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Grundlagen vorab
Für ISO-Invarianz finden sich auch die Fachausdrücke ISO-invariante Sensoren, ISO Invariance, ISO-less Shooting, ISOless Camera, ISO-less sensor.
Das für die Fotografie wichtigere Schrot-Rauschen sowie der Unterschied zum Sensor-Rauschen wird im Artikel Sensor-Rauschen behandelt. - Kurzfassung: Falls nur wenig Licht vorhanden ist, fallen auch nur wenige Photonen auf den Kamerasensor und das sogenannte Schrot-Rauschen ist - unabhängig von der Sensortechnik - immer extrem hoch.
Dieser Artikel über ISO-Invarianz behandelt die Verringerung des Sensor-Grundrauschens (Read noise) durch ein neues Sensor-Design und die Auswirkungen der dadurch erzielten höheren Dynamik auf die fotografische Praxis.
Der Sensor in der Kamera stellt im Prinzip nur einen Photonen-Zähler dar, der bei jeder Aufnahme mit jedem einzelnen seiner vielen Millionen Pixel quantisierte Lichtteilchen (wie aufschlagende Regentropfen) zählt.
Um den grundlegenden Ansatz dieses neuen Sensors zu verstehen, wird hier auf einige technische Details verzichtet, resp. einige physikalisch mathematische Feinheiten (wie z.B. Quantenphysik, Wellentransformation) werden - zugunsten der allgemeinen Verständlichkeit - vereinfacht.
Das grundlegende Verständnisproblem der meisten Fotografen bei ISO-Invarianz scheint darin zu liegen, dass man das damit mögliche Bild-Ergebnis nicht mehr sofort auf dem Kamera-Display sehen kann, sondern es erst später am PC erzeugt wird. Hinzu kommt, dass sich dadurch tatsächlich die Fotopraxis etwas ändert und mancher Fotograf dazu liebgewordene Missverständnisse nun endgültig über Bord werfen muss.
Fangen wir also ganz einfach an, indem wir uns selbst (quasi durch Drücken einer inneren Reset-Taste) auf einen Nullpunkt des fotografischen (Pseudo-) Wissens zurücksetzen.
Technik
Im Idealfall läuft bei klassischen Sensoren (vereinfacht) beim Fotografieren Folgendes ab:
Eine Fotozelle - also der lichtempfindliche Teil des Pixels auf dem Sensor - empfängt ein Photon (ein Lichtteilchen). Dadurch wird die Fotozelle zur Abgabe je eines Elektrons je eintreffenden Photons angeregt.
Nach der gesamten Belichtung werden die einzelnen so erzeugten Elektronen zu einer Gesamt-Voltzahl zusammengefasst, welche der Anzahl aller auf diesem Pixel eingetroffenen Photonen entspricht.
Je nach ISO-Einstellung der Kamera wird diese Voltzahl dann verstärkt (ISO gain - Der Ursprungswert der Belichtung wird mit einer vorgewählten Konstanten je ISO-Auswahl multipliziert).
Danach wird diese Zahl in einem Analog-Digital-Wandler digitalisiert.
Dieser digitale Wert für jeden einzelnen Pixel wird in den RAW-Dateien abgespeichert. - Manche nennen diese Einzelwerte analog-to-digital units = ADU, oder data numbers = DN, oder den Roh-Wert des Pixels.
Diese Reihenfolge war früher wichtig, denn ältere Sensoren besitzen einen hohes Sensor-Grundrauschen sowie eine eingeschränkte Dynamik und erfordern deshalb eine kamerainterne Signalanhebung, um überhaupt gute Bilder zu produzieren. Vor allem in dunklen / schattigen Partien lag das Rauschen fast so hoch wie das Signal, sodass man das Signal deutlich verstärken musste, um es überhaupt zu erkennen. Verstärkt man das Signal, wird jedoch auch das Grundrauschen angehoben, wenn auch weniger stark.
Das hohe Grundrauschen der klassischen Sensoren führte zu Problemen besonders in den dunklen Tönen und machte eine generelle Signalverstärkung erforderlich, damit man das Signal in jenen dunklen Bereichen überhaupt sinnvoll auswerten konnte.
Blau: Signalstärke je Blendenwert, Lichtwert, EV. - Rot: Sensor-Grund-Rauschen.
In diesem Beispielbild wird das Rauschen je Lichtwert des Dynamikumfanges (eines sehr alten Sensors) von nur 9 Blenden symbolhaft gezeigt. Während man mit dem Rauschen in den hellen Tönen ganz rechts leben kann, sind die dunklen Bildteilen links im Diagramm extrem verrauscht.
Effekt der ISO-Invarianz
Sehr moderne Sensoren setzen jedoch diese früher nachgelagerte Analog-Digital-Wandlung direkt in den Sensor und rücken sie somit eine Stufe nach vorne - vor die ISO-abhängige Verstärkung.
In jeder Entwicklungs-Stufe entsteht Sensor-Rauschen (read noise). Dieses erhöht sich mit der Summe der Quadrate zum Gesamtrauschen. Deshalb hat jeder Einzeleffekt eine massive Auswirkung auf das Gesamt-Sensor-Grundrauschen. In der Folge kann die Anordnung der einzelnen Stufen einen Einfluss auf die Dynamik und somit den letztendlich sichtbaren Teil des Rauschens haben. Dies gilt vor allem dann, wenn, wie in dem Fall der neuen Sensoren, das Sensor-Grundrauschen sehr gering und somit die Dynamik groß ist, weil man das eingehende (Licht-/Foto-) Signal kaum verstärken muss. Ferner scheint bei neuen Sensoren die Analog-Digital-Wandler-Komponente ein deutlich geringeres Eigenrauschen zu erzeugen als früher. Deshalb kann man sie nun vor die eigentliche Verstärkung setzen. Früher hätten die alten Wandler dort ein starkes Eigen-Rauschen eingebracht, das ebenfalls (aber im Quadrat) verstärkt worden wäre und die Bildqualität erheblich herabgesetzt hätte.
Da der letzte Teil relativ komplex war, nochmals im Detail:
Mit Dynamik meint man den Umfang der aufzeichenbaren Blendenwerte, Lichtwerte, EV.
Sensor-Grundrauschen und Dynamik hängen eng miteinander zusammen.
Je höher das Sensor-Grund-Rauschen, umso geringer die Dynamik.
Je geringer das Sensor-Grund-Rauschen, umso höher die Dynamik. D.h. es können weit mehr Lichtwerte zwischen ganz Dunkel und ganz Hell aufgezeichnet werden.
ISO-Invarianz bedeutet in der fotografischen Praxis, dass das mess- und sichtbare Grundrauschen des Sensors im Bild sehr gering ist. Dies betrifft besonders die Schatten und teilweise auch die mittleren Töne.
Dies wird auch dadurch erzielt, dass die Wandlung der analogen Signale in digitale (analog-to-digital-circuitry = ADC) bei diesen neuen Sensoren direkt auf dem Sensor (salopp ausgedrückt: direkt bei jedem Pixel) geschieht und nicht - wie früher - in einen nachgelagerten Computer-Chip / Prozess.
Da die Sache komplex ist, nochmals im Detail:
Das Grundrauschen der modernen Sensoren ist gering.
Weil das Grundrauschen so gering ist, kann man die obigen kamerainternen Entwicklungsschritte (3. und 4.) im Sensor vertauschen.
Dadurch, dass man diese obigen Entwicklungsschritte (3. und 4.) im Sensor vertauscht, wird das Sensor-Rauschen nochmals geringer.
