2. Das Motiv beim Bildaufbau
Ein Inhaltsverzeichnis mit direkten Sprungmarken und Überblick über alle bei Das Motiv beim Bildaufbau
behandelten Themenbereiche finden Sie als Pop-Up.
Motiv / Center of Interest / Point of Interest
- Hauptmotiv: In einem Foto kann es ein oder mehrere Hauptmotive geben. Als Anfänger sollte man sich vielleicht erst einmal mit einem Hauptmotiv befassen, das alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Denn zwei Motive können sehr schnell um die Aufmerksamkeit streiten und so den Betrachter irritieren.
- Bei mehreren Hauptmotiven wird oft dennoch das Hauptgewicht auf ein Motiv davon gelenkt. D.h. ein Motiv muss den Hauptanziehungspunkt, den Mittelpunkt des Interesses (centre of interest) bilden.
(Vorsicht: Manche Personen verwechseln diesen Mittelpunkt des Interesses mit dem Bildmittelpunkt. Letztes ist nicht gemeint. Der Mittelpunkt des Interesses kann überall im Bild liegen.)
- Nebenmotiv: Es kann null bis viele Nebenmotive geben. Manchmal bezeichnet man auch alles um ein Hauptmotiv herum als Nebenmotiv(e). Im Idealfall fügt dieses etwas Sinnvolles und Ergänzendes zum Hauptmotiv hinzu. Es rundet quasi die Geschichte des Bildes ab.
- Nebenmotive werden meist diagonal versetzt (siehe Goldenes Dreieck) oder horizontal zueinander angeordnet. Direkt übereinander streiten sie oft um die Vorherrschaft.
- Bei Motiv denken viele zuerst einmal an eine Person. Aber es kann alles sein: Tier, Pflanze, Stein, ein (abstraktes) Muster, Emotion, Gedanke, ...
- Einzelpersonen oder mehrere Menschen ziehen automatisch die Aufmerksamkeit extrem an. Falls diese Menschen nicht das Hauptmotiv darstellen, so sollte man sich genau überlegen, ob man sie überhaupt in das Bild einbaut. Sie können leicht vom eigentlichen Hauptmotiv ablenken. Benötigt man Menschen als Größenvergleich oder sonst zur Dekoration, so sollten sie zumindest nicht direkt in die Kamera starren. Dies würde den Blick des Betrachters automatisch anziehen. Nebenobjekte (auch Menschen) sollten Ihren Blick auf das Hauptmotiv lenken, da der Betrachter den Blicken anderer Menschen folgt (siehe Blickrichtung).
- Manche Fotografietheoretiker sprechen jedoch manchen allgemeinen Landschaftsaufnahmen oder abstrakten Mustern den eigentlichen Motivcharakter ab, da das eigentliche Motiv nicht sofort erkennbar ist.
- Manche sprechen im Zusammenhang mit der Dominanz des Motivs auch von der Stärke (Strength) des Bildes, das den Blick des Betrachters anzieht.
- Gemäß der Unterteilung in Haupt- und Nebenmotiv sollten die Hauptbedeutung und auch die größte Gewichtung auf dem Hauptmotiv liegen. Im Idealfall sollte sich die Bedeutung des Fotos bereits aus dem Hauptmotiv ergeben.
- Nebenmotive sollten das Hauptmotiv unterstützen und ihm zumindest nicht widersprechen. Allerdings handelt es sich auch nicht um vernachlässigbares Beiwerk.
- Falls ein Hauptmotiv vorhanden ist, so sollte der Blick des Betrachters primär darauf gelenkt werden.
- Im Prinzip beschreibt die Bildkomposition die Möglichkeiten, wie man diese Blicklenkung auf dieses Hauptmotiv erzielt.
Figur und Grund / Figure and Ground
Die Figur ist eng verwandt zum Motiv.
- Bei der Figur-und-Grund-Wahrnehmung handelt es sich um Sinneswahrnehmungen aus dem Bereich der Gestaltpsychologie. (Zum Artikel Gestaltgesetze.)
- Den Unterschied kann man tautologisch fassen: Figur ist alles, was nicht Grund ist. Und Grund ist alles, was keine Figur ist.
- Eine Figur ist aufgrund ihrer klaren Grenzen bestimmbar. Sie tritt meist nach vorne / sticht hervor.
- Ein Grund ist im Gegensatz dazu ohne (deutliche) Grenzen. Der Grund wirkt offen und unbestimmt. Meist tritt er (als Hintergrund) zurück.
- Nicht alle Fotos besitzen eine klar erkennbare Figur auf einem klar erkennbaren Grund. Aber sehr viele.
- Die Bildwirkung hängt maßgeblich vom effektiven Zusammenwirken / von der Verbindung von Figur zu seinem jeweiligen Grund ab.
- Daraus folgt, dass man zuerst die Figur erkennen muss, dann den Grund, um schließlich eine Beziehung / einen Zusammenhang zwischen diesen beiden herstellen zu können.
- Das Vorgehen ist mannigfaltig:
- Man kann zuerst einmal das Subjekt zur Figur machen. Ist es zu groß und zu uninteressant, kann man etwas Kleineres oder Interessanteres zur Figur machen und das ehemalige Subjekt zum Grund.
- Allerdings sollte meist klar werden, was die Figur und was der Grund ist (z.B. Familienmitglied vor Wasserfall). Wenn zwei oder mehr Elemente darum streiten, selbst die Figur zu sein (manche sprechen dann auch von mehrdeutigen Figur-Grund-Beziehungen), wird die Bildwirkung und oft auch die Bedeutung eine andere. Ist jenes Figur-Grund-Verhältnis nicht stabil, kann es zu sogenannten Kipp-Effekten kommen.
- Die Figur selbst muss sich nicht unbedingt im Vordergrund befinden. Dort kann sich ein anderes hinleitendes Element befinden. Aber sie sollte das Zentrum der Aufmerksamkeit des Betrachters bilden.
- Figur und Grund sollten auf dem zweidimensionalen Foto nicht verschmelzen. So kann es leicht passieren, dass eine Person vor einem Baum unbeabsichtigt mit diesem in der Tiefe angeordneten Grund verschmilzt, und die Äste aus dem Körper oder Kopf der Person wachsen. Ähnlich gefährlich können Beinaheverschmelzungen (near mergers) werden, wenn andere Gegenstände die Figur zwar nicht direkt berühren oder überlappen, ihr jedoch sehr nahe kommen und dadurch die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
- Die Figur sollte möglichst auch keine markante Linie des Grundes berühren (kissing the edge). Dies kann z.B. geschehen, wenn der Kopf oben an die Dachkante eines dahinter stehenden Hauses oder an den Rücken eines Berges anstößt. Das Gleiche gilt für die Figur oder Teile des Grundes bezüglich des Rahmens. Auch dort sollten Dinge (Baumspitzen) nicht exakt anstoßen. Entweder lässt man etwas Luft oder man beschneidet deutlich.
