt.
- Klassische Kamerahersteller haben in den letzten 10 Jahren sehr viel für den Schutz gegen Staub und (Spritz-)Wasser getan. Aber in der Fotopraxis sind auch heute nur die wenigen Top-Modelle aller Hersteller halbwegs brauchbar gegen derartige Einflüsse geschützt.
- Bis heute lassen sich jedoch weder Objektive noch Sensoren gegen eindringenden Schmutz langfristig schützen. D.h. es ist nur eine Frage der Zeit, bis Schmutzpartikel in das Objektiv und auf den Fotosensor gelangen. Dann wird eine teure und vor allem zeitaufwändige Reinigung erforderlich.
- Wollen Sie mit der Kamera tauchen gehen, benötigen Sie entweder sogenannte Outdoor-Kameras oder gleich ein spezielles, wasserdichtes, teures Tauchgehäuse, das die Bedienung der Foto- oder Video-Kamera extrem verkompliziert.
- Völlig im Widerspruch zu diesem eindeutigen Trend und Wunsch der Kunden liegen die meisten neuen spiegellosen Kameras, bei denen der Sensor definitiv schneller als bei jeder Kamera mit Spiegel verschmutzt. Bei manchen Modellen (vor allem Sony gefolgt von Nikon und dann Fuji) können sie eine tägliche bis zumindest wöchentliche Reinigung einplanen. Denn bei immer weiter erhöhter Auflösung der Sensoren sehen Sie auch den Schmutz immer schneller. Mit anderen Worten wird er immer störender.
- Moderne Smartphones sind inzwischen nach IPX zertifizierte, hochgradig geschützte Geräte, die bis zu über einen Meter tief in das Wasser fallen dürfen, staubsicher sind und keinerlei Pflege erfordern: Keine Objektivreinigung und definitiv keine aufwändige sowie nervenzehrende Sensor-Reinigung.
Gesetze und soziale Veränderungen
- Immer mehr Gesetze wie die DS-GVO verbieten de facto die Verwendung von klassischen Fotokameras.
- Auch immer mehr Privatveranstalter verbieten den Einsatz dedizierter Kameras - z.B. auf Konzerten, im Theater, bei Sportveranstaltungen, in Museen etc.
- Immer mehr selbsternannte Umweltschützer und Aktivisten jeglicher Couleur behindern und schikanieren Fotografen mit dedizierten Foto- und Film-Kameras.
- Smartphones hingegen werden in fast allen Situationen geduldet, weil die Veranstalter um die ökonomischen Auswirkungen eines derartigen Verbotes wissen. Das würde sie selbst kommerziell hart treffen, weil die meisten Menschen lieber auf etwas verzichten, als ihr Smartphone abzugeben oder auch nur auszuschalten und wegzuschließen.
- Fakt ist und bleibt somit, dass für Smartphones in der Praxis keine Beschränkungen für das Fotografieren und Filmen existieren respektive sie nicht umgesetzt werden.
Bildbearbeitung
- Auch auf die Gefahr hin, jetzt wieder Entrüstungsstürme auszulösen. Im Grunde hat sich auch bei der angeblich so revolutionären klassischen digitalen Fotografie der letzten 30 Jahre beim sogenannten Workflow nichts Gravierendes gegenüber der 175 Jahre alten analogen Fotografie geändert: Man macht eine Aufnahme mit der Kamera, nimmt die Filmrolle bzw. die Speicherkarte heraus und anschließend wird im Labor respektive zu Hause am PC das Bild entwickelt respektive ausgearbeitet.
- Ohne Zweifel sind die Nachbearbeitungsmöglichkeiten mit modernster Software am heutigen Hochleistungs-PC etwas weitergehend als bei der analogen Fotografie - zumindest ist das heute alles auch für Nicht-Chemiker leichter umsetzbar.
- Aber es geht an wichtigen Details vorbei:
- Die digitale Nachbearbeitung ist (teilweise extrem) zeitaufwändig.
- Sie erfordert teure Soft- sowie Hardware, die auch noch ständig (zumindest bei jeder neuen Kamera) erneuert werden muss.
- Sie erfordert ein erhebliches software-technisches Wissen, das bei weitem nicht jeder Fotograf besitzt - von Videografen ganz zu schweigen.
- Die meisten Menschen wollen dies überhaupt nicht. Sie wollten es sogar niemals. Erinnern Sie sich bitte an Kodaks Erfolg.
- Ferner besitzen die meisten Fotografen vermutlich weder das Geld, noch die Zeit, noch das technische Wissen zum Aufbau und Betrieb eines solchen modernen Nachbearbeitungsraumes. Wer gerade eine 6-stellige Summe für PC-Hard- und Software übrig hat, kann sich dieses Video zur Einrichtung eines privaten PC-Raumes mit den Minimal-Anforderungen (Windows und Apple) an die moderne Bildbearbeitung ansehen. Der Fotograf hat nur 1 Jahr benötigt, um alles zusammenzustellen und zum Laufen zu bringen. - Oder Sie kaufen sich ein Smartphone für weniger als 1% der Kosten und sparen sich die Zeit für die Nachbearbeitung.