Ein weiterer Grund des insgesamt geringeren Rauschens könnte auch in der Erhöhung der Quanteneffizienz (quantum efficiency, QE) der modernen Sensoren zu liegen. Während früher oft nur 20-50% der auf die gesamte Sensorfläche einschlagenden Photonen überhaupt in Elektronen umgewandelt werden konnten, kann man heute teilweise sogar über 60% Effizienz erreichen. (sensorgen - Englisch). Auch dies hat Auswirkungen vor allem in den dunklen Partien, weil sich dann dort sofort und deutlich der Rausch-Signal-Abstand - also das Verhältnis zwischen störendem Rauschen und gewünschtem Lichtsignal - verbessert.
Der Analog-Digital-Wandler rückt eine Stufe nach links auf 3. Die ISO-Aufhellung liegt nun auf 4. Aber sie geht nur noch als reiner Zahlenwert in die RAW-Datei ein. De facto wird für RAW-Dateien nichts mehr verstärkt. Eine kamerainterne reale Signalverstärkung tritt nur noch für JPEG-Dateien ein.
Belichtung, exposure
Hier finden sich viele Missverständnisse, welche erst ausgeräumt werden müssen, bevor man die Vorteile und Grenzen der ISO-Varianz verstehen kann.
Sie stellen an einer ganz speziellen Kamera mit einer ganz spezifischen Sensorgröße und ganz speziellen Sensoreigenschaften (z.B. Lichtempfindlichkeit der einzelnen Pixel) die Belichtungsdaten ein: Sie wählen die Blende und die Belichtungszeit. Das ist die Belichtung (exposure).
Die Belichtung legt somit fest, wie viel Licht auf eine bestimmte (Sensor-) Fläche fällt.
Die Belichtung hat nichts mit der ISO-Zahl zu tun.
Die ISO-Einstellung an der Kamera führt nur dazu, dass der oben genannte ISO-gain - nachträglich: also nach der Belichtung - das Bild aufhellt.
Allerdings wird überall von Belichtung gesprochen und geschrieben, wenn man im Grunde Aufhellung / Bild-Helligkeit meint. Dies gilt insbesondere für Software, wo sogar in Lightroom und Adobe Camera RAW (ACR) der Helligkeitsregler Belichtung heißt. Aber dieser Schieberegler ändert nur die Bildhelligkeit. - Oder können Sie damit nachträglich z.B. die Blende oder die Belichtungszeit, die Schärfentiefe (=Tiefenschärfe) oder die Sensorgröße verändern?
Zusammenfassend:
Die Belichtung exposure wird vor dem Auslösen / Schießen des Fotos festgelegt.
Die für den Fotografen wahrnehmbare Bildhelligkeit wird irgendwann danach festgelegt.
Deshalb halte ich das Englische Wort ISO gain (deutsch: oft als Gewinn übersetzt und auch von englischen Muttersprachlern oft missverstanden, technisch jedoch auch: Signalverstärkung) für etwas irreführend. Besser wäre es, man würde von Aufhellfaktor sprechen.
Eine irgendwie geartete Aufhellung ist immer notwendig, da sich alle Sensoren in der Größe (Fläche die beschienen wird) und in der Empfindlichkeit der einzelnen Pixel auf dem Sensor unterscheiden. Das von den Sensoren aufgenommene wenige Licht ist viel zu schwach, um daraus - ohne Verstärkung - die hell leuchtenden Anzeigen auf den Kameradisplays, auf unseren Großbildschirm-Monitoren oder die Ausbelichtungen auf 3*2 Meter zu erzeugen.
Die Frage ist nur, wann und wo diese Aufhellung (Lichtverstärkung) für den Endbetrachter erfolgt.
Neue Möglichkeiten der Bild-Aufhellung
Wenn man dies weiterdenkt, so erlaubt die ISO-Invarianz moderner Sensoren ein anderes Arbeiten in der Fotopraxis:
Man kann nun wählen zwischen einer kamerainternen (hardware-seitigen) Aufhellung des Bildes durch die nun nachgelagerte ISO-Einstellung / -Verstärkung (= Drehen am ISO-Einstellrad an der Kamera)
und einer noch späteren Aufhellung des Bildes durch die Software des Camera RAW-Konverters am PC.
D.h. im zweiten Fall umgeht man den kamerainternen ISO-Verstärker, und somit verstärkt man auch das Grundrauschen des Sensors nicht.
Der Grund liegt darin, dass die ISO-Bildaufhellung für RAW-Dateien nun nicht mehr faktisch durchgeführt wird, sondern nur noch als Zahlenwert in die RAW-Datei geschrieben wird. Nur für die JPEG-Dateien wird weiterhin kameraintern eine tatsächliche Signalverstärkung durchgeführt. D.h. die RAW-Datei enthält bei ISO-invarianten Sensoren immer die ISO-Basis-Werte des Sensors und den ISO-Aufhell-Multiplikator als Integer-Zahl. Das erklärt letztendlich auch am besten den ursprünglichen Namen ISO-invariant: Gleichgültig, was der Fotograf am ISO-Rad einstellt, es werden die ISO-Basis-Werte (bei vielen Kameras meist ISO 100) geschrieben und dazu nur vermerkt, was der Fotograf am ISO-Rad wählte (z.B. ISO 1.600). (Die Einschränkung ursprünglich muss deshalb hinzugefügt werden, weil dies heute für die modernsten Sensoren nicht mehr gilt. Siehe dazu weiter unten zum Stichwort mehrfache Basen).
Der Ausdruck Invarianz stammt u.a. aus der Mathematik, wo er sich nicht verändernde Größen bezeichnet. Manche erinnern sich z.B. noch an die Geometrie, wo als einfaches Beispiel die Summe der Winkel in einem Dreieck oder Viereck immer gleich bleibt. - Exakt aus diesem Grund haben damals die Forscher und Techniker bei der Entwicklung jener Sensoren den Begriff ISO-invariant verwendet. Die von der Kamera / dem Sensor / dem Prozessor verwendete ISO-Zahl ändert sich nicht - gleichgültig, was der Fotograf in den Menüs oder auf dem ISO-Wählrad manuell einstellt.
Mit älteren Sensoren hätte man theoretisch zwar auch so arbeiten können: Ein Foto mit ISO 100 aufnehmen, statt mit ISO 1.600. Aber bei einer nachträglichen Aufhellung am PC um z.B. + 4 EV / Lichtwerte / Blenden wäre das Bildrauschen unübersehbar gewesen.
Das geringe Grundrauschen der modernen Sensoren stellt auch in den dunklen Tönen kein Problem dar und macht keine generelle / frühe (kamerainterne) Signalverstärkung erforderlich. Auch in den dunklen Bereichen sind Details noch unterscheidbar und können ausgewertet werden.
Blau: Signalstärke je Blendenwert, Lichtwert, EV. - Rot: Sensor-Grund-Rauschen.
In diesem Beispielbild wird das Rauschen je Lichtwert des Dynamikumfanges von 13 Blenden symbolhaft gezeigt. Man kann mit dem geringen Rauschen auch in den dunklen Bildteile links im Diagramm leben.
Historie und Verbreitung
Die Sensoren von Sony waren Vorreiter auf diesem Gebiet: Heute steht die A7R Mark III beispielhaft für die höhere Dynamik und gute Bildqualität.
Allerdings produzierte Sonys Sensorabteilung - inzwischen komplett als unabhängige Teilfirma ausgelagert - auch früher schon Sensoren für diverse andere Kamerahersteller, in deren Modellen diese Technik somit ebenso Eingang fand.