- Die Verbindung zwischen Figur und Grund kann ein Thema (thematisch) sein, oder die Form, die Farben, der Kontrast, Textur, Blickrichtung, ... - also alles Denkbare.
- Manchmal sind die Verbindungen zwischen Figur und Grund bereits im Bild vorhanden. Manchmal müssen sie erst erzeugt werden, indem man etwas hinzufügt, oder die Perspektive ändert, ....
- Die Kriterien, wie ein Betrachter im fertigen Bild zwischen Figur und Grund unterscheidet, sind vielfältig:
- Kleine Objekte werden oft als Figur vor einen großen Hintergrund interpretiert.
- Scharfe Objekte werden oft als Figur in Bezug zu einem unscharfen Vorder- und Hintergrund betrachtet.
- Einfache Formen werden oft als Figur und komplexe Formen als Hintergrund angesehen.
- Geschlossene Flächen und Formen werden oft als Figur und offene als Hintergrund aufgefasst.
- Je zentraler ein Element angeordnet ist, desto eher wird es als Figur empfunden, und je weiter Dinge an den Rand rücken, desto eher als Hintergrund.
- Viele Betrachter neigen dazu, symmetrisch geformte Bereiche als Figur zu sehen und unsymmetrische als Vorder- / Hintergrund
- Vor allem konvexe (nach außen gewölbte) Formen werden eher als Figur gesehen.
- Vertikal und horizontal ausgerichtete Objekte werden mit höherer Wahrscheinlichkeit als Figuren wahrgenommen als anders ausgerichtete Objekte.
- In der Umkehrung werden konkave, asymmetrische, komplexe, dunkle, offene, unscharfe, dezentrale, diagonale oder große Elemente / Flächen oft als Grund interpretiert.
- Wikipedia: Figur und Grund - Gestalttheorie
Figur-Grund-Unterscheidung
- Den meisten Fotografen scheint es erst einmal klar, was die Figur (das Motiv) und was der Grund (Hintergrund) ist.
- Je abstrakter die Objekte jedoch werden (z.B. extreme Silhouette oder eine Schwarz-Weiß-Aufnahme), umso schwieriger kann dies werden.
- Es können dann plötzlich Kippeffekte auf Negativflächen auftreten.
- In der Gestaltung wird das Objekt mit der einfacheren Form zur Figur, während das Objekt mit der komplexeren Form zum Hintergrund mutiert.
- Die Dominanz der Figur (des Motivs) hängt jedoch von ihrer Prägnanz und nicht von ihrer Farbe ab.
Sehvorgang und Optische Täuschung
Wie komplex der menschliche Sehvorgang ist und wie sehr Auge und Gehirn dabei zusammenspielen sowie wie leicht Menschen sich in ihrem Sehen irren, zeigt sich nicht zuletzt an vielen optischen Täuschungen:
Zahlreiche dieser Täuschungen belegen im Übrigen den Einfluss der Umgebungs-/Hintergrundfarbe auf die Objektfarben des Motivs. D.h. mit einem (vor allem im Studio aber auch im Freien) selbst gewählten farbigen Hintergrund (und sei es nur ein Karton oder Tuch) kann man die farbliche Wirkung der Motive erheblich beeinflussen.
Wenn Ihnen das Kapitel zu Figur und Grund zu abstrakt und kompliziert klingt, dann lesen Sie es nochmals langsam. Es ist sehr wichtig. Falls Sie es danach noch nicht verstehen, dann lesen Sie den Rest des Artikels und kommen zum Schluss bitte nochmals zu diesem Absatz zurück.
Punkt
- Ein Punkt stellt die kleinste grafische Einheit dar.
- Je mehr Punkte man zusammenfügt, umso eher wird dies (aus der Entfernung) als Fläche wahrgenommen.
- Ein Punkt ist nicht mathematisch zu definieren, sondern besitzt in der Kunst eine relativ kleine Fläche. Wann ein Punkt selbst zu einer Fläche übergeht, hängt auch von dessen relativer Größe in Bezug zum Umfeld (z.B. Gesamtfoto) ab. In dieser künstlerischen Definition kann ein Punkt also eine gewisse Fläche, eine Form, eine Struktur, eine Textur sowie eine Farbe besitzen.
- Ein Punkt wird gerne als Fixpunkt angesehen. Er kann Halt geben.
- Ein Punkt zieht den Blick des Betrachters an. Es sollte sich somit beim Punkt um ein Element der Figur handeln und nicht des Grundes. Sonst lenkt er den Betrachter ab. (z.B. Müll in der Landschaft)
- Imaginäre Punkte können z.B. auch an Schnittlinien entstehen.
- Zwei oder mehrere gleich auffällige Punkte können im Bild miteinander konkurrieren, sodass sich der Betrachter nicht entscheiden kann, und sein Blick zwischen ihnen unstet hin und her wandert.
Linien / line(s)
Freie Linien
- Manche sprechen hierbei auch von Führungslinien, (das Auge) führende Linien (guiding lines), Fluchtlinien, beherrschende Linien, freie Linien.
- In der künstlerischen Definition kann eine Linie eine gewisse Breite / Dicke, eine Struktur, eine Textur sowie eine Farbe besitzen (z.B. Stromkabel, Wasserschlauch, Draht, Faden). Manche sprechen in diesem Zusammenhang vom Linienduktus.
- (Freie) Linien werden oft mit Geraden (teilweise sogar Diagonalen) verwechselt.
- De facto ist jedoch fast alles eine Linie oder lässt sich auf solche reduzieren.
- Linien müssen nicht als eigenständige Elemente vorhanden sein, sondern können auch bei Umrissen oder aneinander grenzenden Kontrastflächen entstehen.
- Eine Linie kann unterbrochen oder durchgängig
- gebogen, geschwungen, zickzackförmig etc. sein.
- Straßen, Wege, Flüsse, Kanäle, Brücken, Hecken, Zäune, Mauern, Kabel / Stromleitungen, aber auch Bäume, Alleen, Grashalme, Äste, Flugzeuge, Autos, Schatten, Arme, Beine, Hände, Finger etc. besitzen Liniencharakter.
- Die Sonderform der virtuellen Linie entsteht durch Reihung von Einzelelementen auf dem Bild - in unserem Gehirn. D.h.: Selbst Einzelobjekte wie Bäume können als Reihe (z.B. in einer Allee) aufgenommen zur Linie werden. So werden ähnliche oder gleiche Objekte gerne als Linie interpretiert (z.B. Autoschlange - Siehe Gestaltgesetze: Gesetz der Kontinuität / Gesetz der guten Fortsetzung).