- Um es ganz deutlich festzuhalten: In allen meinen Gesprächen mit am Fotobereich Interessierten und auch in den Untersuchungen aller anderen Analysten wurde der sogenannte Workflow der Bildnachbearbeitung als das gravierendste Problem erkannt.
- Daran ändern keine angeblich noch so intelligente Software, oder PC-Presets, oder PC-Filter, oder halbautomatisch ablaufende PC-Batch-Prozesse etwas. Auch angebliche KI in den neuen Software-Versionen ändert (in ihren bisher verfügbaren homöopathischen Formen) daran kaum etwas, da sie nur lächerliche Details betreffen. - Den allermeisten Menschen ist dies schlichtweg zu kompliziert und zu zeitaufwändig. Das lohnt sich alles nur für ganz wenige Berufsfotografen oder hochambitionierte Amateurfotografen.
- Um den Blutdruck auch bei den Videografen hochzutreiben: Im Videobereich ist alles nochmals viel schlimmer: Sie benötigen noch teurere High-End-PCs, noch teurere, noch kompliziertere Software, noch mehr technisches Fachwissen etc., um einen Film nachzubearbeiten, zu schneiden und zu rendern. Die meisten Videografen verstehen noch nicht einmal das letzte Wort Rendern.
- Smartphones hingegen bieten einfache - oft sogar kostenlose - Filter, die jeder Laie durch Wischen mit dem Finger darüberlegen und ausprobieren kann. Das war es. Und das reicht über 99% aller Fotografen (= Smartphone-Besitzern) aus.
- Fakt ist und bleibt somit, dass Smartphones die Nachbearbeitung mittels Künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence und Computational Photography) bereits weitgehend vereinfacht oder sowieso komplett überflüssig gemacht haben. Korrekt gelesen: KI in Smartphones erleichtert, vereinfacht und erspart inzwischen bei den neuesten Modellen die meiste Nachbearbeitung an Fotos und Videos.
- Um die Berufsfotografen und ambitionierten Foto- und Video-Amateure zu beruhigen: Die Ergebnisse sind noch nicht in allen Fällen so hochwertig, wie eine bei Fotos stundenlange respektive bei Videos tagelange manuelle Nachbearbeitung. Aber für über 99% aller Anwendungsfälle ist dies für über 99% aller Betrachter mehr als ausreichend bzw. gut genug.
- Nachtrag: Im Bereich handgehaltene Nachtaufnahmen und Gegenlichtaufnahmen sind modernste Smartphones hingegen jeder noch so teuren dedizierten klassischen Foto-Kamera überlegen.
Komplexität
- Fotografie weist eine erstaunliche Ähnlichkeit zu den Stocksportarten auf.
- Als Stocksportarten werden in der Soziologie die Sportarten der Reichen und Adligen bezeichnet, welche u.a. Tennis, Ski, Golf, Segeln (Pinne), Reiten (Peitsche, Gerte), Polo und Fliegen umfassen. Der Name stammt daher, weil alle Tätigkeiten eher indirekt über einen Stock durchgeführt werden. Der direkte Kontakt zum Objekt wird vermieden.
- Allen diesen Hobbys ist gemein, dass die Anschaffung und der Unterhalt, sowie die tatsächliche regelmäßige Durchführung sehr viel Geld und vor allem sehr viel Zeit erfordern.
- Während man mit zunehmendem Wohlstand die Faktoren Zeit und Geld relativieren konnte, blieb jedoch der dritte Aspekt bis heute erhalten, worunter alle jene Sportarten nach gewissen Wellen (z.B. Wassersportwelle der 1960-1980er Jahre, oder Tenniswelle nach Boris Beckers Erfolg in Wimbledon) auch immer wieder litten: Die Komplexität. Wer auf diesen Gebieten wirklich gut sein will, unterliegt wie beim Musizieren oder jeder anderen sehr anspruchsvollen Tätigkeit der sogenannten 10.000 Stunden Regel. Vorher ist die Beschäftigung damit eher ernüchternd. Exakt dies schreckt viele Menschen - nach ersten Versuchen - letztendlich von der langfristigen Beschäftigung mit jenen Tätigkeiten ab.
- Auch Fotografie gehört meines Erachtens zu den komplexesten Hobbies überhaupt. Trotz naturwissenschaftlicher Vorbildung und auch nach Jahrzehnten der aktiven Beschäftigung mit der praktischen Fotografie kann ich nicht alles und weiß ich nicht alles aus diesem extrem weiten Gebiet. Vor allem im Bereich Video lerne ich täglich dazu. Sogar für meine inzwischen dreistellige Anzahl an Artikeln zu Themen zur Fotografie musste ich mich immer wieder aktiv und intensiv in die Materie einarbeiten, um sie überhaupt verständlich anderen Personen erklären zu können.