Nikon lieferte bereits mit der D800 eine gute Vorleistung bezüglich Dynamikumfang und Bildqualität, die sich bei der D810 nochmals deutlich steigerte und in der D850 sowie der Z 7 und Z 6 zumindest in etwa gehalten wurde. Dabei gelang es Nikon bisher fast immer, eine etwas höhere Qualität aus dem Sony-Sensor herauszukitzeln als Sony selbst. Nikon bietet auch die D750, D7200, D7500, D5500, D500 mit dieser Technologie an. Eingeschränkt: D7100. Aber die D5 als Flaggschiff scheint noch auf einem älteren Sensor-Design zu beruhen - ist folglich ISO-variant.
Canon entwickelt als einziger großer Kamera-Hersteller neben Sony noch selbst Sensoren und bot 2017/18 folgende Modelle mit dieser modernen Sensortechnik an: 80D, 200D, 760D, 750D (alle APS-C), 1D X Mark II, 5D Mark IV und neuere Modelle wie die R. Allerdings reichte deren Qualität 2017/18 noch nicht in allen Aspekten und immer an die Topmodelle der Mitbewerber. Weitere Modelle, wie die hochwertigere 90D, kamen 2019 hinzu.
Fujifilm: X-T2 und höher, X-Pro2, X-T10 und höher. Angeblich auch XT-1, X100 und XE1, sowie überhaupt alle X-Modelle. (Zu letzteren fehlen mir jedoch noch die Vergleichsbilder und Testberichte.) Alle verwenden es in einem unterschiedlichen Umfang. Am weitesten nutzen die neueren Sensoren in den neuen Kameras diese Technologie.
Olympus: OM-D E-M5 II sowie die OM-D E-M1 II und E-M10 MARK III und neuere.
Panasonic: Lumix DMC-G7, GX8, GX85, G9, GH5, GH5S und neuere.
Olympus, Panasonic und Leica verwenden für ihre Micro-Four-Thirds-Modelle eine angeblich von Panasonic entwickelte und hergestellte Technik - den Live-MOS-Sensor (LMOS), eigentlich ein NMOS-Sensor, der jedoch neben Stromsparfunktionen auch ähnliche rauschreduzierende Eigenschaften besitzt und folglich wohl auch aus derselben Basis-Technik besteht, wie die anderen ISO-Invarianten Sensoren.
Pentax: K-1. Angeblich auch K-5. (Zur letzteren fehlen mir jedoch noch die Vergleichsbilder und Testberichte.)
Falls ich Hersteller oder Kameramodelle mit ISO-invarianten Sensoren vergessen haben sollte, so melden Sie mir diese bitte per E-Mail oder Kontakt-Formular.
Man erkennt, dass inzwischen eine durchaus beachtliche Anzahl an Kameramodellen mit dieser Technologie ausgestattet ist - jedoch mit unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der damit erzielten Bildqualität. - ISO-Invarianz ist auch kein ruckartig, als große Schwelle einsetzender totaler Umbruch der Bildqualität, sondern lieferte in den letzten Jahren kontinuierlich bessere Werte in bestimmten Bereichen.
Vorteile
ISO-invariante Sensoren bieten folgende Vorteile:
Derartige moderne Sensoren können einen höheren Dynamikumfang aufzeichnen. D.h. die Spanne in Lichtwerten von der dunkelsten bis zur hellsten Stelle im Bild ist größer als bei herkömmlichen / älteren Sensoren.
Teilweise kann der ISO-Basis-Bereich um eine Stufe abgesenkt werden (ISO 64/32 sind seit 2014 möglich).
Das Rauschen in den dunkleren Bildbereichen ist generell geringer.
Vor allem das schnell störende Farbrauschen ist geringer.
Der Fotograf besitzt einen etwas größeren Spielraum für Fehlbelichtungen.
Man kann Schattenpartien leichter aufhellen, ohne dass diese Teile sofort durch sichtbar störendes Rauschen auffallen. - Dies scheint mir der Hauptnutzen in der Fotopraxis zu sein. Denn, wenn man mit einer höheren ISO-Zahl fotografieren würde, nur um die dunklen Stellen aufzuhellen, dann besäße nachher auch das gesamte Bild ein höheres Rauschen.
Man kann bei komplexen Aufnahmen mit hoher Dynamik (extreme Blenden-Spannweite vom dunkelsten bis zum hellsten Punkt im Bild) das Ausfransen der Lichter leichter verhindern. (Z.B. Aufnahmen der Sonnen-Auf- sowie -Untergänge oder Gegenlichtaufnahmen von Personen bei fälschlicherweise eingestellter Belichtungsmessung oder Gegenlichtaufnahmen in Kirchen mit lichtdurchfluteten Fenstern.
Um ausgefressene Lichter zu vermeiden, kann man etwas unterbelichten, ohne dabei nach einer Aufhellung der dunklen Bildteile allzu verrauschte Schatten zu erhalten. Eigentlich könnte man dies ein exposure to the left nennen, aber es ist ein Exposure to the right, da man die Lichter im Histogramm nach rechts ausrichtet. Dies kann z.B. bei der Nachtfotografie eine Hilfe sein, wenn sonst die Straßenbeleuchtung ausbrennt. Das Ausbrennen liegt physikalisch darin begründet, dass bei höherer ISO-Zahl die Dynamik jeder Kamera deutlich absinkt, und man so fast immer ausgefressene Lichter erhält. D.h. durch die manuelle Unterbelichtung durch eine zu tiefe ISO-Zahl (als vom Belichtungsmesser der Kamera vorgeschlagen) steigt der nutzbare Dynamikumfang der Kamera. Dadurch liegen die Lichter der Lampen wieder innerhalb des von der Kamera verwertbaren Bereiches.
Auch Aufnahmen aus der Hand können selbst bei Dämmerung und Nacht noch teilweise mit mehreren EV / Blenden / Lichtwerten Unterbelichtung durchgeführt werden.
Bei sich schnell bewegenden Motiven und gleichzeitig sich ändernden Lichtverhältnissen erlauben der höhere Dynamikumfang und das geringere Rauschen in den Schattenbereichen eine Unterbelichtung bei der Aufnahme und eine nachträgliche Korrektur, sodass man fast immer noch ein brauchbares Foto erhält. (Z.B. bei Hochzeiten im Sommer, auf denen Personen sich schnell vom Schatten in die grell scheinende Sonne im Freien bewegen (oder umgekehrt) und man in einer schnellen Reihenbildsequenz plötzlich Gegenlichtaufnahmen erhält.
In gewissen Grenzen muss man die ISO-Zahl nicht mehr hochfahren, um Aufnahmen machen zu können. Die auf der Kamera eingestellte ISO-Zahl bewirkt (cum grano salis) nur eine kamerainterne Aufhellung des Bildes. Man kann folglich mit einem ISO-Wert bei oder nahe der kameraeigenen ISO-Basis belichten und später die RAW-Datei erst am PC aufhellen, da durch den großen Dynamikumfang der Abstand des Bild-Signals zum geringen Sensor-Grundrauschen relativ groß ist. D.h. man kann manuell Blende (z.B. f2,8) und Verschlusszeit (1/1.000 Sek.) wählen sowie die ISO-Zahl beim Grundwert der Kamera belassen und erst nachträglich das Bild aufhellen. - Dies erlaubt ein völlig anderes Arbeiten in manchen Lichtsituationen mit sich z.B. schnell bewegenden Motiven.
Ein Hochschrauben der ISO-Zahl an der Kamera hat Nachteile:
Lichter werden ungewollt leichter gekappt.
Der Dynamikumfang des Sensors schrumpft mit jeder ISO-Stufe. Nicht selten fällt dies bei Vollformat-Kameras mit den neuen ISO-invarianten Sensoren nämlich in den ersten Stufen (bis ca. ISO 1.600) sogar besonders drastisch aus.
Diese Nachteile kann man bei einer Belichtung auf dem ISO-Basiswert der Kamera vermeiden.