- Linien ziehen den Blick des Betrachters auf sich und leiten / lenken ihn weiter.
- In klassischen Bildkonzepten treffen sich alle oder zumindest möglich viele dieser Linien im Hauptmotiv / zeigen auf dieses. Manche Autoren sprechend dann auch von einer Linearperspektive und dem Fluchtpunkt. (Ein bekanntes Beispielfoto dürften die sich im Unendlichen treffenden beiden Eisenbahnschienen sein.)
- Eine sehr dünne, filigrane Linie kann das Gefühl von Leichtigkeit vermitteln.
- Eine dicke Linie kann an einen Balken erinnern und stellt dann eher das Schwere und Stabile dar.
- Gebogene Linien stehen für Dynamik und Ruhe, Beweglichkeit, Weiblichkeit, Sanftheit. Die bekannteste und am häufigsten verwendete gebogene Linie ist die S-Kurve. Sie wird von vielen Menschen auch als angenehmste Form empfunden (
Line of Beauty
) - sie steht für Ruhe, Gefühl.
- Zahlreiche Maler empfehlen deshalb, derartige S-Kurven - insbesondere für Straßen, Flüsse und Wege - als Einleitung eines Bildes bzw. als Hinleitung zum Hauptmotiv zu verwenden.
- Allerdings sollte die S-Kurve dann deutlich geschwungen sein und für eine geringe Blick-Geschwindigkeit hin zum Motiv sorgen. Je gerader die S-Kurve, desto schneller ist die Blickführung und unangenehmer ist das Ergebnis für den Betrachter.
- Wenn man unsicher ist, von wo die S-Kurve in das Bild hineinführen soll, kann die Leserichtung helfen. Im westlichen Kulturkreis liest man von links nach rechts. D.h. eine von links in das Bild laufende S-Kurve oder Linie wird als natürlich angesehen. Allerdings sollten laut vieler Maler das Auge leitende Pfade nicht direkt aus einer (insbesondere unteren) Ecke starten. Manche Fotografen verwenden dennoch exakt die Eckenposition als Startpunkt. Die Meisten lassen diese Linien jedoch eher in der Nähe der Ecken beginnen.
- Eine weitere kulturelle Richtung verläuft von oben nach unten. Deshalb beginnen zahlreihe Maler bestimmte wichtige Linien links oben.
- Bögen (z.B. Brückenbogen) können getrennte Bildelemente miteinander verbinden.
- Gezackte Linien, Zick-Zack-Linien (Gebirgskämme, Skyline einer Großstadt, Blitz) stehen für Schärfe, Wildheit, Unruhe, Gefahr.
Horizontale (Linien)
- Horizontale Linien werden auch Waagrechte genannt. In der Kunst meint man damit jedoch weder nur mathematische Geraden noch mit der Wasserwaage absolut waagrecht ausgerichtete Linien.
- Waagerechte Linien symbolisieren oft Ruhe, Frieden, Stabilität, Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit, Freiheit, Weite, Raum, Dauerhaftigkeit, wirken aber auch statisch und relativ langweilig.
- Während eine einzige horizontale Linie das Bild negativ in zwei Hälften teilen kann, können mehrere parallele horizontale Linien für eine dreidimensionale Tiefe im Bild sorgen.
- In vielen Landschaftsfotografien bildet der Horizont die auffälligste waagrechte Linie, weshalb ihm eine erhebliche Bildwirkung zukommt.
- Eine tiefe (Horizont-) Linie kann Weite betonen.
- Eine hohe (Horizont-) Linie kann Enge und Abgeschlossenheit betonen.
- Nicht alle Horizonte bestehen aus Geraden, sondern eher aus freien Linien.
- Falls der Horizont jedoch aus Meer oder Wasser besteht, so fällt dem Betrachter jede Abweichung von der exakten Waagrechten als unnatürlich auf.
Vertikale (Linien)
- Vertikale Linien werden auch Senkrechte genannt. In der Kunst meint man damit jedoch weder nur mathematische Geraden noch mit der Wasserwaage absolut senkrecht ausgerichtete Linien.
- Senkrechte Linien symbolisieren oft Standhaftigkeit, Stärke, Kraft, Dynamik, Nähe, Wärme, aufstrebende Energie, Größe, Höhe.
- Mit Ihnen assoziieren viele Menschen aber auch das Bremsende, das Trennende. Sie beschränken ein Bild und den Blick. Teilweise werden sie mit Gitter und Gefängnis assoziiert.
- Vertikale Linien vermitteln mehr Dynamik. Sie gelten aber auch als weniger stabil als horizontale Linien.
Geraden
- Bei Geraden handelt es sich um die Sonderform einer Linie.
- Geraden sind die kürzesten Verbindungen zwischen zwei Punkten - quasi die Luftlinie.
- Sie finden sich (abgesehen von Sonnenstrahlen) eher in künstlichen Objekten. Sie gelten im künstlerischen Bereich deshalb oft als das Gegenteil der freien (geschwungenen, mäandrierenden, natürlichen) Linie. Sie werden deshalb auch gerne als / im Kontrast zu geschwungenen Linien verwendet.
- Viele Maler halten deshalb Geraden oft kurz und unterbrechen sie mit Blumen, Büschen, Bäumen etc. um einen eher natürlichen Gesamteindruck zu erzeugen.
- Andere verändern sie durch eine abweichende Perspektive zu leicht gekrümmten Kurven.
- In dieser Hinsicht gilt es auch einmal zu überprüfen, ob man wirklich jedes natürlich mit dem Alter durchhängende Holzdach als optischen Fehler (Kissenverzerrung des Objektivs) betrachten sollte und folglich korrigiert.
- X-Formen gelten als besonders künstlich. In der Industrie finden sie sich z.B. im Stahlbau fast überall. Aber in der Natur gelten x-förmig gekreuzte Bäume als irritierend.
Blickrichtung
- Einerseits handelt es sich bei der Blickrichtung um eine Linie - allerdings eine imaginäre oder immaterielle.
- Andererseits handelt es sich um eine Gerade.
- Man kann Sie somit als interessante Unterkategorie oder Sonderform betrachten.
- Erstaunlicher Weise folgen die meisten Betrachter (evolutionsbedingt) der Blickrichtung abgebildeter Menschen. Dort scheint etwas Interessantes zu liegen.
- Viele Maler empfehlen deshalb, Menschen und Tiere sicherheitshalber Richtung Bildmitte oder auf das Hauptmotiv auszurichten.
- Fortgeschrittene Künstler können auch Dreiecks- oder sogar Vielecksbeziehungen durch die Blicke aller Beteiligten herstellen.
