Der offizielle Name der Foto-Messe schreibt sich tatsächlich klein.
Im Herbst 2018 erhielt ich eine - vermutlich von einem (bezahlten) Troll - verfasste Aufforderung, ihm und Ihnen gefälligst umfassend von der photokina zu berichten.
Eigentlich gehe ich nicht mehr auf Beleidigungen und Erpressungen ein. Aber als positiv denkender Mensch wandte ich dies um, und erkannte, dass die letzte photokina (2018) wirklich erwähnenswert war. Als ich dann bei meinen Recherchen zusätzlich feststellen musste, dass in der Tat wenig zu der photokina - der weltgrößten internationalen Leitmesse der Foto- und Imaging-Branche - zu finden ist (vermutlich, weil es wieder einmal ein zu kompliziertes Thema darstellt), war die photokina dann doch ein Fall für diesen Internet-Auftritt und für mich.
Als neugieriger und hartnäckiger Wissenschaftler gelang es mir erneut, einige interessante Dinge nicht nur über die photokina, sondern über die gesamte Fotobranche herauszufinden, die auch Einfluss auf jeden Fotografen haben.
Noch wichtiger ist jedoch der elementare Zusammenhang zwischen Messe und Wirtschaft - also zwischen Fotowirtschaft und photokina. Beide beeinflussen einander, wobei der Einfluss der Fotowirtschaft auf die Fotomesse größer ist, als vice versa. Messen gelten auch als Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage. D.h. Wirtschaftskrisen und Rezessionen spüren die Messe-Veranstalter deutlich. Messen gelten aber auch als ein nachlaufender Konjunkturindikator, da viele Stände Monate im Voraus gebucht werden. D.h. die Messen werden erst zeitverzögert von einer Krise betroffen. - Wichtig ist dieser ökonomische Zusammenhang auch deshalb, weil inzwischen (bezahlte) Trolle dazu übergegangen sind, banalste ökonomische Grundlagen zu bezweifeln, wie den seit 2010 andauernden Niedergang der Fotowirtschaft, nur um ahnungslose Kunden bewusst zu täuschen.
Ein Inhaltsverzeichnis mit direkten Sprungmarken und Überblick über alle bei photokina behandelten Themenbereiche finden Sie als Pop-Up.
Troll: Als seriöser Wissenschaftler [damit bin ich gemeint] gehe ich davon aus, dass Sie auf der photokina weilen...
Gegenfrage: Warum sollten Wissenschaftler auf die photokina gehen? Der - bei gutem Willen - einzige halbwegs um die Ecke herleitbare Grund könnte Quellenanalyse sein. Aber daran hakte es bei dieser Messe in großem Maße. Denn die wichtigsten Themen waren als Affront der Hersteller gegenüber der Messe bereits vorab weltweit auf eigenen Terminen publiziert worden.
Es gab auf der photokina 2018 auch kaum Primärquellen. Nach Auswüchsen auf der photokina 2016 mit zunehmenden Vorankündigungen, mutierte die photokina 2018 zu einer in erheblichen Teilen verbalen Ankündigungsplattform.
In aufwändigen Multimedia-Shows wurden ziemlich vage Visionen an die Leinwand projiziert. Überwiegend wurden Prototypen aus der Ferne oder hinter Glas gezeigt, die man entweder nicht anfassen, oder nicht benutzen durfte, weil sie ganz offensichtlich nicht funktionierten. So etwas nannte man früher Designstudie, aber nicht Prototyp. Ein Prototyp funktioniert nämlich.
Selbst auf penetrante (Entschuldigung, das heißt heute politisch korrekt natürlich nachhaltige) Nachfragen mancher Presseleute konnten die Firmenrepräsentanten an den Ständen weder Gewichtsangaben, noch Preise, noch exakte Liefertermine zu den eigenen vorgestellten Produkten nennen. Teilweise waren noch nicht einmal banalste Dimensionen erhältlich. Aber das eigene Nachmessen (Dicke, Höhe, Breite, Tiefe etc.) wurde dann auch untersagt. - Wie gesagt: Viel Gegackere um meist ungelegte Eier.
Angesichts der 2018 oft hochkarätigen Besetzung der Stände und Presseforen mit Vorstandsmitgliedern oder sogar Vorsitzenden der Firmen wurde wieder eine alte Weisheit aktuell: Je höher die anwesenden / vortragenden Firmenränge, desto dünner / vager / orakelhafter die Aussagen.
Mit zumindest fertiggestellten und teilweise sofort oder zumindest bald kaufbaren Produkten konnten nur wenige Firmen, insbesondere aus der Zubehörsparte erfreuen, z.B.: Rucksäcke, Taschen, (u.a. auch von der relativ neuen deutschen Firma Compagnon), oder Blitzhersteller.
Im Übrigen sind manche interessanten Veranstaltungen nur für handselektierte, geladene, akkreditierte Pressemitglieder resp. Fotofachhändler, Berufsfotografen etc. So einfach darf man als normaler Besucher nicht hinein. - Dennoch war ich dort. Und falls jemand fälschlicherweise glaubt, er erfahre dort mehr oder sehe etwas besser als in den Live-Übertragungen oder Videos oder Fotos mit zusammengefassten Berichterstattungen von der Messe, darf er gerne selbst auf solche Termine gehen. - Ganz nebenbei: Sie sollten über fließende Englischkenntnisse inklusive Fotofachsprache verfügen, um den oft merkwürdigen Aussprachen oder Grammatikfügungen der Nichtengländer folgen zu können. Deutsch spricht dort sowieso kaum jemand. - Wozu sollte man dies in Deutschland auf einer deutschen Messe auch tun. - Früher hatten manche Firmen Dolmetscher.
Zunehmend hat vieles rund um die Messe nichts mehr mit der Fotografie zu tun: Eventprogramm in besonderer Atmosphäre, Basketball, Sign-Twisting, Tricking, RSG (Rhythmische Sport-Gymnastik), Fußball-Freestyle, BMX, Skateboarding, Live-Konzert, Abendveranstaltungen etc. Aber auch immer mehr fotografische Themen auf der Messe bewegen sich eher um Foto-Wettbewerbe, Foto-Foren und Communities sowie allgemeine politische Themen etc. - statt um die de facto wenigen neuen Dinge aus den Bereichen Hard- und Software der Fotoindustrie.
Summa summarum lässt sich von dieser photokina die klare Tendenz erkennen, dass alle Hersteller in der tiefen Wirtschaftskrise sich nun auf die Berufsfotografen und sehr ambitionierten Amateure mit viel Geld konzentrieren. Resümee: Für Amateurfotografen und Einsteiger wird es immer teurer und in vielen Sensorklassen zur Sackgasse (siehe Sensor-Sterben und Spiegellose Vollformat-Kameras.).
Troll: ... und die Größen der Firmen (Canon/Nikon/Panasonic, usw.) mit Ihren Prognosen zu den jeweiligen Systemen und mit Ihrer Fotoindustrie 'Weltuntergangsweisheiten' konfrontieren.
Machen Sie sich nichts daraus: Solche Polemiken sind heute normal. Wer - wie ich - seine Leser mit harten, wissenschaftlich belegten ökonomischen Fakten versorgt und zum Nachdenken aufruft, wird von allen nur an dummen Kunden Interessierten noch viel heftiger angegriffen.
Dass der Canon Vorstands-Vorsitzende in einem Interview im Januar 2019 fast alle meine wirtschaftlichen Thesen und Prognosen bestätigte, wurde weltweit (außer in Deutschland) beachtet.
Jährlich verschiffte Kameras 1970 bis heute (laut CIPA, Zahlen bis heute). - Hier die große Grafik bildschirmfüllend.
Das Ergebnis für 2018 lag bei niederschmetternden 19,5 Mio. Kameras. Das durchbrach die psychologisch wichtige rote Unterstützungslinie von 20 Mio.
Zur Klarstellung: Heute decken die japanischen Kamera-Produzenten fast 100% der Weltmarktproduktion ab. Früher war dies jedoch anders. Zumindest bis 1989 lag die Weltproduktion viel höher, als diese japanische Kurve angibt, da Westeuropa, die USA und vor allem der gesamte Ostblock in dieser Kurve nicht erfasst wurden.
Wer Wirtschaftsanalysen der weltweit tätigen Investmentbanker und Ratingagenturen anzweifelt, welche spätestens seit 2007 den Niedergang der klassischen Fotoindustrie voraussagen und von den Firmen drastische Korrekturen fordern, wird seine privaten (ökonomischen) Motive haben.
Fakt ist und bleibt, dass selbst die CIPA - die Dachorganisation der japanischen Fotowirtschaft - seit 2010 ständig dramatisch sinkende Verkaufszahlen meldet. Das Jahr 2018 erwies sich bezüglich der Produktion als das schlechteste Jahr seit den 1970er. Siehe: Foto-Wirtschaft. - Wie existenzbedrohend die Krise ist, zeigt sich u.a. daran, dass die meisten Firmen 2018 die Flucht nach oben zu Vollformat antraten. Nur noch dort lassen sich große Gewinnspannen erzielen. (Siehe Sensor-Sterben und Spiegellose Vollformat-Kameras sowie Objektive.)
