9. Weitere Regeln der Bildgestaltung
Neben den bisher genannten Mitteln des Bildaufbaus finden sich zahlreiche weitere Denk-Modelle und Anregungen aus benachbarten Bereichen der Fotografie.
Ein Inhaltsverzeichnis mit direkten Sprungmarken und Überblick über alle bei Weitere Regeln der Bildgestaltung
behandelten Themenbereiche finden Sie als Pop-Up.
Film
Man kann auch aus dem Filmbereich lernen:
- (Extreme) Überblicksaufnahmen (Extreme Long Shots) zeigen dem Betrachter, wo etwas war.
- Mittelformatige Aufnahmen (Medium Shots) zeigen, was geschah.
- Nahaufnahmen (Closeup Shots) betonen Details, zeigen Emotionen und beschränken auf das Wichtigste. Sie zeigen teilweise das Wie.
- Extreme Nahaufnahmen (Extreme Closeup Shots) vergrößern und betonen Details, zeigen Emotionen und beschränken auf das allerwichtigste Detail.
Rams' Thesen auf die Fotografie angewandt
Wenn man die 10 Design-Thesen (Diese 10 Thesen von Dieter Rams sollten Allgemeinbildung sein, 10 Thesen von Dieter Rams über gutes Produktdesign, Was ist gutes Design? - 10 Thesen nach Dieter Rams) des großen deutschen Industriedesigners der Moderne - Dieter Rams auf die Fotografie anwendet, erhält man wertvolle Hinweise für Bildgestaltung:
- Innovation: Gute Fotos sind innovativ: d.h. das Bild wurde noch nie vorher so aufgenommen / das Motiv noch nie so gesehen. Es handelt sich somit auch nicht um eine reine Weiterentwicklung oder Perfektionierung eines vorherigen Bildes / Stils. Letzteres wäre nur eine Evolution. Etwas völlig Neues ist auch heute noch möglich. Aber Innovation steht immer im Zusammenhang mit dem Bild. Es darf nicht zum davon losgelösten Selbstzweck werden.
- Nutzen: Gute Aufnahmen machen das Bild brauchbar: Das Bild muss die erwünschte Wirkung auch und zwar schnell beim Betrachter erzielen. Alles Störende muss folglich entfernt werden oder zumindest in den Hintergrund treten. Wenn man z.B. annimmt, dass Bilder eine Geschichte erzählen sollen, dann muss man diese Geschichte in klaren Worten (Zeichen) und ohne Unterbrechungen, Umwege oder Verkomplizierungen erzählen, damit sie der Empfänger auch versteht. - Das meine ich und zahlreiche andere Analytiker im Übrigen mit der immer wieder vorgebrachten Kritik an umfangreichen schriftlichen Texterklärungen zu Bildern: Wenn solche langatmigen textlichen Erläuterungen zum Bildverständnis erforderlich sind, dann scheint - zumindest manchen Betrachtern - die Bildsprache im Foto selbst nicht klar genug zu sein. Es gibt Primärfunktionen (z.B. der Inhalt) des Bildes, wie auch sekundäre / psychologische Funktionen (z.B. Art der Darstellung: Farben, Formensprache).
- Ästhetik: Gute Fotos sind ästhetisch. Schön. Aber nicht unbedingt gefällig. Es soll den Betrachter ansprechen. Denn ein Bild, das er bei sich aufhängt, prägt auch sein Lebensumfeld - täglich. D.h. aber auch, neue Ästhetiken zu wagen und nicht immer den alten Schönheitsidealen verhaftet zu bleiben. Selbstredend stehen wir als Erbe der Fotografie immer auf den Vorfahren und selbstverständlich unterliegen Schönheitsideale wie Fotostile den typischen zeitabhängigen Modeerscheinungen. Aber nur die Bilder und Stile der anderen / Vorfahren zu kopieren, wirkt eher fad, schal und langweilig als schön.