Ein Expose to the right (ETTR) - (bewusstes Überbelichten in erlaubten Grenzen) ist nicht mehr in allen Fällen erforderlich.
Symbolisch vereinfachter Dynamikverlauf eines idealen modernen ISO-invarianten Sensors (grün) im Vergleich zu einem ebenso symbolisch vereinfachten klassischen Sensor (rot). - Bitte beachten Sie, dass die tatsächlich vorhandenen Sensoren davon im Detail jeweils deutlich abweichen können.
Die Y-Achse zeigt die Dynamik in Blendenstufen / Lichtwerten / EV, die X-Achse die ISO-Zahl.
Deutlich erkennt man einerseits den eher kurzen hohen Plateau-Verlauf mit schnellem Abbruch des ISO-invarianten Sensors, sowie andererseits den sich verengenden Abstand bei zunehmender ISO-Zahl.
D.h. moderne Sensoren bieten Vorteile vor allem im unteren ISO-Bereich.
Keine Vorteile, Einschränkungen, Übertreibungen und physikalischer Unsinn
Im Internet finden sich inzwischen zahlreiche Behauptungen zu ISO-Invarianz, welche deutlich über das Ziel hinausschießen. - Physikalische Fakten bleiben jedoch bestehen und haben weiterhin Auswirkungen auf die praktische Fotografie:
Rauschen
Die neuen ISO-invarianten Sensoren zeigen zwar ein geringeres Rauschen, können jedoch keine Wunder vollbringen.
Die Behauptung, dass man die Fotos dieser neuen Sensoren beliebig aufhellen kann, ohne dass Rauschen aufträte, ist falsch. Dies liegt bereits an der Physik des Rauschens (Lichtquanten).
Auch die Behauptung, dass man die Fotos dieser neuen Sensoren um 5 oder 6 Lichtwerte / Blenden aufhellen kann, ohne dass man Rauschen sieht, ist unzutreffend. Korrekt ist, dass man 2-3 Blenden aufhellen kann und bei manchen Kameras und manchen Bildmotiven sogar bis zu 5 Blenden. Aber man sieht es (Vergleiche z.B. die Beispielbilder der Sony Alpha 7R II). Somit ersetzen die modernen Sensoren keine korrekte (kamerainterne) Belichtungsmessung und auch keine manuelle Belichtungseinstellung durch den Fotografen.
Bisher wurden bei allen gemessenen Kameras mit derartigen Sensoren in seriösen Tests immer leichte Nachteile beim Rauschen gemessen, da die kamerainterne Helligkeitsanhebung (ISO-Zahl hochregeln) optimaler arbeitet als die nachträgliche am PC. Dies liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in den insgesamt kameraseitig ablaufenden komplexen Optimierungsprozessen, die software-seitig am PC nur schwer nachbildbar sind, weil die Kamerahersteller sich dazu ausschweigen. - Das ist schließlich deren in jahrelanger Tüftelarbeit erzielter Marktvorteil.
Es ist ferner unzutreffend, pauschal zu behaupten, dass die Anhebung der Helligkeit in Lightroom (oder ACR) exakt dasselbe Rauschen (gemeint ist die Art des Rauschens) produziert, wie wenn man in der Kamera den ISO-Wert hochgeschraubt hätte. Die Prozesse in jeder Kamera sind anders, und definitiv kann Lightroom nicht jeden Kameraprozess aller Hersteller-Modelle exakt nachbilden. Ganz im Gegenteil wählen die RAW-Konverter überwiegend eigene Algorithmen aus. Deshalb stimmen die Ergebnisse auch mit keinem anderen RAW-Konverter überein. In seriösen Tests wird letzteres erwähnt und auf den verwendeten Konverter hingewiesen. - Ferner werden RAW-Dateien als gerundete Ganzzahlwerte gespeichert und sind nur als solche von RAW-Konvertern auslesbar. Bei einer direkten Weiterverarbeitung in der Kamera wäre es zumindest theoretisch denkbar, dass der kamerainterne Prozess auf die ursprünglichen Fließkommawerte zugreift und somit genauer wäre. Mangels Veröffentlichungen der Hersteller weiß jedoch niemand genau, was kameraintern vor sich geht. Folglich sind alle Behauptungen, dass kamerainterne Prozesse gleich den nachgeschalteten am PC wären, bar jedes Beweises.
Bei extremer Helligkeitsanhebung auf dem PC kommt es auch bei modernen ISO-invarianten Sensoren an bestimmten Kontrastreichen Grenzen (ein dunkles Tal grenzt z.B. an den hellen Himmel oder an eine strahlende Wolke) nicht selten zu unschönen Halo-Effekten. Andere berichten auch von sichtbaren Muster-Störungen (Banding).
Letztendlich ist auch die Behauptung, dass man mit den neuen ISO-invarianten Sensoren zumindest in der Basis-ISO-Einstellung rauschfreie Fotos erhält, unzutreffend. Jede Kamera produziert immer Rauschen. Das wird übrigens auch in Zukunft so bleiben. Wenn Sie es nicht glauben, dann machen Sie eine Aufnahme z.B. des blauen Himmels und zoomen Sie in der Bildbearbeitung hinein. Sie werden dort bei jeder Kamera Rauschen erkennen. Und auch in den Schatten kann man Rauschen erkennen. D.h. auch bei den besten Kameras mit den besten Sensoren muss man für höchste Bildqualität nachträgliche Rausch-Korrekturen anbringen.
Da die Signalwandlung sich in der sogenannten zweiten Stufe (= der Nachbearbeitung) befindet - hinter dem primären Grundrauschen jedes Pixels auf dem Sensor selbst -, ist der relative Einfluss der ISO-invarianten Sensoren bei der Basis-ISO-Einstellung der Kamera am größten. Danach wird das Sensor-Grundrauschen von ISO 100 zu ISO 12.800 z.B. 128-mal vergrößert. Und dann kann dieser Effekt den positiven Effekt der ISO-Invarianz weit überwiegen (muss es allerdings nicht). Das hängt dann von der sonstigen Hardware sowie den Software-Algorithmen ab. Meist wird jedoch der Rauschanteil der zweiten Stufe deutlich weniger erhöht. D.h. ISO-invariante Sensoren müssen nicht zwangsläufig einen Bildqualitätsvorteil bei hohen ISO-Werten liefern. Dies ist auch ein Grund, warum man in Tests zur ISO-Invarianz einen niedrigen ISO-Wert wählt.
Folglich bleiben auch andere Techniken zur Rauschunterdrückung erhalten und sind weiterhin nützlich, wie z.B. Median Blending / Median Stacking. Dabei handelt es sich um eine identische Reihenaufnahme (3 bis beliebig viele) von (weitgehend) statischen Objekten, die zusammengerechnet ein sehr saubereres Bild ergeben.
Vor allem bei hohen ISO-Zahlen, die man bei meist wenig Licht verwendet, spielt das Schrotrauschen / Photonenrauschen eine viel wichtigere Rolle als das Sensorrauschen. D.h. die ISO-invarianten Sensoren müssen dort nicht zwangsläufig Vorteile besitzen. Wenn sie dies tun, so liegt dies an zahlreichen anderen nachgelagerten Prozessen. Ganz im Gegenteil finden sich zahlreiche klassische Sensor-Designs (z.B. Nikon D5), die bei hohen ISO-Zahlen sehr gut oder sogar besser abschneiden als die so hochgelobten modernen ISO-invarianten Sensoren.
