Offiziell heißt es im Deutschen anamorphotisch. Aber die beiden Begriffe anamorph, anamorphisch werden inzwischen aus dem Englischen kommend von anamorphic weitgehend synonym verwendet. Auch hier ist es zwecklos, sich gegen die faktische Sprachgewohnheit der Massen zu stellen. Ferner verwenden erfahrene Videografen das Nomen Anamorphoten als Kurzbezeichnung.
Zwar handelt es sich um ein Randthema in der Videografie, das wirklich nur von wenigen überhaupt in der Praxis verwendet wird. Aber im Zuge der Abwendung fast aller Kamera-Hersteller von der Fotografie hin zur Videografie interessieren sich immer mehr Leser für anamorphotische Objektive, die dennoch in der modernen digitalen Videografie selten verwendet werden.
In der Fotografie sind diese Objektive noch seltener.
Vorsicht: Es gibt mehrere Definitionen: anamorph Griechisch bedeutet per se nur 'umgestaltet' - also eine Verzerrung, aber nicht wie oder in welchem Umfang dies geschieht.
Hinweis: Praktisch alle Fotografen und die meisten modernen digitalen Videografen arbeiten nur mit sogenannten sphärischen Objektiven. Letztere werden auch als 'flat' oder 'flach' bezeichnet, weil sie das Motiv, soweit es geht, im realen Maßstab abbilden. D.h. je höher die Qualität sphärischer Objektive ist, desto optisch perfekter wird ein Gegenstand der Natur (Motiv) auch auf dem Sensor im exakt gleichen Verhältnis (also 1:1) abgebildet und auf dem rückwärtigen Display sowie im elektronischen Sucher dargestellt sowie abgespeichert. Sphärische Objektive stauchen somit nicht - und zwar in keiner Richtung.
Fast alles bezog sich (vor allem die Definitionen von früher) auf den analogen Film, wo diese anamorphotischen Objektive ihre Vorteile ausspielen konnten.
Der finanzielle Hintergrund war der einfache Wunsch, Breitwand-Kino (im Gegensatz zur 4:3-Fernseh-Konkurrenz) anzubieten, ohne teure neue Filmkameras mit breitem Film, breitere Schneidemaschinen und dann auch neue breitere Kino-Projektoren dafür anschaffen zu müssen (wie z.B. für Super Panavision 70). Deshalb trickste man seit den 1950er Jahren mit dem weltweit gebräuchlichen klassischen 35mm-Film-Format und der dafür überall vorhandenen Infrastruktur.
Man hätte Breitwandkino auch mit dem klassischen 4:3-Format des 35mm Films herstellen können. Dazu wäre ein sogenanntes Briefkasten-Schlitz-Format (letter-box) nötig gewesen. Man hätte also oben und unten viel Filmfläche verschenkt, wodurch aber bei Breitwandformat die Bildqualität bei analogem Film gesunken wäre. Dies gab es tatsächlich und wurde oft '2 perf per frame' genannt. Die Abkürzung 'perf' steht hier für Perforation. Gemeint ist die Bildhöhe von 2 Film-Löchern in der rechts und links sichtbaren Filmlaufrolle zum Vorwärtsspulen des Films.
Deshalb wurde damals bei der Aufnahme mehr (35mm) Filmfläche genutzt. Dies nannte man auch '4 perf per frame'. - Gemeint ist die volle 35mm-Bildhöhe von 4 Film-Löchern in der rechts und links sichtbaren Filmlaufrolle zum Vorwärtsspulen.
Optisch erzielt wurde dies indem man horizontal die Aufnahme stauchte und dadurch die von Menschen auf einer Leinwand wahrnehmbare Auflösung erhöhte sowie beim späteren Entzerren am Projektor das sichtbare Korn (etwas Ähnliches wie modernes Rauschen) reduzierte. Beides wurde damals als Vorteil gesehen. Vor allem aber war es billig, da man nur eine weitere Linse (zum Stauchen) für die aufnehmende Kamera und die umgekehrte Linse zum Ausdehnen für den Kino-Projektor benötigte.