- Verständlichkeit: Gute Fotos sind verständlich / einfach zu verstehen / selbsterklärend: Lassen Sie den Betrachter einen Bildnamen für Ihr Foto wählen. Lassen Sie den Betrachter beschreiben, was er im Foto sieht. Lassen Sie Betrachter Ihre Fotos in eigenen Worten beschreiben. Wenn er eine andere Lösung hervorbringt als Sie, dann ist Ihr Foto nicht einfach zu verstehen. Offensichtlich kann der Betrachter etwas im Bild nicht erkennen. - Vorsicht: Das kann auch als Strategie vom Fotografen beabsichtigt sein.
- Zurückhaltung: Gute Fotos sind unaufdringlich, zurückhaltend und zumindest nicht behindernd: Wenn sich etwas in Ihrem Foto anders anfühlt, als gewohnt, ist es hinderlich. So finden sich in zahlreichen Fotos kompositorische Hindernisse, welche den Blick einschränken, bremsen oder vom weiteren freien Lauf im Bild abhalten. Vor allem dominante Geraden können dies verursachen. Sie können ein Hindernis im Foto darstellen. Wer z.B. das Portrait-Format (hochkant) wählt, sollte darauf achten, dass keine horizontalen Linien das Bild in zwei unverbundene Teile spalten. Und wer das Landscape-Format wählt, muss mit dominanten vertikalen Linien vorsichtig sein, welche unüberwindliche Hürden darstellen können, weil man sie dort nicht erwartet. Ein absolut flacher, gerader und markanter Horizont kann z.B. jedes Bild in zwei unverbundene Teile trennen. Hingegen folgt das Auge gern geschwungenen Linien hin zu einem Ziel. Dort sollte sich dann jedoch auch das Ziel des Fotos befinden. - Das Foto sollte dem Menschen den ihm gebührenden Raum zur selbstbestimmten Wahrnehmung und Interpretation einräumen, und ihn zumindest nicht dabei behindern.
- Ehrlichkeit: Gute Fotos sind ehrlich. Weder wird übertrieben noch wird der Betrachter manipuliert. In diesem Sinne sind manche Fotomontagen (insbesondere in Photoshop) unehrlich. Wer z.B. drei einzelne Aufnahmen separater Bären in einem Zoo nimmt und vor einem Naturhintergrund als gleichzeitig gegeneinander kämpfende Bestien kollagiert, spiegelt dem Betrachter etwas vor, das so nicht existierte und wohl auch nie existieren wird. Hingegen ist das einfache Weg-Retuschieren von störenden Elementen (Abfall in einem Park) - je nach Fotogenre - inzwischen zumindest diskussionswürdig. In der dokumentarischen Fotoreportage und der reinen Tier-/ Naturfotografie werden die Grenzen hierbei allerdings oft sehr eng gezogen. Das Hinzufügen von nicht vorhandenen Elementen wird jedoch meines Wissens noch generell als unehrlich angesehen. Jede Entscheidung ist allerdings einzelfallabhängig und auch abhängig vom jeweiligen Fotografen.
- Langlebigkeit: Gute Fotos sind langlebig: Nur wer die Regeln für gute Bilder erkennt, kann sie ständig treffsicher reproduzieren, d.h. immer anwenden und dadurch ständig herausragende Fotos machen. Das umfasst z.B. die Beherrschung der eigenen Kameraausrüstung, das dank vorausgehender Planung zielsichere Finden der besten Aufnahmestelle / -Position zur optimalsten Zeit oder bei der Studiofotografie die Kenntnisse der Lichtgestaltung. Daraus folgt auch automatisch ein eigener (Arbeits-) Stil des Fotografen. - Ein Foto ist ferner nicht modisch kurzlebig, sondern erzielt auch in einigen Jahren noch seine Wirkung aufgrund die Zeiten überdauernder Grundregeln der Komposition. Die Schwarz-Weiß-Fotos von z.B. Anselm Adams faszinieren Betrachter noch heute. Auch wenn die meisten heute so etwas in Farbe aufnehmen würden.