Der Verlauf der Absatzzahlen der Kamerahersteller entspricht der Kurve der klassischen Lebenszyklusmodelle / Produktlebenszyklen.
So sieht die immer wieder damit verwechselte klassische logistische Funktion - Sättigungskurve aus. - Allerdings entspricht jener Verlauf den Absatzzahlen der Smartphones, die mit ca. 1,5 Milliarden Stück je Jahr Ende der 2010er Jahre Höchstwerte feierten und einen hohen Sockel fanden.
Diese ökonomischen Grundlagen lernt jeder Studierende der Wirtschaftswissenschaften bereits im Grundkurs. Damit ist nebenbei auch bewiesen, dass (bezahlte) Trolle keine Ahnung von Wirtschaft oder Wissenschaft haben.
In einen Interview mit der japanischen Wirtschaftszeitschrift Nikkei im Januar 2019 bestätigte der Canon CEO Fujio Mitarai das und sprach sogar von einem weiteren bis 50% Rückgang der Verkäufe bei Systemkameras in den kommenden 2 Jahren - also 2019 und 2020 - auf dann nur noch 5-6 Mio. Stück. D.h. er und seine Analytiker sahen sogar eine deutliche Beschleunigung des Niedergangs.
Wer diese ökonomischen Fakten auch heute noch vorsätzlich abstreitet und mündlich oder schriftlich das Gegenteil behauptet, kann nicht unwissend oder dumm sein, sondern muss als von interessierten Firmen bezahlter Influencer / Troll betrachtet werden, der Sie als Kunden für dumm verkaufen und schädigen will.
Dieser ökonomische Punkt ist wichtig, da die photokina als Messe unter den schwerwiegenden Folgen der Wirtschaftskrise im Fotobereich massiv leidet.
Nur 5 Hallen, die nur einen Bruchteil des gesamten Messegeländes ausmachen (und dann teilweise übersichtlich bis locker bestückt waren), zeigen dies an, ebenso wie die von früher 6 auf nun 4 Tage verkürzte Dauer.
Die Firmenoberen der Kamerahersteller sind kaum für Normalsterbliche zu sprechen. Selbst hochrangige Verlage bitte in Schriftform lange um einen Gesprächstermin. Wer zufällig auf der Messe einem Firmenleiter über den Weg läuft und es wagt, ihn anzureden wird von seiner Assistentin/seinem Assistenten höflich darauf hingewiesen, dass es jetzt unpassend ist. Wer diese Ansage in japanischem Englisch nicht verstehen sollte, erkennt zumindest, dass sich ein sportlicher Leibwächter zwischen einen und den Manager schiebt.
Und ganz offensichtlich liegt ein Missverständnis vor: Die photokina ist eine perfekt inszenierte Show. Dort stellen sich die Firmen selbst nur in bestem Licht dar. Kritik ist heute unerwünscht - insbesondere in Deutschland. Da macht die Fotoindustrie keine Ausnahme. Es handelt sich auf einer Messe um einen Monolog - kein Kundengespräch auf Augenhöhe. Kritische Fragen werden abgeblockt und das Gespräch dann in der Regel komplett abgebrochen.
Selbst die Fachhändler werden - auf der besonderen photokina RETAILING UNLIMITED LOUNGE - nur mit optimistischen Prognosen der Hersteller geflutet. Hört man den sehr gut geschulten Vertriebsmenschen eine viertel Stunde zu, ist man davon überzeugt, dass die Branche jährlich um 30% wächst, statt abnimmt.
Insgesamt muss man sich bei der Show auf der photokina immer wieder aktiv kritisch zurücknehmen, um von diesem von allen Beteiligten ständig produzierten geballten Optimismus nicht angesteckt zu werden - und dadurch wichtige Fakten zu übersehen.
Selbstredend lesen Mitarbeiter aller Firmen meine Artikel, wie die Beiträge aller anderen Fotoberichterstatter im Internet. Dies konnte ich in den letzten Jahren an den Seitenabrufen aus den betreffenden Firmen erkennen. Aber selbst schriftliche Anfragen und Hinweise werden meist nicht beantwortet. Da geht es mir wie der Presse. Bestenfalls erhält man die Nachricht, dass die Anfrage an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet wurde. Nur wer Glück hat, erhält dann noch einen negativen Bescheid von jener. - Machen Sie sich nichts vor: Der Einfluss der Kunden auf die Hersteller ist trotz aller moderner Kommunikationsmedien sehr gering. - Oder, wie sagte einer meiner Mitarbeiter einmal so treffend: Firmen ab 1.000 Mitarbeiter benötigen keine Kunden mehr. Die haben schon genug mit sich selbst zu tun.
- Daran ändert auch keine Messe etwas. Die dortigen Firmenvertreter leiten Beschwerden i.d.R. nicht weiter. Sie sind dem Vertrieb und Marketing zugeordnet, nicht dem Support. - Ein weiterer Denkfehler vieler Messebesucher.
Mir gelang es einmal, einen ranghohen Manager aus dem Marketing einer großen Firma abzufangen, der sich sogar mit mir unterhielt. Als er herausfand, wer ich bin, sagte er: Sie sind doch der, der seine Leser auffordert, selbst zu denken. - Ja, wo kommen wir denn hin, wenn die Kunden plötzlich selbst anfangen würden zu denken?
- Exakt.
Im Übrigen sage ich nicht den Weltuntergang voraus, sondern dass sich die Sparte der klassischen Systemkameras / klassischen Fotografie gemäß der Lebenszykluskurve aus der Wirtschaftswissenschaft auf dem Weg in die relativ unbedeutende Nische bewegt - wie die Hi-Fi-Industrie. Die stark diversifizierten Firmen - optische Konzerne wie Canon und Nikon sowie Elektronikkonzerne wie Sony und Panasonic - werden dies spielend überleben. Aber die Folgen für die klassischen Fotografen (mit ihren Standbildern) werden auf jeden Fall teuer werden. (Deshalb will man auch keine selbst denkenden Kunden.) Denn die Zukunft der Fotografie und der Kamerahersteller liegt schon lange bei Video in all seinen Formen.
Und damit sind wir wieder bei der photokina, die davon massiv beeinflusst wird und auf die Strukturveränderungen auch reagiert. Deren Manager verstehen - im Gegensatz zu Trollen - auch etwas von Wirtschaftswissenschaft. Denn für Messeveranstalter stellt die Ausrichtung einer großen, investitionsintensiven Leitmesse ein beachtliches finanzielles Risiko dar.
Um zu verstehen, wo die photokina heute steht, und wie sie sich weiterentwickelt, muss man einen kurzen Blick auf die sehr bewegte Geschichte dieser Fotomesse werfen.
Die Veranstalter der photokina sind die Koelnmesse und der Photoindustrie-Verband (PIV).
Nach der Währungsreform 1948 sowie der Gründung der BRD 1949 wollte man angesichts der früher bedeutenden deutschen Foto- und Filmindustrie dieser eine Messe widmen, sie sowie den Industriestandort Deutschland im Wiederaufbau fördern, und für die im Krieg weitgehend zerstörte Stadt Köln neue wirtschaftliche Impulse setzen.
Die erste Foto-Messe fand 1950 als rein nationale deutsche Veranstaltung - übrigens im Mai - mit rund 300 deutschen Ausstellern statt. Damals trug sie auch noch die Langform als Namen: Photo und Kino Ausstellung
. Konzeption und Aufbau übernahm man weitgehend von der Berliner Kipho 1925 und der Kamera 1933. Das darf auch nicht verwundern, da einer der Initiatoren der Kölner Fotomesse der AGFA-Direktor Bruno Uhl war, der auch die anderen beiden Ausstellungen der Zwischenkriegszeit mitgestaltet hatte. Neu war jedoch die Zusammenfassung von Standbild und Bewegtbild in so deutlicher Form. - Damit war auch von Anfang an die enge Beziehung zwischen Foto-Messe und Fotowirtschaft belegt und auch jedem die Abhängigkeit bewusst. Um die Ökonomie auszugleichen, wurde jedoch von Anfang an ein kulturelles und künstlerisches Begleitprogramm von internationalem Ruf aufgesetzt.
Bereits nach einem Jahr fand 1951 die 2. photokina mit 340 Ausstellern statt. Sie war mit 70 ausländischen Firmen erstmals international. Da die dritte photokina 1952 mit gleichen Zahlen stagnierte, ging man ab 1954 zum Zweijahres-Rhythmus über. Und 1956 verlegte man die photokina in den Herbst - auf Ende September. Zunehmend kam neben Foto- und Filmausrüstung auch Zubehör für den Fernsehbedarf hinzu.
Ab 1960 ging man zum dreijährigen Rhythmus für 1963 und 1966 über. 1963 fand die damals 9-tägige Messe im März statt. 1966 fand sie nach dreieinhalb Jahren Pause im Oktober statt. Seit 1968 wurde die photokina wieder alle zwei Jahre ausgerichtet.
