Verkaufspsychologie im Fotobereich
Ein Inhaltsverzeichnis mit direkten Sprungmarken und Überblick über alle im Artikel Verkaufspsychologie im Fotobereich behandelten Themenbereiche finden Sie als Pop-Up.
Einleitung Verkaufspsychologie im Fotobereich, Marketing-Psychologie, Werbe-Psychologie bei Kameras
Wie das Hersteller-Marketing versucht, den Fotokunden zu manipulieren, und wie die Käufer darauf reagieren. Ein Einblick in die Werbe-, Kauf- und Verkaufspsychologie am Beispiel einer Kameraanschaffung.
Es geht in diesem Artikel nicht darum, wieder einmal das Marketing zu verteufeln, sondern darum, das komplexe Zusammenspiel zwischen Marketing und den Fotografen als Käufern zu analysieren. Daraus können Sie als Kunde wertvolle Schlüsse für Ihre zukünftigen Anschaffungen ziehen.
Marketing
- Das Marketing hat als wichtige Aufgaben die Analyse des Marktes und der Bedürfnisse der Menschen sowie daraus folgend die konsequente Marktbearbeitung im Sinne des Herstellers.
- Aus dem riesigen Gebiet des Marketings beschäftigt sich dieser Artikel insbesondere mit der Werbepsychologie und hierbei vor allem mit dem Kaufverhalten und dem Ablauf der Kaufentscheidung, da Fotografen hierdurch am meisten für die Neuanschaffung ihrer Ausrüstung lernen können.
- Hierbei dreht es sich vor allem um Werbe-Psychologie, einer Praxisanwendung des psychologischen Wissens.
- Das aufgrund psychologischer Mittel (Tricks) arbeitende Marketing wird teilweise als böse gescholten, hat jedoch auch einen schweren Stand. Die Menschen werden zwar Unmengen an Werbung ausgesetzt, aber die Wirkung ist eher gering. Optimistische Schätzungen gehen bereits von nur 5-15% bewusster Wiedererkennensleistung bei Werbung aus. Die tatsächliche Kaufhandlung liegt jedoch heute oft nur noch im Promille-Bereich. Allerdings ist der Einfluss des indirekten Informationsabrufs beim Konsum sehr groß. D.h. irgendwie erreicht die Werbung die Kunden dann doch.
- Und in der Tat ist die Werbung in der Lage, die Einstellung der Menschen langfristig sogar komplett zu ändern. So ist es der Werbung gelungen, z.B. das Modedenken von der Stoff- und Schuh-Branche auf technische Produkte zu übertragen. Aus ehemals Langzeit-Produkten wurden so sich schnell abwechselnde Zyklen der permanenten Erneuerung - auch im Fotobereich.
- Noch viel wichtiger scheinen allerdings die aufwändigen Untersuchungen zur Einteilung der Menschen in homogene Konsumentengruppen zu sein, damit man handhabbare Werbung platzieren kann. Dies ist eine Form der Schubladenbildung in Konsumententypen, die auch im Zuge der modernen Individualisierung Anwendung findet (
Kunden, welche dieses Produkt gekauft haben, haben auch # gekauft
).
- Jede Werbung zielt darauf ab, in die Urteils- und Entscheidungsprozesse des Kunden einzugreifen und seine Verhaltensoptionen einzuschränken. Nicht selten werden dabei erheblicher sozialer Druck ausgeübt, Schuldgefühle aufgebaut oder sogar Furcht (z.B. vor Verlust) erzeugt.
- Viel Wissen aus der Psychologie, das noch immer im Marketing praktisch angewandt wird, ist allerdings veraltet. D.h. Werbung wird nicht immer zielgerichtet verwendet.
- Wer sich für die Grundbedürfnisse der Menschen interessiert, kann einmal bei Maslow und seiner Pyramide anfangen. Allerdings ist dies vor allem in der grafischen Pyramidenform als diskrete Einheiten sowie strikte Reihenfolge umstritten und für die folgenden Details nicht relevant. - Relevant ist jedoch die Motivation die sich mit Inhalt, Art und Wirkung von Motiven beschäftigt.
Der vernünftige Kunde
Zahlreiche Wirtschaftsmodelle gehen vom homo oeconomicus aus, der logisch denkt, Informationen sammelt, diese perfekt sachlich bewertet und dann eine rein rationale Kaufentscheidung trifft. Allerdings handelt es sich in der Realität um den homo sapiens, der eher von Emotionen gelenkt wird.
Früher gab es einen schönen Witz über den Unterschied zwischen Frauen und Männern: Mädchen legen mit etwa 14 Jahren ihre Puppen zur Seite und werden erwachsen. Bei Männern werden nur die Spielsachen teurer.
- Da ist sicher einiges Wahres daran. Aber im Grund geht es hierbei um den Unterschied zwischen Erwachsen werden - also sein volles geistiges Potential ausnutzen - und in einer kindlichen Denkweise verbleiben, in der eher jahrtausendealte Triebe und Emotionen den Menschen leiten, statt logische Vernunft. Dies betrifft im Übrigen alle Menschen, nicht nur Männer. - P.S.: Über 50 Paar Schuhe fallen ebenfalls in jene Kategorie.
- Das Marketing geht vom Käufer aus, beschäftigt sich somit sehr eingehend mit dem Menschen und seinen Motiven, welche ihn evtl. zum Kauf bewegen oder davon abhalten.
- Und da finden sich zahlreiche rationale Gründe: spart das Produkt Geld, Zeit oder Mühe?
- Der Mensch ist ein vernunftbegabtes, denkendes Wesen - wenn er will. Aber evolutionstechnisch bedingt finden sich einige Dinge, welche ihn daran hindern können. Sofern man diese bewusst von außen aktiviert, kann man ihn steuern. Das kann er zwar als denkender Mensch erkennen. Aber oft erst danach. Und nicht selten hindert er sich selbst an der Erkenntnis, da Einsicht eventuell auch Einsicht in einen Fehler miteinschließt. Und wer gibt schon gerne Fehler zu, solange er nicht von außen darauf gestoßen wird.
Entscheidungsfindung beim Fotokunden aus der Sicht des Kunden
Hinzu kommt ein oft hochkomplexer Vorgang beim Kunden selbst.
- In jedem Käufer findet ein oft längerer Entscheidungsprozess statt, bei dem die verschiedenen
Parteien
, Meinungen
, Ansichten
etc. in seinem Körper / Kopf einen Disput ausfechten.
- Manche Psychologen bezeichnen dies sogar als Schlachtfeld, auf dem die Beteiligten mit allen Mitteln um die Meinungsführerschaft kämpfen.
- Und da wird auch kräftig vernebelt. Das ist eine wichtige Waffe, da dann der kluge Verstand nicht mehr so genau sieht, wohin er eigentlich wollte.
- Manche Psychologen sind der Meinung, dass es nicht darauf ankommt, zwischen äußeren und inneren Begrenzungen zu differenzieren, da die Streitgespräche oder Konflikte letztendlich doch im Käufer selbst ausgetragen werden. Er stellt sich in seinen Selbstgesprächen vor, was seine Partner/in, Freund etc. dazu sagen würde. Natürlich wäre es klug, diese tatsächlich zu befragen. Denn oft sagen sie etwas Anderes, als man vermutet. Aber selbst dann würden die inneren Gespräche weitergehen.
Lassen Sie uns nun ein paar der wichtigen Akteure auf der inneren
Bühne genauer betrachten.
Die Erblast unserer Evolution
Es ist nicht so einfach, vernünftig und erwachsen zu handeln. Denn der Mensch trägt eine erhebliche Erblast mit sich herum, welche ständig das logische Denken zu übertrumpfen versucht.
Deshalb soll Ihnen eine kleine Liste der Emotionen beim Kamerakauf Einblick geben in das mentale Chaos, in welches solch eine Aktion viele Fotografen stürzt.
Entscheidungsfindung
- Noch vor wenigen tausend Jahren mussten alle Menschen bei Kontakt mit fremden Dingen blitzschnell - also automatisch, instinktiv, reflexartig - entscheiden, ob es eine Bedrohung für einen selbst darstellt, oder eine Beute. Damals lebensentscheidend, ist dies heute eher von Nachteil, da - mangels Bedrohungen - fast alles als Beute angesehen wird.
- Für blitzschnelle Entscheidungen war es damals ideal, wenn man nur zwei Kategorien besitzt: Schwarz und Weiß, Gut und Böse, gefährlich und friedlich, Kampf oder Flucht. Weitere Kategorien und Zwischentöne verlangsamen den Entscheidungsprozess und konnten früher tödlich sein. Im Zweifel wurde früher lieber etwas als gefährlich eingestuft und bekämpft oder die Flucht angetreten, bevor man sich einer unbekannten Gefahr aussetzte. Vor ein paar tausend Jahren war dies ein sinnvoller Schutzmechanismus. Aber diese Denkmuster sind noch heute oft unbewusst aktiv, obwohl es nicht um Leben oder Tod geht, und die meisten Dinge aufgrund ihrer Komplexität nur noch schwer einzuordnen sind - zumindest nicht in nur zwei Kategorien gut und schlecht.
- Dies setzt Menschen einem negativen Stress aus. Im Grunde wünschen sie eine einfache und schnelle Entscheidung (gut oder schlecht im Sinne von kaufen oder nicht kaufen). Da die meisten Menschen diese Lösungserarbeitung nicht gerne selbst leisten wollen oder mangels Fachwissens nicht können, suchen sie sich Tester, Vertrauenspersonen, Stiftungen, Meinungsführer etc., welche ihnen die Entscheidung abnehmen. Meist lesen sie dann auch nur das Resümee mit der Aussage kaufen oder nicht kaufen oder schauen nur auf die 5 Sterne, ohne den Text überhaupt zu lesen.
Verallgemeinerungen
- Früher halfen Verallgemeinerungen beim Überleben in einer relativ einfach gestrickten Welt:
- Alle Säbelzahntiger sind gefährlich. Alle Tiere, die stärker sind als Menschen, sind gefährlich. Alle Früchte, die so klein sind und eine solche Farbe besitzen, sind genießbar. Alle Fische, die in Bächen schwimmen und so und so aussehen, sind essbar. Alle Pilze mit rotem Dach und weißen Punkten sind giftig. Usw.
- In der heutigen hochkomplexen Welt sind derartige Verallgemeinerungen jedoch höchst fragwürdig. Dennoch neigen Menschen zur Vereinfachung komplexer Entscheidungen oft zu Verallgemeinerungen.
- Das Marketing macht uns dies mit Marken und dem Markenbewusstsein auch wieder einfach: Alle Produkte der Marke x sind gut. Und in der Umkehrung: Alle Produkte der Marke y sind schlecht. Oder:
X ist das Beste - vergiss den Rest
.
- Verallgemeinerungen haben jedoch weitere Nachteile: Wenn alles gut geht, glauben viele Menschen, dass es so weitergehen müsste. Und wenn alles schiefläuft, wird auch dies verallgemeinernd fortgeschrieben. Dabei ist es eher Statistik. Irgendwann kehrt sich jede Glücks-/Pech-Strähne um, oder wird zumindest unterbrochen.
- Grundlegend für die schnelle Entscheidungsfindung und Verallgemeinerung ist die Erfahrung. Man kann nur Dinge eingruppieren, die man irgendwie wiedererkennt. D.h. alles komplett Neue, Unbekannte wird zwangsläufig eher skeptisch beäugt, da es - mangels positiver Erfahrung - auch gefährlich sein könnte. - Eine verunsichernde Stimme wird immer sagen:
Hier ist Vorsicht angebracht
. Dies ist mit ein Grund, warum sich eher Evolutionen durchsetzen - leichte Abwandlungen des Bekannten - und wirkliche Revolutionen sich (auch im Fotobereich) oft schwertun.
Besitz
- Der Wunsch nach Besitz ist sehr alt. Er sicherte im Zweifel das eigene Überleben: Wer Waffen besaß, konnte jagen. Wer Werkzeuge und Saatgut besaß, konnte Ackerbau treiben. Wer Tiere einfangen und zähmen konnte, konnte Viehzucht betreiben. Wer Lebensmittel besaß, konnte sich und andere ernähren.
- Besitz war immer auch Macht. Wer Waffen besaß, konnte sich und andere verteidigen. Aber auch wer Lebensmittel verteilen konnte, bestimmte, wer überlebte.
- Und Besitz brachte direkt Ansehen.
- Aber Besitz war auch für die Fortpflanzung wichtig. Bis in das 19. Jh. war es weitgehend unmöglich zu heiraten, ohne dass man nicht einen - je nach Land und Region unterschiedlichen - Mindestbesitz vorweisen konnte.
- Besitz und Angabe stehen auch in einem direkten Zusammenhang. Menschen gaben immer an, um einen Partner zu finden. Aber mit sichtbarem Besitz lässt sich noch leichter prahlen als mit evtl. erst zu beweisenden Fähigkeiten.
- Selbstredend macht der Besitz eines wertvollen Gegenstandes einen selbst stolz. In den Augen der meisten Betrachter hat man dafür mehr oder weniger lange gearbeitet und zeigt dies bis heute auch gerne (siehe: Statussymbol).
- Befriedigung: Für die Mühen im Büro und mit schwierigen Kunden oder unangenehmen Chefs gönnt man sich auch gerne einmal etwas Besonderes, was oft auch mit einer neuen Anschaffung vollzogen wird.
- Auch heute noch besitzen viele Menschen gerne etwas - und vor allem etwas Neues.
- D.h. eine alte, vertraute Stimme in Ihrem Innern wird deshalb immer für weiteren Besitz stimmen, selbst wenn heute der Besitz einer Kamera vermutlich keinen einzigen der früheren Vorteile mehr bietet.