- Da ich mich seit Jahrzehnten (auch beruflich) mit Software beschäftige, kann ich ganz offen zugegeben, dass ich kein einziges Programm zum Thema Fotografie vollständig - das heißt mit allen Befehlen und Möglichkeiten - beherrsche. Ich bezweifle überhaupt, dass es jemanden gibt, der auch nur Photoshop mit allen seinen mehreren tausend Befehlen komplett ausreizen kann. Bereits auf diesem kleinen Feld der Bild-Nachbearbeitung ist die Komplexität selbst für intelligente Menschen, die wirkliches Interesse daran haben, zu hoch.
- Beginnend mit Sony folgten inzwischen alle Hersteller jedoch dem Weg, immer noch mehr Einstellmöglichkeiten an die Kamera (Fn-Buttons) und vor allem in die inzwischen mit kryptischen Einträgen angefüllten unüberschaubaren Menülisten der Kamera-Software zu integrieren. Selbst erfahrene Fotografen beklagen sich darüber, und in allen seriösen Tests werden moderne Kameras in diesem Punkt der Ergonomie kritisiert.
- Im Grunde ist es bereits ein Trauerspiel, dass man keine einzige dedizierte Fotokamera heute mehr ohne langwieriges Studium des Handbuches bedienen, geschweige denn ausreizen kann.
- Wie hoch muss dann die Hürde für die Normalsterblichen erst sein.
- Der Vorteil meiner seit 2006 zur Fotografie veröffentlichten Artikel ist, dass ich viele Rückmeldungen und Fragen erhalte. Die meisten Anfragenden haben derart einfache Probleme sowie Fragen und offenbaren dabei einen derart geringen (Fach-)Wissensstand, dass es die Mehrzahl meiner Leser vermutlich erschüttern würde. De facto haben diese Menschen - im Gegensatz zu den fotografisch und videografisch Gebildeten / Künstlern sehr einfache Wünsche.
- Der insgesamt seit 1963 in der Firma tätige und inzwischen sehr erfahrene Vorstandsvorsitzende von Fujifilm fasste dies in einem Fernsehinterview 2018 einfach zusammen: Erinnerungen festhalten.
- Die fotografischen Insider tun dies gerne schnell als Dokumentar-Fotografie, Documentary photography ab. Aber dieser Fachausdruck geht am Kern vorbei. Die meisten Menschen wollen nur Erinnerungen an ihr eigenes Leben festhalten, um sich später einmal daran zu erinnern. Bilder als Eselsbrücke und Erinnerungshilfe (für das eigene Gehirn) an (meist) schöne Zeiten.
- Alle Wissenschaftler, die sich mit den Themen Neurologie, Gehirn und Erinnerung beschäftigen werden Ihnen jedoch bestätigen, dass es nicht besonders auf die Qualität des Bildes oder die Größe des Bildes ankommt, um bestimmte Erinnerungen (wieder) zu wecken. Dies gilt vor allem dann, wenn die Bildqualität bereits jenseits der Wahrnehmungsempfindlichkeit des menschlichen Auges liegt. In Japan wurde in jener Dokumentation 2018 sogar ein neues Phänomen beschrieben: Fotos werden zunehmend als sogenannt Thumbnails, also sehr kleine Bilder von etwas über Daumengröße, zu Collagen (z.B. in kitschiger Herzform) als Geschenk im Rahmen zusammengestellt. Die Japaner haben somit - als in Europa gerne verkannte Trendsetter - bereits erkannt, dass kleine Bilder zur Erinnerung an schöne Momente ausreichen.
- Ich gehe soweit, zu behaupten, dass sich die meisten Menschen früher nur mit der klassischen Fotografie mit dedizierten Kameras beschäftigten, weil es damals keine andere Möglichkeit gab, Erinnerungen festzuhalten. Die meisten waren nie ernsthafte Fotografen. Der Fotoapparat war ihnen nur leidiges Mittel zum Zweck - kein Mittel als Selbstzweck, wie für viele Hobby-Fotografen. Wer kann es ihnen verübeln, dass sie sich seit der Erfindung des Smartphones das eindeutig in der Bedienung einfachere Werkzeug (Mittel) kaufen, weil es ihre Zwecke vollauf erfüllt? - Das Smartphone reduziert die Komplexität der Fotografie und Videografie extrem. - Exakt dies ist ja der Kernpunkt der allgemeinen Kritik der eingefleischten Foto- und Video-Grafen an jenen Geräten.
- Wie bereits bei den Bedienelementen gezeigt, beschritten die klassischen Kamerahersteller in den letzten Jahren sogar bewusst den Weg der immer höheren Komplexität. Bereits den Wirrwarr der Sensorgrößen und den dazu jeweils geeigneten Objektiven sowie Bajonetten versteht kein Laie.