Auf der erneut 9-tägigen photokina 1972 waren erstmals mehr ausländische (über 400 ausländische Anbieter aus 23 Ländern) als deutsche (weniger als 370) Firmen vertreten. Das Verhältnis sollte sich nie wieder umkehren und kennzeichnet den langsamen Niedergang der deutschen Foto- und Filmindustrie.
Ab 1974 wurde die photokina zur 7-tägigen Fachmesse mit Zutritt nur für Händler und berufliche Anwender. Deshalb brachen die nun (Fach-) Besucherzahlen ein. Das war somit einer der schwersten Fehler, den die Messeleitung zusammen mit der Photoindustrie traf. Erst 1988 wurden Amateure wieder zugelassen, worauf die Besucherzahlen erneut leicht anstiegen. Sie erreichten jedoch nie wieder die früheren Zahlen (siehe das Besucherdiagramm unten).
In den 70er und 80er Jahren rückte der Messetermin zunehmend in den Oktober hinein (1984: 10. bis 16. Oktober). Erst in den 1990er Jahren rückte er wieder in den September.
In den 1980er Jahren kümmerte sich die Messe um HDTV und Video als neue Bereiche, denen bald digitales Video und Audio sowie Camcorder und die CD folgten. Das ging so weit, dass man 1992 sogar den Hi-Fi-Bereich integrierte und sich als Multimedia-Messe sah. Deshalb war es nur konsequent, dass man 1996 sogar die Computerindustrie auf die Messe einlud. Später folgten sogar Plasmafernseher und Projektoren / Beamer. Als Folge erreichte die photokina 1998 180.000 qm und 2008 sogar 200.000 qm Ausstellungsfläche.
1994 wurde die Messe auf 6 Tage verkürzt. Und 2004 wurde die neue Wochentagefolge Dienstag bis Sonntag eingeführt, da der Montag zu wenige Besucher anzog.
Im Zuge der Digitalisierung wurde auch die photokina 2002 umgestaltet. Vor allem konzentrierte man sich seitdem auf junge Besucher = Konsumenten. Zunehmend wollte man gezielt neben den wichtigen Fachbesucherkreisen aus Handel und beruflicher Anwendung auch das (Amateurfotografen- resp. nur Seh-) Publikum ansprechen. Von dort war es bis zur Event-Messe nicht mehr weit. Ferner tauchte seitdem immer öfter das Wort Imaging als Klammer / Oberbegriff der Messe auf. 2008 sprach man von der World of Imaging
.
2018 wurde die Messe auf 4 Tage verkürzt von Mittwoch bis Samstag einschließlich. Nachdem sich bereits früher der Montag als schwierig herausgestellt hatte, fielen nun auch Dienstag und Sonntag mangels ausreichenden Besucherzahlen weg.
Der Rhythmus der Veranstaltung, die Termine und die Dauer der Messe schwankten schon immer extrem.
Die photokina pendelte zwischen öffentlicher und Fachmesse hin und her.
Die Messe zeigte sich immer relativ offen für neue Trends im Bereich der Bilder.
Neben der Foto-Fachmesse gab es immer Bilderschauen, Ausstellungen, Dia-, Film und Video-Präsentationen, zunehmend Wettbewerbe. Teilweise überstieg deren Zahl 100.
Begleitende Kongresse und Workshops (früher Fachtagungen genannt) gab es ebenfalls seit den Anfängen. Selbst Dinge wie Jubiläumsparty mit Feuerwerk, Sky-Shooting, Bullriding oder Aqua Zorbing gab es schon.
Das Messemanagement hat sich immer den Trends der jeweiligen Epoche angeschlossen und diese Entscheidungen auch wieder mutig abgeändert, wenn sie sich als nicht mehr zielführend erwiesen (wie z.B. die reinen Fachmessen). Insgesamt kann man dem Management eine glückliche Hand über so eine lange Zeit attestieren.
Die Geschichte der photokina ist in jeder Beziehung beeindruckend. Ihr gelang es über fast 7 Jahrzehnte, Wirtschaft mit Kultur sowie Geschäfte mit Kunst auf einer internationalen Ebene zu vereinen und so das Ansehen Deutschlands sowie der Fotografie in der Nachkriegszeit weltweit entscheidend anzuheben und mitzuprägen. Die photokina war zu einer Zeit bereits global und multikulturell, als es diese Begriffe noch nicht einmal gab. - Da der finanzielle Aufwand für mich jedoch zu groß ist, und sich sonst sowieso kein Mensch dafür interessiert, wird die faszinierende Geschichte der photokina wohl ungeschrieben bleiben, obwohl es zum 70-jährigen Jubiläum einen passenden Anlass gäbe, eine solche zu verfassen.
Blättert man den Katalog durch oder durchsucht man die Ausstellersuchmaschine, so ist man beeindruckt, ja geradezu überwältigt. - Analysiert man jedoch diese Daten sorgfältig, so findet sich Erstaunliches.
So manche Zahlen sind übertrieben, weil es sich um Mehrfachnennungen handelt. Dies will ich hier anhand der Liste der Aussteller 2018 belegen:
Canon Deutschland GmbH sowie Canon Europa N. V. Niederlande - also 2 Firmen als 2 Aussteller - mit insgesamt 8 Ständen.
FUJIFILM Electronic Imaging Europe GmbH mit 11 Ständen.
Olympus: Olympus Deutschland GmbH und Olympus Europa SE & Co. KG mit 11 Ständen.
Panasonic Marketing Europe GmbH mit 8 Ständen.
Sony: Sony Europe Limited, Zweigniederlassung Deutschland sowie Sony Europe Limited, Großbritannien sowie Sony Europe Limited, Recording Media & Energy Europe, Frankreich mit insgesamt 10 Ständen.
Allein die Koelnmesse GmbH Ltd und Inc. sowie Pte. Ltd. hatte über 60 Stände auf der photokina 2018, wobei viele auch noch aus Doppelständen bestanden (z.B. Stand C058g D059g oder Stand C060g D061g).
Rechnet man all diese Dinge ab, war die Messe im Bereich Fotografie noch übersichtlicher.
Dann finden sich zahlreiche Aussteller, die man auch mit viel gutem Willen kaum der Fotobranche zurechnen kann, wie das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr 1.3 ZeMEM (Bundeswehr), CAMPUS SPORTSWEAR GmbH, Cologne Intelligence, ein Beratungsunternehmen für Firmen, Die Etagen GmbH, Crossmediale Werbeagentur mit Herzblut und Verstand, F&E Trading LLC - Fast and Efficient Trading - Transport-/Logistik-Unternehmen, Hochschule Anhalt, Industrie- und Handelskammer zu Köln, INCAS Training und Projekte GmbH & Co. KG, die unter hunderten von Schulungskursen zu allen möglichen Themen auch einen Photoshop-Kurs und etwas zu Lightroom bietet., INS Insider Navigation Systems GmbH, die Logistik-Software für Lagerhallen anbietet, Mazda Motors (Deutschland) GmbH, Red Bull Deutschland GmbH, Dirk Rossmann GmbH, Drogeriemarkt, Sennheiser electronic GmbH & Co. KG, Stadt Köln, Telekom Deutschland GmbH, Westdeutscher Rundfunk, Kur- und Tourismus GmbH Zingst.
Da fanden sich Monitor-Hersteller wie EIZO Europe GmbH, Drucker-Hersteller wie Epson Europe B.V., Verlage, die u.a. auch Bildbände vertreiben, oder sonst noch etwas mit der Foto-, Film- oder digitalen Branche zu tun haben, sowie Stiftungen.
Ferner finden sich haufenweise Verbände aus dem Foto- und Filmbereich.
Huawei Technologies Deutschland GmbH. Dies finde ich sogar wichtig, da immerhin 1,5 Milliarden Smartphones mit Fotokamera jährlich verkauft werden. - 1,5 Mrd. Stück in einem einzigen Jahr sind mehr als alle klassischen Fotokameras, die seit der Erfindung der Fotografie vor über 175 Jahren überhaupt von den klassischen Kameraherstellern weltweit verkauft wurden. Mich wundert eher, dass Apple, Google, Huawei, Samsung, und die vielen anderen Smartphone-Produzenten nicht regelmäßig anwesend sind. Smartphones bestimmen seit einigen Jahren bereits das Imaging - nicht mehr die klassischen Fotoapparate. Aber viele jener Firmen sind schon auf der Smartphone-Messe Mobile World Congress (MWC) in Barcelona.
Zur Klarstellung folgende Fakten:
Das übergeordnete Thema der Messe photokina lautet seit langem Imaging
, was in etwa mit Alles rund um Bilder
übersetzt werden kann. Es umfasst somit weit mehr, als Foto und Video. - Es bezieht alle Themenbereiche mit ein, die auch nur im Entferntesten mit Bildern zu tun haben. - Mich wundert z.B., dass keine Sicherheitsfirmen, Automobilunternehmen oder Medizinkonzerne anwesend sind, da sie heute viel mehr und häufiger Kameras verwenden als die klassische Fotografie. 2018 sollen allein rund 130 Millionen Überwachungskameras für die Sicherheitsbranche verkauft werden. Die Zahl ist höher als der Spitzenwert klassischer Fotokameras im Jahr 2010.