- Die Blickrichtung des Hauptmotivs sollte deshalb auf ein Nebenmotiv im Bild gerichtete sein und darf auf keinen Fall den Betrachter aus dem Bild insgesamt hinausführen - es sei denn, dort liegt ein weiteres Bild. Dieser Trick wird z.B. in gut gemachten (Mode-) Katalogen verwendet, bei denen jedes Bild zu einem anderen weiterführt.
- Je nach Kultur kann eine Blickrichtung in Leserichtung positive Energie erzeugen, eine Blickrichtung gegen die Leserichtung hingegen eine (negative) Spannung aufbauen. Es ist dabei gleichgültig, ob ein Mensch oder ein Tier in diese Richtung blickt. (Auch letzteres kann gewollt sein.)
Bewegungsrichtung
- Eine Bewegungsrichtung hat ähnliche Bedeutung wie eine Blickrichtung. Der Betrachter verfolgt die Bewegungsrichtung automatisch weiter.
- Falls man eine solche im Bild integriert hat, so sollte sie nicht amputiert werden. D.h. das sich bewegende Objekt sollte sich nicht am Rand befinden, aus dem es sich dann hinausbewegen würde, sondern sich eher in das Bild hineinbewegen.
- Dies gilt für Menschen, Tiere und Maschinen: Sind diese am Rand abgebildet und bewegen sie sich nach außen, so wird auch der Blick des Betrachters nach außen gelenkt - aus dem Bild hinaus. Bei manchen schnellen Bewegungen (Wildpferde, Rennwagen, Flugzeuge) wird der Betrachter geradezu aus dem Bild hinausgeschleudert. Um dies zu vermeiden, kann man an jenen Stellen das Auge begrenzende Rahmen (siehe dort) verwenden. Alternativ kann man diese Objekte am Rand (nachträglich) deutlich im Tonwert an den Hintergrund anpassen (meist abdunkeln), damit sie nicht mehr so auffallen.
- Die bewusste Anwendung der Amputation kann ein Bild jedoch geheimnisvoll machen.
- Eine Bewegungsrichtung kann auch durch unbelebte und unbewegte Bild-Elemente erzeugt werden. So kann eine spitz zulaufende Diagonale (z.B. ein sehr langer auf dem Boden / im Wasser liegender, sich verjüngender Baum) den Blick des Betrachters beschleunigend aus dem Bild hinausbewegen.
Diagonalen
- Ursprünglich dachte man bei Diagonalen an mathematische Geraden. Primär denken viele Menschen dabei an das ganze Bild durchtrennende, durchgehenden Linien, welche von einer Bildecke zur diagonal anderen reichen, also im Winkel von ca. 30-60 Grad verlaufen.
- In der Kunst / Fotografie bezeichnet man jedoch meist jede nicht vertikale oder horizontale Linie als Diagonale.
- Manche Puristen bezeichnen nur die Geraden, welche exakt von der Ecke links unten zur rechts oben liegenden und die von der rechts unten nach links oben verlaufende Gerade als Diagonale. Alles andere wird dann als Schräge bezeichnet.
- In der Natur werden auch Linien (wie z.B. am Boden liegende Äste, durch den Wind gebogene Pappeln als Diagonale verwendet. D.h. diese sind weder gerade noch überstreichen sie unbedingt die gesamte Fläche.
- Diagonale Linien gelten als sehr dynamisch. Sie unterstützen den Eindruck der Bewegung, des Fortstrebens, der Veränderung. Auf solchen Bahnen geraten Dinge (Kugeln) ins Rutschen und rollen.
- Man spricht von aufsteigenden Diagonalen, wenn sie von links unten nach rechts oben verlaufen. Sie werden oft als optimistisch und positiv gewertet sowie mit dem Gefühl der Freude assoziiert. Diese scheinen auch in das Bild hineinzuführen.
- Man spricht von absteigenden Diagonalen (Gegendiagonale), wenn sie von links oben nach rechts unten verlaufen. Sie werden oft als pessimistisch und negativ gewertet. Diese scheinen auch aus dem Bild hinaus - auf den Betrachter zu - zu führen.
- Viele Betrachter assoziieren mit Diagonalen neben Dynamik auch Kraft und Energie.
- Eine bewusst eingebaute Verkantung der Kamera, die Schrägen verursacht, kann einen snapschussartigen Eindruck erzeugen, spontan wirken und den Aufnahmen (auch von Personen) unter bestimmten Umständen einen gewissen sympathischen
Dreh
geben. 15-30 Grad gelten oft als sinnvoller Wert (sogenannter German Angle, Dutch Angle, Dutch Tilt, Oblique Angle oder Canted Angle). Zuwenig wirkt Anfängerhaft und zu viel Drehung teilweise übertrieben. Es kann allerdings auch einen unwirklichen oder desorientierenden Eindruck vermitteln, vor allem wenn er mit einer Auf- oder Untersicht verbunden wird. So wurde es vor allem im Kinofilm seit den 1920er Jahren verwendet. - Vorsicht: Verkantung wirkt auch weniger seriös und weniger imposant. D.h. Staatsgebäude und Manager oder Politiker werden fast nie so abgebildet.
Goldene Dreiecke / 90-Grad-Diagonale
- Eine weitere Sonderform der Diagonalen ist die 90-Grad-Kreuzung zu Diagonalen.
- Die daraus entstehende Dreiecksform nennen manche Analytiker auch Goldene Dreiecke.
- Meist wird nur eine blaue Zusatzdiagonale gezogen. Daraus ergeben sich dann insgesamt 3 Dreiecke.
Man lege eine Diagonale (rot) durch das gesamte Bild. Dann zeichne man (eine oder zwei) 90-Grad dazu verlaufende Diagonalen zu den beiden anderen Ecken.
Auf einen der Schnittpunkte (oder beide) kann man besonders wichtige Bildinformationen legen.
Das funktioniert auch mit der anderen Diagonalen.
- Im Prinzip handelt es sich um eine der Varianten zur Herstellung der Schnittpunkte für den Goldenen Schnitt.
- Manche Fotografen stellen sich davon ein Muster auf einer etwas steiferen Klarsichtfolie her, das man drehen kann.
- Diese Diagonalkarte eignet sich besonders zur Platzierung von Haupt- und Neben-Motiv (siehe dort).
Pfeile / direction
- Pfeile sind im Prinzip Linien, welche in eine Richtung zeigen.
- Der Pfeil muss hierzu nicht zwangsläufig eine klar sichtbare (unübersehbare, kitschige) Pfeilspitze besitzen, wie in den heute gebräuchlichen US-Software-Paketen. Auch so manche sich verjüngende Struktur in der Landschaft kann diesen Effekt erzeugen.