- Konsequenz: Gute Fotos sind konsequent bis ins letzte Detail. Durchgängigkeit: An einem Foto sollte alles stimmen. D.h. alles sollte so sein, wie Sie es wollen / geplant haben. Anders herum ausgedrückt sind Kompromisse, die man bei dem Foto eingehen musste, ein Indiz für Optimierungspotenzial. In der Regel findet sich da Optimierungspotenzial in der Vorbereitungsphase vor dem Auslösen der Kamera. Natürlich kann man heute manche Gesichtsunreinheiten nachträglich in Photoshop beheben oder Falten im Rock oder Flecken auf der Bluse retuschieren. Aber vor der Aufnahme wäre es schneller und kostengünstiger durchführbar. - Also achten Sie auch vorher auf die Details.
- Umweltfreundlichkeit: Gute Fotos sind umweltfreundlich. D.h. auch, dass man während der Aufnahme von Fotos andere weder durch zu großen Lärm noch Licht / Blitzlicht stört. Das gilt sowohl für Menschen als auch insbesondere für Tiere wie Pflanzen. Es heißt aber auch, dass man für eine Aufnahme keine Schäden anrichtet, indem man z.B. Pflanzen niedertrampelt oder ausreist, um eine besondere Aufnahmeposition zu erhalten. - Letztendlich gilt dies jedoch auch für die Frage, ob man ein Foto, das andere bereits gemacht haben, unbedingt nochmals identisch nachmachen muss, nur damit man es auch geschossen hat. Nicht gemeint sind hiermit sinnvolle Trainings- oder Übungsfotos, um selbst besser zu werden, sondern reine Kopien von Aufnahmen, die kein Mensch mehr (sehen oder kaufen) will.
- Gute Fotos sind so wenig Bild wie möglich. Wenn ein Foto mit wenig Aufwand herzustellen ist, dann belassen Sie es dabei. Integrieren Sie ferner nur so viele Elemente in dem Bild, wie zur gewünschten Aussage wirklich notwendig sind. Viele Bilder gewinnen durch Vereinfachung und Reduktion. Bei komplexen Bildkompositionen müssen im Umkehrschluss dann auch wirklich alle Elemente miteinander kommunizieren, zueinander in Bezug stehen und von Bedeutung sein.
Wohlgemerkt: Thesen sind keine unumstößlichen Naturgesetze, aber als Denkanstöße allemal bemerkenswert.
Kommunikationsmodell
Wenn man Fotografie als Kommunikation betrachtet, dann sind folgende Elemente relevant:
- Sender: Fotograf
- Empfänger: Betrachter des Fotos
- Hier ist besonders die Zielgruppenanalyse wichtig: Wer soll das Foto betrachten? Wie sind seine (fotografischen / seherischen) Kenntnisse? Was sind seine Erwartungen? Wie kann und wird er das Bild dekodieren / interpretieren?
- Im Detail: Kann der anvisierte Betrachter überhaupt das Wahrgenommene erkennen / lesen / interpretieren?
- Vor allem künstlerisch erfahrene Fotografen überfordern manchmal das im Sehen unerfahrene Zielpublikum. Gemäß dieser Definition der Kommunikation ist Kunst nicht nur das, was nur noch wenige Spezialisten auf der Welt verstehen können.
- Viele Fotografen übersehen in einer globalisierten Welt die unterschiedlichen kulturellen Konventionen sowie individuellen Erfahrungen und Prägungen der Betrachter.
- Je klarer man jedoch diese Zielgruppenorientierung (manche nennen es auch Positionierung) durchführt, umso eher werden andere Zielgruppen ausgegrenzt und man erhält dann auf das Foto von Personen aus anderen Zielgruppen auch unerwartete (Gegen-) Reaktionen.
- Medium: die Aufnahme selbst
- Auch die detaillierte Form des Fotos, die Größe und dessen Umgebung sind wichtig, wie Papierbild, gerahmt, ungerahmt, auf Aluminium aufgezogen etc., der Aufstellungsort / der Kontext, das Licht dort, die Bilder darum herum, die Bildunterschrift usw.