Im Übrigen ist es bei Messen erlaubt und üblich, einen gewissen Prozentsatz an Ständen an Aussteller zu vergeben, die nicht direkt mit dem Kernthema der Messe zu tun haben. Da werden oft abenteuerliche Erklärungen geliefert: Auf einer Wassersportmesse wurden z.B. Suppenhersteller oder Wurstkonserven-Aussteller mit der Begründung akzeptiert, man könne diese Waren schließlich auch auf einer Yacht zubereiten oder essen. Korrekt. Bei Schmuckherstellern leuchtete mir dann jedoch die Begründung, dass diese jeder Yachtbesitzer für seine Frau oder Freundin auf der Yacht benötige, nicht mehr so ganz ein. Aber seit die Messebranche in Deutschland leidet, ist man um diesbezügliche Ausreden nicht verlegen.
Alle mir bekannten Messen schummeln in den oben genannten Bereichen: Die Zahl der Stände werden etwas ungenau mit Ausstellern gleichgesetzt, Standbetreuungen mit ausstellenden Firmen vermischt. Oder es werden Aussteller mit beteiligten Firmen vermischt. An einer Messe beteiligt sind z.B. auch Sicherheitsfirmen zur Bewachung, Putzfirmen zur Reinigung, Mediaagenturen für die Werbung der Messe, Handwerker für Strom und Internet-Anschlüsse etc. Das sind selbstredend keine Aussteller im eigentlichen Sinne. - Kurzum: Immer, wenn jemand ein anderes Wort verwendet, als Sie es eigentlich in diesem Zusammenhang erwarten, sollten Sie hellhörig werden.
Bevor sich wieder übersensible Kritiker wegen des Datenschutzes an mich wenden:
Die DSGVO findet eine Ausnahme bei juristischen Personen (Firmen) deren Daten publiziert sind. Siehe Erwägungsgrund 14.
Der Datenschutz findet zahlreiche Ausnahmen bei wissenschaftlichen Untersuchungen: BDSG § 27 Datenverarbeitung zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken und zu statistischen Zwecken sowie § 28 Datenverarbeitung zu im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecken in Übereinstimmung mit DSGVO Artikel 5(1)b und e, 9(2)j, 14(5)b, 17(3)d, 85 Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sowie Erwägungsgründe 50, 52, 53, 62, 65, 73, 153, 156, 158.
Wer lesen kann, die DSGVO sowie das BDSG komplett liest und auch noch halbwegs versteht, ist klar im Vorteil.
Ergebnis in Kurzform: Die Auswertung dieser Daten zu diesen Zwecken ist zulässig.
Aussteller auf der photokina 1950 bis 2018. - Diese Kurve der Aussteller ähnelt fatal derjenigen der verschifften / verkauften Kameras oben. D.h. es zeigt sich hier eine ökonomische Übereinstimmung zwischen dem Zustand der Fotowirtschaft und dem Auftreten der Aussteller auf der Foto-Messe. Vor allem ab dem Krisenjahr 2010 zeigt sich dies extrem. - Eigentlich ist das eine absolute Banalität. Aber im Zeitalter der alles abstreitenden Trolle ist es heute bereits erwähnenswert. - Die photokina kam dabei jedoch noch glimpflich davon: Während die Fotowirtschaft zwischen 2010 und 2018 auf 1/6 der Kameras abstürzte, sanken die Ausstellerzahlen nur ungefähr auf 1/3.
Das Erheben der tatsächlichen Ausstellerzahlen ist schwierig, da im Grunde keine verlässlichen Unterlagen vorhanden sind. Anmeldungen wurden schon immer storniert, Kataloge sind mit Druckfehlern versehen, Nachmeldungen oder späte Abmeldungen sind im Messegeschäft die Regel. Sehen Sie deshalb bitte alle Daten als gerundete, ungefähre Werte an.
Allerdings muss im positiven Sinne auch berücksichtigt werden, dass es immer wieder sogenannte Gemeinschaftsstände gab, auf denen z.B. die Photoindustrie des Landes X sich komplett darstellte. Oder Firmen aus dem Ausland vertraten zusätzlich Partnerfirmen und stellten deren Produkte am eigenen Stand aus, da man sich so die hohen Reise- und Standkosten reduzierte. Letztendlich gab es auch immer wieder deutsche / europäische Generalimporteure, welche gleich mehrere (meist asiatische) Firmen und deren Produkte am eigenen Stand präsentierten. - Kurzum für den Fachhändler und den Endkunden waren dann doch wiederum mehr Firmen repräsentiert / ausgestellt als der reine Ausstellerkatalog auf den ersten Blick angibt.
Für das Jahr 2018 komme ich beim Nachzählen auf 559 verzeichnete Aussteller. Nach Abzug der Mehrfachnennungen und eher fachfremden Anbieter bleiben ca. 500 Firmen übrig, welche dem weiteren Fotomarkt zugerechnet werden können.
Diese Zahl von ca. 500 Ausstellern fand ich auch in zahlreichen weiteren Quellen zur photokina 2018 angegeben. - Sobald der Abschlussbericht der photokina vorliegt, werde ich Ihnen jedoch die offiziellen Zahlen nachreichen. Aber auch diese sollten Sie - gemäß obigen Einschränkungen - bitte cum grano salis betrachten. - 2019 publizierte die Messeleitung auf der eigenen (inzwischen gelöschten) Internetseite völlig illusorische Zahlen veröffentlicht: Angeblich waren es 812 Aussteller. Wobei die Messeleitung im Kleingedruckten - aber nur im PDF-Bericht (inzwischen gelöscht) - einräumt, * inkl. zusätzlich vertretene Unternehmen
- was auch immer dies bedeutet. Angesichts der noch heute nachprüfbaren und von jedem Interessierten einsehbaren Ausstellerliste bleibe ich bei meinen obigen korrekteren Zahlen.
Festzuhalten bleibt: Die Zahl der Aussteller hat sich im digitalen Zeitalter gedrittelt. Bezüglich der Aussteller befand sich die photokina 2016 bereits auf dem Niveau von 1976 / 1978. Die Messe 2018 bewegte sich sogar auf dem niedrigen Niveau von 1956-1960.
Besucher auf der photokina 1950 bis 2018. Deutlich erkennt man den Einbruch 1974, als es eine geschlossene Fachmesse wurde, und die Steigerung 1988, als man die photokina wieder teilweise für Amateure öffnete.
Das Erheben der tatsächlichen Besucherzahlen ist noch schwieriger als bei den Austellern, da im Grunde bis in die Neuzeit bei allen Messen nur Schätzungen vorliegen.
Aber selbst heute mit computergestützten Einlass-Systemen (vernetzte Scanner) werden - sofern die Systeme überhaupt korrekt funktionieren - viele Dinge dennoch gerundet und geschätzt:
So sollte man generell von Besuchen und nicht von Besuchern ausgehen. Ist man z.B. im Besitz einer Dauerkarte für die Messe, wird i.d.R. jeder Tag als neuer Besucher gewertet.
Selbst, wenn ich zum Mittagessen die Messe verlasse, werde ich i.d.R. beim Wiedereintritt am Nachmittag als neuer Besucher registriert.
Hinzu kommen zahllose freie Eintrittskarten für die Aussteller, welche nach gemieteter Fläche verschenkt werden, resp. vom Aussteller weitere vergünstigt nachbestellt werden können. Der Aussteller verschickt sie dann kostenlos an Kunden etc., die jedoch oft überhaupt nicht erscheinen. Dennoch zählen zahlreiche Messen diese Tageskarten als Besucher oder schätzen zumindest einem groben Wert.
Sehen Sie die Besucherzahlen deshalb als ganz groben Wert, der vor allem zum Abschluss für die Presseverlautbarung gerne nochmals aufgerundet wird. Von den üblichen Tippfehlern der Redakteure und den Druckfehlern der Zeitungen ganz zu schweigen.
Dass die Besucherzahlen der photokina derart schwanken, liegt an der Umstellung auf eine reine Fachmesse für den Fachhandel und Berufsfotografen / -videografen etc. 1974, sowie der wieder teilweisen Öffnung für das allgemeine Publikum ab 1988. Allerdings regelte man den Zufluss dann über abschreckend hohe Eintrittsgebühren, die man nur zu bestimmten Tagen für das allgemeine Publikum ermäßigte.
Dass sich trotz schwerer Wirtschaftskrise in der Fotobranche die Besucherzahlen der Messe auf so hohem Niveau hielten, halte ich für positiv. Sie belegen, dass sich für die photokina die Ausrichtung auf eine Eventmesse für junge Menschen auszahlte.
