Die beim Vergleich alter mit neuen Fotos der Fresken im Kreuzgang des Inselhotels aufgefallenen zahlreichen Unterschiede führten über die Untersuchungen der Entstehungsgeschichte der Bilder an sich zu weiteren Unstimmigkeiten, die schließlich in den Belegen zu einer vorsätzlichen und massiven Geschichtsklitterung durch Eberhard Graf von Zeppelin mündeten. Insbesondere bei den einzelnen Fresken konnte durch die Gegenüberstellung von Bildinhalt und historischen Fakten aufgezeigt werden, wo und wie die Geschichte von den Akteuren Zeppelin und Häberlin verändert wurde, und was sie damit bezweckten. Zeppelin schrieb die Geschichte der Stadt Konstanz insbesondere in der Zeit vor 1200 um und orientierte alles auf seine Insel hin. Seine Insel wurde so zum Ursprung der Besiedlung seit der Steinzeit, Siedlung der Römer und Zentrum der Macht, Sitz der ersten Bischöfe und Zentrale des Christentums in Alemannien. Die Stadt Konstanz auf dem Festland, mit der Zeppelin über viele Jahre zutiefst zerstritten war, wurde folglich degradiert zum späteren Ableger der Siedlung auf der Insel. Mit der Kaisernähe, die in epischer Breite (in ablaufbaren Metern Gemälden) in drei Kaiserbesuchen auf seiner Insel dargestellt wurde, wollte Zeppelin seine eigene Bedeutung darstellen, da die Hoheiten immer zu ihm auf die Insel kamen. Gleichzeitig wurde vor allem in diesen Fresken die Dienstleistungsfunktion als Hotel geschickt eingebaut. So bildeten die Fresken damals auch ein ideales Marketing-Instrument für das Hotel - mit Langzeitwirkung bis heute.
Auch wenn Zeppelin und Häberlin das moderne Marketing unserer Tage noch nicht kennen konnten, so hatten beide doch einen untrüglichen Instinkt für die Themen und Interessen des damaligen Marktes, den sie mit feinsten psychologischen und künstlerischen Tricks bedienten. Mit ihrer oft eigenwilligen Sicht auf die Geschichte schufen sie vermeintlich historische Fakten, die bis heute weiterwirken. Gleichzeitig setzten sich diese sonst so unterschiedlichen Selbstdarsteller mit diesem Freskenzyklus ein Denkmal, das auch nach über 100 Jahren täglich noch von zahllosen Besuchern bewundert wird. - Was für einen Hotelier als Geschäftsmann und einen Künstler angehen mag, wird jedoch bei dem studierten Juristen Zeppelin, der den Wahrheitsbegriff sehr wohl kannte, schon bedenklich. Und im Falle des Historikers Zeppelin, der gleichzeitig als Wissenschaftler ernst genommen werden wollte, wurde das Verhalten zumindest zwiespältig.
Ferner handelt es sich auch nicht um unglückliche Zufälle oder eine eventuelle Missinterpretation der Wünsche des Auftraggebers durch den damaligen Maler oder um eine Fehldeutung durch den Autor oder andere Betrachter der Fresken. Die Schuld, lag definitiv nicht beim Stuttgarter Historienmaler Carl von Haeberlin. Sondern die Verantwortung lag ausschließlich beim Auftraggeber. Denn Eberhard Graf von Zeppelin plante diese Fresken systematisch vorab. Wie alle Quellen belegen wandte er sich mit präzise ausgearbeiteten Vorschlägen zu jedem einzelnen Bild als einzuhaltende Vorgabe an den Auftragnehmern. Er forderte von allem vorab sogar Entwürfe auf Karton, die teilweise noch heute im Rosgartenmuseum erhalten sind. Es wurde hinreichend belegt, dass Eberhard Graf von Zeppelin zudem auch in der operativen Umsetzung nicht nur jedes Freskos sondern sogar jedes Einzelpunktes im Fresko sich ständig in die Gestaltung des Historienmalers einmischte und sich deshalb sogar jahrelang mit ihm komplett zerstritt, sodass jener schlichtweg fortlief und sein Werk zeitweise unvollendet ließ. Letzteres ist das Zeichen für ein unüberwindliches Zerwürfnis, denn kein Künstler hinterlässt gerne sein Gesamtwerk in einem Bruchstückhaften unvollendeten Zustand, da dies auch wieder auf ihn zurückfällt und seinem Ansehen respektive Ruhm schadet. Zu einer Zeit, zu der man sich noch wegen kleinerer 'Unstimmigkeiten' duellierte, stellte dies einen Eklat dar. Nur im Schlussbild Nummer 18 des Inselhotels gab Zeppelin erstmals - und nur einmal - etwas nach. Aber dies geschah nur, weil er vorher in allen ander3n 17 Gemälden seinen Plan vom Auftragnehmer so umgesetzt erhielt, wie er wollte. Vor allem über das letzte Kaiserpanorama war er vermutlich derart begeistert, weil er dort in Kaisernähe persönlich abgebildet wurde und die Breitenwirkung offenbar damals ungeheuerlich positiv war, weil die Politik jenes damals noch jungen Kaisers in den kommenden zwei Jahrzehnten in Deutschland großen Anklang fand. So machte er dann bei Bild 18 zwar auch noch detaillierte Vorschläge zum Ein großer kostümierter Ball im Saale des jetzigen Inselhotels