Letzteres ist auch ein Grund, warum diese ISO-invarianten Sensoren für die Fotografie fliegender Vögel oder schneller Sportarten, bei denen man sehr oft mit ISO 3.200 oder 6.400 arbeitet, nicht generell Vorteile in puncto Rauschen bieten. Das muss man dort - je nach Kamera und Motiv - selbst ausprobieren. Bisheriger Ergebnisse sehen dazu jedoch eher negativ aus - vor allem, wenn man die weiteren Nachteile betrachtet.
Dynamik
Die neuen ISO-invarianten Sensoren bieten zwar einen etwas höheren Dynamikumfang, aber er deckt bei weitem nicht alle Naturerscheinungen ab.
Viele Motive - sowohl in Räumen als auch im freien - liegen bereits heute deutlich unter den Dynamikanforderungen älterer Sensoren. Bei halbwegs funktionierender Belichtungsautomatik sollte jeder Fotograf somit bereits damit sehr hochwertige Aufnahmen zustande bringen.
Für Studio-Fotografen, welche sowieso ihren Dynamikumfang durch gezielte Lichtführung oft bei ca. 6 Blenden / Lichtwerten halten, stellt ein derartiger neuer Sensor allein noch kein Kaufgrund dar.
Man kann mit den neuen Sensoren auch nicht mehr als ca. 14 Lichtwerte / Blendenstufen aufzeichnen. Dies liegt am derzeit bei Vollformatkameras meist verwendeten 14-Bit-RAW-Format. Deshalb verwenden manche hochwertigen Mittelformatkameras auch ein 16-Bit-Dateiformat, um höhere Dynamik in die Bilddatei zu übertragen.
Und auch bei der Angabe der Dynamik aller Sensoren ist die Spannweite mit Abweichungen von bis zu 2 Blenden / Lichtwerten / EV sehr groß. Einerseits kann dies auf die Messungenauigkeiten zurückgeführt werden und andererseits auf die hohe Serienstreuung der einzelnen Sensoren. D.h. eine optimale Dynamik von maximal 14 Blendenwerten bei der Basis-ISO dürfte bei Vollformat-Kameras eher die Ausnahme sein. - Zum Verständnis: Kein einziger Sensor ist wirklich identisch zum angeblich baugleichen in der anderen Kamera desselben Modells, denn nicht einmal ein einziger Pixel auf dem Sensor ist absolut identisch zum danebenliegenden auf der Sensorfläche. Von Produktionsfehlern, Alterungsprozessen und Pixelfehlern ganz zu schweigen.
Das gesunde menschliche Auge kann ca. 24 Lichtwerte wahrnehmen. Dies liegt weit über dem Dynamikumfang jedes modernen Sensors. D.h. ISO-invariante Sensoren können auch kein HDR(I) ersetzen. Sie nutzen bei der ISO-Basiseinstellung der Kamera nur das dem Sensor innenliegende Dynamik-Potential voll aus. D.h. bei spätestens 14 EV / Lichtwerten / Blenden benötigt man doch wieder eine Belichtungsreihe und HDR(I)-Software. - Auch die Ende 2017 erstmals verfügbaren Video-Sensoren (35 mm) brachten es nur auf maximal 17 Blenden.
Man kann mit den neuen ISO-invarianten Sensoren auch nicht direkt in die Sonne fotografieren und dann auch noch alle Schattenbereiche aufnehmen. Das direkte Sonnenlicht liegt sogar über den von Menschen wahrnehmbaren 24 Lichtwerten. Deshalb sollte man auch nicht ungeschützt in die Sonne schauen. Dem Kamerasensor schadet es ebenfalls. D.h. für Sonnenfotos benötigt man weiterhin Schutzfolien / Filter vor dem Objektiv.
Auch die Behauptung, dass durch die ISO-invarianten Sensoren nun Expose to the right (ETTR) völlig überflüssig würde, ist falsch. Sofern das zu fotografierende Motiv den Dynamikumfang des Sensors nicht ausreizt (man denke z.B. an Nebelaufnahmen im Herbst), ist es noch immer sinnvoll, nach rechts zu belichten, um möglichst viele Details abzuspeichern. Dank des größeren Dynamikumfanges des modernen Sensors kann man dies nun sogar noch optimaler gestalten.
Mit steigender ISO-Zahl nimmt auch bei den modernen Sensoren der Dynamikumfang deutlich ab. Wie dies im Einzelnen geschieht, hängt vom Sensor und der Auslesetechnik dahinter ab - und ist somit hersteller- und modellspezifisch.
Ausgebrannte Lichter bleiben auch bei ISO-invarianten Sensoren ausgebrannt. Man sollte deshalb eher von Belichtung nach rechts als von Überbelichtung sprechen. Überbelichtung ist nicht korrigierbar. Dasselbe gilt für Unterbelichtung unterhalb der Aufnahmeschwelle des Sensors.
Der Dynamikumfang Ihres Monitors bleibt erhalten. I.d.R. wird er deutlich geringer sein, als der Dynamikumfang der modernen Kamerasensoren. D.h. Sie sehen de facto am Monitor objektiv keine Verbesserung. Erst nach einem Tonemapping, bei dem die Dynamik für den Monitor zusammengestaucht wird, sieht man Unterschiede.
Der Dynamikumfang der herkömmlichen Ausdrucke bleibt wie bisher bei rund 6 Blenden. Das erzielten jedoch bereits alte Sensoren sogar bei ISO 3200, moderne sogar bei ISO 25.600. Hochwertige Ausbelichtungen sollen angeblich auf 9 EV kommen. Aber selbst das bietet jede Vollformatkamera seit Jahren. D.h.: Man muss die Fotos bearbeiten und danach (wie bei HDRI) das (automatische) Tone-Mapping durchführen, um den Dynamikumfang für den Ausdruck wieder zu reduzieren. - Dass das Bild nach durchgeführter Bearbeitung (wie bei HDRI) besser aussehen kann, steht auf einem anderen Blatt.
Es finden sich auch künstlerische fotografische Stile, welche bewusst Teile beschneiden und nicht den maximalen Dynamikumfang ausnutzen. So kann durch das Abschneiden z.B. der Tiefen durchaus Dramatik erzeugt werden. Ebenso kann das Beschneiden der Lichter (clipping) seinen Reiz haben. D.h. ein hoher Dynamikumfang ist weder immer erforderlich noch gewünscht.
Höhere Bildqualität
Bildqualität ist ein sehr weiter Begriff. Ihn nur auf die obigen Details Dynamik und Bildrauschen zu beschränken, greift zu kurz.
Nicht alle Bilder mit den neuen ISO-invarianten Sensoren werden qualitativ hochwertiger. Es betrifft wirklich eher seltene Aufnahmen in besonderen Situationen.
Mit den neuen Sensoren brauche man nichts mehr von der Fotografie zu verstehen und müsse auch die eigene Kamera nicht mehr korrekt einstellen. Der Sensor würde alle Fehler heilen. - Ganz gewiss nicht. Die neuen Sensoren verzeihen in Ausnahmesituationen evtl. einen Fehler nur etwas schmerzloser. D.h. man erhält noch ein brauchbares Foto. Aber die Qualität wird immer unter derjenigen liegen, die man erhalten hätte, wenn man die Kamera korrekt eingestellt hätte.
Die Behauptung, dass man nur mit ISO-Invarianten Sensoren / Kameras gute Fotos machen könnte, ist völliger Unsinn, genauso wie die sich daran anschließende übliche Markenschelte: Apparently Canon are now the worst cameras in the world. Da es diese neuen ISO-invarianten Sensoren erst seit wenigen Jahren gibt, wären somit früher keine guten Fotos möglich gewesen. Dies beträfe sowohl die gesamte digitale Zeit bis 2012 als auch die 175 Jahre analoge Fotografie davor. - Als kleines Gegenbeispiel erlaube ich mir, den US-Fotografen Nick Page anzuführen, der bis heute überwiegend mit Canons ISO-varianten Kameras (also angeblich schlechten Sensoren) fotografiert. Die Bilder sind dennoch fantastisch.