Sofortige Erfüllung
- Der Wunsch nach sofortiger Erfüllung / Befriedigung war zu einer Zeit (überlebens-) wichtig, als man Dinge kaum lagern konnte. Wer Hunger hatte, musste bald - am besten sofort - etwas zu essen finden. Der Wunsch nach sofortiger Erfüllung ist geblieben und das nicht nur bei Nahrung.
- D.h. eine innere Stimme wird uns immer drängen, sofort zu kaufen.
- Dies nutzt das Marketing aus mit einem zusätzlichen Zeitdruck: Nur noch wenige Stück vorhanden, nur heute zu diesem Preis, etc. - Zeitdruck ist jedoch immer schlecht, nicht nur beim Kauf einer Fotoausrüstung, sondern bei jedem Aspekt der Fotografie.
Zugehörigkeit
- Stammesdenken war früher zum Überleben wichtig, da man alleine die Gefahren der Wildnis nicht meistern konnte. Deshalb richtete man sich nach der Mehrheit und passte sich an.
- Deshalb wird eine Stimme in Ihrem Innern auch immer darauf drängen, das zu tun, was die Anderen tun.
- Allerdings ist es heute vermutlich kaum mehr lebensentscheidend, ob man das Kameramodell des Marktführers oder des gerade aktuellen Testsiegers kauft. Dennoch fällt es vielen Menschen schwer, vermeintliche Außenseiterentscheidungen zu treffen, und sei es auch nur bei einem Zubehörteil.
Neugier
- Neugier ist die Grundlage jeder Weiterentwicklung.
- Selbstredend ist es interessant, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Dementsprechend ist eine neue Kamera mit neuen Funktionen, Schaltern und viel mehr Menüpunkten quasi eine den Menschen schon immer faszinierende
Expedition in die Terra Incognita
.
- Allerdings dürfte das Auffinden des 1.624-sten Filters oder Features in einem völlig verschachtelten Kameramenü kaum mehr den Ruhm einbringen wie die Entdeckung Amerikas.
Haptik / Begreifen
- Um etwas geistig zu begreifen und zu verstehen, haben unsere Vorfahren den Gegenstand in der Tat in die Hand genommen.
- Viele Menschen betasten Gegenstände noch heute gerne. Das Wissen die Marketing-Experten und versuchen oft, ein auf die Zielgruppe ausgerichtetes angenehmes Gefühl durch die Oberfläche zu vermitteln.
Die späte Logik
- Das Problem mit der Logik, dem menschlichen Verstand ist, dass er sich erst spät entwickelte, also vergleichsweise schwach ist im Vergleich zu den viel älteren Trieben und Emotionen.
- Hinzu kommt noch, dass er ziemlich alleine steht gegen die große Anzahl an Trieben und Emotionen. D.h. im inneren Stimmengewirr einer hitzigen Entscheidungsdebatte kann die Stimme der Vernunft schnell untergehen.
- Unglücklicherweise ist der vernunftbegabte Mensch auch noch demokratisch veranlagt. Jedoch steht die Vernunft im inneren Streitgespräch immer allein gegenüber den vielen Trieben und Emotionen. Hier muss offensichtlich ein anderes Kriterium als die Mehrheit die Entscheidung fällen. Diesen Widerspruch können jedoch oft auch wirklich vernünftige Menschen nicht immer bedenken und aushalten. D.h. auch wirklich hochintelligente Menschen fallen oft auf die Mehrheit ihrer Triebe und Emotionen herein.
Das Streben nach Glück / Pursuit of Happiness
- Heute finden sich Glücks-Ratgeber, Glücks-Berater, Glücks-Seminare, Wochenendschnellkurse (Der Weg zum inneren Glück). Das US-Militär trainiert sogar über 1 Million Mann derzeit in positiver Psychologie (ein etwas wissenschaftlicherer Ausdruck für Glück). Ferner wird Optimismus an englischen Schulen gelehrt, und der Happiness-Index / Glücks-Indikator zeigt - wie das Brutto-Sozial-Produkt (BSP) - an, wie gut es einem Staat geht. Glück wurde somit zur wirtschaftlichen Kenngröße.
- Aldous Huxley hat dies bereits in seinem 1932 erschienenen Roman Schöne neue Welt (Brave New World) beschrieben. Statt des Grals suchen inzwischen viele Fotografen nach der
heiligen Kamera
, die als Wundergerät ihnen quasi die Glückspille ersetzt.
- Das Glück war jedoch schon früher den Menschen extrem wichtig, so sehr sogar, dass es in die Unabhängigkeitserklärung / Verfassung der USA Eingang fand.
- Die vielen Triebe und Emotionen reden uns nun auch noch ständig ein, dass jeder für sich - und vor allem alle zusammen - der Schlüssel zum Glück seien:
Folge meinem Rat, sagt jede dieser Stimmen, dann wirst Du glücklich.
- Derartige Einflüsterungen sollten einen misstrauisch stimmen, denn die Vernunft wird nie so daherkommen. Die Vernunft wägt sachlich ab und spricht von Vor- und Nachteilen. Denn die Vernunft weiß, dass das Glück eine ziemlich komplizierte und flüchtige Angelegenheit ist. Deshalb wird die Vernunft einem kein Glück versprechen. Das ist jedoch für viele Menschen ein Nachteil, da Menschen tendenziell auf der Suche nach (garantiertem und langanhaltendem) Glück sind.
- Deshalb ist es auch nicht so erstaunlich, dass der Trick mit dem Glücksversprechen immer wieder funktioniert, obwohl alle Menschen mehrfach erfahren haben, dass das Glück nach einer Weile (nach dem Kauf etc.) schwindet. Manche Psychologen nennen dies die hedonische Tretmühle, in die man wieder verfällt.
- D.h. konkret: Keine Anschaffung macht einen Menschen auf Dauer glücklich.
- Und, um noch etwas obendrauf zu setzen: Wissenschaftler können inzwischen belegen, dass Traurigkeit, Pessimismus, Wut, Groll, Zorn, Miesepetrigkeit, Übellaunigkeit etc. keine Krankheiten darstellen, sondern sogar wichtige regulierende und gesundheitserhaltende - sogar lebensverlängernde - Funktionen besitzen. Wut macht zum Beispiel kreativer und erzeugt im eigenen Körper (u.a. durch den Adrenalinausstoß) die Kraft, etwas zu verändern. So gilt Unzufriedenheit als Motor vieler sozialer und technischer Veränderungen. Das ist im Übrigen ein Forschungsergebnis, das von fast allen Historikern nachvollzogen werden kann, da die meisten Erfinder und berühmten Wissenschaftler im menschlichen Umgang äußerst schwierige Personen waren.
- Mediziner fanden heraus, dass Menschen die Ihrer Wut in Zornesausbrüchen freien Lauf ließen, gesünder lebten. Menschen die hingegen - im Glückswahn - allen Zorn verdrängten, verschluckten und unterdrückten, ein dreifach höheres Herzinfarktrisiko besaßen.
- Glücksgefühle werden meist mit dem Hormon Oxytocin in Verbindung gebracht, das die Fähigkeit, Gefahren zu erkennen, reduziert. Mit anderen Worten: Wir sind heute fast alle unglücklich, da die Glücklichen in der Frühzeit bereits - mangels Vorsicht - umgekommen sind. Heute trinken glückliche Menschen mehr Alkohol, essen zu viel und haben häufiger ungeschützten Sex, achten nicht auf Warnhinweise der Umgebung und begehen gleichzeitig häufiger schwere Fehlbeurteilungen. - Letzteres ist übrigens ein Hauptpunkt, warum man niemals in bester Laune einkaufen gehen sollte.
- Andere Wissenschaftler konnten nachweisen, dass (sogar aggressive) Drohungen in Verhandlungen zu größerem Erfolg verhelfen.
- Wieder andere konnten nachweisen, dass schlechte Laune beim Lernen von Fremdsprachen, für das Gedächtnis und in puncto Überzeugungskraft von Vorteil ist.
- Eine milde Depression macht Menschen für die Umwelt aufmerksamer und erhöht sogar die Bereitschaft zur Fairness.
- Zusammenfassend: Sie müssen nicht ständig glücklich sein, um sehr gute Fotos zu machen. Aber vielleicht macht Sie danach eines dieser Fotos - nach langer frustrierender Arbeit zur Erzielung desselben - glücklich.
- Es findet sich im Übrigen eine interessante Theorie, warum sich Menschen grundsätzlich sofort, gern und oft mit Negativem befassen - also auch den eigenen negativen Gefühlen über die eigene Kamera. Der Grund könnte in der Evolution liegen, da es für uns früher überlebenswichtig war, negative Dinge wie ein gefährliches Tier (z.B. giftige Schlange) sofort zu erkennen und ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, bis die Gefahr in irgendeiner Weise beseitigt war/ist. Dagegen gibt es in unserer modernen Zeit, in welcher derartig lebensbedrohende Gefahren (zumindest in der digitalen Fotografie) selten sind, relativ einfache Maßnahmen: Widmen Sie allen negativen Dingen zweimal täglich zu ganz bestimmten festgelegten Zeiten ausführlich (5-15 Minuten) - und sonst nicht. D.h., wenn ein negativer Gedanke über die Fotografie oder Ihre Kamera während des Tages auftaucht, dann sagen Sie zu sich und dem Einfall:
Ok, ich habe dich wahrgenommen und behandle dich heute Abend / morgen früh - aber nicht jetzt.
Notieren Sie ihn sich ggf. kurz, und dann weg mit dem Zettel in die Tasche. Behandeln Sie alle Probleme zu den von Ihnen selbst festgelegten 2 Zeiten, so wie Sie auch alle anderen Arbeitsanfragen im Beruf ebenso routinemäßig und souverän, sachlich aber zügig einzeln nacheinander abarbeiten - also aufrecht auf einem Bürostuhl an einem Arbeitstisch sitzend (nicht im Bett oder im bequemen Lieblingssessel). Danach widmen Sie sich unbedingt noch für ca. 10 Minuten wieder etwas Positivem (z.B. hören Sie ihre Lieblingsmusik oder denken Sie an einen schönen Moment in Ihrem - fotografischen - Leben) und analysieren Sie dieses Gefühl so sachlich, wie ihre Ängste. Der positive Abschluss ist vor allem bei der zweiten (eher kürzeren) Sitzung am Abend wichtig, damit man negative Probleme nicht mit in die Nacht nimmt. - Das klingt unglaublich, aber die vom holländischen Professor Ad Kerkhof entwickelte Technik funktioniert schon seit vielen Jahren sogar bei hochgradig depressiven Suizidkandidaten. - Und Selbstmord wollen Sie ja schließlich nur wegen Ihrer Kamera (noch) nicht begehen. - Zur Klarstellung: Es geht hier nicht um Verdrängung vorhandener Probleme, sondern nur darum, sie zu der ihr entsprechenden = zur vorgesehenen = zur rechten Zeit zu analysieren.
Gekauftes Glück
- Freuen Sie sich über die Neuanschaffung. Aber seien Sie sich bewusst, die Freude wird nicht lange anhalten, da sich Ihre Fotografie dadurch in den meisten Fällen kaum verbessert oder auch nur ändert. Harvard Professor Dan Gilbert nennt dies
The Impact Bias - our tendency to overestimate the hedonic impact of future events.
(James Clear). Die tendenzielle Überbewertung äußerer Einflüsse auf das (eigene) subjektive Wohlempfinden. - Wenn ich diese oder jene Kamera hätte, dann würde ich ... / dann könnte ich ...
- Vor allem intelligente und kreative Menschen können sich Ihre Zukunft bunt ausmalen. Aber oft bewerten sie äußere Einflüsse als zu wichtig und vor allem als zu lange anhaltend. Nach 3 Monaten ist oft die Euphorie verflogen, nach 6 Monaten verblasst der Glanz der Anschaffung und nach spätestens 1 Jahr wird sie nicht mehr gewürdigt.
- Denken Sie im Zweifel einmal zurück, wie sehr Sie sich die letzte Kamera wünschten, sich auf sie freuten, von der Sie heute so enttäuscht sind, dass Sie eine neue wollen.
- Und dann erinnern Sie sich auch einmal dankbar, wie viel gute oder sehr gute Aufnahmen Sie damit oder mit noch schlechteren, älteren Kameras gemacht haben.
- Eine vergleichbare menschliche Übertreibung betrifft im Übrigen die Angst vor dem Verlust oder der Beschädigung der Kamera oder Ausrüstung. D.h. im Extremfall gehen manche Fotografen lieber nicht riskante Fotos aufnehmen, weil die neue, teure Kamera Schaden nehmen könnte.
- Oder anders herum: Man vergisst als Fotograf gerne die anderen 99% des Lebens, die sich durch die Anschaffung nicht ändern. Diese beschränken die Fotografie auch mit der neuen Kamera. wait but why
- Eine suboptimale Kamera, eine fehlende Superkamera oder defekte Kamera sind ohne Zweifel ein Hindernis in der praktischen Fotografie, aber dies hat keinen Einfluss auf Ihr Wissen, Ihre Kreativität oder Ihren Willen, gute Fotos zu machen. In den letzten 175 Jahren gelang es Millionen Fotografen weltweit, wunderbare Fotos aufzunehmen mit - im Vergleich zu heute - miserabler Ausrüstung.
- Ach ja, zum Abschluss noch etwas: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Sie nicht unglücklich werden, wenn Sie die ersehnte Kamera doch nicht anschaffen.