Da man die Besuchertage von 6 auf 4 reduzierte, entfiel 2018 ca. 1/3 der Besuchszeit. Deshalb würde ich jede Zahl oberhalb von 150.000 als Erfolg für die Messeleitung werten. Anfang Dezember 2018 (nach über zweimonatigem 'Nachzählen') wurde offiziell eine Zahl von exakt 180.000 veröffentlicht. Auch wenn ich diese Angabe für zu glatt
(marketing-technisch großzügig aufgerundet) halte, so ist sie beeindrucken. 2019 wurden offiziell die Besucherzahlen auf 174.328 herunterkorrigiert.
Aber das ist definitiv weniger als früher - von den über 250.000 Besuchern 1972 ganz zu schweigen.
Man muss sachlich festhalten, dass die Medien Foto und Video sowie die Technikbegeisterung des Publikums rund um Neuerscheinungen deutlich nachgelassen haben. Heute muss man fachfremde Events bieten, um die privaten Besucherzahlen noch relativ hoch zu halten.
Die Titel der Messe / Themenwelten 2018 lauteten: CAPTURING UNLIMITED, CREATING UNLIMITED, DISCOVERING UNLIMITED, LIGHTING UNLIMITED, PRESENTING UNLIMITED, CREATE! DISCOVER! CONNECT!
Das sind alles sehr aktive Dinge, die wirklich positiv nach persönlicher Teilnahme ja sogar Einflussnahme klingen. - De facto ist man als Besucher weitegehend passiv. Dies gilt umso mehr für Fachbesucher.
Alles ist in schreienden Großbuchstaben gehalten, die seit Jahrzehnten verpönt sind. Und der ubiquitäre Zusatz unlimited
klingt faszinierend. Aber de facto ist alles eher beschränkt.
Es mag sein, dass dies für die Dummen heute erforderlich ist, oder dem Marketing zumindest erforderlich scheint. Auf die etwas Erfahreneren wirkt so etwas übertrieben und befremdlich.
Überdies kämpfen alle Messen mit weiteren gravierenden Strukturproblemen:
Die Wirtschaftsmessen entstanden im Mittelalter an hohen Festtagen als Jahrmarkt (sogenannte missa profana
) nach den heiligen kirchlichen Messen (missa sacra
) meist auf dem Kirchplatz. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sie sich zu eigenständigen Großveranstaltungen des Handels auf internationaler Ebene heraus. Deutschland - im Zentrum des mittelalterlichen christlichen Europas gelegen - hatte dabei früh eine wichtige Rolle für den internationalen Handel eigenommen.
Im Laufe der Zeit bildeten sich inhaltlich unterschiedliche Messen heraus, u.a. Tauschmesse, Warenmesse, Mustermesse und Fachmesse (wie die photokina). Daneben lassen sich Messen geografisch einteilen in: regionale Messen, Spezialmessen einer Branche, überregionale Messen, internationale Messe, oder Auslandsmessen.
Auf die feinen Unterschiede zwischen Messe und Ausstellung soll hier nicht eingegangen werden, da die meisten Menschen dies entweder verwechseln oder synonym verwenden.
Das Internet macht Messen durch seine Virtualisierung des Messemarktes zunehmend überflüssig.
Bereits in den 1990er Jahren verblüffte ich Aussteller damit, dass ich deren Internet-Adresse oder ein PDF zum Herunterladen digitaler Informationen wünschte, statt kiloschwere Prospekte herumzutragen. Manche Firmen haben es nach 10-20 Jahren begriffen.
Im Zeitalter der relativ schnellen Internet-Anschlüsse schauen sich immer mehr private Interessierte sofort Fotos und selbst Videos über Produkte lieber zuhause oder unterwegs auf dem Mobiltelefon an, als sich noch bis zu einem Messetermin zu gedulden, dann sich dorthin zu begeben, nur um sich von einem an verbaler Diarrhö leidenden jungen Marketing-Schnösel Dinge erzählen zu lassen, die sie nicht interessieren.
VR-Brillen (VR = Virtual Reality) - eigentlich eher Halterahmen für hochauflösende Smartphones - erlauben bereits heute nicht nur kleine, sondern sogar große Produkte zuhause in 3D anzusehen, zu begreifen
/ anzufassen
, zu begehen
und zu beurteilen. Das reicht bis hin zu Autos, Schiffen, Häusern und großen Maschinen.
Auch die Firmen leiden immer mehr unter Zeitnot und fordern deren Mitarbeiter auf, sich Produktneuheiten zuerst schnell im Internet anzuschauen.
Kommerzielle Kunden erwarten ferner im B2B-Vertrieb zunehmend, dass der Hersteller mit Fachpersonal zu ihnen in die Firma kommt und dort direkt vor Ort (am besten in der Produktionsumgebung) die neuen Produkte und Dienstleistungen vorführt.
Das hat Folgen für die Firmen, die auf den Messen ihre Ziele bei der Neukundengewinnung in Deutschland und Europa immer seltener erreichen.
Als weitere Folge scheinen Messen deshalb nicht mehr für alle Firmen ein unbedingter Baustein im Kommunikationsplattform-Mix zu sein.
Oft findet sich inzwischen ein dramatischer Besucherrückgang auf Messen. Von einer anderen Messe, die ich über Jahrzehnte genau und jährlich komplett verfolgte, kenne ich sehr präzise Details. Als an einem Montag ein Aussteller in einer der ersten Hallen nach über 3 Stunden noch keinen einzigen Besucher vorbeikommen sah, ging er zum Eingang und fragte nach, ob man vergessen hätte, die Türen zu öffnen. Dort erklärte man ihm das Phänomen mit dem schlechten Wetter. - Die Wahrheit dürfen die Angestellten den Ausstellern nicht mitteilen, sonst stellten sie evtl. im Folgejahr nicht mehr aus.
In den 1990er und den ersten Jahren des neuen Jahrtausends bauten fast alle Messen ihre Hallen und Ausstellungsfläche aus, obwohl der Höhepunkt gemäß meinen damaligen Analysen bei frei verfügbaren Einkommen und realer Freizeit vieler Deutscher bereits Mitte der 90er Jahre überschritten wurde. Bereits vor der Corona-Pandemie, welche ab 2020 die Messen schädigte, waren viele Hallen auf vielen Messen überhaupt nicht mehr belegt. Der Rest der verbliebenen Aussteller zieht sich auf die Hälfte oder weniger der möglichen Hallen zurück. Viele Messen haben sich bezüglich zukünftiger Aussteller- und Besucherzahlen völlig verrechnet. Sie machten den Fehler, alte Zahlen / Steigerungen der Vergangenheit unreflektiert auf die Zukunft fortzuschreiben, ohne moderne Medien oder die Altersstruktur der Bevölkerung oder deren frei verfügbares Einkommen zu berücksichtigen. Alles Fehler, die man seit 10 Jahren in der Fotoindustrie auch feststellen kann.
Hinzu kam der Umstand, dass es bereits vorher in Deutschland zu viele Messestandorte gab, die sich gegenseitig das abnehmende Geschäft streitig machen wollten. Im größenwahnsinnigen Kampf um die flächenmäßig größte Messe überboten sich Oberbürgermeister mit Genehmigungen und Investitionen aus Prestigedenken. - Allerdings muss man auch wissen, dass mit Messen ein hohes Arbeitskräftepotential (vermutlich eine sechststellige Zahl an Arbeitsplätzen in Deutschland) und ein enormes Wirtschaftspotenzial (man schätzt bis zu zweistellige Milliarden-Euro-Summen als Gesamteffekt in Deutschland) verbunden sind.
Regionales (Förder-) Denken und regionale Streitigkeiten sowie gegenseitige Abwerbungen von Messen oder Erzeugung neuer Spezial- und Nischen-Messen führten zu Zersplitterung und schadeten allen Veranstaltern.
Im Übrigen lassen sich auf zahlreichen Messen eine deplatzierte, fast gottgleiche Überheblichkeit und Arroganz der Ausrichter / Messegesellschaften finden. Da sprach / spricht man von einer Strafe für Firmen, die es sich nicht leisten können, an unserer Messe teilzunehmen
, Der Markt / das Geschäft findet dann ohne diese Firmen statt.
etc. Manche scheinen (noch) nicht begriffen zu haben, dass heute die Messegesellschaft selbst der anfällige Dienstleister ist. - Nur, weil es die letzten bis zu 70 Jahre gut ging, ist das keine Garantie für die Zukunft.
Deutschland war jahrzehntelang der weltweit führende Messestandort. Noch ca. 2010 lagen von den über 1.000 Messestandorten die meisten in Europa. Aber die Weltwirtschaftskrise 2008ff. sowie die Euro- und EU-Krise traf die Europäer und vor allem Deutschland härter als z.B. Asien. Deshalb gerieten vorhersehbare Dinge plötzlich schneller ins Rutschen als erwartet.
Überdies wurden Fakten der Globalisierung lange Zeit nicht eingerechnet.