Auch die Behauptung, dass man für Sportaufnahmen in schlechtbeleuchteten Hallen dringend die Unterbelichtungsfähigkeiten einer ISO-invarianten Kamera benötigt, ist unzutreffend. Tausende scharfe eigene Tanzsportfotos belegen dies - ebenso wie Millionen anderer Sportfotos anderer Sportfotografen.
Die neuen ISO-invarianten Sensoren benötigen dennoch ein Stativ. Richtig ist, dass man manche Aufnahmen unterbelichten kann, und so noch aus der Hand fotografieren kann. Aber bei den heutigen Pixeldichten der Sensoren lässt sich die höchste Bildqualität jeder modernen Kamera dennoch nur mit Stativ erzielen. Von der perfekten Bildkomposition einmal ganz abgesehen.
Ferner ersetzen derartige Sensoren auch keine hochwertigen teuren Objektive. Wer es nicht glaubt, soll sich einmal die T-Stops bei DxO ansehen. Da kann ein gutes Zoom-Objektiv in Vergleich zu einem schlechten durchaus 1 Blende ausmachen. D.h. mit einem hochwertigen Objektiv kann man wieder den Licht-Verlust von 1 Blende und damit die Bildqualität wettmachen, die ein moderner Sensor evtl. erbringt.
Wichtig bleibt auch die Qualität des Gesamtsystems. Eine Kamera mit modernem ISO-invarianten Sensor wird dadurch alleine nicht zur Profikamera. Dazu gehören auch noch spezielle Belichtungsmesser, Hochgeschwindigkeitsprozessoren etc. Deshalb kosten diese Profi-Kameras auch zwischen 6.000 und 7.000 Euro.
Und selbst in der Profiklasse ist es nicht ausschlaggebend, ob der Sensor ISO-invariant ist oder nicht. So ist der Canon Sensor in der 2016 neu erschienen 1D X Mark II ISO-invariant, derjenige der gleichzeitig herausgebrachten Nikon D5 nicht. - Korrekt gelesen: Canon verwendet einen moderneren und hochwertigeren Sensor als Nikon - Und dennoch halten zahlreiche Fotografen die D5 bereits aufgrund ihres treffsichereren 3D-Verfolgungs-Autofokusses für geeigneter. - Dies gilt, obwohl DxO die Canon-Kamera vor allem für Sport (=Rauschen) und den Dynamikumfang deutlich besser bewertet.
Jedem Fotografen muss auch klar sein, dass das mit den ISO-invarianten Sensoren verbundene vorsätzliche Unterbelichten (exposure to the left) den Nachteil besitzt, dass dort (links im Histogramm) alle Details auch nur mit wenig Bit gespeichert werden. D.h. man kann bei ISO-invarianten Sensoren zwar relativ rauschfrei aufhellen. Aber dort sind wenig Detailinformationen - vor allem für Farben - vorhanden. Wer z.B. 4 Lichtwerte unterbelichtet, erhält nur einen Bruchteil der Farbwerte: 2 hoch 4 = 16 - also 1/16 der Farbdetails, welche bei korrekter Belichtung vorhanden wären. Mit anderen Worten: Das Bild ist zwar rauscharm, wirkt aber in den dunklen Tönen etwas flach - im Vergleich zu einem normal belichteten Bild oder sogar einem nach rechts belichteten Foto (exposure to the right), das man nachträglich wieder abdunkelt. Dies liegt an der Speicherstruktur, bei der bei 14 Bit die dunkelsten Töne 1 Bit, die zweitdunkelsten 2 usw. erhalten, bis hin zu den hellsten Tönen, welche mit 14 Bit Tiefe abgespeichert werden.
Daraus folgt ebenfalls, dass sich dieser Trick der ISO-invarianten Belichtung nach links nur mit absolut unkomprimierten RAW-Dateien lohnt. Ansonsten werden eventuelle Vorteile des Sensors beim Abspeichern in der Kamera wieder zunichtegemacht.
Letztendlich werden bei hohen ISO-Werten die Unterschiede sowohl bezüglich der Dynamik als auch der gesamten Bildqualität im Vergleich zum klassischen Sensor sehr gering. Teilweise liefern klassische Sensoren in hohen ISO-Stufen (Dämmerung und Dunkelheit) sogar eine etwas höhere Bildqualität.
Vergleiche
ISO-invariante Sensoren werden gerne mit den alten ISO-varianten Sensoren verglichen. Allerdings sind derartige Vergleiche sehr schwierig.
Und noch ein Missverständnis: Die Lichtintensität je Quadratzentimeter Fläche ist bei gleicher Belichtung (Blende und Zeit) auf allen Sensorgrößen identisch, sofern die Lichtdurchlässigkeit der Objektive identisch ist. Aber die Fläche der Sensoren ist unterschiedlich groß und die Lichtempfindlichkeit jedes Sensors (sogar jedes einzelnen Pixels auf jedem Sensor) ist unterschiedlich - Von Pixelfehlern und Streuungen der gesamten Sensorqualität einmal abgesehen. Daraus folgt, dass die vom Analog-Digital-Konverter (ADC) verarbeitbaren Daten sich in jeder Kamera deutlich unterscheiden.
Nun kommt hinzu, dass die ISO-Zahl oder genauer gesagt die Helligkeitsanpassung je nach Hersteller und Kamera unterschiedlich gehandhabt wird. I.d.R. liegt kein linearer Verlauf vor. D.h. ISO 200 ist auf den meisten Kameras nicht die Verdopplung des Wertes von ISO 100. Immer mehr Untersuchungen zeigen, dass alle (!) Hersteller hier schlampen oder bewusst tricksen - manche mehr, andere weniger. In Wirklichkeit ist ISO 200 meist so irgendetwas zwischen ISO 160 und 180. Der Grund ist einfach: Dadurch ist die Bildqualität höher sowie das Rauschen ist geringer, da bei ISO 160-180 mehr Licht auf den Sensor fällt, als bei ISO 200. Naive Tester glauben nun, dass diese Kamera besser sei. Notorisch berüchtigt dafür ist FUJI, bei deren Kameras die Differenz bis zu 2/3 Blenden (andere Quellen behaupten sogar bis zu 1 ganzen Blende) betragen kann. (Siehe hierzu auch Der betrogene Fotokunde.)
Und um Vergleiche zwischen Kameras noch weiter zu erschweren: ISO 100 ist bei kaum einer anderen Kamera exakt dasselbe. D.h. selbst die sogenannte Grundeinstellung / Basis-ISO wird je nach Hersteller und Modell etwas unterschiedlich eingestellt.
Diese ziemlich willkürliche Umsetzung der ISO-Norm ist im Übrigen der Grund, warum ich immer wieder in der Foto-Praxis Abweichungen zwischen den Belichtungswerten verschiedener Kameras bei sonst weitgehend identischen Aufnahmebedingungen feststellen muss. (Die Einschränkung weitgehend gilt deshalb, weil auch bei kontrollierbarer Testumgebung keine absolute Identität der Umgebungsvariablen herstellbar ist.)
Daraus folgt zumindest, dass man ISO zwischen zwei Kameras nicht vergleichen kann. Man kann seriöser Weise nur zwei im PC auf exakt die gleiche Helligkeit nachkorrigierte / angepasste Fotos vergleichen. Da jeder RAW-Konverter auf PCs jedoch anders arbeitet, ist dies keineswegs trivial. D.h. so einfach sind Bildqualitätsvergleiche zwischen unterschiedlichen Kameras nicht.