- Man spricht dann von Synthetischem Glück = wenn wir etwas nicht erhalten, was wir unbedingt gewollt haben. Bei Reinfällen, Verlusten etc. hilft ein Immunsystem des Verstandes uns darüber hinweg. Es macht uns trotzdem glücklich.
- Synthetisches Glück wirkt auch gegenüber natürlichem, wenn wir etwas erreichen / erhalten, was wir wollten. Oder sogar bei gekauftem Glück.
- Bereits Adam Smith wusste, dass Unzufriedenheit und Unglück erst entstehen, wenn Menschen Unterschiede zwischen Dingen und Situationen überbewerten. Ted
- Trotz dieser Tatsachen verbleiben die meisten Fotografen den Rest ihres Lebens in der Kaufspirale, in der Hoffnung auf bessere Fotos und persönliches Glück. Und das Marketing der Kamera-Hersteller ist bestrebt, Sie in dieser immer teureren Kaufspirale zu halten.
- Nur wenige Fotografen erarbeiten sich das handwerkliche Geschick und künstlerische Können und erzeugen dabei - in diesem Prozess des Lernens und Schaffens - ihr eigenes Glück und immer bessere Fotos.
Kaufreue, Nachkaufreue, Nachentscheidungsdissonanz
Hat sich der Kunde dann endlich zu einem Kaufentschluss durchgerungen, überkommen ihn gleich wieder Zweifel: Manche Stimmen von unterhalb der eigenen Bühne melden sich zu Wort.
- Da alle Produkte aller Hersteller innerhalb jeder Sensor-Klasse etwa gleichwertig sind, und sich Modelle immer weniger unterscheiden, tritt bei Käufern nach dem Kauf fast immer das Phänomen der Kognitiven Dissonanz (Nachentscheidungsdissonanz - post decisional dissonance, Nachkaufdissonanz, NKD) auf.
- Vereinfacht ausgedrückt: Es überkommen einen unangenehme Zweifel, ob die Entscheidung richtig war.
- Kognitive Dissonanzen treten übrigens umso eher auf, je ähnlicher die Alternativen sind, und je teurer ein Produkt ist.
- Plötzlich stellt man wieder Vergleiche an:
- Die Gräser hinter dem Zaun sind immer saftiger / grüner etc.
- Die Früchte des Nachbarn schmecken immer süßer.
- Durch die Praxis erkennt man bald die Probleme an der eigenen Kamera, sieht jedoch selten diejenigen der anderen Modelle, insbesondere aus der Ferne. Einer der Gründe liegt in der Dissonanztheorie
- Kaufreue ist heute meist völlig unberechtigt, da die Waren (z.B. Kameras) weitgehend identisch sind. Eine Kaufreue kann nur berechtigt sein, wenn man - mangels vorheriger Information - in der falschen Sensorklasse gekauft hat. Damit verbunden sind massive Preis-, Gewichts- und Qualitätsunterschiede, die sich nur in Grenzen überwinden lassen.
- All dieses Verhalten kostet Kraft, Zeit und evtl. auch Geld, bringt einen jedoch fotografisch nicht weiter.
- Allerdings zerstört es langsam die Freude an der eigenen Kamera und macht unzufrieden. Letztendlich lenkt es einen sogar vom Fotografieren ab.
- Allen Menschen geht es immer wieder so. Jeder macht Fehler. Das Gute ist jedoch, dass diese heute meist völlig irrelevant sind. Es gibt keine falsche Kamera. Und selbst wenn sie Ihre neuen Zwecke tatsächlich nicht (mehr) erfüllt, so kann man sie wieder verkaufen und eine neue erstehen. Es geht nicht mehr um Leben und Tod. Deshalb hat es auch keinen Sinn, sich größere Vorwürfe zu machen.
- Aber man sollte sich den Umstand sachlich merken, damit man diesen Fehler kein zweites Mal begeht. Es gibt schließlich so viele weitere (emotionale) Fallen, in die man stattdessen noch treten kann.
Vergleiche sind erforderlich vor dem Kauf - zur Auswahl der geeigneten Ausrüstung. Aber nach dem Kauf werden sie schädlich für den Kunden / Käufer. Aber exakt das will und fördert das Marketing. Wer ständig weiter sucht und vergleicht, wird bald neukaufen.
Dem dänische Philosophen Søren Kierkegaard wird das Zitat zugeschrieben: Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.
Das Marketing will jedoch unglückliche Menschen. Denn nur unglückliche Menschen kaufen aus Frust.
Besitzeffekt / Angriff als beste Verteidigung
- Wer sich einmal zu einer Entscheidung durchgerungen hat, bleibt in der Regel dabei. Der Aufwand war schlichtweg für die meisten Menschen zu groß, um das Ganze nochmals durchleben zu wollen.
- Ferner kommt es teilweise zur nachträglichen Rationalisierung der eigenen früher getroffenen emotionalen Entscheidungen. Dabei werden nicht immer wirklich rationale Argumente plötzlich aufgelistet und höher bewertet als vor dem Kauf.
- Hierzu dienen auch Werbeanzeigen: Werbung wird oft nach der Einführungsphase und nach dem Kauf geschaltet, nicht so sehr, um neue Kunden zu gewinnen, sondern, um alte zu halten und ihnen zu zeigen, dass ihr Modell noch immer aktuell und gefragt ist.
- Eigenen (selbst bezahlten) Besitz schätzt man höher ein, als andere Gegenstände, die man nicht besitzt (Endowment Effect). Dies führt u.a. dazu, dass man über Fehler am eigenen Produkt hinwegsieht, sogar im Grunde mäßig gute Eigenschaften überbewertet und auch den Gesamtwert der eigenen Kamera (im Verkaufsfall) zu hoch einschätzt. - Dies wird durch das Marketing mit weiteren Anzeigen nach dem Kauf (siehe oben) sogar noch bewusst gefördert.
- Sich eingestehen und anderen zugeben, dass man sich geirrt und eine falsche Entscheidung getroffen hat, können nur wenige Menschen. Meist tritt ein völlig anders gearteter Verteidigungsmechanismus in Kraft, der blind alles verdreht und abwehrt. Wenn Menschen sich in ihrem geliebten Partner geirrt haben, dann ist das ähnlich: Wenn er an seinen monatlichen Kreditkartenauszügen erkennt, dass seine Frau ihre
Stoffwechselerkrankung
in sündhaft teuren Boutiquen kuriert, dann muss man halt mehr Geld verdienen. Wenn Sie merkt, dass ihr Göttergatte zu Hause keine Manieren besitzt und z.B. die Füße auf den Tisch legt, dann werden keine Gäste mehr nach Hause eingeladen. Und wenn die verzogenen eigenen Sprösslinge wieder einmal richtig teuren Mist gebaut haben, dann wird der Nachbar angegriffen, dass er auch so blöd war, sein Auto genau an der Stelle in der Straße zu parken, wo er doch hätte klar erkennen können - ja müssen -, dass dort eine halbe Stunde später ein wildes Fußballturnier der Jugendlichen stattfindet. - Kurzum: Die eigene Entscheidung für etwas war richtig, sein Eigentum wird nach außen hart verteidigt, und schuld sind immer die Anderen. Und selbstredend sind die Anderen immer im Unrecht, Ignoranten etc.
- Schauen Sie in die Fotoforen und Sie werden exakt diese menschliche Argumentation finden.
Die Aufgaben des Marketings
Analyse und Marktbearbeitung
- Im Marketing werden alle diese Dinge gelehrt, um Sie als Kunde zu verstehen und dann gezielt zu manipulieren. (Siehe z.B. Robert Cialdini, Prof. emeritus für Psychologie und Marketing - Why you say yes, even when you don't want to.)
- Ein Ziel des Marketings - oder einiger intelligenter Menschen dort - ist es folglich, diese Erblast des Menschen - seine Wünsche und Bedürfnisse - gezielt anzusprechen.
- Gemäß der klassischen Konditionierung wird ein neutral bewertetes Produkt mit einer angenehmen Assoziation oder einem prägnanten Image verknüpft, so kann dies zu einem bedingten Reflex führen.
- Im Prinzip ist es die Aufgabe des erfolgreichen Marketings, alle menschlichen Triebe anzusprechen und die Vernunft weitgehend auszuschalten. Da viele Menschen dies inzwischen in der direkten Form erkennen, geht man subtiler vor. Zunehmend werden pseudologische Argumente vorgebracht, welche den Verstand ansprechen, aber im Grunde eher beschäftigen und ablenken von den wichtigen Fragen.
- Das Ziel des Marketings ist nicht, aus Ihnen einen selbständigen herausragenden Fotografen zu machen, sondern den Umsatz der Herstellerfirma zu erhöhen.
Der Kauftrichter, conversion funnel
Das Marketing verwendet den Kauftrichter - ein theoretisches Modell, wie sich ein potentieller Käufer dem Kaufobjekt und der Kaufentscheidung annähert. Es existieren zwar viele Modelle, die sich jedoch meist in wichtigen Punkten ähneln.
- Man hat schon einmal davon (der Marke oder der Kamera) gehört.
- Man besitzt bereits ein Bewusstsein über Marke oder Kameras, Preisbereiche etc.
- Äußerer Kaufeinfluss (z.B. Kinder, Urlaub, neues Hobby, Ersatz für alte Kamera...)
- Informationsphase: Da man ein Produkt benötigt, sucht man und vergleicht, liest Testberichte und macht sich mit den verschiedenen Marken / Anbietern und deren Produkten vertraut.
- Auswahl reduzieren und Meinung(en) bilden. Hier zählen bereits kleine Merkmale zur Unterscheidung.
- Abwägen durch eigene Tests und Meinungen Dritter.
- Entscheidung und Kauf. In dieser Phase werden die Marke, das Produkt und der Preis abgestimmt.
- Meinungsbildung nach dem Kauf. Dies kann einen Käufer zum Anhänger oder Gegner einer Marke / eines Produktes machen.
- Neukauf, Ersatzkauf, Aufstieg.
Wie lange und wie aufwändig dieser Trichter ist, hängt einerseits vom Wert der Anschaffung (in Relation zu Einkommen / Vermögen) und andererseits von der Persönlichkeit des Käufers ab.
Auch wiederholende Schleifen und Spiralen sind je nach Kunden und Produkt denkbar.
Allen Marketing-Modellen eigen ist jedoch, dass man im Marketing automatisch von einem erneuten Kauf nach einer gewissen Zeit ausgeht. Entweder bei der eigenen Firma oder dem Konkurrenten. D.h. man geht dort weder von lang lebenden Produkten noch von wirklich langfristig zufriedenen / glücklichen Kunden aus.
Kunde und Kaufvorgang
Ein Kauf vollzieht sich nicht von selbst und nicht im luftleeren Raum. Hierzu sind viele Faktoren erforderlich und nehmen darauf Einfluss:
- Zuerst muss der Kunde sich selbst aktivieren (eigenen Bedarf erkennen) oder von außen aktiviert werden.
- Dann muss er sich selbst zum Handeln motivieren oder von außen motiviert werden. Ein Kauf ist - je nach relativem Wert - mit einem entsprechenden Zeit-Aufwand verbunden. Bei Fotoausrüstung kann der Wert hoch liegen, und folglich werden viele Fotografen auch mehr Zeit dafür - von der ersten Informationsbeschaffung bis hin zum Austesten der Ware - aufwenden (müssen). Oft handelt es sich somit um eine sogenannte extensive Kaufentscheidung.
- Emotionen sind beim Kauf enorm wichtig. Dies führt hin bis zu emotionalen Konditionierung: Erzeugung derjenigen Emotionen, welche ein Kunde mit dem zu verkaufenden Produkt verbinden soll.
- Hinzu kommt das Involvement. Damit meint man, wie intensiv sich ein Fotograf mit der Fotografie und / oder den fotografischen Produkten beschäftigt.
- Wichtig sind auch die Einstellungen des Kunden zum Produkt: Wie nimmt er verschiedene Produkteigenschaften wahr und bewertet sie? Hierzu gehört auch die Kundenzufriedenheit mit dem Hersteller und dem Produkt, da sie die Kundenloyalität beeinflusst.
- Auch die grundlegenden gesellschaftlichen und persönlichen Werte eines Kunden spielen eine Rolle, wobei erstere die letzteren meist beeinflussen. Dies hat wiederum Einfluss auf den Lebensstil des Kunden.
- Hinzu kommen Umfeldfaktoren: physische (setzen gewisse Grenzen), soziale (Rollenerwartungen) und kulturelle. Meist ordnen Menschen Ihre Käufe den sozialen Anforderungen an sie unter und opfern dafür ihre individuellen Präferenzen.
Einteilungen im Marketing
Das Marketing teilt die Emotionen oft folgendermaßen ein:
Gewinnen will der Kunde durch den Kauf
- Beliebtheit, Popularität
- Lob von anderen
- Stolz des Erwerbs
- Selbstvertrauen
- Zeit, weil man mit der neuen Kamera schneller gute Fotos machen kann.
- Verbessertes Erscheinungsbild (selbst und der Fotos)
- Komfort, weil die neue Kamera neue Funktionen besitzt, welche das Fotografieren erleichtern.
- Höheres persönliches Ansehen
- Sozialer Aufstieg, bei teuren neuen Kameras.
- Mehr Freizeit, durch eine geringere Anzahl an schlechten Fotos
- Gesteigerte Freude
Vermeiden will der Kunde bei, mit und durch einen Kauf
- Zeitverlust
- Unbehagen
- Risiken
- Geldverlust
- Ärger
- Enttäuschung
- Arbeit
- Zweifel
Was der Kunde durch den Kauf sein / werden will
- Kreativ
- Effizient
- Anerkannte Autorität
- Auf dem neuesten Stand sein
- Vorreiter (zumindest im kleinen Umfeld)
- Stolz auf den Besitz
- Meinungsbildner, Einflussreicher Meinungsmacher
Was Kunden durch den Kauf tun wollen
- Ihre Persönlichkeit ausdrücken.