Auch wenn es jetzt hart klingt und der EU widerspricht: Europa hatte auf wirklich allen Gebieten seit 2000 verloren. Die Märkte liegen heute eindeutig in Asien. Analysten haben das den Oberbürgermeistern und Messemanagern allerdings bereits in den 1990er Jahren prognostiziert. - Aber wer hört schon gerne auf Wissenschaftler - vor allem, wenn sie etwas Negatives berechnen.
Ferner gelang es kaum einer deutschen oder europäischen Messe / einem Messestandort, wirklich asiatische Besucher dauerhaft anzuziehen. Die Weltmärkte ignorieren (Zentral-) Europa zunehmend. Nur London spielt noch eine größere Rolle. Aber von England verabschiedet sich die EU ebenfalls.
Wie sagte mir ein für Wirtschaftspolitik zuständiger EU-Politiker kürzlich in Bezug auf die Weltwirtschaft: Europa hat seinen Standortvorteil verloren.
In der Tat finden heute zahlreiche wichtige Messen im Ausland - vor allem in Asien - näher an den Hauptmärkten statt. So fanden sich 2018 bereits 2 der 10 größten Messegelände in China (auf Weltlistenplatz Nr. 2 National Exhibition and Convention Center (NECC) Shanghai: mit über 400.000 Quadratmetern und auf Platz 5. China Import & Export Fair Complex Guangzhou mit über 340.000 Quadratmetern).
Die medienwirksamen großen deutschen Leitmessen (z.B. in Hannover, Frankfurt und Köln) täuschen über den Wandel im Detail hinweg. - So erzielten die erfolgreichen deutschen Messegesellschaften Ende der 201er Jahre bereits etwa die Hälfte des Umsatzes im Ausland.
Wie schlecht es um die deutsche Messewirtschaft und den deutschen Standort bestellt ist, zeigt die weltgrößte Computermesse Cebit, die einst über 800.000 Besucher sowie über 8.000 Aussteller aufwies, nach beispielhaftem Niedergang 2018 jedoch sang- und klanglos eingestellt wurde.
Um es ganz vorsichtig auszudrücken, lief bei der photokina 2018 einiges nicht rund:
Bereits früh trafen klare Warnzeichen der Industrie ein: Immer mehr wichtige und große Firmen sagten ihre Teilnahme an der sowieso nur alle 2 Jahre stattfindenden photokina 2018 ab (siehe z.B. Alpa oder Elinchrom ). Sie erwarteten offensichtlich nichts mehr vom deutschen und europäischen Markt sowie der Wirkung der Messe weltweit. - Der schwerwiegendste Vorwurf lautete, dass sich die einstige Weltmesse der Fotografie zu einer weitgehend europäischen Veranstaltung wandelte, die für Besucher aus Asien und Amerika immer weniger attraktiv wurde.
Nachdem die Gerüchteküche unkontrollierbar überkochte, sah sich die Messeleitung erstmals in ihrer Geschichte genötigt, bereits im April eine magere Liste mit 13 Firmennamen zu veröffentlichen, die angeblich bereits ihr Kommen zugesagt hätten.
Ende Juli wurde klar, dass es 2018 eine deutlich kleinere Messe in weniger Hallen in Köln geben würde. Und sogar für die wenigen Hallen waren selbst im August noch immer nicht alle Stände Firmen zugeordnet.
Wer ist für die Kamerahersteller wichtig? - Oder: Wie düpiert man die photokina, Deutschland und Europa?
Früher war die photokina die größte und wichtigste Fotoausstellung der Welt. Dort wurden die Neuigkeiten der Kamerahersteller präsentiert - und zwar nicht nur der Fachpresse, sondern auch den privaten Fotografen - also den Endkunden.
Nikon sah dies 2018 anders. Die Firma präsentierte ihre neuen Kameras, neuen Objektive und ihr neues Z-Bajonett an anderen Orten und nur vor handselektierten Influencern. In Europa geschah dies nicht einmal in Deutschland, sondern im Brexit-Land England. - Anschließend tourte Nikon Anfang September in einer Roadshow durch die Städte und kontaktierte in (auch vielen deutschen) Fotofachgeschäften die Endkunden direkt.
Das war eine schallende Ohrfeige für die erst danach stattfindende photokina.
Canon übertraf alles zwei Wochen später, indem es Influencer mit einem bisher ungeahnten finanziellen Aufwand nach Hawaii für die neue Canon R einlud. - Canon zeigt noch deutlicher, an welchen handselektieren Personen man interessiert war: nicht den Endkunden - also Fotografen.
In der Folge verkümmerte die photokina beinahe zur Ankündigungsplattform der Fotozwerge - mit Eventcharakter für die Gäste.
Der ökonomische Hintergrund ist einfach: Der Absatz der wirklich hochwertigen Fotoartikel ist in Europa in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen. Europa rangiert im Hochpreissegment aktuell sogar hinter den US und weit hinter Asien (selbst ohne Japan). - Die Krise der Foto-Wirtschaft ist somit in Europa viel ernster als im Rest der Welt.
Dieser ökonomische Aspekt zeigt sich nicht zuletzt auch in der Verkürzung der Anzahl der Fachmessetage. Waren es in 1972 noch neun Fachtage, ab 1974: 7, ab 1994: 4, so kürzte man dies 2018 erneut um 50% auf nun nur noch 2 Tage für die Händler und Berufsfotografen. Dies spiegelt auch deutlich die wirtschaftliche Situation der Fach-Einzel-Händler und Berufsfotografen wider. Die Händlerzahl nahm in Deutschland in den letzten Jahren dramatisch ab. Man kann inzwischen von einem regelrechten Sterben in der Fläche sprechen. Und die meisten Berufsfotografen haben keine Zeit und kein Geld, um sich auf der Restmesse beraten zu lassen.
Um es klar festzuhalten: Die photokina und deren Messemanagement kann dafür nichts. Dafür sind die Hersteller und Aussteller verantwortlich. Aber auch jene reagieren nur auf die erschreckenden Marktveränderungen im Fotobereich.
Nachdem ich oben das Management der photokina zurecht so gelobt und in Schutz genommen habe, nun auch ein paar kritische Anmerkungen - ausgehend aus dem mir vorliegenden Datenmaterial.
Der Wunsch nach einjähriger Messe ist angesichts des allgemeinen schnellen Technologiewandels verständlich. Aber der technologische Fortschritt speziell in der Fotobranche nahm im der letzten Dekade deutlich ab. D.h. es gibt inzwischen nicht mehr jedes Jahr wirklich viel technologisch Neues zu bestaunen. - Da verwechselt man den langsamen klassischen Fotobereich wohl mit dem dynamischen Smartphone-Bereich.
Der Wunsch nach verstärkter (sprich jährlicher) Kundenbindung - seien dies Aussteller sowie Besucher - durch die regelmäßig jährliche Messe ist verständlich. Aber die Kosten und vor allem der Aufwand sind für die Aussteller hoch.
Gerne wird übersehen, dass neben den hohen Standmieten von rund 200 Euro (kalt, netto) je Quadratmeter auch noch hohe Personalkosten der Aussteller für die Zeit anfallen, wobei man mindestens 1-2 Tage vorher und nachher für Vor- und Nachbearbeitung dazurechnen muss. ( 2018 bot die Köln-Messe sogar noch einen Kostenrechner für die photokina an.)
Die hohen Kosten für einen Stand (Auf-, Abbau und die Anschaffung oder Miete) dürften die meisten Besucher auch erstaunen.
Hinzu kommen hohe Reise- und zu Messezeiten immer sehr hohe Hotelkosten.
Überdies sollte man den Stress mit dem Versand und Zoll der Ausstellungsstücke nicht unterschätzen.
Großkonzerne geben inzwischen auch ganz offen an, dass eine Messeausrichtung (Teilnahme an einer internationalen Messe) für sie durchaus Gesamtkosten im einstelligen Millionenbereich verursacht. Das sind dann auch die Einsparungen, falls man eine Messe auslässt.
Hinzu kommt, dass der Fotomarkt leidet und derjenige in Europa überproportional zurückgeht. Ich befürchte deshalb, dass sich nicht alle Firmen diesem 2018 beschlossenen jährlichen Rhythmus anschließen werden (wollen und können).
Man fühlt sich bei der Verdopplung der Frequenz an die katastrophale Strategie der Kamerahersteller erinnert: Wenn der Kunde keine Kamera kaufen will, dann produzieren wir noch mehr ungewollte Modelle.
Der Mai als zukünftigem neuen Termin wird von der Messeleitung zwar als optimal für den Sommerurlaub angesehen. Aber dafür liegt er zu spät, wenn nur noch Vorankündigungen von nicht verfügbaren Produkten geboten werden. Und der meist lange Sommerurlaub hat einen nachteiligen Effekt auf das Gedächtnis. Ob sich alle Besucher danach noch an jene Details für den Weihnachtseinkauf erinnern - falls die angekündigten Produkte dann überhaupt schon erwerbbar sind?
Hinzu kommt ein Termin-Problem, da im ersten Halbjahr bereits einige andere Foto- oder verwandte Messen weltweit stattfinden.