Und weil es immer wieder falsch gemacht wird:
Zum Vergleichen des Rauschens muss man die Bilder der höher auflösenden Kamera herunterskalieren auf die Auflösung (Mega-Pixel) der kleineren.
Zum Vergleichen der Auflösung / Schärfe muss man hingegen die Bilder der geringer auflösenden Kamera hochskalieren auf die Auflösung (Mega-Pixel) der größeren.
Alle mir bekannten Messergebnisse wurden im Übrigen bei ausreichend Licht für Normalaufnahmen erzielt. D.h. man belichtet z.B. eine Tageslichtsituation mit bis zu 6 Lichtwerten, EV, Blenden unter. Für Tageslicht treffen die publizierten Ergebnisse weitgehend zu. Bei Nacht sähe so ein Test anders aus. Dann wäre das Schrotrauschen viel größer als das Sensorrauschen. Mit anderen Worten: Fallen wenige Photonen auf den Sensor, kann auch ISO-Invarianz keine Wunder vollbringen.
ISO-Invarianz - im eigentlichen Wortsinne - ist auch kein Selbstzweck oder eine Qualitätsgarantie. Es finden sich auch Kameras, die nur in gewissen tiefen ISO-Bereichen ISO-Invarianz zeigen und vor allem im höheren ISO-Bereich durchaus ISO-variant sind, aber dort sogar noch besser abschneiden (Sony A7RII, A7RIII, A9, D850 in manchen Tests). Manche technischen Analytiker führen dies auf die eingeführten zwei (!) Basis-ISO-Stufen der neuesten Sony-Sensoren zurück (ein zweiter bei ca. ISO 640). Diese werden dann mit unterschiedlichen Gain-Faktoren in die jeweiligen Post-Prozessoren geschickt und ergeben somit durchaus ISO-variante Ergebnisse, welche jedoch letztlich zu einer höheren Bildqualität führen.
Letztendlich sollte man auch nicht von ISO-Invarianz im absoluten Sinne sprechen, sondern nur von einer relativen in Bezug auf / im direkten Vergleich zu anderen Kameramodellen / Sensoren.
Zeit
Ein wichtiges Argument - insbesondere für Berufsfotografen - ist die Zeitersparnis. Und in der Tat kann man mit höherwertigen Kameras, welche bei der ersten Aufnahme bereits vieles korrekt aufnehmen, Zeit sowohl vor Ort als auch in der Nachbearbeitung sparen. Aber bei ISO-invarianten Sensoren finden sich ein paar Haken, die man kennen sollte:
Gerne wird übersehen, dass die Vorteile im automatisch in der Kamera erzeugten JPEG-Format minimal bis unsichtbar sind. Nur mit RAW kann ein Fotograf in der Nachbearbeitung am PC manuell sinnvoll nachkorrigieren. D.h. für Dokumentar- oder Pressefotografen lohnt sich das kaum.
Ferner muss man bei zahlreichen Kameras dann kameraseitige Optimierungen (z.B. für Schatten, Lichter etc.) manuell im Menü deaktivieren, damit es nicht zu bildstörenden Einflüssen kommt.
Die Behauptung, dass man den ISO-Schalter abschaffen könnte, weil man nur noch (schaltfaul) immer mit ISO 100 fotografiert und nachträglich am PC einfach 10 oder mehr Lichtwerte / Blenden EV aufhellt und eine gleichgute oder sogar bessere Bildqualität erhält, als bei der korrekten ISO-Einstellung in der Kamera, sind Unsinn. Abgesehen davon, dass mein derzeitiger CR-Konverter in Lightroom und Photoshop nur 5 Blenden erlaubt. Danach muss man einen Trick anwenden: Den Korrekturpinsel auf maximale Größe einstellen, die Belichtungskorrektur auswählen und danach über das gesamte Bild mit dem Pinsel/Mauszeiger fahren. Aber dies stellt schon wieder einen zusätzlichen, aufwändigen Arbeitsschritt dar.
Wer sich Zeit für die korrekte Belichtung seines Fotos nimmt, benötigt den höheren Dynamikumfang jener neuen Sensoren relativ selten. Und dann kann er es meist mit einer Belichtungsreihe (3 oder besser 5 Aufnahmen in 1-2 Blendenstufen Abstand) und HDR(I)-Software wesentlich hochwertiger durchführen.
Die Behauptung, die Unterbelichtung wäre einfach und schnell, ist nicht zutreffend. Bereits bei der Aufnahme stellt das Belichten auf die hellsten Lichter resp. die bewusste Unterbelichtung mit den neuen ISO-invarianten Sensoren Anforderungen an den Fotografen, welche nur durch Testaufnahmen (also Zeitaufwand) wirklich kontrollierbar sind. Und die Nachbearbeitung am PC ist definitiv zeitaufwändiger als bei korrekter Belichtung.
Nicht bei allen Kameramodellen importieren Lightroom und Adobe Camera RAW alle RAW-Dateien korrekt. Insbesondere die Helligkeit scheint bei manchen Modellen je nach ISO-Stufe und Unterbelichtung zu schwanken. Dies liegt vermutlich weniger an der jeweiligen Kamera (-einstellung) selbst, als an der Tatsache, dass viele Kamerahersteller nur ungern mit Adobe zusammenarbeiten und selbst dann die Daten eher spärlich und verspätet fließen. D.h. die Software-Ingenieure bei Adobe arbeiten mit sogenanntem Reverse Engineering - zu Deutsch: Ausprobieren. - In der Folge kann sich auch der Fotograf keine Automatismen zurechtlegen. Jede Kamera mit neuem ISO-invariantem Sensor benötigt je nach Anzahl der Blenden Unterbelichtung in der Nachbearbeitung etwas andere Korrektur-Werte.
Foto-Praxis
Ein weiterer Nachteil der bewussten Unterbelichtung beim Fotografieren liegt in der Anzeige auf dem Kamera-Display, die fast unmöglich wird, da man das Display selten um 4 oder mehr Lichtwerte aufhellen kann.
Nur wenige Displays können die Gamma-Kurve für diese bewusste Unterbelichtung anpassen. D.h. man erhält kaum Rückmeldung über die Qualität des soeben geschossenen Fotos. Diese Rückmeldung erfolgt erst am PC zu Hause oder am Tablet-PC resp. mitgenommenen Laptop. Im Grunde eignet sich diese Arbeitsweise angesichts derzeitiger kleiner und eher eingeschränkter Kamera-Displays eher für tethered Shooting im Studio (Kabel- oder Funk-Verbindung von der Kamera zum PC), wo man diese Unterbelichtung jedoch aufgrund der selbst optimierbaren Lichteinstellung kaum benötigt.
Ein für die Fotopraxis wichtiges Detail, das gerne übersehen wird: Die Histogramme der Kameradisplays sind für JPEG ausgelegt und zeigen auch bei RAW-Aufnahmen ein konvertiertes JPEG-Bild sowie JPEG-Histogramm an. Bei bewusster Überbelichtung resp. Belichtung nach rechts (expose to the right, exposure to the right, ETTR), was mit RAW durchaus möglich und manchmal sinnvoll ist, wird die Anzeige des Bildes zu hell und das Histogramm oft falsch angezeigt. Mit dem zu hellen Bild kann man meist noch irgendwie leben. Bei einer bewussten Unterbelichtung resp. Belichtung auf extrem helle Stellen wird das Histogramm ebenfalls falsch angezeigt und die Bildanzeige wird sogar schwarz. Im letzteren Fall ist eine Überprüfung des aufgenommenen Bildes meist völlig unmöglich. D.h. man muss es am PC erst wieder aufhellen, um das Ergebnis zu überprüfen. - Um es ganz klar zu sagen: Wer diese beiden Randzonen der neuen Sensoren mit hohem Dynamikumfang nutzen will, steht wieder so da, wie die Fotografen der analogen Zeit. Sie sehen erst viel später, ob das Bild wirklich so geworden ist, wie man es sich vorgestellt hat. Direktes Feedback, schnelles Lernen und sofortige Korrekter werden in diesen Randzonen zumindest erschwert. Im Zweifel sollte man - falls möglich - Belichtungsreihen aufnehmen, damit man sichergeht, auch wirklich eine gute Aufnahme in den Grenzbereichen erzielt zu haben. Ansonsten kann, wie früher, evtl. eine zweite Anfahrt zum Schauplatz (neudeutsch: location) erforderlich werden.