- Die eigene Neugier befriedigen.
- Die Technik wertschätzen / würdigen.
- Die Zuneigung anderer erheischen.
- Der Beherrschung durch andere entgehen.
- Einem bewunderten Fotografen nacheifern.
- Der Sammelleidenschaft frönen.
- Sich selbst allgemein verbessern.
Nicht alle Argumente werden auf jeden Fotografen und jede Anschaffung im Fotobereich (im gleichen Maße) zutreffen.
Marketing-Tricks
So nutzt das Marketing die Anfälligkeit der (Steinzeit-) Menschen aus.
Priming
- Priming, Priming Englisch gilt als mächtige Waffe der Werbeindustrie zur Manipulation der Kunden.
- Man setzt einen Reiz und beobachtet die erste spontane Reaktion. Mit bestimmten Reizen kann man ganz bestimmte Reaktionen mit einer erstaunlichen hohen Trefferrate provozieren, da das Gedächtnis und das Unterbewusstsein angesprochen werden. Es zielt somit auf vorherige Erfahrungen.
- Ein sogenannter bahnender Reiz kann alles Mögliche sein: ein Wort, Bild, Geruch, eine Geste etc.
- Das hat auch etwas mit dem Belohnungssystem zu tun: Das Belohnungszentrum (nucleus accumbens) in unserem Gehirn speichert so etwas ab und reproduziert bereits gute Gefühle, wenn man daran denkt, etwas Ähnliches hört, sieht, riecht etc.
- Sie kennen dies von den berühmten Assoziationsspielen - Ich nenne Ihnen ein Wort, und Sie antworten blitzschnell mit dem ersten, das Ihnen einfällt. - Nein niemals! Hier antwortet Ihr Unterbewusstsein und nicht Ihre Logik. Vernunft benötigt Zeit zum Überlegen.
- Logik drängt Sie nie zu etwas. Vernunft rät Ihnen hingegen immer dazu, sich Zeit zu lassen, etwas nochmals zu überdenken, zu überschlafen, mit anderen zu besprechen.
- Wer Sie drängt, meint es selten gut mit Ihnen. Dies gilt auch für Ihre inneren Stimmen / Ratgeber.
- Eine Art des Priming ist im Übrigen die Höflichkeit. Sie unterdrückt in der Folge negative Interpretationen und fördert positive Interpretationen der darauf folgenden Worte, Handlungen, Gesten etc.
- Psychologen und Marketers arbeiten hier mit klassischen Stereotypen, die sie für jede Zielgruppe herausarbeiten.
- Der Patient / Kunde ist sich dieser automatisch ablaufenden und extrem verräterischen Dinge meist nicht bewusst.
- Wissenschaftlich ist dieses Feld im Übrigen heftig umstritten.
Reziprozität, Reciprocity, Gegenseitigkeit, Wechselseitigkeit, Reziprozitätsnorm
- Reziprozität, Reciprocity, Reziprozitätsnorm gelten als weitere mächtige Waffe im Arsenal des Marketings gegen den Kunden.
- In Kurzform: Geschenke erfordern Gegengeschenke. Dies ist so tief in den meisten Menschen verwurzelt, dass sie das Prinzip nicht in Frage stellen, selbst dann, wenn der Andere ihnen ein völlig wertloses Geschenk zuerst machte, in der berechnenden Absicht, zukünftig ein viel wertvolleres von ihnen zu erhalten.
- Das muss kein Objekt sein. Es reicht eine Information, ein Ratschlag, eine sonstige Hilfe etc.
- Das klassische Beispiel dürfte die kleine Schokolade oder das Pfefferminz sein, die man im Restaurant mit der Rechnung erhält. Die meisten geben dann ein höheres Trinkgeld, auch wenn sie weder Schokolade noch Pfefferminz mögen. P.S.: bei zwei kleinen Schokolädchen - vor allem, wenn sie persönlich übergeben werden - steigt das Trinkgeld sogar dramatisch an.
- Unglücklicherweise können die meisten Menschen heute den Wert des Geschenkes nicht beurteilen und schätzen ihn - vor allem, weil unerwartet - viel zu hoch ein. D.h. sie fühlen sich zu einem wertvollen Gegengeschenk verpflichtet, das der Verkäufer gnadenlos ausnutzt.
- Hinzu kommt der Freundschaftseffekt. Viele Menschen schenken heute nur noch im Familien oder engen Freundeskreis. Die unlogische Umkehrung daraus ist: Wer ein Geschenk macht, wird in den engeren Vertrautenkreis integriert. - Halt, Stopp: Der Andere will eine Provision erhalten für den Verkauf einer Ware.
- Schalten Sie also Ihren Verstand ein, wann immer Sie etwas unaufgefordert oder kostenlos erhalten. Aus Sicht des Anderen ist das niemals
umsonst
. Es handelt sich hier nämlich nicht um Altruismus.
- Ich habe mir deshalb angewöhnt, Geschenke sehr höflich dankend abzulehnen, die ich nicht brauchen kann. Aber das ist nicht so einfach, wie es klingt. Denn jede Ablehnung erhöht den Druck auf einen selbst.
- Bei der Sonderform eines Reziproken Zugeständnisses handelt es sich um eine abgestufte Angebots-/Geschenketreppe mit zunehmendem Zwang: Ist das erste Angebot völlig überteuert, und man lehnt ab, so unterbreitet der Verkäufer ein zweites (Angebot oder Produkt). Weil man schon einmal abgelehnt hat, fällt den meisten Kunden nun die zweite Ablehnung schwerer und spätestens bei der dritten sagen die meisten ja, auch wenn sie keines der Produkte wollen oder gebrauchen können.
Social Proof, Social Influence, Informativer sozialer Einfluss
- Ein weiteres Mittel aus der Psychologie besteht im Social Proof, Informativen sozialen Einfluss.
- Im Prinzip handelt es sich um Konformität mit anderen und Anpassung an andere. Man verhält sich - auch ohne Grund - so wie die Anderen um einen herum. - Klartext: Eine Million Fliegen können sich nicht irren. Dasselbe gilt für ein dutzend gekaufte 5-Sterne Bewertungen bei Amazon etc., oder die gefälschten followers bei Facebook, Instagram, YouTube, Twitter etc. (Tausend inexistente = virtuelle Follower für Facebook gibt es ab 25 Euro oder 50.000 bei Instagram für 250 US$. Die meisten Firmen bieten kostenlos schon einmal 500 Follower zum Testen an.)
- Der Effekt ist umso größer, je bekannter die Personen einem selbst sind, resp. je höher deren sozialer Stand ist und deren allgemeine Anerkennung.
- Dies ist ein Grund, warum man gerne berühmte Personen als Werbeträger verwendet. Hier tritt dann noch der Haloeffekt (halo effect) hinzu: Wer berühmt, attraktiv etc. ist, muss auch intelligent, reich, glücklich, ehrlich ... sein.
- P.S.: Mit etwas Chuzpe kann man jedoch auch bei einer La-Ola-Welle im Stadion ganz ruhig sitzen bleiben. Es ist wirklich ein besonderes Erlebnis. Voller Erwartung, nach den ersten giftigen Blicken meines Umfeldes, nun endlich gelyncht zu werden, musste ich stattdessen enttäuscht zur Kenntnis nehmen, dass mit der Zeit immer mehr Personen um mich herum sich wieder erschöpft hinsetzten, statt weiterzumachen. D.h. nach einer emotionalen Anfangsphase kann auch ein Einzelner die zuerst euphorische Masse um sich herum langsam beeinflussen. Und sei es nur, weil übertriebene Euphorie den Körper erschöpft.
Peer Comparison, Vergleich mit nahestehenden anderen oder hohen Personen
- Eine Sonderform des sozialen Einflusses liegt im Vergleich mit anderen. Erstaunlicher Weise machen Menschen ihren eigenen Zustand nicht vom absoluten Maß, sondern fast immer vom Vergleich mit anderen Personen abhängig.
- Hinweise, wie:
Ihr Nachbar hat sich erst gestern dieses (teure) Kameramodell gekauft
, setzen viele Kunden unter Zugzwang.
- Vor allem hier wird im Zweifel auch gnadenlos gelogen.
# Kunden mit demselben Beruf wie Sie, haben bereits diese Kamera gekauft.
- Daraus folgt für viele Menschen: Aha, das ist die passende Kamera für meinen Berufsstand / sozialen Stand.
Und: Was der sich leisten kann, das kann ich auch.
Decoy Effect - Täuscheffekt - asymmetrischer Dominanzeffekt
- Eine weitere schlagkräftige Waffe ist der asymmetrischer Dominanzeffekt, der auch als Decoy-Effekt Decoy (Englisch) oder als Framing bekannt ist.
- Angenommen Sie als Kunde können sich nicht zwischen zwei Produkten entscheiden, dann wird der Verkäufer Ihnen ein völlig absurdes drittes anbieten. Hierbei finden sich zwei Varianten, die es dem Verkäufer erlauben, Sie perfekt auf eines der beiden Modelle zu steuern. Zu Klarstellung: Der Verkäufer wählt aus, nicht Sie. (Siehe Beispiele bei Wikipedia)
- Auch hier wird dem ahnungslosen Kunden wieder ein Referenzsystem (als vermeintliche Hilfe) angeboten, an dem er sich orientieren kann.
- Eine Variante ist die von vorneherein als Dreierpack angebotene Pseudo-Produktvielfalt:
- Ein bereits völlig überteuertes Produkt wird ohne viele erforderliche technische Eigenschaften angeboten.
- Ein nochmals deutlich teureres Produkt wird mit den meisten erforderlichen Eigenschaften angeboten.
- Und ein geradezu astronomisch teures Produkt wird mit allen erdenklichen technischen Eigenschaften angeboten.
Dadurch wird ein pseudologischer Vergleichsprozess bei Kunden angestoßen:
- Das billigste Modell will er nicht, weil es in der Tat unbrauchbar ist.
- Das teuerste Modell schreckt ihn preislich ab.
- Er wählt folglich das mittlere Produkt aus, obwohl es absolut gesehen völlig überteuert ist. Aber relativ gesehen liegt es in der goldenen Mitte - der manipulierten Dreierangebotspalette.
- Der Hersteller wollte jedoch von vorne herein nur dieses mittlere Modell verkaufen und hat folgerichtig auch dieses mit ca. 80% aller Stückzahlen produziert.
- P.S.: Ja, Sie haben Recht. Dieses Verkaufsmodell wird von Apple u.a. bei Smartphones und Tablets verwendet.
- Also Vorsicht: Wenn Sie Ihre Auswahl bereits selbst auf zwei Alternativen reduziert haben, dann lassen Sie sich das Angebot nicht wieder ausweiten. Das ist keine ehrliche Hilfe, sondern ein Trick (decoy).
Scarcity - Knappheitsprinzip - Reaktanz
- Ein extrem wirkungsvolles Instrument des Marketings ist das Knappheitsprinzip, Scarcity, die Reaktanz.
- Knappe Güter sind begehrenswerter, unabhängig von ihrer absoluten oder individuellen Qualität. Allerdings muss entweder die Startzahl größer gewesen sein, oder der Kunde muss dies zumindest vermuten. D.h. eine geringe (noch verfügbare) Anzahl wertet das Produkt auf:
Nur noch 2 Stück auf Lager
.
- Einerseits handelt es sich wieder um den Effekt des sozialen Einflusses (Hunderte oder Tausende haben das Produkt bereits gekauft) und andererseits im Prinzip erneut um den Aufbau von Zeitdruck. Implizit sagt die vorherige Meldung:
Nicht nachdenken, sondern schnell handeln, sonst ist es weg.
Verstärkt wird der Effekt noch, wenn man sich für das Produkt sowieso bereits entschieden hat.
- Im Coaching stelle ich meinen Kunden immer die entwaffnende Frage:
Was ist das Schlimmste, das passieren könnte, wenn ... (in diesem Fall:) Sie warten und das Gehirn einschalten?
De facto lautete das Ergebnis: Sie werden das Produkt bald hier oder woanders preiswerter erhalten.
- Manche Wissenschaftler vermuten hinter dem Knappheitstrick auch das Prinzip der Vorweggenommenen Reue (anticipated regret):
Wenn ich das Gewusst hätte, hätte ich mir einen gekauft.
- Inzwischen ist auch bekannt, dass zahlreiche Händler exakt jenen Trick vorsätzlich falsch benutzen. D.h. belegte Abmahnungen und Urteile erzwangen inzwischen bei einigen Händlern, diese falschen, zu knappen Warenlagermeldungen zu korrigieren. Die Lager sind nämlich voll mit Kameras (siehe Krise der Foto-Wirtschaft). Bei manchen Händlern stehen die Anzeiger aber dennoch das ganze Jahr auf:
Nur noch 2 verfügbar
.
- Bei mir hat dies inzwischen jedoch sogar eine gegenteilige Wirkung. Der logische Haken liegt in zwei Details: Wenn der Verkäufer tatsächlich nur noch zwei Produkte besäße, dann ist es entweder ein kleines Geschäft, das kein Warenwirtschaftssystem besitzt, oder dieses nicht verwendet für eine rechtzeitige Nachbestellung angeblich so gefragter Produkte. Dies hat heute nicht selten zur Folge, dass die Gefahr steigt, dass ich als dritter Besteller keine Neuware, sondern einen Rückläufer als neu erhalte. Zumindest ich will mir den damit verbundenen Ärger, Zeit- und Geldverlust ersparen. - Aber dazu muss man die Vernunft / Logik bewusst einschalten.