Überdies beträgt die Pause bis zur Messe im Mai 2019 nur ein halbes Jahr. Persönlich hätte ich diesen Übergang weicher vollzogen: von bisher 2 Jahren auf 1,5 und danach 1 Jahr. Das hätte nicht so viele Firmen abgeschreckt. Vor allem für die kommende Messe im Mai 2019 hatte ich deshalb früh Bedenken.
Eine Event-Messe ist natürlich schön für das junge Publikum. Aber das Fachpublikum tut sich damit schwerer. Ferner nimmt das Fachpublikum (Fotofachgeschäfte und gut verdienende Fotografen) aufgrund der Wirtschaftskrise bereits rein zahlenmäßig kontinuierlich ab. Eine reine Show-Messe der großen Firmen mit vagen Ankündigungen, nicht bedienbare Prototypen oder Designstudien als Ausstellungsstücke und einem Event-Teil für die Jugend wird das Fachpublikum weiter vergraulen.
Mir ist durchaus bewusst, dass die Messe auf die Hersteller keinen Einfluss hat. Aber exakt letzteres könnte sich langfristig nachteilig auswirken.
Ratschläge möchte ich hier keine erteilen, da viele meiner Verwandten und Bekannten Ärzte sowie Psychologen resp. Psychiater sind. Deshalb weiß ich, dass man bei Ratschlägen sicher sein kann, dass sie definitiv nicht angenommen oder umgesetzt werden.
Anfang Dezember 2018 gab die Messegesellschaft kleinlaut bekannt, dass die geplante photokina 2019 ausfällt und sie in den Mai des Jahres 2020 verschoben wird.
Kurzum: Es gab zu wenige Voranmeldungen.
Der Photokina geht es noch schlechter als ich vermutete.
Der dazu veröffentliche Pressebericht der photokina liest sich, wie aus einem Märchen - vor allem, wenn man meine beiden offiziellen (und von der Messegesellschaft selbst stammenden Zahlen in meinen) Grafiken zur Austeller- und Besucherzahl daneben betrachtet. - Mit den durchweg negativen Fakten kann man derzeit im Bereich der Fotografie nicht punkten. Also auch hier: Willkommen in der postfaktischen Zeit. - Dieses Märchen wurde auf meinen Kritik hin gelöscht. Teile finden sich z.B. in Artikeln mancher Fachzeitschriften, wie Chip. Aufgrund des von den Grünen verschärften Urheberrechtes darf ich diese nachweislichen Falschaussagen der photokina nicht abdrucken, obwohl sie mir vorliegen.
Persönlich werte ich diese (von mir übrigens lange vorher selbst oben vorgeschlagene Verlängerung des Überganges von 2, über 1,5 auf 1 Jahr) als Einknicken der Messeleitung vor der vom Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith bereits Anfang der 1960er Jahre auch für die Ökonomie als gültig postulierten normativen Kraft des Faktischen. - Märchen eignen sich nur für die dummen Kunden und Influencer, aber nicht für die Wirtschaft.
Nach ständigen Gerüchten 2019 folgte im September 2019 ein weiterer Paukenschlag: Die Messe musste in einer Pressemitteilung weitere schwere Rückschläge eingestehen: photokina 2020: Branche im Wandel, entscheidende Chance für die Zukunft. Auch hier hat die photokina den Originaltext löschen lassen.
Lassen Sie sich durch den wie üblich euphemistisch positiven Titel nicht blenden. Der entscheidende Satz lautet: Absagen unter anderem von Leica, Nikon und Olympus
.
Aus anderen Bereichen weiß ich, wie schwer Firmen so eine Entscheidung zum Rückzug fällt. Auch wenn man bereits lange selbst analysiert hat, dass eine Messe der Firma nichts mehr einbringt, sondern nur Kosten verursacht, so zögert man, weil die Gerüchteküche ungeahnte Auswirkungen haben kann. Denn über Fehlende wird auf Messen gnadenlos gelästert: Geht es denen so schlecht, dass sie sich dies nicht mehr leisten können?
Gut informierte Quellen ließen mich ferner wissen, dass die verbliebenen Teilnehmer ebenfalls ihr Engagement und Standanzahl sowie Standfläche teilweise drastisch verkleinerten. Im Herbst 2019 fehlte rund eine ganze Halle im Vergleich zur letzten Messe. Deshalb fand sich auch der fast flehentliche Aufruf des neuen Messleiters Köln: Wir setzen darauf, dass die großen Player der Industrie diese Chance möglichst geschlossen nutzen.
Die Kamerahersteller könnten sich sicherlich diese Leitmesse photokina leisten. Aber sie wollten es 2019 nicht mehr. Das ist die schallende Ohrfeige an die Messeleitung, für deren neue Konzeption.
Die Messeleitung hat meines Erachtens bei ihrer Neuausrichtung ihre beiden Hauptzielgruppen falsch analysiert und vor allem falsch gewichtet:
Auf der einen Seite finden sich die noch immer sehr zahlreichen bezahlenden Gäste, welche für die Events und Shows kommen, die allerdings immer weniger mit der Fotografie zu tun haben. Das sind Action-Vorführungen, die man auch überall sonst bestaunen kann. Deshalb kommt auch zunehmend ein an der Fotografie desinteressiertes Publikum zur Messe.
Auf der anderen Seite sind die Kamera- und Zubehörhersteller mit den ständig abnehmenden Zahlen beim Fachpublikum unzufrieden. Nicht nur weniger Fachhändler, sondern vor allem ernsthafte Fotografen besuchen die Messe. Insbesondere der Anteil aus dem Ausland nimmt kontinuierlich ab. D.h. die photokina wird zur regionalen Kleinmesse. Vor allem durch die jährliche Messe werden alle in den Augen vieler Hersteller und Aussteller negativen Trends verschlimmert.
Ende September 2019 wurde bekannt, dass Fuji die photokina inzwischen als lokale Messe
ansieht. Das war es mit dem Anspruch Leitmesse
.
Die vage aber für die Aussteller teure Mischung aus Fachmesser für die Händler und Konsumentenmesse für die privaten Gäste zeigt in Zeiten der Krise Risiken: Zu hohe Kosten bei ständig sinkenden Marketing-Etats der Hersteller.
Ende 2019 wurde offensichtlich = photokina 2020: A visit to the motherland of imaging (Link inzwischen nicht mehr vorhanden), dass meine Vermutungen über die katastrophale Lage der photokina 2020 korrekt waren.
Im Dezember 2019 gingen eine Abordnung der Stadt Köln inklusive der Oberbürgermeisterin, dem Chef der Kölnmesse und der Leitung der photokina sowie des Photoindustrie-Verbandes (PIV) - vermittelt durch die Partnerstadt Kölns in Japan Kyoto - persönlich in Japan auf Betteltour, um die photokina 2020 zu retten. Die deutsche Botschaft in Tokio musste sogar (auf deutsche Steuergelder) einen großen Empfang für die japanische Fotoindustrie veranstalten. Das war ein seltener Kotau, der belegt, wie schlecht es um die photokina steht.
Dass Panasonic zusagte, war klar, da dessen Chef den deutschen Verband der Photoindustrie damals leitete. Die Aussagen von Sony waren jedoch zeitlich auf 2020 begrenzt und wurden nur vom Marketingchef der Imaging-Sparte gemacht. Noch vager sind die Äußerungen von Canon: we expect photokina to be a leading show of the worldwide photo and imaging industry.
Nur noch eine führende Show - nicht mehr die Leitmesse.
Geradezu peinlich wirkt es, dass der PIV-Vorsitzende, Kai Hillebrandt verlauten ließ: ... only at photokina in Cologne can we present all new products of our industry to a world of international specialists within a very short period of time and disseminate these worldwide via the media.
- Ganz offensichtlich ging an ihm und der Messe sowie dem Photoindustrie-Verband (PIV) die Entwicklung des Internets seit 1969 vorbei. Macht nichts, das waren ja nur 50 Jahre, die man verschlafen hatte.
Im Dezember 2019 kamen Gerüchte auf, dass auch Fujifilm nicht mehr zur photokina kommen will, weil die Messe zu einer kaum interessanten, weitgehend regionalen Veranstaltung abgesunken ist.
Mitte März 2020 gab die Messeleitung bekannt, dass die Photokina 2020 und 2021 ausfällt. (Auch hier hat die Messeleitung danach alle Informationen dazu löschen lassen, sodass Sekundärquellen verlinkt werden). 2020 kann man irgendwie dem Corona-Virus Covid-19 in die Schuhe schieben. Aber 2021 hatte andere viel weitreichendere Gründe. Nicht nur die Fotowirtschaft, sondern auch das Messeland Deutschland standen Anfang der 2020er Jahre am Ende. 2022 wird die Fotoindustrie derart überschaubar sein, dass sie in eine Halle passt und bereits deshalb abgesagt werden wird. Produktbewerbungen und die restlichen Händlerbeziehungen werden digitalisiert werden.