- Noch wichtiger für fotografische Experimente ist: Kann der Betrachter nach der erfolgreichen Analyse des Bildes diese (seine) Analyse vom Bild selbst unterscheiden? - So wie viele Menschen zwar sprechen und verstehen können, können sie dennoch nicht das Medium Sprache (z.B. wie ein Linguist oder Literaturkritiker) als solches betrachten. Selbstverständlich kann jeder den Inhalt eines Gedichtes verstehen. Aber nicht jeder kann den Rhythmus, Reim und Satzbau erkennen und sich darüber unterhalten.
- Das / die Zeichen / die Sprache / die Bildsprache
- Wenn man von Kommunikation spricht, ist neben dem Informationsträger (Foto) auch die Information selbst wichtig: Sie besitzt eine nichtzufällige Bedeutung, die man decodieren kann.
- Dies setzt voraus, dass zumindest ein Teil der Zeichen / Symbole im Bild dem Betrachter bekannt sein müssen und von ihm verstanden werden können.
- Da man in der Kommunikation jedoch auch aus Neugier fast immer etwas Neues erwartet, sollten manche Zeichen, Symbole etc. für den Betrachter auch unerwartet oder neu sein, sonst wirkt ein Bild oft schnell langweilig. Der Betrachter will schließlich oft etwas dazulernen. Aber man darf ihn auch nicht mit zu viel Neuem überfordern.
- Kontakt aufnehmen zum Betrachter: Der erste Eindruck des Bildes muss anziehen, Aufmerksamkeit erregen, Neugier wecken.
- Kontakt halten / Kommunikation aufrechterhalten: Die Blickführung muss den Betrachter immer wieder zurück in das Bild führen und darf ihn nicht durch unbeabsichtigte Elemente zu früh hinausschicken.
- Das Bild soll beim Betrachter Emotionen auslösen.
- Im Idealfall soll das Bild den Betrachter zu einer Handlung bewegen - die Bildinformation soll beim Betrachter zumindest eine Wirkung / Reaktion auslösen.
- Das Bild ist relativ gesehen ein sehr schnelles Kommunikationsmittel (zumindest deutlich schneller als Lesen oder Sprechen). D.h. jedoch auch, dass der Betrachter oft binnen Sekunden oder Bruchteilen von Sekunden eine Entscheidung trifft. Insbesondere fehlt fast jede technische Hürde oder moralische Hemmung die Kommunikation abrupt abzubrechen.
- Gemäß Kommunikationsmodell setzt der Sender jedoch voraus, dass gewisse Anknüpfungspunkte beim Empfänger vorhanden sind, die jener bereits verstehen kann (ein Grundverständnis). Falls alle Elemente der Kommunikation für den Empfänger neu sein sollten, wird die Kommunikation eingeschränkt oder unmöglich. Wer als Sender einen für den Empfänger völlig neuen Sachverhalt in einer für den Sender unbekannten, neuen Sprache vermittelt, darf sich über Unverständnis auf Seiten des Empfängers nicht wundern. Wer also alles gleichzeitig verändert, kann dadurch den Kommunikationsfaden abreißen lassen und so keine Akzeptanz finden.
- Aus diesem Grund behaupten zahlreiche Kenner der Kunstszene, dass man in der Kunst bisher insgesamt eher langsam und sukzessive voranschritt. Selbst angeblich große Umbrüche (z.B. in der Malerei) deuteten sich meist lange vorher in anderen Gemälden anderer Künstler langsam an, bevor sie dann für das breite Publikum geballt in Erscheinung traten.
- Gemäß Kommunikationsmodell kann man (Foto-) Kunst auch als selbständige (Fremd-) Sprache verstehen, die man erlernen muss, die aber nicht automatisch jeder beherrscht. Zumindest bei nicht so kunsterfahrenen Zielgruppen kann die Kommunikation bei starken Kunstbrüchen sehr schwierig oder sogar unmöglich werden, weshalb sie dann vom Empfänger erbost abgebrochen wird.