, erzwang diese aber nicht mehr. Denn letztendlich hatte er sein Ziel spätestens mit dem dritten Kaiserpanorama erreicht. Zudem erfüllte Häberlin ihm immerhin auch noch einen seiner anderen Sonderwünsche - dem Einbau einer von ihm offenbar verehrten Schauspielerin in sein Lebenswerk. Und das letzte Bild seines Freskenzyklus' war derart gelungen, dass es bis in das 21. Jahrhundert als Beleg für wahre Geschichte verwendet wird, obwohl die vermeintliche private Reisegesellschaft der Oberschicht keine war, sondern das gestellte Bild einer kommerziellen reisenden Theatergruppe. - Auch durch dieses mehrfach und breit publizierte Bild, sowie durch zahlreiche andere wie bis heute das Fresko der Margarete Blarer wurde bis in das 21. Jahrhundert hinein publiziert 1 - als Werbung für ihn und sein Insel-Hotel. Denn dieser Freskenzyklus ist letztendlich nichts anderes als sein weiterwirkendes Vermächtnis und belegt bis heute, dass er gegen die ihm verhasste Stadt Konstanz doch noch gesiegt hatte - und, dass viele der Betrachter dies damals so sahen und bis heute so missinterpretieren.
Eberhard Graf von Zeppelin lieferte mit seinem Freskenzyklus eine Bilderbuchdarstellung seiner eitlen, egozentrischen sowie inselbezogenen Sicht der Geschichte für die historisch weniger gebildeten Massen - seine Gäste, die damals immerhin der Oberschicht entstammten und erheblichen Einfluss besaßen. Sie trugen durch diese Fresken seine Sichtweise bewusst oder unbewusst weiter. - Erstaunlicher Weise traten damals die Konstanzer zusammen mit der lokalen Presse dieser Geschichtsverfälschung zumindest bis ca. 1900 noch entgegen und wiesen darauf hin. Aber spätestens im 21. Jahrhundert, dessen Vertreter in den 2020er Jahren nicht müde wurden, auf die Gefahren der Bildverfälschung durch Generative Künstliche Intelligenz hinzuweisen, fiel offenbar immer mehr auch wissenschaftlich Publizierenden die Interpretation jener Fresken beim Punkt Wahrheitsgehalt schwer. Sie wurden immer unkritischer als angeblich faktisches Abbild der früheren Geschichte weiterpubliziert.
Während der zeitaufwändigen Recherchen zu diesen Themen stieß der Autor immer wieder auf zwei Entgegnungen:
Erstens sei so etwas im 19. Jahrhundert üblich gewesen. - Das ist unzutreffend. Bereits damals gab es ernsthafte Wissenschaftler, welche seriös arbeiteten und nachprüfbare Fakten lieferten. Im Übrigen wird damit eine Zeitabhängigkeit postuliert, die nicht zutrifft. Das 19. Jahrhundert war per se nicht unwissenschaftlicher als das 21.
Zweitens mache es doch nichts, wenn Zeppelin die Geschichte verbogen, geklittert, verdreht, verfälscht oder für seine Zwecke missbraucht hat. - Dieses Argumentation hat zum Hintergrund, dass Geschichte angeblich nicht so wichtig wäre. An einen Einfluss der Geschichte würde heute sowieso niemand mehr glauben. - Auch dem muss man widersprechen. Wenn man viele der heutigen Konflikte betrachtet, so lässt sich erkennen, dass sehr viele Akteure sie auf die Geschichte und vermeintlich historische Fakten, Dokumente etc. zurückführen oder mit diesen ihr Handeln begründen:
So beziehen sich die Herrschenden in Russland z.B. auf die zaristische und sowjetische Geschichte, um territoriale Ansprüche durchzusetzen.
Die USA beziehen sich auf ihre Erfolgsgeschichte des Kapitalismus, der Demokratie und des Persuit of Happiness, um ihre Interessen zu verfolgen.
Im Nahen Osten berufen sich vermehrt Personen auf ursprünglich religiöse Quellen, um nun geo-politische Interessen und Ziele durchzusetzen.