- Ein ebenfalls beliebter Trick für Ladenhüter, die einfach niemand haben will, ist ein Zusatz in einer sogenannten Nachfassaktion:
Aufgrund der großen Nachfrage erneut mit kleiner Auflage kurz im Programm.
- Übersteigert kann solches Verhalten bei Kunden sogar zur Kaufsucht führen, ohne dass äußere Zwänge vorliegen, allein weil man sich zukünftige Einschränkungen oder Lieferengpässe vorstellen kann.
- Bei Aldi kam es in den 1990er Jahren übrigens einmal zum Einsatz einer Schusswaffe, als sich zwei Kunden um den letzten PC im Laden stritten, obwohl man auch damals schon problemlos hätte nachbestellen können.
- Allerdings kann dieser Trick bei denkenden Menschen auch nach hinten losgehen. Der illegitime Trick wird durchschaut und der Hersteller oder Händler gemieden. Im Zeitalter des Internets finden denkenden Menschen immer preiswerte Lieferadressen. Ganze Suchmaschinen helfen heute dabei und zeigen explizit die Verfügbarkeit an (z.B. in alphabetischer Reihenfolge: billiger.de, Geizhals.de, Günstiger.de, Hardwareschotte.de, idealo.de, Meta-Preisvergleich.de).
- Noch trickreicher ist die inzwischen praktizierte Variante der Vorbestellung, bei der man nur eine bestimmte Anzahl an Kunden aufnimmt. Kunden melden sich tatsächlich für Produkte an, die es noch nicht gibt, und über deren Qualität sie zum Vor-Bestell-Zeitpunkt (noch) nichts wissen (können). Abgesehen von der geringen Zahl, spielt hier der Wunsch, unter den Ersten zu sein, eine wichtige Rolle.
Bei derzeit fast immer unausgereiften und kaum qualitätsgesicherten / getesteten neuen Kameras kann man davon - zumindest für die praktische Fotografie - nur dringend abraten.
- Eine ganz hinterlistige Variante widerfuhr mir in einem Fotogeschäft: Ich konnte mich trotz (oder vermutlich wegen) des übermäßigen persönlichen Überzeugungseinsatzes des Verkäufers nicht zu einem Produkt entschließen. Da erhielt er plötzlich einen Anruf, den er selbstredend so entgegennahm, dass ich alles mitanhören musste.
Guten Tag Herr #
. - Ja, natürlich erinnere ich mich an Ihren Wunsch nach dem #-Modell
(Rein zufällig, dasjenige, welches vor mir auf der Ladentheke stand, und zu dem ich mich nicht durchringen konnte. Ja, gerne lege ich Ihnen das letzte Exemplar zurück.
- Ja, wir haben in einer Stunde noch geöffnet.
- Ja, Sie können gerne Ihren Freund mitbringen, damit er sich ebenfalls das Modell ansieht.
- Der letzte Zusatz war dann - zumindest für mich - übertrieben. Aber, ich befürchte, viele potentielle Kunden hätten nun zugeschlagen, bevor es ihnen ein anderer wegnimmt
. Denn das, was man schon in der Hand gehalten hat und direkt vor einem liegt, gehört einem schon fast (siehe Angst vor Verlust).
- Eine weitere Methode ist die zeitliche Beschränkung der Verfügbarkeit.
Nur heute zu dem Preis erhältlich
.
Auch hierbei handelt es sich um eine Aufwertung des plötzlich (angeblich) schwer zu erreichenden Gutes.
- Eine weitere Methode ist z.B. bei Fotokursen, die Einschränkung:
Nur für Mitglieder
. Auch dies wertet den Kurs auf. Selbst wenn er inhaltlich nichtssagend, überteuert und sogar als reine Werbeveranstaltung (Kaffeefahrt) inszeniert wird.
- Aufgrund unserer Erblast will jeder Neandertaler bei dieser - vom Marketing gezielt produzierten - elitären Minderheit dabei sein. - Nur denkende Fotografen können sich mit der Frage ausklinken:
Kennen Sie noch die angeblich elitären Minderheiten von gestern?
Der Prozess findet nämlich weltweit täglich tausendfach statt.
Oder andersherum: Der olympische Spruch Dabeisein ist alles
- ist Unsinn. Nur die allerberühmtesten Goldmedaillengewinner bleiben in Erinnerung und haben Erfolg. Einfaches Dabeisein ist heute meist wertlos - und bei Kaufaktionen immer sehr teuer.
- P.S.: Es gibt Hinweise, dass vor allem sich als individualistisch gebende Personen auf diese Reaktanzeffekte hereinfallen.
Anchoring, Ankerheuristik
- Eine weniger bekannte Waffe des Marketings ist die Ankerheuristik, Ankereffekt, das Anchoring.
- Vorhandene erste Umgebungsinformationen prägen - als Referenzpunkt - den Eindruck bezüglich eines bestimmten Preises. Eine Kamera für 7.000 Euro wirkt preiswert, wenn sonst alle Kameras darum herum 12-50.000 kosten. D.h. die Umgebung wirkt als Anker, in Vergleich zu dem man alles misst. Mit anderen Worten verzerrt die direkte Umgebung (= der Anker) den Eindruck.
-
Es finden sich in der Theorie zwei Varianten:
- Das Umfeld erzeugt einen Stimulus mit einer bestimmten Reaktion. In diesem Sinne gehört es auch zum Priming (z.B. wertvolle Kameras als erste Reizsetzung).
- Die Umgebung liefert den Start-, Grundwert, für davon abgeleitete - angeblich logische - Bewertungen. Hierbei spricht man von Anpassungsheuristik (adjustment).
De facto kommt es beim Kunden meist zu beidem.
- Dieser erste Eindruck des Einzelpreises im Vergleich zur direkten Umgebung zählt, oder: die erste Verhältnis-Information, welche man erhält, kann eine Person langanhaltend prägen.
- Das gilt auch, wenn das Preisverhältnis insgesamt völlig überteuert ist, und man dieselbe Kamera in einem anderen Geschäft für 2.500 Euro erhält.
- Noch gravierender ist der Einfluss auf den Kunden, weil er auch dann so reagiert, wenn die Umgebungsinformationen für ihn völlig irrelevant sind. Z.B. Mittelformat-Kameras oder Taucherkameras platziert rund um kleine Pocket-Kameras. Selbst bei sündhaft teuren Tele-Objektiven rund um kleine Kameras tritt dieser Effekt auf.
- Der immer wieder angegebene UVP ist ein typischer Anker. Generell gilt, dass der erstgenannte Preis als Referenz herangezogen wird. Hier kommt es übrigens auf die Skala an: eine Kamera für 8.000 Euro wird als grobes Maß angesehen, von dem der Kunde versucht, stärker herunter zu handeln, als bei einem UVP von 7.999,95 Euro.
- Auch Experten können diesem Effekt kaum entgehen. Der Ankereffekt wirkt immer und überall, aber besonders spürbar bei Zahlen, und dann wiederum bei Preisen / Kosten.
- Achten Sie deshalb auf Schaufensterdekorationen und auf die Anordnung in Prospekten sowie im Internet. Nichts geschieht dort zufällig.
The Baader-Meinhof Phenomenon, Frequency illusion, Synchronizität
- Eine kaum bekannte Waffe ist das Baader-Meinhof Phänomen.
- Im Prinzip handelt es sich um eine oft vorteilhafte Fähigkeit unseres Gehirns, bekannte Muster wiederzuerkennen.
- Nachdem man etwas zum ersten Mal gehört oder gesehen hat, sieht / erkennt man es plötzlich überall wieder.
- Einerseits erkennt man nach der ersten Erwähnung diesen Gegenstand, den man vorher übersehen hat, immer öfter. Andererseits bewertet man dies nun über, indem man ihn plötzlich überall zu sehen glaubt. Spätestens nach einer Handvoll Vorkommen verallgemeinert man zu
immer und überall
.
- So kann die reinzufällige Erwähnung eines Kameramodells dazu führen, dass man dieses nun überall sieht und plötzlich denkt, dass die ganze Welt darüber spricht. Daraus schließt man dann, dass es wichtig, wertvoll etc. sein müsste.
- Der Fehler liegt in der selektiven Wahrnehmung, (selective attention): Wir nehmen gleichzeitig tausende oder Millionen anderer Signale nicht wahr, weil wir darin keine Bedeutung oder keine Sequenz erkennen.
- Der Haken liegt jedoch darin, dass Menschen Dinge positiver bewerten, die sie oft wahrnehmen.
- D.h. das Marketing der Hersteller wird immer versuchen, unsere Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu lenken.
- Und in der Tat kommt es in der Folge oft zu solchen Kettenreaktionen bei Markteinführungen, bei denen Medien und Meinungsmacher eine Pressemitteilung tausendfach (oft fast identisch) wiederholen. D.h. es wird zum Selbstläufer oder neudeutsch viralen Marketing-Effekt.
- Verstärkt wird dies durch den Recency effect: Das was man erst kürzlich erfahren hat, bleibt besonders gut haften, ähnlich den Informationen, die man zuerst aufgenommen hat. Alles im Mittelfeld gerät hingegen leichter in Vergessenheit.
- Das Symptom zeigt Ähnlichkeiten zu synchronicity, Synchronizität: Zwei oder mehrere Dinge passieren gleichzeitig (Koinzidenz), stehen jedoch in keinerlei kausalem Zusammenhang. Letzterer wird jedoch von vielen Beobachtern subjektiv hergestellt.
Verbatim Effect
- Nur die Kernaussagen bleiben im Gedächtnis. Die Details können sich viele moderne Leser / Kunden kaum merken.
- D.h. 5 Sterne und Testurteil
sehr gut
erzielen die gewünschte Wirkung, selbst wenn im langen Testbericht auf massive Probleme der Kamera in Detailbereichen hingewiesen wird, die evtl. Ihren persönlichen Fotowunsch unmöglich machen.
- Aus diesem Grund werden Testergebnisse und Testsiegel auch gerne zweckentfremdet oder gleich komplett gegen Geld gefälscht.
Wiederholung, Mere Exposure Theory, Mere Exposure Effect
- Wiederholungen haften eher im Gedächtnis. Marketing-technisch wird gerne die Mindest-Zahl 7 bei Werbeschaltungen erwähnt, um sicherzugehen, dass der Interessent sie auch wahrnimmt.
- Wiederholungen des Selben lassen das Produkt in der Bewertung des Betrachters steigen. D.h. alles (auch Negatives) wird immer positiver bewertet, je öfter man es sieht.
- Wiederholungen lassen auch wilde Behauptungen glaubhafter erscheinen.
Verfügbarkeitsheuristik, Availability heuristic
- Verfügbarkeitsheuristik, Availability heuristic basiert darauf, dass man sich an das Letztgenannte eher erinnert als an Vorhergehendes. Die Menschen bewerten jedoch Dinge, an die man sich erinnert als wichtiger, als andere. Schließlich hat man sie sich ja gemerkt.
- Dies wird gerne in Beratungssituationen ausgenutzt, in denen der Fachverkäufer einen zuerst
informiert
und dann gezielt nachfragt.
Loss aversion - Verlustvermeidung
- Ein der mächtigsten Waffen in der Werbung ist die Loss aversion - Verlustvermeidung. Es gibt Berechnungen, wonach der Verlustschmerz doppelt so stark sein kann, wie die Freude darüber, Neues zu erhalten.
- Angst hatte früher eine extrem wichtige Schutzfunktion. Aber heute ist sie z.B. für den Kauf einer Kamera und in vielen anderen Fällen der Fotografie eher hinderlich. Evolutionstechnisch gesehen sind jedoch heute nur noch Angsthasen am Leben. Die Mutigen hat früher bereits der Säbelzahntiger gefressen.
- Menschen vermeiden etwas zu verlieren, was sie schon besitzen oder auch nur zu besitzen glauben. D.h. auch ein verbilligtes oder kostenloses Ausleihen vor dem Kauf kann dazu führen.
- Bekannt ist dies bei Software auch aus dem Grafikbereich, wo gerne die freie Version für einen Testzeitraum von 30-90 Tagen funktioniert, dann aber den Betrieb einstellt. Wer bereits so viel Zeit investiert hat, will die Software oft behalten.
- Verlustvermeidung ist übrigens der Grund, warum heute jedem verunsicherten Kunden auch noch eine gewisse Garantieverlängerung zu sündhaften Gebühren angedreht werden kann, welche in den meisten Schadensfällen dennoch kaum etwas ersetzt.
- In dieses Feld gehört übrigens auch der Trick mit den Versicherungen, die einem am Ende fast jeder Verkaufsverhandlung angedreht werden sollen. Abgesehen, dass sie kaum alle Schadensfälle abdecken, sind sie sehr teuer. Aber sie erscheinen preiswert im Vergleich zum Neupreis der soeben erworbenen Ware und dem damit herbeigeredeten Totalverlust.
Angst schüren
Mit der Verlustangst indirekt verknüpft ist das gezielte Schüren von Ängsten vor fremden Produkten oder sogar ganzen Hersteller-Marken.
- Es geht hierbei darum, Angst, Unsicherheit und Zweifel (fear, uncertainty, doubt = FUD) über die Marken und Produkte der Konkurrenz streuen.
- Es handelt sich um die mit Abstand mächtigste Waffe im Arsenal, da sie als Flächenbombardement ganz unspezifisch alle Ängste der Menschen auf einmal anspricht.