- Ferner scheint die Erwartung verschiedener Zielgruppen auch themen-, zeit- und produktabhängig zu sein, d.h. die Erwartungshaltung des Empfängers darf nicht als konstant angesehen werden. So wird die (Foto-) Kunst im Marketing / Produktwerbung von zahlreichen Zielgruppen offensichtlich anders betrachtet als z.B. im Museum oder einer Galerie. D.h. der Empfänger erwartet hier eine andere Bild-Sprache. Diese kann durchaus künstlerisch sein, denn man spricht z.B. auch von Gebrauchskunst. Das mussten der Fotograf Oliviero Toscani und die Firma Benetton insbesondere in ihrer in den 1980er und 90er Jahren geschalteten Werbung erkennen, welche weltweit große bis größte Empörung hervorrief. Offensichtlich wurden hier weder der Zweck noch die Zielgruppe korrekt analysiert. Ferner ließ man den Kontext (also die Situation) außer Acht.
Symbole / Zeichen
- Die moderne Welt ist überfüllt mit Symbolen
- Z.B. der gesamte Verkehrsbereich wird dadurch dominiert.
- Formen und Farben der Symbole haben ihre eigene Sprache entwickelt, die man gezielt in Fotos verwenden kann.
- Angenommen Sie wollen sich mit einem Foto gegen die Umweltverschmutzung eines Kohlekraftwerkes wenden, so könnten Sie durch geschickte Perspektivwahl die rauchenden Schlote und die riesigen Kühlwasserdämpfe so im Hintergrund aufnehmen, dass im Vordergrund ein achteckiges Stoppschild oder zumindest rundes Gesperrt-Schild / Durchfahrt verboten zu sehen ist. Dadurch hätten Sie im Übrigen auch einen interessanten Farbkontrast erzeugt.
- Wer sich etwas in den komplexen Bereich der Semiotik / Zeichentheorie einlesen will, dem sei das zwar etwas eigenwillige, aber zumindest deutsche PDF empfohlen.
Bildstile
Zur Übersicht mit Erklärungen von rund 200 Fotostilen, Fotogenres etc.
Sowohl in der Malerei als auch in der Fotografie bildeten sich im Laufe der Jahrhunderte Bildstile heraus, deren wichtigste man zumindest einmal gesehen haben sollte. Extrem verkürzend und vereinfachend sind dies:
- Naturalismus und Realismus versuchen die Außenwelt extrem resp. zumindest weitgehend so real darzustellen, dass ein hoher Wiedererkennungsfaktor im Bild sichtbar wird. Alltäglichkeit und wertneutrale Sachlichkeit dominieren in den Abbildungen. - Dies war nichts Neues oder Einmaliges. Bereits die alten Griechen fanden in der täuschenden Abbildung der Natur ein künstlerisches Ideal (Mimesis), und auch die Trompe-l'oeil-Malereien (Täuschungsbilder) der Renaissance und späterer Epochen sowie die illusionistische Raumgestaltung des Barocks belegen dies.
- Im Impressionismus werden die Stimmungen, Eindrücke und Gefühle des Fotografen dargestellt, was sich oft in Darstellungen des Lichts und der atmosphärischen Bedingungen spiegelt. Vor allem (helle) Farben spielen eine wichtige Rolle. In der impressionistischen Fotografie wurden auch die Unschärfe und das gestreute Licht (der Piktorialisten) wichtig.
- Im Expressionismus über Kubismus bis zur Abstrakten Malerei, die sich noch deutlicher gegen den Realismus wenden, wird hingegen die eigene Befindlichkeit des Künstlers zum wichtigen Maßstab der Darstellung. Der Künstler versucht hier, sein eigenes subjektives Erlebnis (z.B. der Situation) dem Betrachter expressiv darzustellen. Dabei werden Farbe und Formen ungewohnt frei verwendet und gewinnen an Bedeutung. Subjektivität, Direktheit und Spontaneität werden wichtig.
- Neue Sachlichkeit, Neues Sehen, Straight photography oder Bauhaus-Ästhetik - bis hin zur Subjektiven Fotografie, welche wieder zur Neutralität, Sachlichkeit und zum Formalen zurückführten, wobei deren Vertreter mit diesem Neuen Realismus die Fotografie u.a. durch extreme Schärfe und Detailtreue unabhängig von der Malerei machen wollten, mit der besonders sorgfältigen Bildkomposition sich jedoch wieder an ihr orientierten.