- Gleichzeitig wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen u.a. von Postkarten nachgewiesen, was ich ebenfalls seit vielen Jahren bei meinen Befragungen und Analysen feststelle: Die Menschen wollen ihren Urlaub / ihre Freizeit immer mehr
genießen
- sie wollen ihre Freizeit immer seltener aktiv mit anstrengenden und komplexen Hobbies gestalten.
Kommunikation
Bei der Kommunikation handelt es sich um ein Grundbedürfnis der Menschen.
- Wer sich noch an die erste Dekade unseres Jahrtausend erinnert, dem kommen die vielen Damen in Erinnerung, welche fast alle eine kleine Kompaktkamera besaßen und damit überall Dokumentationsfotos aufnahmen sowie sie danach sofort ihren Bekannten auf dem rückwärtigen Display zeigten.
- Diese Kernzielgruppe der digitalen Fotografie kaufte zum Höhepunkt 2010 fast 100 Mio. derartiger Kameras im Jahr. Sie wanderten inzwischen fast alle zu Smartphones ab.
- Smartphones bieten ein viel größeres, viel helleres, viel schärferes Display. Dadurch gelingt die Präsentation der Fotos und auch Videos - also die direkte Kommunikation mit Freundinnen viel wirkungsvoller. Vor allem ist die Bedienung auch noch einfacher.
- Aber bald waren es nicht nur die Damen, sondern auch Herren - und nicht nur die Alten, sondern auch Jugendliche, welche die Kommunikation mittels Bilder (Fotos und Videos) mit dem Smartphone erkannten. Das Selfie ist das Symbol der jungen Smartphone-Generation. Bilder von sich - wo immer man sich gerade auf der Welt befindet - binnen Sekunden weltweit verschickt. Globale Kommunikation mit Fotos und Videos über Live-Streaming-Kanäle/-Plattformen wie YouTube etc. zu einer stetig wachsenden Zahl an Followern. Das eigene Foto und Video in Echtzeit weltweit sichtbar.
- Um das mit einer klassischen Kamera zu machen, müssen Sie dieses schwere Gerät am weit ausgestreckten Arm mit einem teuren Ultraweitwinkelobjektiv vor sich halten, was nur Body-Builder über längere Zeit können. Die Ergebnisse sind verwackelter als bei jedem Smartphone. Dann müssen Sie diese zumindest über eine unergonomische und langsam arbeitende App in herabgesetzter Qualität auf das Smartphone (sic!) übertragen, um es dann versenden zu können. Alternativ steht Ihnen der noch längere Workflow mit der Nachbearbeitung zu Hause am PC bevor und die geradezu grotesk schwierige Aufgabe des Hochladens solch einer Datei zu den klassischen Streaming-Portalen, die inzwischen alle auf Smartphones ausgerichtet sind.
- Sogar im Bereich der Berufsfotografen wird allen Ernstes nur mühsames WiFi oder Kabel-Übertragung angeboten. Bereits die komplexe technische Konfiguration derartiger Kanäle dürfte die meisten Anwender abschrecken. In der modernen Berufspraxis müssen sich Sportberichterstatter anstrengen, ihre Fotos rechtzeitig in die Redaktion zu liefern. Aber sie sind auch dann immer langsamer als jeder Smartphone-Berichterstatter, der seine Fotos und Videos entweder in Echtzeit überträgt oder zumindest nur Sekunden später den Versand durchführen kann und damit gleichzeitig auch bereits die Publikation erreicht hat.
- Aber bei Video kehrte sich die Beeinflussungsrichtung bereits um: Waren es zuerst die Jugendlichen, welche es als Kommunikationsmittel verwendeten, so sehe ich heute auch immer mehr Rentnerinnen, die (teilweise sogar live) von der Kreuzfahrt ein Video an ihre Lieben zu Hause versenden.
Video
- Zuerst gab es nur Schwarz-Weiß-Fotos. Manche künstlerischen Fotografen glauben bis heute daran, dass nur dies ernstzunehmende Fotos seien.
- Die Menschheit ging jedoch ganz schnell zu Farbfotos über, da sie die Welt realistischer darstellten - so wie die meisten Menschen sie sahen.
- Stereofotografie und 3D-Film konnte sich hingegen nie durchsetzen, da der Aufwand dazu zu hoch war - im Vergleich zum geringen Mehrwert. - Diese seit über 150 Jahren mehrfach bewiesene Tatsache sollte am Detail herumoptimierenden Kameraherstellern zu denken geben.
- Aber Video setzte sich durch, weil Menschen nun einmal bewegte Bilder bevorzugen, weil sich in ihrem Leben auch fast alles bewegt. Bewegung steht für viele Menschen nur einmal für Leben.
- In einem Artikel schrieb ich vor vielen Jahren, dass Video die Zukunft der Fotografie und der Kamerahersteller sei. Heute muss ich sachlich festhalten, dass es für die meisten Menschen bereits die Gegenwart ist.