Früher (zu analogen Filmzeiten) wurde alles breiter als 4:3 als anamorphotisch bezeichnet (z.B. CineScope). Heute (digital) beschränken dies viele Anwender / Autoren auf Überbreiten über DCI / Cine / Kino-D / Kino-Format (also Breitwand-Formate über 17:9 respektive 1,9:1, vor allem für mehr als DCI 4K = 4.096 Pixel Breite - sowie größer DCI 8K = 8.192 Pixel Breite). Leider wird darauf fast nie hingewiesen. Die wenigen Insider kennen sich in jenem Sprachenwirrwarr (hoffentlich) aus.
Fazit: Anamorphotischen Objektive waren und sind eine technische Krücke mit optischen Nachteilen, die man zu analogen Film-Kino-Zeiten nur in Kauf nahm, um Geld zu sparen. Derartige Breitwand-Kinofilme sind somit bezüglich der messbaren optischen Bildqualität gesehen nicht - wie immer behauptet - höherwertiger als 4:3-Film-Produktionen. Die (auch im analogen) Kinofilm wahrgenommene höhere Qualität lag an dem viel höheren Aufwand zur Aufnahme insgesamt (vor allem mit Licht). Jedoch hat sich in den Köpfen vieler Kinogänger der falsche Eindruck festgesetzt, dass Breitwandaufnahmen und somit anamorphotische Objektive höherwertig wären. - Gegen blinden Glauben ist die Physik oft machtlos.
Eventuell setzte sich dieser Irrglaube auch im Vergleich der projizierten Breitwand-Farb-Kinofilme im Vergleich zu den damals über analoges Fernsehen via Dachantenne übertragenen 4:3-Sendungen fest. Denn die analoge TV-Bildqualität war sowohl in Schwarz-Weiß, aber besonders in Farbe bis ca. Ende der 1970er Jahre der durch sündhaft teure High-End-Projektoren erzielten Filmqualität eines an die Leinwand geworfenen hochwertigen analogen Filmes unterlegen.
Ferner war / ist das Problem bei digitalen Super 35-Format-Sensoren nicht so drängend wie bei früherem Kleinbildfilm (35mm).
Oder mit anderen Worten: Heute werden digitale Sensoren lieber (meist in der Nachbearbeitung) vertikal für Video beschnitten, um das optimale Seitenverhältnis (bis 4:1) zu erhalten, weil dann die Bildqualität bei normalen / sphärischen Objektiven erhalten bleibt.
In den letzten Jahren gewann das (im Grunde nur für analogen Film notwendige) Thema wieder etwas an Fahrt, weil moderne digitale Kameras höhere ISO-Basen bei Video besaßen, welche den Einsatz dieser anamorphotischen Objektive bei Offenblende erlaubten.
Exakt in dieser Renaissance / in diesem Retrostyle liegt jedoch das Kernproblem: Es finden sich unzählige alte anamorphotische Objektive, welche jahrzehntelang in Schubladen verstaubten, sowie neue Replika dieser Uralt-Konstruktionen für analogen Film gerechnet neben neuen anamorphotischen Objektiven, die für digitale Sensoren gerechnet, konzipiert und entwickelt wurden. Man muss somit bei jedem Objektiv im Einzelfall nachsehen und nachprüfen, was es wirklich optisch leisten kann.
Hierbei wird von einem Objektiv mit Linsen ausgegangen. Bei einer teilweise verwendeten Prismen- oder Spiegel-Konstruktion können hingegen (zumindest theoretisch) an deren Kanten evtl. weitere Beugungseffekte entstehen.
Die Beugung ist abhängig von Kanten. Also z.B. von der Blende. Sofern die Blende in der Form dieselbe ist, sollte die Beugung zwischen sphärischen und anamorphotischen Objektiven auch vergleichbar sein. D.h. diese Objektive sollten keinen Einfluss auf die reine Beugung und den daraus folgenden Zerstreuungskreis haben. Denn anamorphotische Objektive sind sphärische Objektive mit weiteren Linsenelementen, welche das Bild zusätzlich 'verengen'. Das ändert - wie mehr andere Linsenelemente in anderen Objektiven - optisch somit nichts an der Beugung.
Aber es finden sich bei wenigen anamorphotischen Objektiven auch elliptische / ovale Blenden, welche durch die andere Form und andere Kanten Einfluss haben könnten.
Da man anamorphotische Objektive jedoch absichtlich fast nur bei Offenblende oder sehr weit geöffneter Blende verwendet, um eine geringe Schärfentiefe / Tiefenschärfe zu erhalten, nimmt die Beugung sowieso nur einen relativ geringen Einfluss auf die Verschlechterung der Bildqualität.