- Beim Surrealismus (z.B. Salvador Dalí) lassen sich direkte Einflüsse auf die Fotografie nachweisen (z.B. Man Ray).
- Auch die abstrakte Malerei und ungegenständliche Bilder (Unterschied) sollte man in Erwägung ziehen.
- Sogar Pop-Art, Minimalismus Minimal-Art, Konzeptkunst (conceptual art) und Aktionskunst sollte man als Fotograf die Aufmerksamkeit widmen.
- Die Beschäftigung mit der Malerei ist auch deshalb wichtig, weil immer mehr Fotografen/innen nicht nur deren Stile kopieren und abwandeln, sondern sich alte Kunstwerke als Vorbild nehmen, die sie nachstellen und fotografieren. D.h. das neue Foto verweist auf ein altes Gemälde. Ohne jenen historischen und kulturellen Bezug kann man derartige Werke nicht vollständig verstehen.
- Wie sich die Literatur häufig mit ihren Vorläuferwerken befasst, so setzten sich auch Malerei und Fotografie oft mit ihren historischen Vorgängern sowie Zeitgenossen auseinander, reflektieren auf sie und arbeiten sich an ihnen ab, stellen Bezüge dazu her und grenzen sich gleichzeitig in Details davon ab. Museen und vor allem niveauvolle Kunst-Galerien suchen und wählen folglich immer auch unter dem Aspekt des bisher so nicht Dagewesenen aus. - Man kann somit pointiert durchaus behaupten, dass sich weite Teile der künstlerischen Fotografie ähnlich dem angloamerikanischen Rechtssystem der Einzelfall-Entscheidungen (Präzedenzfälle) zu einem geregelten System entwickelt hat, wenn diesem auch das der kontinentaleuropäischen Rechtsprechung übliche Standardwerk der Normsetzung (z.B. Code Civil oder Bürgerliches Gesetzbuch) fehlt.
- Wer jetzt vor der sicherlich großen Aufgabe bereits kapituliert, der sollte Folgendes bedenken, was sicherlich den meisten Fotografen - so oder ähnlich - bereits widerfahren ist: Man betrachtet ein Foto oder Gemälde und ist angezogen, beeindruckt, findet es schön, ungewöhnlich etc. Nach intensiverer Betrachtung fällt einem jedoch das eine oder andere Detail auf, das man selbst für nicht so gelungen, geeignet, ideal etc. hält, und dann kommen einem auch bereits erste Ideen, wie man dies selbst anders, besser etc. machen würde. - Stark vereinfacht (und noch ohne wissenschaftliche Fundierung) ist dies im Grunde das obige Prinzip der Orientierung am Vorhandenen und der individuellen Weiterentwicklung. - Wer schon so weit ist, für den wird der Rest zu einer interessanten Reise durch die Kunst, welche zudem mit ständig hochwertigeren künstlerischen eigenen Fotos belohnt wird.
- Wer nicht nur künstlerisch tätig sein will, sondern damit auch (kommerziellen) Erfolg haben möchte, sollte sich folglich mit der Kunstgeschichte (insbesondere der Malerei und Fotografie) sowie deren Stilen befassen.
- Ein Blick auf die bekanntesten Fotokünstler - Photographers mit Ihrem Gesamtwerk ist ebenfalls empfehlenswert.
Auch in diesem Sinne kann die Beschäftigung mit der Malerei oder zumindest ein Besuch eines Kunstmuseums der Malerei für Fotografen sehr anregend sein.
Fachfremdes Wissen
Wie bereits gezeigt, bin ich und viele andere kreative Menschen keine Anhänger der US-Fachbuchlehre der zehn Goldenen Regeln oder hundert Praxistipps zur Kunst in der Fotografie. Kreatives entsteht hingegen oft durch fachübergreifendes Denken - also, wenn man etwas aus einem völlig anderen Bereich versucht anzuwenden. Es kann dabei sachlich oft nicht weit genug entfernt sein.