- Die Richtungen haben - abhängig von der Leserichtung und dem jeweiligen Kulturkreis - durchaus auch eine weitere Bedeutung, die über das rein auf das Objekt / Motiv zeigende hinausgeht.
- Hier die oft anzutreffenden europäischen Bedeutungen im Uhrzeigerkreis (des Stundenzeigers):
- 12:00 - von unten nach oben: Steigen, Stärke, Kraft, Luft, Höhe, Himmel, Sonne, Geist, Aufwärtsbewegung, Gesundheit, Vitalität.
- 1:30 - von links unten nach rechts oben: aufstrebend, Stärke, Energie, Wille, innovativ, zukunftsweisend, zielorientiert, vital, gesund.
- 3:00 - von links nach rechts: Zukunft, zukunftsorientiert, Vision, extrovertiert.
- 4:30 - von links oben nach rechts unten: abfallend, sinkend, Krankheit, Depression, Erde.
- 6:00 - von oben nach unten: Tiefe, Erde, Verwurzelung, Bodenständigkeit, Wasser, Natur, Ruhe, Stagnation, Gegenwartsbezogenheit.
- 7:30 - von rechts oben nach links unten: Anfang, Besinnung auf die Vergangenheit, konservativ, Unterbewusstsein.
- 9:00 - von rechts nach links: Rückwärtsbewegung, Vergangenheit, vergangenheitsorientiert, Tradition, introvertiert.
- 10:30 - von rechts unten nach links oben: Immaterielles, Geistiges, Religiöses, Transzendenz, Meditation.
Radiale Linien
- Bei zahlreichen Elementen (Sonne, Straßenlampen etc.) finden sich oft radiale Linien.
- Radiale Linien können den Betrachter hinein in das Bild hin zum Objekt führen, aber auch weg vom Objekt hinaus aus dem Bild.
Richtungen integrieren
- Maler empfehlen - falls immer möglich - eine Horizontale, Vertikale oder Diagonale als Bewegungsrichtung für das Auge einzubauen.
- Verwendet man mehrere Linien in unterschiedlicher Richtung, dann sollte jedoch (nur) eine davon dominieren.
Winkel
- Wenn Linien (auch Geraden und Diagonalen) auf andere Treffen, dann bilden sich oft mehr oder weniger prägnante Winkel.
- Spitze Winkel können aggressiv wirken.
- Stumpfe Winkel wirken eher beruhigend.
- Vor allem parallele Winkel (also das weitgehend parallele Zusammentreffen von Linien) machen ein Bild interessant und spannend.
Flächen
Fläche
- Fläche ist ein sehr komplexer Begriff. In der Malerei und Fotografie kann man ihn jedoch zuerst einmal auf die mit Inhalt zu füllende noch leere Fläche reduzieren. In der Fotografie kann dies z.B. die Fläche im Sucher, auf dem Sensor oder im rückwärtigen Kamera-Display oder jeder kleinere Teil davon sein. Die gefüllte Gesamtfläche nennt man zum Schluss Bild.
- Leere Fläche wird teilweise als negative Fläche (negative space) bezeichnet. Dies kann sehr zur Bildwirkung beitragen. D.h. nicht immer muss ein Bild komplett mit Inhalten gefüllt werden.
- Bei Flächen unterscheidet man die durch Linienzusammenschluss gebildete optische Fläche und die volle, massive Fläche, welche durch eine oder mehrere Tonstufen gebildet werden kann.
- Primär wird jedes Foto - gleichgültig, ob es sich um das Abbild eines zwei- oder dreidimensionalen Objektes handelt - auf eine zweidimensionale Fläche (Sensor, Film) reduziert.
- Weite, große, weitgehend leere oder in sich homogene Flächen erleichtern die Konzentration / die Blickführung auf das / die wesentliche(n) Element(e).
- Farbenfrohe, detailreiche (manche sprechen auch von
zu aufgeregte
) Vorder- und Hintergründe können hingegen den Blick auf sich - die unwichtigen Elemente ziehen.
Rechteck
- Das Rechteck bildet eine Untergruppe der zweidimensionalen Fläche.
- Rechtecke finden sich oft innerhalb eines Bildes, aber das Foto selbst bildet bereits meist ein Rechteck.
- Die meisten heutigen Sensorformte sind rechteckig: 3:2 oder 4:3
- Das Querformat wird in der Fotografie am häufigsten verwendet. Es kommt der menschlichen Sehweise (dem menschlichen Sehfeld) als das Natürlichste entgegen, gilt als
vertraut
.
- Das Hochformat ist seltener und wirkt ausschnittshaft.
- Deshalb ist es für den Bildeindruck relevant, ob man die Aufnahme hochkant (portrait) oder längs (landscape) aufnimmt.
- Quer liegend gilt ein Rechteck als: sicher, tragend, träge, schwer und breit, sehr stabil, inaktiv, ruhig, statisch, betont die Breitenwirkung. Es steht für Horizont, Weite, wirkt ausladend, panoramaartig.
- Aufgestellt gilt es als: aufstrebend, aktiv, schmal, leicht, instabil, unruhig, statisch, eindrucksvoll, beherrschend, auffällig, direkt, persönlich. Es symbolisiert die Höhe und betont vertikale Motivlinien und die Höhenwirkung. Die Breitenwirkung wird vermindert. Größe, Stärke, Macht, Übergeordnetheit, Erhabenheit werden betont.
- Im Zeitschriften- und Buchdruck benötigt man oft Hochformate für einseitige Bilder (Titelbild).
- Insbesondere, wenn sich im Bild dominierende Rechtecke zeigen, kann es von erheblicher Bildwirkung / Bedeutung sein, ob man sich mit dem Fotoformat daran anpasst und dieses bildinterne Rechteck durch die Wahl des Aufnahmeformats (portrait, landscape) verstärkt oder ihr mit dem anderen Format entgegen wirkt.
- Das Rechteck in einem Bild wirkt besonders stark, wenn es durch die randparallele äußere Form des Bildformats dupliziert wird. So können z.B. ein liegendes Rechteck in einer Landscape-Aufnahme sich gegenseitig betonen und die Wirkung verstärken, ebenso ein stehendes in einer Portrait-Aufnahme oder ein Quadrat in einem quadratischen Bildformat. - Dies kann mit einem geeigneten Passepartout sowie einem Rahmen darum herum noch gesteigert werden.
Quadrat
- Das Quadrat bildet eine Untergruppe der zweidimensionalen Fläche. Genauer gesagt ist es eine Untergruppe der Rechtecke: diejenigen mit gleichlangen Seiten.