Ende November 2020 gab die Messeleitung bekannt, dass die photokina am Standort Köln vorerst ausgesetzt wird: Aufgrund der aktuellen Entwicklungen des Imaging-Marktes müssen wir die Durchführung der photokina am Standort Köln vorerst aussetzen. Dieser Schritt fällt uns sehr schwer. Was bleibt sind die großartigen Erinnerungen und die Bilder vieler Generationen. Danke für 70 gemeinsame Jahre.
Das war es wohl. Die Fotowirtschaft ist in der Hi-Fi-Nische angelangt - folglich auch die Fotomesse. Da lohnt sich der Großaufwand der photokina nicht mehr.
Hier die offizielle Pressemitteilung in ganzer Länge (Link inzwischen nicht mehr vorhanden): Die Rahmenbedingungen der Branche bieten leider aktuell keine tragfähige Basis der internationalen Leitmesse für Foto, Video und Imaging
. - Aber wir stellen uns der Sachlage mit einer klaren, ehrlichen Entscheidung gegen die Fortsetzung der Veranstaltung, die leider für uns ohne Alternative ist.
Der mitorganisierende Photoindustrie-Verbands-Vorsitzender Kai Hillebrandt: Unsere Partner in Köln haben alles getan, die photokina als globale Leitmesse zu erhalten. Die damit verbundenen Erwartungen der gesamten Imaging-Community hätte die Veranstaltung aber 2022 in der Tat nicht erfüllen können. Deshalb gehen wir seitens des Verbands diesen leider unabwendbaren Schritt mit. Wir bedanken uns beim Kölner Team für großartige gemeinsame 70 Jahre!
Dies wird auch dramatische Auswirkungen auf den Fotostandort Europa und besonders Deutschland haben. Ohne die Weltmesse photokina ist Deutschland endgültig fotografisch nur noch ein unbedeutendes Land in der dritten Welte (EMEA: Europe, Middle East, Africa). Das wird auch massive Entlassungen im Fotosektor in Europa und besonders Deutschland nach sich ziehen. Denn die bisher so gerne gerechtfertigten hohen Personalkosten für die photokina entfallen nun. Der Standort Deutschland hat für japanische Firmen drastisch an Bedeutung verloren. Angestellte und Fotografen sollten sich darauf einstellen.
Es kam sogar noch schlimmer: 2024 wurde der Photoindustrie-Verband aufgelöst. Nicht nur die Messe photokina sowie der Messestandort Deutschland, sondern überhaupt Deutschland waren für alle Kamerahersteller unter der Wirtschaftspolitik der Grünen endgültig untragbar geworden.
Die photokina litt immer stärker unter den dramatischen Folgen der Krise in der Fotowirtschaft.
Hinzu kamen erhebliche Strukturwandlungsprozesse, welche Messen insgesamt als Auslaufmodell sehen.
Erschwert wurde alles durch die sinkenden Marktanteile Europas und Deutschlands, der zunehmenden Technikfeindlichkeit in Frankreich und Deutschland sowie immer unbegreiflicheren rechtlichen Beschränkungen (wie der DS-GVO), welche viele ausländische Firmen behindern.
Somit wünsche ich allen - auch den mich schikanierenden (bezahlten) Trollen - viel Freude beim Fotografieren.
Im Folgenden finden Sie kommentierte Quellen und Belege sowie Analysen für alle Ergebnisse und Kritiken zu Aussagen zur photokina sowie Anmerkungen zu den jeweiligen Personen. Die positiven wie kritischen Einschätzungen im Artikel werden gestützt durch die hier angeführten Belege und Quellen. Sie sollten auf jeden Fall einen Blick in jene Quellen werfen, oder zumindest die zur jeweiligen Quelle angeführten Details beachten.
Als Quelle der Aussteller benutzte ich den offiziellen Online-Katalog der photokina Messe. Dieser ist aktueller als die gedruckten Kataloge, da es nach Drucklegung bei praktisch jeder Messe zu Änderungen resp. Korrekturen kommt. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass die Messen - wie Lexikonverlage - i.d.R. absichtlich nicht vorhandene Einträge einfügen, um so den Diebstahl dieser Daten leicht beweisen zu können. Man muss also hier von einer Obergrenze als Maximalzahl ausgehen. Faktisch waren etwas weniger Aussteller auf der Messe vorhanden.
Das Online Magazin fotointern.ch schildert im Artikel 175 Jahre Fotografie - Geschichte der photokina auf Deutsch wichtige Punkte in der Geschichte der Fotomesse bis 2012.
Zur Geschichte ist auch der folgende Artikel wichtig: Der Mann mit dem Hut und die erste photokina
... - Wie so vieles zur photokina wurde auch er gelöscht und ist nicht mehr vorhanden. Eine Sekundärquelle erklärt dafür, wie es zu dem Titel des Gründers der photokina und begeisterten Kunstfotosammler kam.
Deutsche Gesellschaft für Photographie e.V. DGPh bietet im Artikel photokina - The Early Years 1950 - 1956 einen Überblick über die Geschichte der photokina in den ersten Jahren.
Die Herausgeberin von kwerfeldein Katja Kemnitz bietet im kurzen Artikel Die Geschichte der photokina vom 05. September 2012 auf Deutsch einen kurzen Überblick mit Schwarz-Weiß-Fotos von der photokina.
Google liefert im Exzerpt Photographie als Medium der Architekturinterpretation: - Details zur photokina. Jedoch wurde durch das von den Grünen sowohl in der EU als auch Deutschland durchgepeitschte neue Urheberrecht für deutsche Leser inzwischen fast alles zensiert und ausgeblendet. Man darf diese Buch nur noch in der freien Welt lesen.
Google liefert im Exzerpt des Buches von Marcus Schüller: Wiederaufbau und Aufstieg der Kölner Messe, 1946-1956 - Details zur photokina in der Frühphase der Messe.
Der Photoindustrie-Verband PIV bietet Zahlen: PIV - Imaging in seinen regelmäßigen Publikationen. Nach der Auflösung diese Dachverbandes der Kamerahersteller in Deutschland ist davon auszugehen, dass man die Inhalte auch bald löscht. Denn es wurde im März 2024 die Auflösung und geordnete Abwicklung des Verbands zum 31. Dezember 2024 beschlossen.
Quelle.
Julian Olk analysiert für das Handelsblatt im Artikel photokina So versuchen kriselnde Kamerahersteller gegen das Smartphone zu bestehen vom 26.09.2018 auf Deutsch die Probleme der Fotowirtschaft. Das Smartphone setzt die Kamerakonzerne immer weiter unter Druck. Diese gehen damit höchst unterschiedlich um - was für einige schlecht enden könnte.
Das Fachmagazin photoscala druckt im Artikel Alpa verabschiedet sich von der photokina vom 09.08.2018 auf Deutsch die Pressemitteilung der Schweizer Kameramanufaktur Alpa Capaul & Weber AG (für u.a. Mittelformat) ab.
Das US-Fachmagazin DPReview lieferte 2018 in der Artikel-Serie Photokina 2018: full show coverage einen englischen Überblick über alle interessanten Aspekte der Technik und der Ausstellungsobjekte vom 26.-30.09.2018 auf der letzten photokina.
Das Magazin Spiegel bietet im Artikel Neue Kameras auf der photokina Vollformat liegt voll im Trend vom 28.09.2018 auf Deutsch einen kurzen Überblick über die Höhepunkte der Technikausstellung.
Das ZDF-Fernsehen liefert im Video Neuheiten von der photokina Volle Kanne vom 27. September 2018 einen Bericht zur photokina.
Die Autoren der deutschen Wikipedia liefern im Artikel photokina auf Deutsch einen sehr kurzen Überblick über die photokina. Dazu passt der Artikel Photokina auf Englisch der internationalen Wikipedia.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb zum Messestandort Deutschland Der Messeplatz Deutschland ist in Gefahr FAZ bereits vom 03.11.2003.
Alexandra Gerlach liefert im Artikel Die Messe von morgen - Wo steht die Warenschau in Zeiten wirtschaftlicher Krise? - Länderreport, Archiv, Beitrag vom 13.02.2009 Eindrücke zur Krise.
Carsten Dierig schildert für die Welt im Artikel Gewinner in der Krise auf Deutsch vom 05.05.2009 Fakten zur Messelandschaft.
WLW - Wer liefert Was - bietet im nächsten deutschen Artikel Besucher, Größe, Umsatz: Wissenswerte Fakten zur Messebranche Fakten aus dem Jahr 2016 zur Messelandschaft weltweit.
Die Autoren von WLW - Wer liefert Was - schildert im folgenden Artikel zum Messestandort Deutschland Cebit verliert 70.000 Besucher und ist hochzufrieden niederschmetternde Fakten über die Cebit 2018, die nur noch 120.000 Besucher zählte. Kurz darauf kam das Aus für die Cebit: Die IT-Messe wird eingestellt hier in einem Bericht von heise online vom 28.11.2018.
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Foto Video Design - Dr. Schuhmacher