Vielleicht helfen Ihnen in diesem Sinne auch ein paar Ratschläge von Sherlock Holmes und seines Schöpfers, Sir Arthur Conan Doyle, zu besseren Fotos:
Selbstverständlich ist es ruhmvoll und ehrenhaft, wenn man beim ersten Versuch die optimale Lösung errät. Oft ist es jedoch sinnvoller und lehrreicher, zuerst zu scheitern.
- Neben seiner detailgenauen Beobachtung lässt sich auch seine Deduktionslehre - die nüchterner Schlussfolgerung - auf die Fotografie (z.B. die Perspektivenwahl) anwenden:
Wenn man alles Unmögliche ausgeschlossen hat, so ist der Rest - so unglaublich er auch auf den ersten Blick aussehen mag - die Lösung.
Oder schauen Sie einmal in den Bereichen Architektur und Musik vorbei.
Regeln brechen
- Alle Regeln der Bildgestaltung kann und darf man brechen.
- Aber man sollte die Regel kennen, die man bewusst brechen möchte.
- Man sollte den Regelbruch betont durchführen, da er ansonsten oft als fehlerhafte oder nicht gekonnte Umsetzung der Regel missinterpretiert werden kann.
- Also wenn man z.B. verkannten will, dann sollte man die Kamera nicht nur 1-2 Grad schwenken, sondern deutlich.
- Wenn man z.B. die horizontale Perspektive bewusst verzerren will, dann sollte man auch sehr tief und nah herangehen bei Aufnahmen von unten, bzw. steil von oben fotografieren.
Literatur und Videos
Hier einige Quellenangaben:
- YouTube: Painting concepts - Englische Filme zur Bildkonzeption
- Leier Einrahmung und helles Zentrum
- Values
- Farbe
- Auge
- Bildbeurteilung
- Photo Composition Articles
- Gestaltgesetze
- Bildgestaltung - eine sehr umfangreiche Arbeit eines Fotografen, der sich in den Kunstbereich sowohl der Fotografie als auch der Malerei eingelesen hat. - Aufgrund der nicht immer sofort ersichtlichen Zusammenführung vieler wissenschaftlicher Aspekte zu einem Thema, ist es eher für fortgeschrittene Fotografen geeignet, welche sich bereits in die unterschiedlichen Einzelgebiete, wie Gestalttheorie, eingearbeitet haben. Allerdings trennt der Autor nicht zwischen den künstlerischen Aspekten und dem Handwerk, wodurch er den Inhalt durch viele handwerklichen und kameratechnischen Bemerkungen aufbläht.
- Nachtrag 27.06.2024: The True Photographic History of ‘The Rule of Thirds’ (and Golden Mean) - Pseudo-historische Darstellung aus US-Sicht. Vorsicht: Manche angebliche Quellen-Angaben sind wiederum Sekundär oder Tertiärquellen und gehen keineswegs an die echten Quellen heran. Deshalb ist einiges schlichtweg falsch. So beruhen u.a. die Angaben zu analogen Filmkameras schlichtweg auf einem Gruppierungsfehler der CIPA, welche vor 1999 keine digitalen Kameras auswies, sondern eben alle Kameraarten in einer Gruppe zusammenfasste. Ein Feherl, der sich seit mindestens 20 Jahren so fortsetzt, weil kaum jemand die Originalunterlagen der CIPA liest
- Andreas Feiningers große Fotolehre - Taschenbuch, aber ein großer Teil dieses Alt-Werkes befasst sich zeitbedingt noch mit der Analogfotografie.
- Harald Mante, Das Foto: Bildaufbau & Farbdesign
- Molly Bang: Picture This, How Pictures Work - die US-Ausgabe ist teilweise wesentlich preiswerter - Basiswissen als Einführung auf Englisch.
- Ted Forbes: Composition Study - visual composition - auf Englisch. Besonders das Video über Vereinfachung ist sehenswert.
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