- Die Assoziationen zum Quadrat sind vielfältig: Neutralität, neutral, harmonisch, ruhig, Ruhe, beruhigend, das Männliche, die Männlichkeit, Stabilität, stabil, Statik, statisch, Sicherheit, das Kantige, das Markante, ordnungsgebend, hart, eckig, sachlich, Schwere, passiv, inaktiv, Begrenzung, Heimat, vertraut, harmonisch, ausgeglichen, ausgewogen, Erdoberfläche und alle vier Himmelsrichtungen, spannungslos, langweilig, streng.
- Quadrate finden sich oft innerhalb eines Bildes, aber bereits das Foto selbst bildet manchmal ein Quadrat.
- Einige moderne Kameras lassen sich schon vor der Aufnahme auf das Format 1:1 umstellen.
- In diesem Fall ist es für den Bildeindruck nicht relevant, ob man die Aufnahme hochkant (portrait) oder längs (landscape) aufnimmt.
- Das quadratische Format betont keine Seite (besonders). Deshalb betont sein Inhalt formale Aspekte wie Form, Struktur und Farbe.
Spitzes Quadrat / auf der Spitze stehendes Quadrat / Rhombus
- Ein um 45 Grad gedrehtes Quadrat, das auf einer seiner Spitzen steht.
- Diese zugegebenermaßen seltene Form kann man an der Kamera durch Einstellen und Verkanten des Suchers um 45 Grad erzeugen.
- Die Assoziationen zum spitzen Quadrat sind: sehr instabil, fragil, sehr aktiv, aggressiv, beunruhigend. Es wird verwendet als Verkehrsschild (Vorfahrt), Warnschild (z.B. in der Chemie), Warnung.
- Dasselbe gilt natürlich auch für derartige Flächen in einem Bild.
Dreieck
- Das Dreieck bildet eine Untergruppe der zweidimensionalen Fläche.
- Vielen Fotografen kommt diese Form zuerst fremd vor. Aber schauen Sie einmal Dächer, Häusergiebel etc. an.
- Die Assoziationen zum Dreieck sind vielfältig: Aktivität, Dynamik, Spannung, das Geheimnisvolle, das Spitze, dynamisch, richtungsweisend.
- Je nach Form des Dreiecks wirkt es stabil, harmonisch ausgeglichen, aufstrebend, aktiv, aggressiv, männlich, unnatürlich, Schutz eines Daches
oder (auf dem Kopf stehend:) sehr instabil, wackelig, weniger bedrohlich, abstrebend, sehr aktiv, aggressiv, weiblich (Scham), unnatürlich.
- Einsatzgebiete sind: Warnung, Dach, Pyramide, Vorsicht, Gefahr, Gefahrenschild.
- Es zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters an (Warndreieck).
- Durch seine Form und je nach Ausrichtung hat es zeigenden Charakter in bis zu 3 Richtungen. (
Bis zu
deshalb, weil sehr flache Dreiecke eher als Pfeile angesehen werden, die nur in eine Richtung zeigen.)
- Vor allem für die Anordnung dreier Hauptmotive im Bild wird die Dreiecksform gerne benutzt. In der früheren Malerei war diese ordnende und harmonische Anordnung (besonders bei gleichschenkligen oder gleichseitigen Dreiecken) die typische Form zur Darstellung der göttlichen Dreifaltigkeit.
- Manche Fotografen benutzen Dreiecke (eigentlich nur zwei spitz zulaufenden Linien), um den Blick hin zu etwas zu führen und dann wieder zurück. D.h. Dreiecke regen den Betrachter zum Wandern im Bild an.
Ellipse / Oval
- Die Ellipse wirkt auf viele Menschen dynamischer, spannender als der Kreis.
- Durch die Längssymmetrieachse ist die Ellipse nicht mehr neutral, sondern steht in einem Bezug zur Umwelt.
- Aufrecht stehend wirkt die Ellipse sowohl aufstrebend als auch instabil / wackelig.
- Die Ellipse besitzt zwei Zentren, die bei horizontaler Ausrichtung einen gleichberechtigten (d.h. auch miteinander um die Aufmerksamkeit streitenden) Einfluss ausüben können.
Kreis
- Der Kreis ist eine Sonderform der Ellipse.
- Die Assoziationen zum Kreis sind vielfältig: wirkt in sich geschlossen, Geschlossenheit, harmonisch, Harmonie, vollkommen, Vollkommenheit, unendlich, Unendlichkeit, ohne Anfang und Ende, Sicherheit, Geborgenheit, das Perfekte, Göttliche, Ruhe, Ausgewogenheit, weiblich, weich, in sich ruhend, umschließend, vertraut, organisch, natürlich, unberührbar, verschlossen, abgeschlossen, zentriert, unabhängig vom äußeren Umfeld.
- Symbol für die Erde und Sonne (eingeschränkt Mond), Ball, Rad, Loch, Münze, Punkt, Zentrum, Scheibe, Kugel, Uhr, Reifen, Verkehrsschild.
- Obwohl der Kreis primär ganzheitlich betrachtet wird, kann er in Halb-, oder Viertelkreise zerfallen. Daraus folgt, dass Menschen in den Kreis dennoch eine vertikale und eine horizontale Linie hineindenken.
- Je größer ein Kreis im Foto abgebildet ist, desto stärker wird die von der Kreisfläche innerhalb eines rechteckigen Bildformats erzeugte Spannung.
Reinformen geometrischer Flächen
- Die Reinformen geometrischer Flächen stehen überwiegend für künstliche Erzeugnisse.
- Wenn man die Künstlichkeit in einem Foto betonen will, sind sie hilfreich.
- Will man hingegen Natürlichkeit darstellen, so überdecken viele Künstler derartig ideale geometrischen Flächen (z.B. Türen, Fenster) durch Bäume, Äste, Busch, Blumen(-topf) etc. zumindest in einem Teil und brechen somit die Form auf.
- Vor allem in der Landschaftsmalerei ergänzt man spitze, dreieckige Objekte wie Bäume und Berge gerne mit runden Wolken. Hingegen werden runde Bäume und Büsche eher selten mit ebenfalls runden Wolken kombiniert.
Implizierte Formen
- Mit implizierten, innenliegenden Formen (implied Forms) meinen zahlreiche Künstler Formen und Flächen, welche durch Details im Bild in unserem Gehirn erzeugt werden. So stehen z.B. drei Personen in einer irgendwie gearteten Dreiecksbeziehung.
- In sehr vielen Fällen versucht das menschliche Gehirn, Objekte durch virtuelle Linie zu verbinden. Manche sprechen bei diesen imaginären Linien auch von optischen Linien.
- Auch Fluchtlinien werden von manchen Betrachtern als virtuelle Linien bezeichnet.