- Halt, Stopp: Worum geht es denn bei einem Kamerakauf? Um Leben oder Tod? Nein - maximal um die Investition von Geld und Zeit.
- Zu beidem sind die Fotografen bereit. Ansonsten würden sie sich überhaupt nicht für eine Kamera interessieren.
- Weshalb sollte ein Produkt mit Angst assoziiert werden, dessen Hersteller seit vielen Jahren - meist sogar Jahrzehnten - erfolgreich am Markt tätig ist?
- Alle Kameramodelle sind je Sensorklasse physikalisch bedingt fast identisch und somit - cum grano salis - nur noch durch den Systemanschluss (Bajonett und Blitzgerät) zu unterscheiden.
- Wie groß kann folglich der maximale
Schaden
, wenn wir dies einmal so nennen wollen, effektiv sein? Falls Sie sich tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - völlig in Ihrer Kaufentscheidung vergriffen haben (oder dies zumindest glauben), dann können Sie entweder beim Fernhandel binnen 14 Tagen alles kostenlos zurückgeben, oder sonst resp. danach alles wieder gebraucht verkaufen. Die Gebrauchtmarktpreise liegen je nach Alter der Kameras oft nur wenig unter den Neupreisen. D.h. der maximale Schaden liegt de facto im Wertverlust - in der geringen Miete
- für die Zeit der Nutzung durch Sie selbst. - Und, um noch einen obendrauf zu setzen: Wenn Sie die Ausrüstung tatsächlich gemietet hätten, hätten Sie je Tag, Woche, Monat viel mehr bezahlt, als beim Kauf und anschließenden Verkauf als Gebrauchtobjekt. D.h. Sie haben auch bei einem vermeintlichen Fehlkauf sogar einen Gewinn gemacht.
- Wer diese ultimative Angst-Keule in der Fotobranche schwingt, hat ganz offensichtlich keine anderen sachlichen Argumente. Vorsicht vor solchen Verkäufern, Marketing-Leuten, Werbung, (fanatischen oder bezahlten) Anhängern in Foto-Foren etc.
- Tipp: Wer als Käufer ängstlich ist und ganz sichergehen will, sollte mindestens das erste halbe Jahr oder sogar ein ganzes Jahr nach der Neuerscheinung einer Kamera abwarten. In diesem Zeitraum wurden meist alle Probleme bekannt, im Internet kommuniziert, und der Hersteller hatte die Möglichkeit, diese zu beheben.
- Aber sogar, wenn Sie sofort nach der Neuerscheinung zugreifen, erhalten Sie selbst bei heute immer häufiger auftretenden Problemen diese i.d.R. kostenlos repariert. Sie verlieren also meist nur Zeit. Allerdings haben Sie diese Zeit bereits dadurch gewonnen, dass Sie als einer der Ersten diese Kamera besessen haben. Also hält sich auch hier der vermeintliche Schaden meist in überschaubaren Grenzen.
Zur Klarstellung: Ich nehme damit keinen Hersteller für schlampige oder fehlerhafte Tests sowie mangelnde Endkontrolle in der Produktion in Schutz, denn der beim Kunden entstehende Ärger ist erheblich und kann subjektiv den Kaufpreis übersteigen. Aber der reine ökonomische Schaden bleibt bei den meisten Fotografen - inklusive Berufsfotografen - in der überwiegenden Anzahl der Fälle in sehr engen und vernachlässigbaren Grenzen.
Fuß-in-der-Tür-Technik, Allmähliche Annäherung, Foot-in-the-door Technique, successive approximations
- Eine weitere Waffe im großen Marketing-Arsenal ist die Fuß-in-der-Tür-Technik, Foot-in-the-door Technique.
- Im Prinzip handelt es sich um präzise vorformulierte Ketten mit geschlossenen Fragen, welche die Forderung(en) immer höher schrauben.
- Dabei wird eine völlig banale Frage an den Anfang gestellt, die man zwangsläufig mit JA beantworten muss. Erstaunlicher Weise profitieren dann alle weiteren Fragen vom ersten JA. Manche sprechen hier auch vom Konsistenz-Prinzip (Consistency-Principle).
- Ein JA verbindet die Personen, selbst wenn der Befragte es nur aus reiner Höflichkeit gegeben hat.
- Gegen die landläufige Meinung steigert jedes weitere JA sogar noch den Zwang, auch der letzten unverschämten Forderung zu entsprechen.
- Die Gründe liegen in der Selbstwahrnehmungstheorie sowie der Dissonanztheorie.
- Menschen versuchen Spannungen zu vermeiden (z.B. ein klares Nein, oder: Ja, aber..., oder:
hm, da kann man verschiedener Meinung sein
).
- D.h.: Sobald Sie solch eine geschlossene Ja-Fragen-Kette erkennen, müssen Sie möglichst früh aussteigen. Machen Sie es einfach einmal als Rollenspiel. Die meisten Fragenden kommen dann ins Schleudern. Der Zwangs-Effekt zerstört sich dann selbst.
- Kurzfassung: Ein NEIN befreit. Aber Nein zu sagen, ist für sozialisierte (= angepasste) Erwachsene schwer.
- Um es klar festzuhalten: Wer solche Tricks anwendet, meint es nicht gut mit Ihnen. So einen Berater benötigen Sie auf keinen Fall.
- Es handelt sich hier um eine einstudierte negative Verhandlungstechnik, mit einem klaren Opfer.
- Schlau umdrehen kann man die Situation so:
Oh, interessant, Sie verwenden die Fuß-in-der-Tür-Technik
- Sprechen Sie dies an und weisen Sie auf das neutrale Harvard-Konzept hin: Ich denke, wir sollten hingegen mit dem Harvard-Konzept eine Win-Win-Situation für alle (uns beide) anstreben.
- Das war es schon. Denn die wenigsten derartigen Trick-Künstler kennen sich in der Psychologie wirklich aus. Aber jetzt haben Sie den Spieß umgedreht und sind in die Position des Fragenden gelangt. Und wer will keine Win-Win-Situation? Jetzt muss der Verkäufer Ja sagen oder sich als Trickser bloßstellen.
- Denken Sie daran: Wer fragt führt. Wer immer nur mit JA antworten darf, wird an der Nase herumgeführt, wie ein willenloses Stück Vieh. Und, um noch ein Argument darauf zu setzten: Sie glauben gar nicht, wie lächerlich Sie sich für einen außenstehenden neutralen Betrachter mit dem ständigen JA-Sagen machen.
- Eine weitere Technik, diesen teuflischen Fragekreis jener geschlossenen Fragen zu unterbrechen, liegt in der Rückfrage mit gespielter Einfältigkeit:
Ich bedaure, aber ich verstehe Ihre Frage nicht.
- Gleichgültig wie, aber Sie müssen auf jeden Fall Ihre eigene Schallplattennadel aus der zwanghaften JA-Rille führen.
Tür-ins-Gesicht-Technik, Door-in-the-face technique
- Der gegenteilige Trick besteht in der Tür-ins-Gesicht-Technik, Door-in-the-face technique.
- Eine auf den ersten Blick als Eigentor aussehende Technik hat verblüffende Wirkungen.
- Der Fragenden provoziert mit einer extremen Forderung ein Nein als erste Antwort, um ein Ja auf die zweite Frage nach einer geringeren Forderung zu erhalten. (
Kaufen Sie eine Hasselblad für 50.000 Euro!
- Nein - Ok. Dann aber wenigsten eine Vollformat-Kamera für 4.000!
)
- Neben Reziprozitätsnorm, welche den Kunden nach einem Nein zur Hilfe nötigt, wird hier vor allem das Kontrastprinzip verwendet: Extreme Forderung gegenüber einer gemäßigten.
- Nach dem Nein machen sehr viele Menschen bei dem zweiten Anlauf eine Konzession und stimmen zu.
Umgebungseinflüsse, Environment Effect, Verkaufsort
- Der Verkaufsraum spielt eine Rolle bei der Kaufentscheidung. Je höher der Erinnerungswert an Erlebtes resp. je hoher die Ähnlichkeit zum Anwendungsraum der Fotografie, desto eher wird gekauft. Eine Verkaufsveranstaltung in einem Fotostudio hat auf Studiofotografen erheblichen Einfluss. Ebenso eine Verkaufsveranstaltung in einem Naturpark für Landschaftsfotografen.
- Auch die Wärme kann Einfluss auf das Kaufverhalten haben, da Wärme eher positive Gefühle weckt als Kälte.
- Inzwischen werden auch Musik (Muzak, Elevator music) und Duftmarketing im Fotobereich zur Kundenbeeinflussung verwendet, da z.B. olfaktorische Reize direkt ins limbische System gelangen. Auch der Hippocampus - das Erinnerungszentrum - wird dadurch beeinflusst. Düfte können bewusst wahrnehmbar oder auch unterschwellig eingesetzt werden. Im letzteren Fall wirkt es, ohne dass der Kunde es bemerkt.
Assoziationen evozieren: Fotografisches Können, Künstler und Profis
- Kameras werden teilweise auch mit den Assoziationen auf künstlerischen Erfolg verkauft, den man als Besitzer zukünftig damit erzielen kann. Konkret werden die Bilder von exakt für diese Werbefotos bezahlten Starfotografen daneben gestellt, die faszinierende Aufnahmen bis hin zu zeitlosen Kunstwerken geschaffen haben.
- Halt, Stopp: Die Kamera hat in der Regel keinen Einfluss auf das künstlerische Schaffen des Fotografen. D.h. die meisten Menschen werden durch den reinen Erwerb der Kamera X keine dieser Fotos machen können.
- Hinzu kommen ganz banale Dinge, wie technisches Wissen, handwerklich-fotografisches Können, Gestaltungsregeln, viel Zeit, viel Geld für die Reisen, um an den richtigen Ort zu gelangen, und das Recht, Zutritt zu den Ereignissen zu erhalten. Richtig gelesen: Die meisten normalen Fotografen erhalten niemals Zutritt zu den Orten, an denen viele dieser Fotos gemacht wurden.
- Im Übrigen wurde schon des Öfteren nachgewiesen, dass viele dieser assoziativen Werbe-Fotos überhaupt nicht mit den zum Verkauf beworbenen Kameras gemacht wurden. Dafür musste sich schon so manche Firma kleinlaut entschuldigen oder wurde abgemahnt resp. verklagt.
- Ganz nebenbei: Fragen Sie doch einmal nach den Objektiven, mit denen diese Aufnahmen gemacht wurden. Entweder handelt es sich um alte manuell einzustellende Objektive oder sündhafte teure, seltene, moderne Festbrennweiten, Zooms und schwere Teleobjektive. So eine komplette Ausrüstung kostet durchaus 50.000 Euro oder mehr. Dagegen ist der Preis einer Kamera in der Tat vernachlässigbar. Letzteres ist auch der Grund, warum derartige Profis meist mehrere verschiedene Kameras für Ihre Systeme besitzen.
- Fazit: Keine Kamera macht aus dem Käufer einen besseren Fotografen. Sie macht noch nicht einmal automatisch gute Fotos. Das muss jeder Fotograf selbst tun. - Jede Kamera ist ganz prosaisch ein Werkzeug, wie ein Meißel. Man muss die Skulptur schon selbst aus dem unbehauenen Marmorblock herausarbeiten, damit am Ende ein bewundertes Kunstwerk entsteht.
Exklusivität
- Das Evozieren von Exklusivität, Elite: Wenn Hersteller behaupten, ihre Produkte wären nur für Profis, Künstler, nur für die Wenigen, den ganz besonders anspruchsvollen Fotografen, die Besten, die (zu Recht) Stolzen, die Elite etc., dann sprechen sie gezielt den Wunsch vieler Menschen an, dazugehören zu wollen zu jener angeblich exklusiven Gruppe.
- Die Grundlagen reichen vom alten Wunsch nach Zugehörigkeit, über Minderwertigkeitsgefühle, Streben nach Anerkennung, Ansehen, Ruhm etc. bis hinzu elitärem Denken.
- Halt, Stopp: Die Zugehörigkeit zu Eliten oder auch nur Exklusivität kann man sich nicht erkaufen, zumindest nicht durch die Anschaffung einer Kamera. Selbst mit Echtgold vergoldete Kameras werden in Stückzahlen hergestellt, die keineswegs exklusiv sind.
- Eine kleine Anekdote über Eliten in meiner Heimatstadt: Hier existieren verschiedene - feine - Abstufungen der Zugehörigkeit zur Bürgerschaft:
- Man muss hier wohnen.
- Man muss links des Rheines, in der Altstadt, leben.
- Man muss hier geboren sein.
- Man muss links des Rheines in einem alten Krankenhaus in der Altstadt zur Welt gekommen sein.
- Man muss bestimmte Schulen besucht haben.
- Man muss mindestens drei Generationen an Vorfahren auf dem städtischen Friedhof liegen haben.
- Man muss die städtische Bürgerurkunde persönlich aus der Hand des jeweils amtierenden Oberbürgermeisters erhalten haben.
- Als ich einer alteingesessenen Dame dies alles der Reihe nach bejahen konnte, kam die herablassende Frage:
Und sind Ihre Vorfahren auch in der Riechentalchronik (1414-1418) namentlich erwähnt?
- Bereits mein kurzes Zögern reichte aus: Dann gehören Sie nicht dazu!
- So sind Eliten. Aber die Zugehörigkeit oder die angebliche Nichtzugehörigkeit änderte weder etwas an meinem Leben, noch ändert es etwas an Ihrer Fotografie.
- Als dem berühmten Schauspieler Groucho Marx die höchste Ehre widerfuhr, in einem der exklusivsten Clubs der USA aufgenommen zu werden, soll er geantwortet haben:
Ich möchte nicht Mitglied in einem Club werden, der solche Leute wie mich aufnimmt.