Das erstarkende China verwendet historische Quellen, wie alte Landkarten, um territoriale Ansprüche z.B. auf Inseln und Seengebiete zu erheben.
Und auch in den aufgeklärten Staaten werden viele Politiker nicht müde, bei jeder ihnen passenden Gelegenheit zu betonen, was uns die Geschichte lehrt und wie wir uns folglich verhalten müssen.
Somit wird Geschichte in einem zunehmenden Maß wieder zu einem Instrument der Mächtigen und dadurch zu einem Machtfaktor in der gegenwärtigen Politik. Deshalb ist es wichtig, dass Geschichte von wissenschaftlich arbeitenden Historikern bearbeitet wird. Man darf sie nicht Pseudowissenschaftlern und Geschäftsleuten wie Zeppelin überlassen, die sie dazu missbrauchen, sich selbst und ihre Familie darzustellen, um Ruhm zu erheischen oder durch den Missbrauch als Werbeinstrument sich unredliche kommerzielle Vorteile für ihr Hotel zu verschaffen.
wie es uns am besten passt.2
Wenn manche behaupten, dass die Geschichte die Geschichte der Sieger und oder der Mächtigen sei, so ist dies übertrieben, weil es immer andere Historiker und ganze Wissenschaftszweige gab und geben wird, welche Gegenargumente liefern. Desto auffälliger ist es, dass bisher niemand Eberhard Graf Zeppelin widersprach, der in zahlreichen, angeblich wissenschaftlichen Aufsätzen seine Fresken im Kreuzgang als Destillat seiner historischen Forschungen darstellen durfte. Ganz im Gegenteil wurde ihm immer wieder für die Publikation seiner abwegigen Thesen eine wissenschaftliche Plattform geboten. Deshalb ist es wichtig, dieser Geschichtsklitterung, die in vielen Fällen bis heute kolportiert wird und durch die Fehlinterpretation der Fresken weiterwirkt, entgegen zu treten. - Geschichte darf nicht beliebig verändert oder 'passend' gemacht werden, wie es z.B. Zeppelin tat.
Da man nur das fälscht, was einen Wert besitzt, zeigt sich an den Fresken im Kreuzgang des Inselhotels, dass Geschichte wichtig war und ist. Deshalb ist es ebenso wichtig, wer Geschichte wie interpretiert. Es geht hier allerdings auch nicht um die Be- oder Verurteilung der jeweiligen Akteure, sondern darum, dass Geschichte damals wie heute einen wichtigen Machtfaktor darstellt, den zahlreiche Menschen offensichtlich übersehen oder zumindest unterschätzen. Bei Geschichtsklitterung handelt es sich somit um keine Bagatelle.
1 Die letzte respektive aktuellste Publikation fand im Konstanzer Anzeiger, einem wöchentlichen Ableger des Südkurier Konstanz, am 11. Januar 2025 auf der Titelseite statt, wo es in Farbe dreispaltig als Aufmacher auf der Titelseite abgedruckt wurde. Die Bildüberschrift direkt über dem Foto lautet: Lebendige Geschichte
. Eigentlich müsste sie lauten: 'Lebendige Geschichtsklitterung'. Und die Bildunterschrift lautet: Vorübergehend war das Inselkloster auch ein Hospital: Das Fresko von Carl von Häberlin im Kreuzgang des Inselhotels zeigt Margarete Blarer, die in Konstanz die Krankenpflege in den Konstanzer Hospitälern leitete.
- Es ist müßig, hier auf die Vermischung von wahren Details und den vielen Fehlern nochmals einzugehen. Aber klar wird bis heute, wie hier geschickt wahre Details mit geschickter Propaganda vermischt wurde und bis heute bei unkritischen Rezensenten weiterwirkt, nur weil ein 'historisches' Gemälde davon existiert. - Und auch 2025 publizierte das Management des Inselhotels noch die unzutreffenden historischen Daten des Eberhard Graf Zeppelin noch auf einer offiziellen Seite zur Gesichte der Insel im Internet. Zitat: Die Fresken von Karl Häberlin im Kreuzgang ermöglichen eine Reise durch die Geschichte des Inselhotels beginnend mit der Besiedlung bereits in vor römischer Zeit bis ins 20. Jahrhundert.
2 Aus den Briefen von Eberhard Graf Zeppelin an Haeberlin aus den Jahren 1886-1904, Landesbibliothek Stuttgart, Cod. Hist. 4° 445, Fasz. V, Brief vom 14.4.1886, zitiert nach Pech, Carl von Haeberlin, S. 230.
Hier geht es zu den - Analysierten Quellen und Literatur, welche zu diesen Artikeln über das Inselhotel und den Fresken verwendet wurden.
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