Etwas anderes liegt beim Verschluss vor. Heute verwenden jedoch fast alle Video-Kameras digitale Sensoren mit meist (elektronischem) Rolling Shutter als rein elektronischen Verschluss. Hierbei entsteht keine weitere Beugung.
Bei einem klassischen rotierenden (Kreis-Scheiben-) Verschluss (der klassischen analogen Video-Kameras und mancher alter Camcorder) bilden dessen beide Kante jedoch auch eine Beugungszone, welche über dem längeren horizontalen Filmstreifen eine längere und größere Auswirkung haben, als über dem kürzeren vertikalen. Jedoch befinden sich diese mechanischen Verschlüsse fast immer hinter den Linsen und haben somit zumindest keinen verstärkenden Einfluss bei der Aufnahme - im Vergleich zu herkömmlichen Video-Objektiven. Allerdings können bei der später erforderlichen Ausdehnung diese Beugungseffekte dieses besonderen mechanischen Videoverschlusses ggf. auch vergrößert werden.
Bei der Aufnahme wird somit bei anamorphotischen Objektiven das Motiv/Bild zuerst horizontal gestaucht, und irgendwann später wird es wieder entzerrt - in die Breite gezogen.
Es finden sich verschiedene Angaben zur horizontalen (optischen) Stauchung und anschließenden (optischen oder elektronischen) Entzerrung. Anamorph ist nur ein allgemeiner Oberbegriff.
Bereits ist unklar, welches Bildfenster (zur Aufnahme) verwendet wird. Da findet sich alles von 1:1 (quadratisch) über 4:3 bis über 1:2.
Sofern die 'Stauchung' optisch über den ganzen horizontalen Bildbereich gleichmäßig erfolgte, dann sollte das auch linear berechenbar sein.
Vorsicht: Optisch ist es bei manchen modernen Objektiven so, dass die Linsen das Bild vertikal stauchen (Technirama), um es horizontal (auf der vorgegebenen Sensorbreite) breiter erscheinen zu lassen, indem man es vertikal wieder schrumpft.
Es wird sogar noch komplizierter, weil es früher noch zahlreiche weitere Techniken und somit unterschiedliche anamorphotische Objektive gab, welche noch immer auf Gebrauchtbörsen angeboten werden.
Hinzu kamen und kommen bis heute noch viele unterschiedliche Kompressions- / Stauchungs-Faktoren und somit auch wieder unterschiedliche anamorphotische Objektive. Denn keineswegs wurde oder wird immer der oft genannte Faktor 2 verwendet.
Meine Erfahrung mit realen Optiken ist jedoch, dass eine optisch durchgeführte perfekt lineare Stauchung nicht gegeben ist. Oft werden die Ränder anders gestaucht als der Mittelteil. Das kommt auch dem ziemlich unscharfen Sehen des Menschen im Randbereich näher. Aber es führt u.a. zum Phänomen des 'anamorphotischen Mumpses' (anamorphic mumps): Personen, die im Zentrum der Szene stehen, werden krankhaft horizontal aufgebläht, was vor allem im Gesicht und bei Großaufnahme negativ auffällt. Hingegen sehen bei anamorphotischen Objektiven Personen am Rand oft 'überschlank' aus. Noch unglücklicher sieht es oft aus, wenn ein Schauspieler von einer Seite der Szene / des Bildausschnittes zur anderen läuft und dabei seine Körperfülle sichtbar ändert. - Kurzum: ökonomische Gründe (Geiz) führen bei vielen anamorphotische Objektiven dazu, dass es (vor allem am Rand) zu unsauberer Stauchung und somit Unschärfen, Artefakten sowie Verzerrungen kommt.
Sofern nun im idealen Fall dieselbe Optik (Projektor) mit denselben (Stauchungs-) Fehlern zum Entstauchen / Entzerren (des analogen Filmes) verwendet wird, sollte das Ergebnis dem Ursprungsbild nahe kommen.
Bei elektronischer Entzerrung kommt es auf die Details an. Es findet sich auf die optischen Fehler eines bestimmten Objektives angepasste Software. Aber perfekt ist das nicht, da man fast immer von Mittelwerten ausgeht. Deshalb werden häufig fehlende Pixel einfach interpoliert. D.h. man nimmt den Zwischenwert aus dem linken und dem rechten Pixel direkt neben der durch die Dehnung entstandenen Lücke.