- Da ist wahre Exklusivität.
Kleine Makel eingestehen und auf die Qualität abzielen
- Hohe, höchste, optimale ... Qualität, Qualitätskontrolle und Fehlerbeseitigung: Die Hersteller werben immer wieder damit, bekannte Fehler (meist eher kleine Makel) nun beseitigt und die Qualität erhöht zu haben.
- Im Grunde ist das die Folge der weitgehenden Unglaubwürdigkeit der Werbebranche: Man kehrt nun den Angriff um und weist sogar selbst auf eigene (kleine) Fehler hin, die man aber inzwischen komplett beseitigt hat. - Man will so wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen.
- Halt, Stopp: Auf große existente Fehler wird in der Werbung nie hingewiesen. Diese finden sich inzwischen jedoch zunehmend bei vielen Neuprodukten, weil diese firmenseitig kaum mehr getestet werden.
- Vor allem die in der Werbung hoch gelobte Qualitätssicherung scheint in vielen Firmen kaum mehr existent. Nur so lassen sich die riesigen Serienstreuungen erklären.
Positionierung und Repositionierung
Manche Analytiker nennen diesen Punkt auch Branding oder Markenbildung, obwohl dazu noch mehr erforderlich ist.
- Die (Re-) Positionierung der eigenen Marke oder eines Produktes im Wettbewerbsumfeld verändert den gesamten Markt.
- Hierbei wird ein vorhandenes Problem erkannt und angesprochen, oder sogar ein nicht vorhandenes Problem erst erzeugt, um danach dafür eine Lösung als eigenen (Mehr-) Wert dem Kunden anzubieten.
- Das Ziel ist die
totale Marktbeherrschung
, indem man die Konkurrenz irrelevant macht und sie somit aus der Betrachtung entfernt
(Die martialische Sprache entspricht englischen Originalzitaten aus dem US-Marketing).
- Indem ein Hersteller z.B. behauptet, er kümmere sich (besonders) um die Kundenwünsche, platziert er sich im Kundendenken als positiv in die quasi oberste (Qualitäts-) Schublade und ordnet im Kundendenken alle anderen Firmen gleichzeitig als die Kundenwünsche ignorierende Firmen ein.
- Ferner lassen sich bereits von der Konkurrenz besetzte Schubladen nur schwer im Denken des Kunden erobern, indem man behauptet, man wäre in diesem Punkt gleich oder besser. Deshalb suchen die Marketing-Abteilungen Lücken sowie noch unbesetzte Flächen und öffnen dann gerne eine neue Schublade im Kundendenken (
die beste Anschaffung für diesen Zweck
) - gleichgültig wie abwegig diese Kategorie auch für die praktische Fotografie ist.
- Hat man die (Kommunikations-) Lücke gefunden, dann wird
- dafür ein Name kreiert,
- der Rahmen (u.a. Zielgruppe) abgesteckt sowie
- festgelegt, von wem es wofür (angeblich bereits) benutzt wird, und
- es von den (selbstredend) dafür weniger geeigneten Produkten der Mitbewerber abgegrenzt.
- Letztendlich wird hierdurch die sachliche Kundenbearbeitung mit vielen Produkt-Fakten durch einen einzigen Kaufgrund in der Werbebotschaft ersetzt.
- Der Hintergrund liegt im menschlichen Denken und Abspeichern, das meist nicht so viele Schubladen und Zwischenschattierungen vorhält, Komplexität vermeidet und vor allem häufig in plus/minus, positiv/negativ kategorisiert. D.h.: Wenn der Kunde einen Hersteller, eine Kamera etc. als positiv bewertet, rutscht meist automatisch der Rest in der Skala herunter, oder sofort in die Schublade
ungeeignet
. Dies kann generell gelten oder bezüglich bestimmter Einzel-Qualifikationen.
- Manche Wissenschaftler begründen dieses menschliche Verhalten auch mit einer angeblich begrenzten Speicherkapazität des menschlichen Gehirns. Letzteres ist jedoch umstritten. Es könnte auch sein, dass wir aufgrund der Erblast auch heute noch glauben, dass uns einfache Einteilungen das Leben oft erleichtern. Letztendlich werden viele (komplexe) Entscheidungen zu solchen schnell beantwortbaren Fragen eingedampft.
- Wie dem auch sei. Fragen Sie sich zumindest zwei Dinge:
- Kann die Behauptung überhaupt zutreffen? - So kann das obige Beispiel der Kundenorientierung ins Märchenland verwiesen werden, da keine Firma völlig abgehoben am Markt (den Kundenmeinungen) existieren könnte. Allerdings hört auch keine Firma auf alle Kundenwünsche.
- Ist die Behauptung für mich relevant? - Meist sucht sich jede Firma ein Spezialgebiet heraus, auf dem sie angeblich Marktführer etc. sei. Im Fotobereich sind dies jedoch nicht selten merkwürdige Dinge, welche die Mehrheit der Fotografen kaum betreffen. Ist es z.B. für Ihre tägliche Fotografie wirklich relevant, dass diese Kamera, oder das Objektiv etc. bereits in der Weltraumstation xyz zum Einsatz kam und somit angeblich weltraumerprobt ist?
- Ein klassisches Beispiel, das sich bei vielen Fotografen über jede Kritik erhaben bereits als fotografisches Naturgesetz verinnerlicht hat, ist das sogenannte Porträt-Objektiv. Als ob man mit anderen Objektiven keine Personen fotografieren könnte.
- Ein weiteres Beispiel extremer Neu-Positionierung und gleichzeitiger Re-Positionierung der Mitbewerber war die Entwicklung sogenannter Outdoor-Kameras.
- Plötzlich stellten Menschen tatsächlich die Frage, ob man mit allen anderen Kameras nur indoor - also im Zimmer und Studio - fotografieren könnte.
- Hier wird besonders deutlich, wie irrsinnig solche Behauptungen und wie folgenreich deren Wirkungen sind: Bereits in den 175 Jahren der Fotografiegeschichte davor hatten Millionen Fotografen im Freien unter widrigsten Umständen in Wüsten, Tropen, der Arktis und im Hochgebirge wunderbare Aufnahmen gemacht.
- Ein anderes Beispiel der Neu-Positionierung und gleichzeitiger Re-Positionierung der Mitbewerber war die Entwicklung sogenannter Action-Cams: Foto- aber besonders Filmkameras, die für sportliche Ereignisse angeblich prädestiniert sein sollen.
- Und in der Tat kauften Hunderttausende solche Kameras, weil in deren Denken alle anderen Kameras nun in die Rubrik der
lahmen Enten
resp. unsportlich
verschoben wurden.
- In die letzte Kategorie fielen plötzlich auch Profikameras für 6.000 Euro und mehr, die 12 und mehr gestochen scharfe Fotos je Sekunde mit perfekter Autofokusnachführung erzeugten, und Videocams mit bis zu 60 Bilder je Sekunde bei Filmen (manche sogar über 120 Bilder je Sekunde) - und das alles unter den extremsten klimatischen sowie sonstigen Rahmenbedingungen. Deshalb fanden jene Geräte immer bei (Extrem-) Sportarten Verwendung.
- Erst nach Jahren brach dieser künstlich erzeugte Markt der Action-Cams 2015 wieder ein.
- Alle Beispiele zeigen, wie anfällig Menschen in ihrer ständigen Suche nach Neuem auf so eine Neu-Positionierung reagieren - gleichgültig wie unsinnig die Behauptungen sind.
Steuerung von Glauben, Wünschen und Verhalten
- Der derzeitige Glaube beeinflusst die Wünsche und damit das aktuelle handeln. Wer glaubt, dass es wichtig ist (z.B.: weil alle es tun), Einzelaufnahmen zu erstellen, wird sich für die Fotografie interessieren und letztendlich eine Fotokamera kaufen.
- Auch früher gab es bereits Filmkameras. Aber es handelte sich um andere Geräte, andere Personen etc., denn auch die Erstellung der Filme war anders. Ohne Fotografen zu nahe treten zu wollen, kann es zwar hilfreich sein, etwas aus dem Filmbereich zu wissen. Aber man wird dadurch nicht automatisch zum guten Filmer - selbst, wenn man herausragende Fotos machen kann. Die Bereiche waren und sind sehr unterschiedlich. Genannt sei nur ein Beispiel: Während viele Fotografen oft lange nach der einen, optimalen Perspektive suchen, leben Filme vom ständigen Perspektivenwechsel. Zählen Sie im nächsten Fernsehfilm einmal die Perspektivenwechsel. Sie werden erstaunt sein.
- Dennoch gelang es der gesamten Foto-Branche über die letzten Jahre, den Glauben der Fotografen, damit langsam deren Wünsche und zunehmend auch deren daraus folgende Kaufverhalten zu verändern, indem sie postulierten, Video (das Bewegtbild) sei wichtig und sogar die Zukunft der Fotografie.
- Selbstredend bieten alle Foto-Kameras heute umfassende Video-Funktionen, und manche Fotografen nutzen dies auch manchmal, aber insgesamt eher selten und dann auf einem eher dokumentarischen und technisch sowie künstlerisch anspruchslosen Niveau. Von den Herausforderungen der optimalen Video-Nachbearbeitung ganz zu schweigen. Dennoch machen viele Fotografen inzwischen ihre Kaufentscheidung für eine Foto-Kamera von den selten oder nie benutzen Video-Funktionen abhängig.
- Hier gelang es den Marketing-Abteilungen, einen angeblichen Mehr-Wert in Fotokameras zu implementieren, den de facto kaum ein Fotograf in der Praxis benötigt, und der sogar mit preiswerteren spezifischen Video-Kameras billiger sowie in der Filmpraxis leichter erzielt werden kann.
Rabatt, Ausverkauf, Schlussverkauf, Räumungsverkauf, Preisnachlass, reduziert, Vorteilspackung, Vorteil...
- Diese Worte haben einen besonderen Effekt, der jede Logik außer Kraft setzt.
- In zahlreichen Versuchen wurde bereits nachgewiesen, dass Menschen Waren zu völlig überhöhten Preisen erstanden, nur, weil darüber eines dieser Worte stand.
- Die Erklärungsversuche dazu sind komplex. Deshalb bleibt nur zur Vorsicht zu raten, wann immer Sie solch ein Wort hören oder lesen. Auch ehrliche Verkäufer dürfen diese Worte heute ziemlich willkürlich verwenden.
Es finden sich noch zahlreiche weitere psychologische Tricks und Kniffe. Wer sich dafür interessiert, kann z.B. bei List of cognitive biases oder Psychology48.com nachlesen.
Allerdings streiten auch im Marketing oft verschiedene Meinungen um die aus Sicht des Herstellers optimalste Lösung. D.h. offensichtlich hat man noch keinen perfekten Weg gefunden, alle Kunden zu willenlosen Käufern zu machen.
Fakten
Emotion oder Vernunft
- Alle diese geschilderten Effekte / Tricks funktionieren nicht oder zumindest wesentlich schlechter, sobald Sie einmal Luft holen und Ihren Verstand einsetzen.
- Man kann sich jedoch nie ganz oder völlig der Marketing-Psychologie entziehen. Ganz im Gegenteil finde ich es sogar reizvoll, immer wieder zu erkennen, wie und mit welchen Mitteln die andere Seite versucht, mich einzufangen. Sehen Sie es als (Rollen-) Spiel. Sobald Sie die Rolle des Kunden - unter Einschaltung Ihres Verstandes - bewusst spielen, macht das sogar Spaß. Letztendlich müssen das Marketing und die Verkäufer nämlich die schwierigere Rolle übernehmen, denn Sie besitzen als Kunden das Recht, jederzeit zum Gamechanger / Spielverderber werden zu können.
- Tipp: Viele Menschen spüren es, wenn sie über den Tisch gezogen werden sollen. Sie haben ein ungutes Gefühl bei der Sache. Man muss die dahinterstehenden Mechanismen folglich nicht unbedingt (er)kennen. Oft reicht es dann auch aus, noch einmal über die Entscheidung zu schlafen. - Manchmal ist der kurzfristige Rückzug die beste Lösung.
- Emotionale Entscheidungen variieren mit den Produkten. - Rationale Entscheidungen variieren mit den Umständen).
- Kaufentscheidungen verändern sich mit äußeren Einflüssen / Umständen: Kinder und Urlaub sowie Ersatz für eine defekte / alte Kamera sind z.B. klassische Motive / Anlässe zum Kauf einer Kamera.
- D.h. rationale und emotionale Einflüsse und Entscheidungen überlagern und beeinflussen sich ständig. Dies macht die Trennung noch schwieriger, weil man fast immer ein Beispiel dafür finden kann, dass es sich beim Kamerakauf um eine rationale Entscheidung handelt.
- Wenn jemand ständig die Uhrzeit benötigt, legt er sich eine Uhr zu. Da jedoch alle Uhren heute die Zeit ziemlich genau anzeigen, wird die rationale Unterscheidung für den Kauf schwierig. Also treten Emotionen in den Vordergrund. Auch auf die Gefahr hin, nun wieder angegriffen zu werden. Moderne Kameras ähneln Uhren sehr. Als Ergebnis erhält der Nutzer mit allen Modellen ein weitgehend identisches Abbild, das er in den meisten Fällen weder am Monitor noch als Ausdruck einer bestimmten Kamera zuordnen kann. Folglich spielen auch hier emotionale Faktoren eine erhebliche Rolle für die Kaufentscheidung.