Akzent
- Akzente können durch Form, Farbe, Licht (Helligkeit) den Blick des Betrachters anziehen.
- So besitzen eine rote Mohnblume in einem grünen Feld oder ein einziges Segelboot auf dem weiten Meer eine extreme Akzentwirkung.
- Zu viele unterschiedliche Akzente können jedoch verwirrend wirken.
- Viele gleichmäßige Akzente (z.B. Ansammlung von Blumentöpfen, Salaten auf einem Feld etc.) hingegen wirken oft als Muster.
Konturen (shapes) / zweidimensionale Umrisse
- Manche Autoren zählen die Konturen als Konturlinien zu der Gruppe der Linien. Nicht selten meinen sie dann jedoch nicht die Silhouette an sich, sondern den im starken Gegenlicht darum herum sichtbaren Lichtsaum.
- Konturen, Hülle, Umrisse (shape) können hart (Silhouette im Gegenlicht) bis weich (zerfasernde Wolken am Himmel) sein.
- Harte Konturen überdecken oft Verläufe (im Innern) und lassen einen Gegenstand oft abstrakter wirken.
- Weiche Konturen können Verläufe im Innern noch betonen.
- Man kann diese Unterschiedlichen Konturen auch bewusst gegeneinander setzen: z.B. indem man Rauch aus einem Glas oder eckigen Metallbehälter entweichen lässt.
Dreidimensionale Form
- Im Englischen trennt man Form (dreidimensional) von Konturen (shapes, Silhouetten) scharf ab.
- Unter Form versteht man die Hülle eines Objekts, das viele Seiten besitzt.
Strukturen, repetition
- Der Begriff Struktur meint: Elemente innerhalb einer Fläche, die relativ klein gegenüber der Gesamtfläche resp. der Gesamtform oder dem gesamten Foto sind, wobei es sich nicht notwendiger Weise um identische oder wohl geordnete Elemente handeln muss (z.B. auf einem Felsen). Die absolute Fläche spielt dabei keine Rolle: So können auch große Ackerfelder aus dem hoch fliegenden Flugzeug eine Struktur erzeugen.
- Strukturen gelten als flächenbildend und können ein gesamtes Foto dominieren.
- Da die Fotografie Elemente detailreich und scharf abbilden kann, gilt sie als geradezu prädestiniert für die Darstellung von Strukturen.
- Strukturen entstehen oft durch die Wiederholung einzelner Elemente.
- Folglich besitzen Strukturen oft einen Rhythmus, eine Frequenz. Dieser Rhythmus kann regelmäßig oder unregelmäßig oder in hochkomplexen mathematischen Formeln verlaufen.
- Oft führen Strukturen zu einer Abstraktion. Dies zeigt sich vor allem in Schwarz-Weiß-Bildern.
Muster, pattern
- Hier wiederholen sich Strukturen sehr regelmäßig (z.B. Stühle in einem Theater oder Konzertsaal).
- Interessant wird es jedoch erst, wenn darin ein bestimmter Rhythmus zu erkennen ist. In einem Zaun könnte z.B. jeder dritte oder vierte Stumpf zu groß oder zu klein, schräg etc. sein.
- Muster werden eher selten alleinstehend für sich verwendet.
- Muster werden hingegen oft als Hinleitung zum Hauptobjekt eingesetzt. Dann dürfen sie jedoch nicht zu auffällig sein und dem Hauptmotiv keine Konkurrenz machen. Sie sollen das Hauptmotiv nur interessanter gestalten.
Symmetrie
- Die Symmetrie (symmetrical, formal balance) gilt als ein Ideal.
- Symmetrien bringen als grafisches Gliederungselement eine besondere Ordnung in ein Foto hinein.
- Mit Symmetrie assoziiert man wie bei einer Wippe / einem Schaukelbrett: gemütlich, beruhigend, stabil.
- Es muss nicht immer ein Spiegelbild oder ein Barockschloss sein, auch Ähnlichkeiten reichen oft zur Erzeugung von Symmetrie aus. Das typische Spiegelbild ist vermutlich die durch selbst leisesten Wind und schwächste Wellen ziemlich verzerrte Spiegelung in Wasser. Spiegelungen finden sich jedoch auch in Glasscheiben, Metallflächen, auf nassem Asphalt oder in Pfützen.
- Ein Scherzbold schrieb einmal, dass man für Barockschlösser kein Weitwinkelobjektiv bräuchte. Es reichte aus, nur eine Seite des Schlosses zu fotografieren und dann zu Hause einen Spiegel an das Bild zu stellen. Allerdings sind die meisten angeblichen Symmetrien bei genauer Betrachtung doch nicht so symmetrisch. So haben die barocken Baumeister oft bewusst kleine Abweichungen eingebaut, oder diese kamen in Umbauaktionen der folgenden Epochen hinein.
- Aber auch die meisten Lebewesen (Menschen, Tiere) und auch Pflanzen (weitgehende Symmetrie) sowie selbstverständlich die Kristalle (absolute Symmetrie) weisen in sich Symmetrien auf.
- Entscheidend scheint hierbei das Gesamtbild, das aus beiden (allen) Teilen zusammen entsteht. Die Einzelteile bilden eine Einheit, eine Ordnung, etwas Vollkommenes, eine Harmonie.
- Symmetrien sehen zwar ruhig und statisch aus (manche bezeichnen sie auch als monoton und langweilig), bilden in sich jedoch ein Spannungsfeld.
- Absolute Symmetrie gilt jedoch als künstlich und unglaubwürdig, da sie in der organischen Natur selten vorkommt. Hingegen werden Abbilder mit leichten Asymmetrien meist als besonders schön eingestuft. Dies scheint ein Grund für den oft bewusst aufgetragenen Schönheitsfleck in manchen zu symmetrisch schönen Gesichtern zu sein. Perfekte Symmetrie wirkt oft künstlich und damit paradoxer Weise nicht mehr schön.
- Ein Grund scheint zu sein, dass viele Menschen in Symmetrien die Unterschiede - wie in einem Rätselbild - suchen und erst zufrieden sind, wenn sie mindestens einen gefunden haben. Eine kleine Asymmetrie zieht somit das Auge an und kann sogar zum attraktiven Markenzeichen werden.
- Asymmetrie ist somit nicht die völlige Abwesenheit von Symmetrie, sondern der gezielte Bruch / die bewusste kleine Abweichung von der vorhandenen Symmetrie. Manche sprechen deshalb auch von einem Asymmetriegrad, d.h. um wie viel wird die vorhandene Symmetrie gestört. Asymmetrie kann bereits durch winzige Dinge entstehen. So sind Menschen nicht wirklich symmetrisch gebaut (noch nicht einmal das Gesicht). Bereits eine leichte Überlagerung (z.B. durch einen Schatten oder Mensch bzw. Busch vor einem Gebäudeteil) bricht die absolute Symmetrie auf. Aber auch die nie perfekte / plane Spiegelfläche (Wasser oder Glas) stört etwas die absolute Symmetrie und lockert sie auf.