Da in der Filmindustrie jedoch (vor allem in großen Studios) schon lange mit KI (Künstlicher Intelligenz) gearbeitet wird, kann man das heute im High-End-Bereich sicherlich sehr gut korrigieren. Mittels moderner (Gen)KI werden für den Betrachter sinnvolle Pixeleinfügungen erzeugt, statt hirnloser Interpolation.
Physikalisches Faktum bleibt jedoch, dass man bei anamorphotischen Objektiven zuerst (bei der Aufnahme) horizontal mehr Daten / Photonen auf engerem Raum abbildet (undersampled), als ohne Stauchung bei einem sphärischen Objektiv. Beim Entzerren leidet messbar die horizontale Auflösung, weil man für das Ausdehnen schlichtweg zu wenige Rohdaten besitzt.
Die Stauchung hat jedoch auch in der Praxis der Aufnahme oft gravierende ergonomische Nachteile. Nur die teuersten digitalen Profi-Video-Kameras mit gleichfalls teuren anamorphotischen Objektiven können auf dem rückwärtigen Display / Monitor respektive im elektronischen Sucher bereits das entzerrte Bild - also die später sichtbare reale Aufnahme - anzeigen. Bei 'billigen' Kameras wird aufgrund der Vielzahl der angebotenen Stauchungsverhältnisse fast immer verzerrt. Entweder wird das Sensorformat der (gestauchten) Aufnahme angezeigt oder nur bei ganz wenigen Videokameras gewisse Stauchungsfaktoren in gewissen Aufnahmemodi entzerrt.
Noch wichtiger dürfte jedoch für den Video-Bereich sein, dass anamorphotische Objektive aufgrund der erforderlichen größeren Anzahl an Linsen mehr Licht verschlucken und deshalb einen geringeren Transferwert (T-Stop) liefern. D.h. sie lassen weniger Licht hindurch auf den Sensor. Auch dies reduziert die Bildqualität, da man das Material in der Nachbearbeitung meist wieder aufhellen muss. Das erhöht meist das Rauschen.
Dass mehr Linsenelemente auch weitere optische Nachteile erbringen müssen, ist logisch nachvollziehbar. Man kann nicht alle Fehler der Gläser optisch ausgleichen. Das kann bis hin zu Tonnenverzerrungen (nach außen gebogenen Vertikalen vor allem am Rand) bei manchen anamorphotischen Objektiven führen. Daneben machen mehr Linsenelemente die Objektive schwerer und teurer.
Hinzu kommt noch die unterschiedliche Bauweise: Es gibt sogenannte front-mounted (vereinfacht: die erste Linse vorne erledigt die meiste Arbeit) und rear-mounted (vereinfacht: die hinterste Linse erledigt die meiste Arbeit) anamorphotische Objektive mit deutlich unterschiedlichen optischen Eigenschaften.
Überdies sind anamorphotische Objektive fast immer nicht so scharf wie vergleichbare sphärische Objektive. D.h. man erhält systembedingt weniger Schärfe auch im Mittelteil.
Elliptische Bokehs, horizontale Lensflares und Streulichteffekte, welche den Kontrast des Gesamtbildes (oft drastisch) herabsetzen, sowie eine veränderte (geringere) Schärfentiefe/Tiefenschärfe (durch den ovalen Look der Unschärfe) werden oft als positive Symptome der anamorphotischen Objektive angesehen und sogar gewünscht. Hinzu kommen vereinzelt noch Blaustiche, blaue horizontale oder (seltener) vertikale Streifen (vor allem bei kontrastreichen Lichtern wie Pkws oder Laternen in der Nacht), ovale Vignettierungen, zylindrische Perspektive bei Brennweiten unter 40mm etc. Jedoch hängen diese störenden Artefakte oft von der Bauart (Front- oder Rückanbringen der Zylinder-Linse) und der Beschichtung vieler Linsen ab.
Bereits das sehen jedoch nicht alle Betrachter so positiv. Deshalb erlauben manche modernen anamorphotischen Objektive auch die aktive Regelung der Artefakte: So lässt sich z.B. die Intensität der oft sichtbaren horizontalen blauen Linien bei manchen Lichtquellen bei manchen Objektiven manuell einstellen / steuern.