- Vor allem in den letzten Jahren haben die klassischen Kamerahersteller viel unternommen, um die Video-Qualitäten ihrer Foto-Kameras zu optimieren. Dies führte dazu, dass alle modernen Fotokameras im Grunde Hybridsysteme sind. Manche neueren Modelle sind sogar überwiegende Video-Kameras, mit denen man - nebenbei - auch noch Standbilder aufnehmen kann.
- Aber gleichgültig, welche großen Fortschritte bejubelt werden, jedes Smartphone ist im Bereich Video jeder dedizierten klassischen Kamera bereits überlegen: 4K-Videos mit 60 Bildern je Sekunde ist im Smartphone-Bereich seit Jahren Standard. Bei dedizierten teuren Kameras kostet so etwas nochmals Aufpreis für die erforderliche Software. Seit 2018 gab es die ersten 8K-Video-Smartphones und ab 2020 wird eine ganze Welle neuer 8K-Smartphones den Markt überschwemmen. Zeitlupenaufnahmen mit bis über 1.000 Bildern in der Sekunde werden auch schon lange geboten.
- Wie weit der Foto-Kamera-Bereich auch mental der Entwicklung hinterherhinkt zeigte sich 2020, als Canon mit der R5 die erste 8K-Video-Kamera anbot. Weltweit stritten sich die Fotografen über den Sinn von 8K. Das brauche oder wolle angeblich kein Mensch.
Ubiquitäre Verfügbarkeit
- Früher war es üblich, dass man sich Fotos in einem Album mit Lederumschlag ansah. Andere (wie man bei uns am Bodensee sagt
angefressene
Amateure) veranstalteten Dia-Abende, auf denen sie ihre Fotos auf großen Leinwänden projizierten.
- Heute belichten nicht wenige klassische Fotografen ihre besten Fotos in großem Format (bis hin zu Quadratmetern) aus und hängen sie sich als Aludruck an die Wand. Die meisten Fotografen betrachten die meisten Fotos jedoch inzwischen nur noch am großen PC-Monitor oder Fernseher. - Beides funktioniert jedoch nur zu Hause.
- Die meisten modernen Menschen wollen allerdings ihr digitales Fotoalbum ihres gesamten Lebens immer bei sich haben. Genauer gesagt, sie lagern alles meist in der Cloud - einem riesigen Datenspeicher irgendwo im Internet. Bei Bedarf ziehen sie sich mit ihrem Smartphone die gewünschte und natürlich mit Künstlicher Intelligenz automatisch vom Anbieter verschlagworteten Fotos passend und schnell herunter, um sie an jedem Ort der Welt anzusehen und vor allem anderen auf dem inzwischen erstaunlich großen Smartphone-Display in hoher Bildqualität zu präsentieren.
- Ubiquitäre Verfügbarkeit ist diesen Menschen wichtiger als große Papieraufnahmen, die fest an der Wand hängen, oder große 8K-Monitor-Anzeigen, die man derzeit nicht dabeihat.
- Dieser Wunsch nach weltweiter sofortiger Verfügbarkeit hängt natürlich auch mit dem zunehmend wieder nomadischen Leben unserer modernen Gesellschaft zusammen. Das betrifft die jungen berufstätigen Leute genauso wie die Rentnerinnen auf den Kreuzfahrtschiffen.
- Wer nun als klassischer Fotograf meint, das Alles beträfe ihn nicht, der sollte weiterlesen. Im Zuge meiner Fotoexkursionen machte ich 2019 folgende Aufnahme eines (zumindest bei uns) seltenen beidseitigen Halos auf dem Bodensee. Selbstredend ist das Bild in höchster Auflösung auch für einen 8K-Monitor oder zum Ausbelichten auf Meterware geeignet. Als ich jedoch auf einer Schifffahrt auf dem Bodensee einige Tage später meiner mit dem Smartphone fotografierenden neuen Zufallsbekanntschaft davon erzählte und alle physikalischen Details zu dem Wetterphänomen den interessiert nachfragenden umstehenden Zuhörern erklärte, zog sie ihr damals gemachtes Foto dazu aus der Cloud und zeigte es auf dem älteren Smartphone den Umstehenden. Damit wurden aus allen Zuhörern plötzlich Zuschauer. Wer machte wohl mehr Eindruck? Was blieb in Erinnerung? Natürlich das eher mäßig gute Foto auf dem Smartphone, das aber sofort herumgezeigt werden konnte. - Lachen Sie ruhig. Aber Smartphone-Besitzer/innen stehlen erfahrenen und erfolgreichen Fotografen schon lange die Show. - Früher galt der Spruch:
Die beste Kamera ist diejenige, die man dabeihat.
Heute gilt: Das beste Foto ist dasjenige, das man sofort und überall vorzeigen kann.
