Software: Tests, Grundlagen
Moderne Fotografie ist software-getrieben.
Software-Revolution
Angesichts heute ubiquitärer digitaler Kameras glauben viele Menschen, dass die Digitalisierung des Fotobereiches durch die Hardware, die Kameras erfolgte. Allerdings kamen digitale Kameras erst spät und sehr langsam heraus. Erfunden wurden sie 1963. 1969 folgte der erste CCD-Sensor. Ab 1973 waren die ersten Geräte erhältlich. Ihre Marktdurchdringung wurde erst nach dem Jahr 2000 relevant. Im Prinzip handelte es sich in den 1980er und 90er Jahren eher um Experimente einiger weniger Fotografen. So kam erst 1999 die erste Spiegelreflexkamera heraus. Und erst 2002 folgte die erste digitale Vollformat-Kamera. Aber selbst dann waren die meisten Kameras noch sehr teuer und lieferten eine im Vergleich zu heute geringe Bildqualität.
De facto war es jedoch die Software, welche bereits im 20. Jahrhundert die analoge Fotografie zuerst veränderte und schließlich verdrängte.
Spätestens ab den 1990er Jahren kamen immer mehr preislich erschwingliche Scanner heraus, welche auch Fotos und Negative sowie Dias einlesen konnten.
Gleichzeitig ermöglichten grafische Oberflächen bei Apple / Mac sowie Windows eine halbwegs ergonomische Bedienung der Software mit der Maus.
Zur gleichen Zeit fanden Grafikprogramme mit zahlreichen Fotoretusche-Möglichkeiten eine deutlich weitere Verbreitung. Die erste Photoshop-Version kam 1990 heraus. 1994 besaß das Programm bereits Ebenen für eine komplexe Bildbearbeitung.
Die Folgen / Ergebnisse waren:
- Fast alle Fotografen nahmen in den 90er Jahren zwar noch analog auf.
- Aber die ersten Profis und Amateure scannten ihre ausbelichteten Fotos, dann Dias und schließlich die Negative ein, um sie am PC nachzubearbeiten.
- Mit dem aufkommenden Internet-Boom und der vorhandenen Möglichkeit der Darstellung von Fotos als JPEG ab etwa 1993 im World Wide Web mischten sich IT-ler massiv in den Fotobereich ein. Sie benötigten Fotos für die Werbung im Internet. Die Bildqualität war sowieso gering und die Bildgröße auf geradezu winzige Formate beschränkt, da die Bandbreite der damaligen analogen Modems, welche an schwachen Telefonleitungen hingen, oft bei wenigen tausend Zeichen / Byte pro Sekunde lagen.
1994 lud ich an der Universität, die damals über einen Hochgeschwindigkeitsanschluss ans Internet verfügte, ein Foto, das ein Unwissender in den USA im Format 600*400 eingescannt hatte. Nach mehr als 45 Minuten war es noch immer nicht vollständig aufgebaut, sodass ich entnervt abbrach.
- Diese IT-ler verstanden in der Regel nichts von Fotografie, aber von Software. Das führte zur einseitig technisch getriebenen software-orientierten Weiterentwicklung.
- Die Internet-Betreiber der damaligen Zeit scannten so ziemlich jedes ausbelichtete Foto im Maßstab 9*13 cm mit geringen 50-100 dpi ein, um irgendetwas Buntes im Internet zeigen zu können.
- Damit man sie übertragen konnte, wurden die Bilder nochmals drastisch verkleinert und mit JPEG-Qualitätsstufen von 10-30% abgespeichert.
- Ferner kam es zur Abwendung der Techniker vom Fotobereich insgesamt. Während IT-Magazine fast nur über Grafiksoftware schrieben, verfassten Fotomagazine stur fast nur Artikel zu analogen Kameras. Beide Gruppen ignorierten sich, so lange es ging.
- Die Bilder im Netz in den 1990er Jahren waren oft miserabelste Aufnahmen von Menschen ohne jede Fotopraxis. Aber damals war man im Internet schon froh, überhaupt etwas Farbiges zu sehen - selbst wenn man den Inhalt des Fotos eher erraten musste, als erkennen konnte.
- 1997 erstellte ich für das Management einer bekannten großen Foto-Ausbelichtungsfirma eine erste Studie darüber, ob es sich zukünftig lohnen könnte, den deutschen Kunden im Internet das direkte Hochladen von (damals meist noch eingescannten) Fotos zum Entwickler mit Bestellmöglichkeit anzubieten. Meine überaus bejahende Antwort traf damals noch auf erhebliche Skepsis der Geschäftsführung. Ein Jahr später wurden dennoch erste Versuche damit unternommen.
- Ende der 90er Jahre schwenkten jedoch zunehmend die Druckzwischenstufen, insbesondere die Setzer auf moderne digitale Systeme um.
- In der Folge gingen ab etwa dem Jahr 2000 immer mehr Verlage dazu über, von den Fotografen bereits digitalisierte Vorlagen zu verlangen. Die Fotografen besorgten sich nun einen befreundeten IT-ler, der ihnen die Fotos einscannte, oder kauften sich einen PC und Scanner, um es selbst durchzuführen. Auch hier war es folglich die (Setz-) Software, welche die Fotografen zu einem digitalen Zwischenschritt zwang.
- Da die IT-ler geringe Anforderungen besaßen, waren sie auch mit den ersten digitalen Kameras mit geringer Leistung mehr als zufrieden. Die 640*480 Pixel waren in den 1990er Jahren vielen für das Internet sogar zu viel, sodass sie die Auflösung reduzierten.
- Der Vorteil für die internet-treibenden HTML-/Software-Programmierer war vielfach:
- Man benötigte keine analoge Kamera.