Neue auf den digitalen Sensor gerechnete anamorphotische Objektive leiden auch weniger am berüchtigten Lensflare und besitzen somit einen höheren Kontrast. Dort verwendet man dann wieder Weichzeichenfilter vor der Linse, um jenen angeblich 'hochwertigen' cinematischen Look zu erzielen. Also man setzt absichtlich den Kontrast herunter und verschlechtert so faktisch die Bildqualität. Auch dies belegt, dass der Ausdruck 'cinematisch' für einen Stil steht und nicht für optisch messbar hohe Bildqualität.
Erstaunlicher Weise werden viele dieser Elemente heute auch per Software (u.a. special effect filter) in der Nachbearbeitung erzeugt. Dies gilt u.a. für den immer wieder genannten Film Star Wars: The Bad Batch, welcher eben nicht mit anamorphotischen Objektiven aufgenommen wurde, sondern diesbezüglich software-technisch nachbehandelt wurde. Also kann man oft auch klassische, herkömmliche, sphärische Objektive bei der Aufnahme verwenden und erhält zum Schluss (in etwa) dieselbe Ästhetik.
Beachtet werden sollte jedoch auch der unterschiedliche Sichtwinkel, sodass man eine andere Brennweite verwenden muss bei sphärischen und anamorphotischen Objektiven, um dasselbe aufzunehmen. Dies erklärt physikalisch auch die scheinbar geringere Tiefenschärfe bei anamorphotischen Objektiven bei Verwendung derselben Brennweite. Da jedoch im Kino oft eine geringe Schärfentiefe/Tiefenschärfe gewünscht wird, sehen viele Videografen dies als Vorteil.
Für Fachleute: Durch die Streckung des Bildes horizontal (sagen wir um den oft genannten also typischen Faktor 2) wird aus einer 50mm (sphärischen) Brennweite horizontal eine 25mm Brennweite. Aber vertikal bleibt es bei der 50 mm Brennweite. Dies führt zu zwei scharfen Fokuspunkten und unterschiedlichen Schärfentiefen horizontal und vertikal. Das führt zur oft vertretenen Behauptung / Regel, dass man für anamorphotische Aufnahmen eine größere Brennweite verwenden 'muss', um dieselbe horizontale Bildspanne (horizontalen Bildwinkel) abzudecken (wie bei sphärischen Objektiven).
Die Auflösungsverluste sind bei Verwendung anamorphotischer Objektive messbar. Mittels Spezialsoftware (KI) kann das theoretisch ausgeglichen werden. Ob es geschieht, ist je nach Film / Szene nachzuprüfen.
Meist wird dieser Effekt der anamorphotischer Objektive nur mit Kinofilmen mit 24fps verwendet. Jedoch ist das eine unergonomische und völlig veraltete sowie rein willkürliche Bildwiederholrate, die man per Befragung weniger großer Kinos in den 1920er Jahren in den USA für dunkle Säle festgelegt hat, um eine Tonspur zu unterlegen. Heute bei Monitoren am Tag betrachtet fällt jedem Betrachter die Unschärfe bereits bei normalem Film auf. Mit anamorphotischen Objektiven aufgenommene Filme an High-End-Monitoren bei gleißendem Tageslicht betrachtet mit 24 fps wirken definitiv unscharf respektive zumindest unschärfer als vergleichbare mit sphärischen Objektiven.
Da jedoch bereits bei 24fps im Normalmodus die Bilder unscharf sind, fällt die zusätzliche Unschärfe vielen Zuschauern nicht mehr auf. Faktisch fällt vielen Betrachtern noch nicht einmal auf, dass anamorphotische Objektive verwendet wurden. Sie erkennen den unterschiedlichen Look / die andere Ästhetik nicht einmal. Das ist alles schon ziemlich speziell. Da wundern sich die 'Eingeweihten' dann oft über das 'Unwissen' oder 'ungeschulte Auge' der sogenannten 'Laien'.
Definitiv ist die Bildqualität drastisch herabgesetzt bei extremen Seitenverhältnissen von 4:1, die von manchen Herstellern anamorphotischer Objektive beworben werden. - Es sei denn, man filmt z.B. mit 8K und strahlt das Endergebnis dann nur als 4K aus. Dadurch ergäben sich zwar breitere Balken oben und unten, aber in der Horizontalen wieder etwa die alte 'optisch vertretbare' Auflösung von 2:1.