- Die Symmetrie führt oft dazu, dass der Betrachter auf die Mitte schaut und sich im Bild von der Mitte aus orientiert.
- Wer diese Symmetrie betonen will, sollte das Motiv zentrieren und die Kamera gerade (parallel zu Kanten) ausrichten. Allerdings kann dies im Einzelfall zweidimensional, flach und sehr statisch wirken.
- Hingegen kann man eine vorhandene Symmetrie auch zu stören versuchen, indem das Motiv außermittig platziert und die Kamera bewusst verkantet. Dies erzeugt eine deutliche Spannung im Bild. Allerdings muss man vor allem bei moderner Architektur darauf achten, dass sich dann nicht neue (ungewollte) Symmetrien bilden, die man vorher nicht sofort erkannte.
- Manche Analytiker unterscheiden jedoch zwischen einer senkrechten/vertikalen Symmetrie und einer horizontalen Symmetrie. Die Senkrechte wird dann wiederum von einigen als klar, streng und langweilig angesehen.
- Absolute Symmetrien werden als künstlich angesehen. Deshalb eignen sie sich zur Betonung derartiger Produkte. - In der Landschaftsfotografie hingegen gelten z.B. absolut symmetrische Bildaufteilungen (z.B. Horizontlinie) als eher unerwünscht, weil unnatürlich.
- Falls sich zwei ähnliche oder gleiche Objekte unterschiedlicher Größe (und damit ungleichen Gewichtes) auf dem Bild befinden, wird der Betrachter den Angelpunkt der Schaukelwippe im Bild zu verschieben versuchen, bis er das Bild für ausgeglichen hält.
- Einflussfaktoren auf das wahrgenommene Gewicht eines Objektes:
- Objekte weit vom Bildzentrum entfernt haben eine größere Hebelwirkung und somit Gewicht.
- Objekte im oberen Bildfeld scheinen schwerer, als Bilder unten.
- Freigestellte, freistehende Objekte erscheinen schwerer.
- Sehr interessante Objekte werden als schwerer empfunden.
- Reguläre Formen werden als schwerer angesehen als völlig unscharfe und ausgefranste Objekte.
- In unserem Kulturkreis scheinen Objekte in der rechten Bildhälfte oft schwerer als identische links.
- Bewegungen oder bereits angedeutete Bewegungsrichtungen können die Balance ebenfalls beeinflussen.
- Es finden sich jedoch auch auf den ersten Blick unbekannte Symmetrien: So meint die translative Symmetrie die Aneinanderreihung von Elementen, die auch bei Verschiebung erhalten bleibt (z.B. Lichterkette, Maschendrahtzaun, Säulenreihen). Eiskristalle lassen sich z.B. in einem 60-Grad-Winkel symmetrisch drehen und kreisförmige Objekte meist in jedem beliebigen Winkel (Punktsymmetrie, Drehsymmetrie).
Identische Formwiederholung
- Falls man Formen, Linien, Bewegungen in derselben Größe (und im Extremfall auch noch parallel zueinander) wiederholt, besteht die Gefahr, dass sie miteinander um die Aufmerksamkeit streiten.
- Die beiden Formen etc. sollten sich zumindest in einem Detail deutlich unterscheiden (Winkel, Größe, ...)
- Vor allem die Gruppierung in geraden Anzahlen kann problematisch werden. Zwei abgebildete gleichgroße Personen (Tiere etc.) nebeneinander streiten fast immer um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Ungerade Zahlen sind bei Gruppierungen oft günstiger. Oder eine Person muss deutlich größer dargestellt werden.
- Zahlreiche Maler sehen parallel zum Bildrand verlaufende Linien als sehr statisch an, da sie dessen Rand wiederholen. Das betrifft besonders vom Menschen geschaffene Gegenstände in der Natur (z.B. Telefonmast in der Landschaft). Wenn überhaupt, dann sollte solch eine Linie eher nach innen zeigen und den Blick des Betrachters im Bild halten. Neigen sich derartige Linien nach außen, führen sie den Betrachter aus dem Bild heraus.
- Eine mehr oder weniger identische Formwiederholung, Aufreihung kann auch ein Symbol für die Vielzahl darstellen, ohne dass man alle aufnehmen müsste. So können in einem Schaufenster resp. einer Auslage aufgenommene Schokoladenstückchen, aufgereihte Pralinen oder die nächtlichen Lampen einer Straße oder die Ziegelsteine in einer (Haus-) Wand pauschal viele anzeigen. Dies funktioniert umso besser, je geordneter sowie ähnlicher sie sind, und wenn diese Aufreihung eine dynamische Richtung (oft diagonal) besitzt. D.h. bereits ein Ausschnitt davon lässt den Betrachter vermuten, dass sich dies so fortsetzt.
Asymmetrie
- Schönheit darf nicht künstlich Perfekt sein. Sie benötigt für die natürliche Schönheit zumindest einer erkennbaren Abweichung, eines natürlichen kleinen Makels.
- Eine gewisse Asymmetrie ist bei genauer Betrachtung in fast allen Dingen zu finden.
- In der Kunst verwendet man auch gerne die Asymmetrie, das asymmetrische Gleichgewicht (asymmetrical, informal balance).
- Mit Asymmetrie assoziiert man: spannend, interessant, informell.
- Eine asymmetrische Balance kann durch zwei kleine (leichte) Objekte auf einer Bildseite und ein großes auf der anderen Bildseite entstehen, da sie sich wie auf einer Wippe ausgleichen.
Chaos
- Chaos ist das Gegenteil von Struktur und Ordnung.
- Allerdings sollte man dabei immer wieder auch an Shakespeares Aussage denken:
Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode
- Though this be madness, yet there is method in't
(Oberkämmerer Polonius in Hamlet).
- Häufig finden sich (z.B. in der Mathematik: Fraktale) durchaus wieder Muster in scheinbar chaotischen Welten.
Intensität und Aufmerksamkeitswirkung bei Formen
Wenn man andere Einflüsse (wie etwa die Farbe) außer Acht lässt (also bei gleichfarbigen oder grauen Formen) kann man cum grano salis festhalten:
- Große Formen fallen dem Betrachter meist eher auf als kleine.
- Komplexe Formen fallen dem Betrachter meist eher auf als einfache.
- Scharfe Konturen mit hartem Kontrast fallen dem Betrachter meist eher auf als unscharfe mit geringem Kontrast.
Hier geht es weiter in der Bildgestaltung: Farben
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