Ökosysteme
- Die klassischen Kamerahersteller denken in Systemen - also Systemkameras, an die verschiedenes Zubehör angeschlossen werden kann und auch soll. Seit geraumer Zeit bezweifle ich allerdings, dass die Mehrzahl der Menschen noch dieses Systembewusstsein lebt oder schätzt. Sofern man es jedoch als Grundpfeiler der eigenen Firmenstrategie fortsetzen möchte, so muss dies konsequent geschehen.
- Damit ein einziges Teil des Systems funktioniert oder zumindest seinen optimalen Nutzen erzielen kann, benötigt es ein dazu passendes Umfeld. Viele nennen dieses Gesamtumfeld inzwischen Ökosystem - auch im ökonomischen Bereich.
- Da jedoch die beiden Platzhirsche Canon und Nikon, sowie auch die Firmen Panasonic und Sigma in der schlimmsten Wirtschaftskrise der Fotografie das eigene alte Bajonett 2018 aufgaben und ein neues bei Vollformat erstellten respektive verwendeten, standen sie am Anfang. Es bestand faktisch kein Ökosystem, sondern man bot nur ein paar für sich genommen wertlose Einzelteile. Darüber dürfen auch unzuverlässig arbeitende Adapter nicht hinwegtäuschen.
- Bei Sony konnte jeder studieren, wie es bisher 7 Jahre dauerte, um ein spiegelloses System aufzubauen, das bis heute nicht vollständig ist. Dies sogar, obwohl Sony Lizenzen für sein Bajonett herausgab und bei der Objektiventwicklung eng mit Zeiss zusammenarbeitete.
- Während Sigma und Panasonic die lockere Zusammenarbeit mit Leica suchten, indem sie deren veraltetes Bajonett übernahmen, hielten sich Canon und Nikon bisher ganz bedeckt, wollten alles selbst machen und scheiterten bisher komplett und kläglich daran. Als ein Beispiel sei der von Nikon für Herbst 2018 versprochene und erst ein Jahr später im Herbst 2019 herausgebrachte Batteriegriff zur Z-Reihe erwähnt, der völlig überteuert und von allen Fotografen als inakzeptabel für die Praxis angesehen wird, da er keinerlei Tasten oder Schalter anbietet. Das ist kein Hochkantgriff, sondern nur ein eckiges Batteriegehäuse. Falls es jedoch nur um die zusätzliche Leistung des Ersatzakkus geht, so kann man einen solchen auch lose in der Mantel-Tasche mitnehmen.
- Ähnlich ernüchternd sieht es bis 2020 bei brauchbaren Kameras, Objektiven und Blitzgeräten für die neuen Systeme aus.
- Smartphones haben es da als Multifunktionsgeräte einfacher. Sie beinhalten fast alles Relevante innerhalb eines Gehäuses.
- Bei allen anderen erforderlichen Dingen hielten sich deren Hersteller an weitverbreitete Standards (JPEG) oder kostenlose Firmennormen (DNG als Bildformat), oder setzen gleich auf den neuesten Standard HEIF). Allgemeine Computer-Chips wurden vom Markt bezogen respektive mit der Zeit immer mehr mit eigenen Vorgaben an deren Hersteller optimiert. Auch die Kamerasensoren und deren Optik werden von wenigen fremden Firmen (überwiegend Sony und Samsung) bezogen. Dass man Akkus von Zulieferern bezieht ist eine Selbstverständlichkeit. Nur so erhält man jederzeit das Optimum. Ja sogar die Displays werden von Fremdfirmen hergestellt.
- Oder man setzte machtvoll neue Standards. De facto sind heute nur noch Googles Android und Apples IOS als Betriebssysteme bei Smartphones relevant. Basta. - Bei den Kameraherstellern pflegt hingegen jeder alleine noch mindesten 2-3 RAW-Bildformate. Selbstredend hat jeder auch eigene Prozessoren und eigene interne Kamerasoftware sowie Software für den PC für die Nachbearbeitung.
- Die Smartphone-Hersteller lizensierten ihr Betriebssystem oder schufen offen publizierte Schnittstellen dazu, bauten sofort eine Cloud auf, mit eigenem Marktplatz, auf den sie viele weitere Firmen einluden, deren eigene Software anzubieten. Kurzum: Sie sahen ein, dass sie nur mit anderen zusammen schnell ein attraktives Ökosystem aufbauen konnten. Denn vor allem bei neuen Dingen stehen alle vor dem Henne-Ei-Problem. Bevor das Eine nicht da ist, gibt es auch das Andere nicht. - Im Klartext: Kaum ein Kunde will der erste Dumme sein, der etwas kauft, mit dem er nicht viel anfangen kann. So erklärt sich auch, warum kaum Umsteiger / Aufsteiger von Smartphones zu den neuen spiegellosen Kameras zu verzeichnen sind.