Erstaunlicher Weise wird (subjektive) Schärfe eher durch mehr Pixel in der Vertikalen / größere Zeilenanzahl erzeugt. Deshalb hat man schon früh die Bildhöhe erweitert.
Hinzu kommt die verwendete Sensormatrix: Bayer oder die von Fujifilm mit viel mehr Grünanteilen verwendete Matrix, aber dafür eben weniger Rot und Blau.
Sicherlich kann man diese Dinge rund um die optische Bildverschlechterung durch das Stauchen und wieder Entzerren der anamorphotische Objektive alle irgendwie mathematisch berechnen. Aber dazu muss man sich zuerst einmal die große Mühe machen, sein anamorphotisches Objektiv technisch in dessen Konstruktion und optischer Fähigkeit zu analysieren. Das ist bei vielen alten anamorphotischen Objektiven sehr schwer, da Unterlagen kaum mehr existieren und deren Konstrukteure in Rente oder sogar verstorben sind. Ferner muss man alles dann auch mit einem hochwertigen modernen sphärischen Objektiv vergleichen.
Zu analogen Filmzeiten sprach man über 2 Generationen Qualitätsverlust durch die Verwendung anamorphotischer Objektive. Das war bereits damals deutlich sichtbar.
Aber faktisch wichtiger ist es heute, ob man die Unschärfen der entzerrten Bildteile eines anamorphen Objektives zu den nicht gestauchten und somit auch nicht entzerrten eines in der Höhe beschnittenen sphärischen Objektives sieht. Und das hängt vom Betrachtungs-Medium ab:
Beim 8K-Film auf dem eigenen High-End-PC mit superschneller m2.SSD, Nvidia 4090 Grafikkarte, 8K-Monitor etc.: Ja, definitiv. Vor allem bei mehr als 24fps.
Sofern derselbe 24fps-Film jedoch auf sozialen Netzwerken (YouTube etc.) hochgeladen wird mit dort automatisch durchgeführter drastischer Kompression inklusive unkalkulierbarer Qualitätsverschlechterung und anschließendem Herunterladen über das Internet sowie Betrachtung auf einem handelsüblichen 4K-Monitor - oder gar auf einem kleinen Smartphone: Nun, ja. Vermutlich eher nicht.
Zumindest förderten Tests zu Tage, dass die meisten Betrachter noch nicht einmal einen Qualitätsunterschied zwischen Full-HD und 4K bei YouTube-Videos erkannten.
Sofern bereits alle technische Grundlagen (im Internet) nur eine mäßige Bildqualität liefern, dann kommt es auf die Effekte der Stauchung und Entstauchung / Entzerrung bei der Bildqualität vermutlich den meisten Menschen auch nicht mehr an.
Wie immer: Es ist ein weites Feld
(Fontane). - Es kommt auf viele Details an.
Und meist geht es jenen Anwendern um eine besondere Ästhetik, für die man messbare optische Nachteile in Kauf nimmt.
Zu dieser nachweisbar absichtlichen Verschlechterung der physikalischen Bildqualität passen im Übrigen optische Module - eine Art Zwischenring oder Adapter respektive Konverter - zwischen hochwertigen modernen Objektiven und der Kamera, um die - miserable aber gewünschte - fehlerhafte Bildqualität alter Objektive zu erzeugen. Für die damit erzielbare optische Bildverschlechterung bezahlen die Anhänger der cinastischen Ästhetik vierstellige Beträge.
Hier noch ein paar einleitende Links zu deutschen und englischen Quellen, wobei ich wie immer die englischen empfehle, da sie viel moderner / aktueller und didaktisch verständlicher sind.
Anamorphotisches Verfahren, Wikipedia, deutsch.
Was ist eine anamorphotische Linse? Sirui, deutsch.
anamorph, Wikipedia, deutsch.
Anamorphot, Wikipedia, deutsch.
Anamorphic format, Wikipedia, englisch.
Understanding Anamorphic Lenses, RED, englisch.
How does anamorphic photography work?, DPReview, englisch, 24.08.2020.
Hands-on with the Sirui 35mm F1.8 1.33x anamorphic lens, DPReview, englisch, 11.08.2020.
P.S.: Anamorphic widescreen ist ein oft mit dem obigen Thema verwechseltes Verfahren.
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