- Man musste nicht viel von Fotografie verstehen. Die ersten digitalen Kameras hatten kaum Funktionen. Alles ging automatisch. Man musste eigentlich nur abdrücken. Konnte damals jedoch auch kaum mehr.
- Man benötige keinen analogen Film. Da hatten viele IT-ler schon Probleme mit den Dingen wie ISO/ASA. Ich erinnere mich daran, wie einer einmal einen Diafilm aus dem Laden mitbrachte. Er kannte noch nicht einmal den Unterschied zu Negativfilm.
- Man musste den Film nicht zum Entwickeln bringen.
- Man musste nicht 5-7 Tage auf die Entwicklung des Filmes warten.
- Man musste die entwickelten Fotos 9*13 nicht extra vom Geschäft abholen.
- Das aufwändige und qualitative minderwertige Scannen entfiel. Und mit der Zeit entfiel auch der teure Scanner.
- Dafür nahmen Software-Fotobearbeiter vor 2000 alles andere, wie den komplizierten Datentransfer von der Kamera zum PC, gerne in Kauf.
- Diese Kameras wurden deshalb auch meist in Computer-Läden verkauft. Ernsthafte Fotofachgeschäfte in meiner Stadt weigerten sich bis mindestens 2000, so etwas bei sich zu anzubieten.
Das digitale Jahrtausend
- Die Software lief der Hardware-Entwicklung auch in den Jahren 2000 bis 2005 weit voraus. Photoshop war damals bereits so mächtig wie heute, besaß jedoch noch nicht den heutigen ergonomischen Bedienungszugang zu allen Funktionen. Und da auch die PCs leistungsfähiger waren als die ersten Kameraprozessoren, wurde die Bildbearbeitung weitestgehend am PC ausgeführt.
- Deshalb blieb der Fotomarkt auch noch ambivalent. Viele ehemalige Fotografen tasteten und testeten sich langsam an die digitale Fotografie heran. Meist waren es jedoch eher IT-getriebene und software-orientierte Neulinge, welche Digitalkameras anschafften. So waren es die privaten Heimanwender mit ihren PCs, welche 2003 erstmals dafür sorgten, dass mehr digitale als analoge Kameras gekauft wurden. Die Logik war einfach: Photoshop etc. zu besitzen, ohne eigene digitale Fotos machen zu können, war witzlos.
- Mit den ersten Vollformat-Sensoren zwischen (2002-2005, insbesondere der Canon 5D) kippte der Markt jedoch ab 2006 bei den Profifotografen. Hier wurden die qualitativen Ansprüche hochgeschraubt. Ernsthafte Fotografen wollten jedoch auch damals eher ungern am PC nachbearbeiten.
- Um diese Zeit herum begann auch das große Sterben der analogen Filme und dazugehörenden analogen Ausbelichtung.
- Und ab 4 Mega-Pixeln bei Kompaktkameras (ab ca. dem Jahr 2000 langsam verfügbar) fanden völlig neue Gruppen wie Rentner und Damen in bisher unvorstellbarer Zahl Zugang zur Fotografie. Jene waren eher durch die Einfachheit zu gewinnen. Die Bedienungsvereinfachung war jedoch erst durch Software möglich geworden. Kaum eine Person dieser Zielgruppe besaß vorher eine analoge Kamera, weil jene schlichtweg zu kompliziert waren.
- Zwischen 2005-2010 stellten die meistens Kamerahersteller die Produktion analoger Kameras ein.
- Bis 2010 stellten die meisten Fotografen das eigene Ausbelichten ein, und die meisten Fotoclubs schlossen ihre analogen Dunkelkammern.
Software-getriebene Smartphones
- Zwar sehen viele Besitzer ihr Smartphone als Hardware. De facto ist fast die gesamte Funktionalität jedoch software-getrieben.
- Es waren die Apps, welche die Fotografie und die Bildbearbeitung auf die mobilen Telefone brachten.
- Dass Smartphones heute Kameras fernsteuern und deren Fotos sofort ins Internet schicken, ist der Software darauf zu verdanken.
Software-getriebene Zukunft
- Auch wenn viele Autoren die Jahre 2000 bis 2016 eher als Hardware-Fortschritt bei den Kameras wahrnahmen, so war es die Software in den Kameras, mit neuen Algorithmen in Signalprozessoren, welche die Bildqualität optimierte.
- Inzwischen spielt die Software in den Kameras nicht nur marketing-technisch eine immer größere Rolle. Motivprogramme, JPEG-Stile, Nachbearbeitung von RAW und JPEG in der Kamera, automatisches HDR(I), automatische Panoramen, Filter, Pixel-Shift etc. legen Zeugnis davon ab.
- Die analoge Fotografie führt nur noch ein Nischendasein. Dies liegt insbesondere daran, dass viele Firmen die Unterstützung für die Negativ- und Dia-Filme sowohl bei der Herstellung als auch Ausbelichtung reduzierten oder völlig einstellten.
- Selbst, wenn die im Bereich Fotografie heute Tätigen langsam zusammenwachsen, so ist jener Unterschied zwischen Fotografen und IT-lern auch heute noch sichtbar. Er ist sogar einer der Ursachen für die endlosen Missverständnisse und Diskussionen in Foren.
- Die Fotografen gewinnen zwar so langsam wieder ihr Metier Fotografie zurück, weil inzwischen die Kamera-Hardware keine ausschlaggebende Rolle mehr spielt. Dies war jedoch nur um den Preis der Einarbeitung in die Software möglich.
- Ohne Foto-Software (sei es in der Kamera oder auf dem PC) gibt es keine Fotografie mehr.
Deshalb finden Sie hier im Folgenden in dieser Rubrik einige Artikel, die sich mit denjenigen Software-Themen beschäftigen, die sonst niemand (zumindest nicht kompetent) angehen will oder kann.
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