- Während die Smartphone-Anbieter schnell ihre Cloud-Dienste ausbauten, damit die Smartphone-Fotografen und -Videografen ihre speicherintensiven Produkte sofort in der unbegrenzt großen Cloud abspeichern können, wenn der Speicher auf dem eigenen Gerät erschöpft ist, stellten die Kamerahersteller ihre Cloud-Dienste in letzter Zeit ein oder reduzierten sie. - Nachtrag: Canon bot 2020 (aber nur für ganz bestimmte neue, teure Kameras) wieder einen erweiterten Cloud-Service an.
- Smartphones besitzen de facto auch kaum Zubehör, da sie alles beinhalten und jährlich alles neu als ein Gesamtpaket herauskommt.
- Systemkameras hingegen bestehen aus sehr vielen Komponenten, die ein funktionierendes System erst ausmachen und es auch erst im vollständig ausgebauten Zustand attraktiv machen.
- Hier müssen Kamerahersteller mehr bieten - schnell. Kaum ein Kunde wird meine berechnete Aufbauzeit von 5-10 Jahren bei Canon oder Nikon für deren neue Systeme geduldig abwarten.
- Dies gilt auch konsequent für alle Sensorklassen. Wer folglich neben Vollformat noch APS-C anbieten will, der muss auch dort ein komplettes System mit ausreichend hochwertigen Objektiven anbieten. Man darf die APS-C-Klasse nicht länger als lustlos betriebene Anfütterungszone für das Vollformat ansehen.
- Fazit: Zusammenarbeit der Kamerahersteller, Festlegung von Standards, Lizensierung aller Schnittstellen (vor allem der Bajonette), Aufgabe aller Zubehörprodukte, die nicht zu den Kernprodukten Kamera und Objektiv gehören (u.a. Blitzgeräte, Akkus, Batteriegriffe, Fernbedienungen), sind das Mindeste, was nun erfolgen muss. Beschränkung auf das eigentliche Kerngeschäft Kameras und Objektive muss das Ziel sein. Der gesamte Rest wird dann von Drittanbietern erledigt. Nur so lässt sich ein komplett neues Ökosystem in halbwegs überschaubarer Zeit erstellen. Denn kaum ein Kunde will mit den neuen spiegellosen Systemen einige alte Probleme lösen, wenn er dafür viele neue Probleme erhält.
Alt- und Neukunden
- Angesichts der seit 2010 dramatisch abnehmenden Kunden- / Käuferzahlen stellt sich die Frage, wie man diese für die Hersteller so wichtigen Zahlen an Neukäufen erhöhen kann.
- Zahlreiche Indizien bei Neuprodukten, deren Vorstellung und Marketing-Aktionen deuten darauf hin, dass die meisten Hersteller noch immer den Schwerpunkt auf die Gewinnung von Neukunden legen.
- Selbstredend ist die Neukundengewinnung wichtig, da (sehr) alte Kunden über gesundheitliche Beschränkungen ausscheiden - das Hobby aufgeben bis hin zu wegsterben.
- Allerdings fällt vom Service angefangen bis hin zur allgemeinen Kundenbetreuung auf, dass exakt hier die oft großen Defizite der Hersteller weltweit bemängelt werden.
- Seit 2010 gelingt es somit den Herstellern noch nicht einmal, alle Altkunden zu halten. Das wäre - wie jede Studie zeigt - jedoch viel einfacher und preiswerter als die Neukundengewinnung.
- Die Neukundengewinnung fällt ferner durch die Generationssprünge und damit verbundenen Technologiesprünge immer schwerer. Es mag zwar lächerlich erscheinen, aber eine an den Komfort des Smartphones gewohnte (vor allem junge) Person an eine dedizierte Digitalkamera heranzuführen, ist sehr aufwändig. Nicht nur die ergonomische Bedienhürde, sondern auch die Verständnishürde angesichts des komplexen Hobbies Fotografie ist enorm.
- Deshalb stellt sich die ernste Frage, ob den Herstellern nicht mehr damit gedient wäre, der noch bestehenden großen Zahl an Altkunden mehr Zeit und Geld zu widmen, um diese zu Wiederholungskäufen anzuregen, statt mit Billigkameras eine geringe Anzahl an Neukunden zu werben, die man mit derartig schlecht ausgestatteten Billiggeräten nicht binden - im Zweifel noch nicht einmal zum Wechsel vom Smartphone bewegen - kann.
- Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht nicht um die Frage A tun und B lassen, sondern um eine gewisse Umverteilung der Gewichtung, Zeit und Mittel hin zu den Altkunden. Sofern der Altkundenbestand stabilisiert werden kann, werden automatisch Interessierte Personen zu jener (interessanten) Gruppe als Neukunden hinzustoßen. Diese wirklich interessierten Fotografen werden sich dann auch sinnvoll ausgestattete und damit teurere Kameras zulegen. Eines der Probleme scheint derzeit auch ein Imagefaktor zu sein: Wer will schon in einen vermeintlich
sterbenden
Bereich investieren oder sich überhaupt dafür interessieren?