- Wer sich bei Nobelpreisträgern informieren will, findet im Buch Phishing for Phools aufgezeigt, wie die Firmen mit der analysierten Dummheit der Käufer gezielt spielen und Profit daraus schlagen. Hier das englische Buch bei Amazon und hier die deutsche Variante.
Ein englischer Offizier wurde von einem typischen deutschen Reporter befragt, wie er denn den desaströsen Zustand seiner veralteten Waffen sähe. Jener gab die beeindruckende Antwort: Man kann auch mit einer alten, rostigen Pfanne eine gute Mahlzeit zubereiten.
Der Reporter verstand diese Erwiderung nicht. Typisch
finde ich diese Aussage und die Reaktion deshalb, weil die Deutschen generell als übertrieben technikorientiert gelten und weil die Engländer trotz allem immerhin zwei Weltkriege gegen technisch überlegene Gegner gewannen. Ohne Zweifel waren die Umstände hochkomplex. Wirtschaftswissenschaftler, Historiker, Militärwissenschaftler etc. haben dazu tausende Werke verfasst. Aber letztendlich geht es darum, dass die Engländer andere Fähigkeiten und Ressourcen einsetzen, um die technische Überlegenheit der Anderen auszugleichen und sogar zu überwinden.
Übersetzt in das friedliche Hobby oder den Beruf Fotografie heißt dies, dass es ganz offensichtlich auch einen anderen Weg geben kann, um gute Fotos herzustellen, als ständig die neueste Kamera zu kaufen.
Bewertete Reihenfolge der Einflussfaktoren bei Empfehlungen
Zahlreiche Untersuchungen haben herausgefunden, wie sehr sich die meisten Kunden beeinflussen lassen. Die Einflussfaktoren wurden dann zunehmend gewichtet und ergeben die heute meist verwendete Reihenfolge:
- Eigene Erfahrung (positive wie negative mit einem ähnlichen Produkt, der Marke etc.)
- Empfehlungen eines Freundes oder einer vertrauten Person
- Fotomesse / Ausstellung mit persönlichem Kurz-Test der Kameras
- Pressebericht
- Kundenrezensionen im Internet
- Fachberatung im Geschäft
- Werbeprospekt / Wurfsendung
Achten Sie beim nächsten Mal darauf, aus welcher Quelle die Information stammt und wie Sie darauf reagieren. Und dann stellen Sie sich die Fragen: Wie wirkt dies auf mich? und: Warum reagiere ich so?
Kriminalfälle lösen
- Vor vielen Jahren fiel mir auf, dass ich Kriminalfilme viel leichter lösen konnte, wenn ich zwischendrin eine (Fernseh- etc.) Pause einlegte, in die Küche ging, mir in aller Ruhe ein Eis oder ein Stück Kuchen holte und über die bisherigen Fakten nachdachte. In über 90% aller Fälle konnte ich so treffsicher die Täter und meist sogar das Motiv ermitteln. Das Problem liegt nämlich nicht in der mangelnden Information, sondern im Übermaß. Alle Personen, welche kontinuierlich am Fall blieben, wurden ständig mit weiteren (sinnlosen) Informationen bombardiert, ohne Zeit zu erhalten, um sie bewerten zu können.
- Ähnlich verläuft es in der Werbung. Sie werden bombardiert mit völlig überflüssigen angeblich wissenschaftlichen Fakten. Ein Beispiel: Die Gesamt-Anzahl der Pixel auf dem Sensor von 22.123.234 und den tatsächlich davon verwendeten Pixeln mit 20.467.196. Der erste Wert ist völlig überflüssig und der zweite übergenau, da sowieso jeder nur noch auf Millionen rundet. Pseudo-Wissenschaftlichkeit als Mittel zur Verwirrung - und gleichzeitig zum Beeindrucken: Wer es so genau nimmt, der hat nichts zu verbergen - dem kann man trauen. Schließlich steht es hier Schwarz auf Weiß.
- Falls Ihnen noch nicht klar sein sollte, was ich meine: Letzte Nacht regneten 36.987.258 Regentropfen auf Ihren Garten. 2.735.839 konnten nicht genutzt werden, weil sie auf Steine und Gehwege fielen. 34.251.419 Regentropfen konnten von Ihrer Blumenerde genutzt werden. -
Eigentlich wollen Sie nur wissen, ob Sie heute gießen müssen oder nicht.
P.S.: Ich kann Sie beruhigen, der Niederschlag reicht aus. Sie müssen heute nicht gießen. - Genauso ist es in der Fotografie: Jede Mega-Pixel-Anzahl moderner Fotokameras reicht völlig aus, um hochwertige Fotos zu erstellen.
- Viel wichtiger wäre heute hingegen der Pixelabstand / die Pixeldichte / die Pixelbreite (Pixelpitch). Denn daraus lässt sich die maximal nutzbare Blende errechnen. Aber exakt hierüber schweigen sich die Hersteller meist aus. Das hat seine Gründe, denn bei hohen Mega-Pixelzahlen liegt die noch nutzbare Blende heute bei F8 oder sogar deutlich darunter. D.h. man kann kaum mehr eine große Schärfentiefe / Tiefenschärfe erzielen. Weiteres Abblenden führt durch die physikalische Beugung nur zu Unschärfe.
Fragen und Antworten
- Das Marketing ist jedem einzelnen Käufer überlegen, da sich dort hunderte Spezialisten seit Jahrzehnten täglich zusammen mit weiteren tausenden externen Psychologen, Psychiatern, Medizinern, Neurologen, Wissenschaftlern, Analytikern, Beratern nur um dieses Thema kümmern. Kein einzelner Mensch kann in seinem ganzen Leben das erforderliche Wissen anhäufen, um diesem riesigen Expertenwissen Paroli zu bieten. Das Marketing und der Vertrieb der Hersteller bis hin zum geschulten Verkäufer werden immer einen Schritt voraus sein. Aber man kann den einzigen Vorteil nutzen, den die anderen nicht besitzen. Jeder kann Grundlegendes Wissen über sich selbst erarbeiten. Nur Sie selbst haben dazu direkten und relativ freien Zugang. Etwas, das alle Marketing-Fachleute gerne besäßen.
- Je mehr die Triebe und Emotionen die Kontrolle über Ihr Gehirn besitzen, desto leichtere Beute sind Sie für Betrüger. Die in der Steinzeit sinnvollen menschlichen Anlagen helfen einem in der modernen Zeit nicht mehr weiter, sondern blockieren Sie sogar.
- Wer über sich und seine Wünsche nachdenkt, muss einerseits den Verstand verwenden und drängt damit gleichzeitig andererseits die seit Jahrtausenden vorherrschenden Triebe und Emotionen etwas in den Hintergrund. Er lichtet somit den Nebel in seinem Gehirn etwas.
Zuerst muss sich ein (zukünftiger) Fotograf einmal klar darüber werden, was sein Ziel überhaupt ist:
- Der Besitz eine Kamera, um damit andere zu beeindrucken etc.
- Die Verwendung einer Kamera, um damit gelegentlich dokumentarische Aufnahmen höherer Qualität zu machen, als mit einem Smartphone.
- Die gekonnte Anwendung eines Werkzeuges, um damit ein beeindruckendes Kunstwerk zu schaffen.
- usw.
Alle diese vielen Ziele sind berechtigt und finden sich in vielen Formen überall.
- Welche Antworten Sie auch immer geben. Es bleiben Ihre Antworten. Sie müssen diese niemandem anvertrauen. Aber Sie sollten wenigstens sich gegenüber ehrlich sein. Denn dann können Sie viel Zeit und Geld sparen und dabei gleichzeitig glücklicher werden.
- Das Thema Fotografie ist bereits theoretisch hoch komplex und das praktische Fotografieren ist sehr anspruchsvoll. Wie bei einem Musikinstrument erfordert es Zeit, um es gekonnt zu beherrschen.
- Wollen Sie dies wirklich? Haben Sie regelmäßig oder sogar jeden Tag etwas Zeit, sich mit dem Thema Fotografie in irgendeiner Weise zu beschäftigen. Das kann vielfältig sein: Lesen von theoretischen oder praktischen Artikeln, Studieren von Fotos anerkannter Künstler, praktisches Arbeiten mit der Kamera, Arbeiten in der Nachbearbeitung am PC oder im Fotolabor, etc.
- Damit Sie das wirklich regelmäßig tun, bedarf es strenger Disziplin, Geduld und einer erheblichen Leidensfähigkeit, denn nicht immer wird alles sofort gelingen oder Freude bereiten.
- Sind Sie bereit, ständig weiter zu lernen? Das Thema Fotografie entwickelt sich laufend weiter, in der Tendenz sogar immer schneller.
- Haben Sie genug Zeit für die Fotografie? Wie viel genau je Tag? regelmäßig? jeden Tag? oder nur einmal die Woche oder im Monat oder im Jahr?
- Gehen Sie danach alle klassischen W-Fragen durch, die Ihnen relevant erscheinen: Wer, was, wann, wo, wie ... (weitere Fragen finden Sie im Artikel Was soll ich kaufen?).
Fazit
- Alle diese (psychologischen) Argumente für einen Kamerakauf sind verständlich und können sogar hilfreich sein. Aber sie alleine verhelfen nicht zum Ziel, gute Fotos zu machen. - Der Besitz einer guten Fotokamera hat nichts mit dem Besitz fotografischen Wissens oder dem Besitz fotografischer Erfahrung zu tun. Beides muss man sich langsam und mühsam erarbeiten.
- Der Serienkauf neuer Kamera-Ausrüstung bereichert die Hersteller, macht Sie evtl. kurzfristig froh - und hält Sie sogar langfristig mit dem ständigen Neuerlernen der Bedienung beschäftigt.
- Bereits vor fast einem Jahrhundert schrieb der Autor Traugott von Schlieben-Crosta in einem Roman einer Person das folgende sarkastische Paradoxon über die Wunscherfüllung und Glück zu, das doch Weisheit und Lebenserfahrung spiegelt:
Sie [die Person] ist nicht glücklich, ... Ein Narr konnte das sehen. Aber wie hätte sie je erwarten können, glücklich zu sein? Schließlich hatte sie bekommen, was sie haben wollte.
- Ein Amerikanisches Sprichwort lautet:
Wenn Du etwas bekommst, was Du wolltest, dann willst Du es nicht mehr
.
- Die US-amerikanische Autorin Gwen Bristow lässt ihre Protagonistin die weise Frage stellen:
Ob es immer so war, dass Dinge, nach denen man sich lange sehnte, belanglos und unwichtig wurden, wenn man sie erhielt?
Er fühlte sehr bald, daß die Befriedigung seiner Sehnsucht ihm nur ein Sandkorn jenes Berges von Glück gegeben hatte, den er von ihr erhofft. Er machte die Erfahrung, daß die Menschen, die sich das Glück als eine Erfüllung ihrer Sehnsucht vorstellen, sich von jeher in einem Irrtum befunden haben.
Leo Tolstoi, Anna Karenina.
Du bist wirklich ein glücklicher Mensch. Alles, was du liebst, hast du.
... Das kommt vielleicht daher, daß ich mich dessen freue, was ich habe, und mich um das nicht gräme, was ich nicht habe.
Leo Tolstoi, Anna Karenina.
- Eine neue Kamera wird von sich aus keine besseren Fotos machen. Das können nur Sie selbst tun.
- Zu besseren Fotos gelangen Sie nur durch eine Analyse Ihrer eigenen Fähigkeiten und Ihrer persönlichen Anwendungs-Wünsche - sowie viel fotografischer Praxis (siehe Gute Fotos machen).
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim regelmäßigen Fotografieren - und möglichst wenig Frust beim gelegentlich erforderlichen Kauf einer Kameraausrüstung.
Hilfe / Feedback
Liebe Leserinnen und Leser,
damit diese umfangreichen, kostenlosen, wissenschaftlich fundierten Informationen weiter ausgebaut werden können, bin ich für jeden Hinweis von Ihnen dankbar.
Deshalb freue ich mich über jede schriftliche Rückmeldung, Fehlerkorrekturen, Ergänzungen, Neue Informationen etc. Ihrerseits per E-Mail oder Kontakt-Formular.
Um meine Neutralität zumindest auf dem hier beschriebenen Feld der Fotografie und Videografie wahren zu können, nehme ich bewusst von keinem Hersteller, Importeur oder Vertrieb irgendwelche Zuwendungen jeglicher Art für das Verfassen der absolut unabhängigen Artikel an. Auch von Zeitschriften oder Magazinen aus dem Fotobereich erhalte ich keinerlei Zuwendungen.
Deshalb freue ich mich, wenn Sie mein unabhängiges Engagement für Sie durch einen gelegentlichen Kauf bei Amazon über die hier angegebenen Links unterstützen. Es ist gleichgültig, welches Produkt Sie über diesen Link kaufen. - Es kann auch jede andere Ware außerhalb des Fotobereiches sein. Alle Preise sind und bleiben für Sie gleich niedrig, wie wenn Sie direkt zu Amazon gehen. Aber durch Ihren Klick auf meinen Link erhalte ich evtl. Monate später eine sehr kleine prozentuale Prämie (Cents je Kauf), welche mir hilft, die hohen Kosten bei der Erstellung der Artikel zumindest teilweise zu decken. - Bitte starten Sie Ihre Einkäufe bei mir.
Herzlichen Dank an alle für Ihre bisherige Unterstützung.
Ja, ich möchte die Unabhängigkeit dieser Seite unterstützen und kaufe über diesen Link bei Amazon
Pflichtangabe: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Alle derartigen sogenannten 'bezahlten Links' zu Amazon sind farblich in Rot gekennzeichnet.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude beim Fotografieren und Filmen.