Abwägung
- Smartphones sind nicht perfekt: Sie sind rutschig, können - da aus Glas - beim Herunterfallen zerbrechen, sind mit bis zu weit über 1.000 Euro teuer und werden mit den zahllosen Funktionen des eindeutigen Multifunktionsgerätes auch immer komplizierter. Ferner sind zentrale Fragen zur Sicherheit und zum Datenschutz bis heute nicht kundenfreundlich geklärt.
- Die Bildqualität ist derzeit noch geringer, vor allem, wenn man das Ergebnisbild auf einem großen PC-Monitor im 1:1-Modus auf Pixelebene betrachtet. Auf dem Smartphone-Display sieht das Foto allerdings bereits hervorragend aus, weil es darauf optimiert wurde.
- Aber deren Hersteller haben die Schwachpunkte und Wünsche der Kunden erkannt und optimieren mittels immer mehr parallel arbeitender Kameras im Smartphone (derzeit bis zu 4, und Kamera-Cluster bis zu 16 sind schon patentiert), neuen Quad-Bayer-Sensoren mit bis zu über 100 Mega-Pixeln (250 MP befinden sich bereits in der Entwicklung und Sensoren mit 600 Mega-Pixel sind geplant) sowie Künstlicher Intelligenz die Bildqualität jährlich sichtbar.
- In der Abwägung überwiegen für viele Milliarden Nutzer somit inzwischen eindeutig die Vorteile des Smartphones gegenüber selbst den modernsten dedizierten klassischen Kameras, weil Smartphones in den Augen der Nutzer die eigenen Kernprobleme insgesamt
besser
lösen.
Niedergang
- Gerne wird über die Firma Kodak (Wikipedia Englisch, Wikipedia Deutsch) gelästert: Sie sei unfähig gewesen, den notwendigen Übergang von analogem Film auf digitale Fotografie zu meisten. - Das greift viel zu kurz und betrachtet nur die Symptome.
- Der Niedergang Kodaks begann, als man aufhörte, sich am selbst herausgefundenen Kundeninteresse der breiten Masse zu orientieren.
- Selbst, wenn viele Fotografen und Analytiker behaupten, die Menschen hätten sich seit 1880 dramatisch geändert, so wage ich dies aus Sicht der Psychologie und der Evolution zu bezweifeln. Und genau aus diesem Grund finden sich auch dieselben Erfolgs-Argumente exakt so bei der Fotografie mit Smartphones wieder.
- Ketzerisch kann man den klassischen Kameraherstellern durchaus in den letzten Jahren ein ausgeprägtes Pippi-Langstrumpf-Prinzip / -Syndrom als Unternehmensstrategie attestieren. Dies beruht auf dem Standardspruch der Kinderbuch-Heldin:
ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt
. Das Management lebt abgehoben
in einer Scheinwelt. Das führt dazu, dass man Kundenprobleme übersieht und Kundenwünsche vernachlässigt.
- Dass die Smartphones so erfolgreich sind, liegt vor allem daran, dass sich deren Hersteller ernsthaft mit den Problemen der Menschen befassen und dafür geeignete Lösungen anbieten. Diese Lösungen sind noch keineswegs perfekt. Aber sie sind ganz offensichtlich in den Augen der meisten Kunden (Fotografen) den bisherigen Lösungsvorschlägen der klassischen Kamerahersteller überlegen.
- Während Künstler und deutsche Politiker sich gerne gegen die Meinung der überwiegenden Mehrheit und deren Geschmack sowie Verhalten positionieren, sollten sich am Gewinn orientierte kommerzielle Unternehmen dies sehr genau überlegen.
- Sofern die klassischen Kamerahersteller mit ihren dedizierten Kameras nicht umgehend die wichtigsten Probleme des Workflows - der Nachbearbeitung und der Publikation / Kommunikation - konsequent angehen, sehe ich keine Chance, den Aufstieg der Smartphones und den gleichzeitigen Abstieg der dedizierten Kameras im Bereich Foto und Video aufzuhalten.
- Derzeit erwecken die Kamerahersteller von außen jedoch den Eindruck, dass sie sich nicht mit den wahren und gravierenden Problemen der meisten fotografierenden Menschen befassen. Ganz im Gegenteil behalten sie ihre alte Strategie bei - Optimierung der vielen Details rund um die Bildqualität. Stattdessen schränken sie die Kernzielgruppe auf die dazu passende Käuferschicht ein: Berufsfotografen und hochambitionierte wohlhabende Amateurfotografen, die das ebenso sehen wie die Hersteller, sich das leisten können und auch bereit sind, es zu jedem Preis zu erwerben. - Im Klartext: Die Strategie wird in ihren Eckpfeilern weitgehend beibehalten, nur die dazu noch passende Käuferschicht wird angepasst und reduziert. - Diesen Weg halte ich für gefährlich, da jene Kernzielgruppe ständig weiter schrumpfen wird.
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