Bei elektronischen Suchern (EVF) muss man die Belichtungsvorschau abschalten, sofern dies möglich ist, sonst wird die Gestaltung einer unterbelichteten Aufnahme sehr schwierig. - Fuji bietet hierzu zumindest eine Funktion DR 200 und DR 400, welche 1 resp. 2 Blenden aufhellt. Aber das reicht bei weitem noch nicht aus.
Falls ein Abschalten der Belichtungsvorschau nicht möglich ist, muss man zur perfekten Komposition des Bildes zuerst eine Aufnahme mit hoher ISO-Zahl, und kann erst danach eine mit der geringeren durchführen.
Falls Sie die neuen Sensoren wirklich ausreizen wollen, so müssen Sie auf einen Großteil der im Internet auffindbaren Ratschläge verzichten, weil diese für alte Sensoren geschrieben wurden. Hier ist ein erhebliches Umdenken erforderlich. Da jedoch (weder früher noch heute) die meisten Autoren Angaben machen, für welche Sensoren ihre Anleitungen gelten, ist die Suche nach Tipps für invariante Sensoren keine Trivialität. Vor 2012 findet sich kaum etwas Sinnvolles zu ISO-Invarianz. Und auch danach ist der Anteil der missverständlichen oder rundweg falschen Aussagen hoch. D.h. man muss oft selbst darüber nachdenken und es ausprobieren. Denn aufgrund der enormen Spannweite der sogenannten ISO-Invarianz ist fast jedes Detail kameraspezifisch.
Relativierung und Einordnung
Und noch etwas zur relativierenden Einordung der neuen Sensoren:
Ja, Sony (A7RIII) und Nikon (D850, Z 6 und z 7), welche u.a. beide die neuen ISO-invarianten Sensoren von Sony verwenden sind - in diesem Bereich Rauschen und Dynamikumfang - derzeit (Ende 2018) hochwertiger als die Konkurrenz. Siehe hierzu DxO. Aber die Messwerte liegen selbst unter idealen Bedingungen im Labor erstaunlich eng beieinander.
Ausnutzen kann man das jedoch nur mit Stativ und hochwertigen (heißt: teuren und in der Summe schweren) Festbrennweiten.
Und selbst DxO kann bei der Bildqualität zwischen den etwas älteren Vorgängermodellen Sony ARII, Nikon D810 und Canon 5D Mark III - also in Bezug auf die Sensorqualität wirklich massiv unterschiedlichen Modellen nur ca. 2/3 Blendenvorsprung (2 dB, siehe: Reiter SNR 18%) vor der angeblich so grottenschlechten Canon 5DIII herausrechnen. Wobei man DxO vorwerfen kann, dass sie auf die heute übliche enorme Serienstreuung der Kameramodelle nicht eingehen. Technisch gesehen sind 2/3 Unterschied durchaus viel innerhalb einer Sensorklasse. Dennoch, dieser Bildqualitätsvorsprung gilt nur für den Druckbereich (Print für ein 8*12 Zoll-Bild = 20,3*30,5 cm).
Aber was bedeutet dies in der Fotopraxis: Zwischen der höchstgelobten neuen Kamera und der seit 2012 Jahren auf dem Markt befindlichen (Canon 5D III), für die es im Übrigen schon einen Nachfolger gibt (was man jedoch in den Foren beim Hersteller-Prügeln gerne verschweigt), liegt in der Fotopraxis maximal 1 Blende. D.h. wenn man das Bild statt bei ISO 200 mit 1/500 Sekunde eher mit ISO 100 und 1/250 belichtet, was auf dem Stativ sowieso für viele Motive irrelevant ist, ist die angeblich schlechteste alte Vollformatkamera immer noch so gut wie, oder sogar besser als die beste Neue. - Mit anderen Worten: Wer mit seiner angeblich veralteten schlechten (Vollformat-) Kamera nur 1 ISO-Stufe unterhalb derjenigen der neuesten ISO-invarianten Sony-Sensoren bleibt, erzeugt damit noch immer Bilder identischer Bildqualität. (Siehe hierzu den Vergleich der drei Kameras bei DxO.)
Wer den Vorteil ISO-invarianter Sensoren benötigt oder wünscht, soll unbedingt zugreifen. Aber er muss dafür auch das Geld in das gesamte dazu passende System investieren. Nochmals: alle oben genannten Kameras sind mit dem jeweils dazu passenden Gesamtsystem wunderbare Werkzeuge in den Händen derjenigen Fotografen, die mit Stativ, Fernauslöser und Spiegelvorauslösung sowie viel fotografischem Wissen die hohe Bildqualität der neuen Sensoren auch nutzen können. Diejenige Fotografen, welche jedoch noch nicht in die absoluten Grenzbereiche der eigenen (alten) Kamera vorgestoßen sind oder mit deren Beschränkungen leben können, sollten sich derzeit noch keinem Neu-Kaufzwang aussetzen.
Selbst Sony verwendet nicht für alle neuen Kameras ISO-invariante Sensoren: So ist z.B. die im Sommer 2017 herausgebrachte A9 wie viele andere Kameras auch deutlich ISO-variant. Dass es sich dennoch um eine herausragende Profi-Kamera handelt, bleibt bestehen. Aber selbst Sony hält somit das Schlagwort der absoluten ISO-Invarianz für kein entscheidendes Qualitäts-Kriterium für eine Spitzenkamera.
Ein weiteres Foto einer ISO-varianten Kamera. Also auch dieses Bild wurde mit der alten Sensortechnologie aufgenommen - wie im Übrigen alle auf diesem Internet-Auftritt dargestellten Fotos - auch diejenigen auf der Startseite.
Fazit - Empfehlungen
Der Fachausdruck ISO-Invarianz ist etwas missverständlich, da er weniger mit ISO als mit dem Dynamikumfang des Sensors zu tun hat. Derartige neue Sensoren können in der Basiseinstellung der Kamera eine größere Spannweite an Lichtwerten zwischen dem dunkelsten und hellsten Bereich im Foto aufzeichnen als die Vorgängersensoren. Diese Dynamik kann man bei RAW-Dateien relativ rauschfrei in der Nachbearbeitung am PC nutzbar machen.
Letztendlich bezeichnet das Buzz-Word ISO-Invarianz / ISO-Invariance nur einen etwas rauschärmeren Sensor, der eine etwas höhere Bildqualität in manchen Bereichen liefert. Also handelt es sich um die übliche Evolution und keinesfalls um eine Revolution der Fotografie, die alle bisherigen physikalischen Gesetze oder Regeln der Fotografie außer Kraft setzt.
Falls Sie sich sowieso eine neue Kamera anschaffen, dann ist inzwischen die Auswahl derjenigen Modelle mit ausgereiften Sensoren dieser sogenannten ISO-Invarianz relativ groß, sodass man dazu raten kann.
Wer noch eine funktionierende ältere Kamera besitzt, sollte sich einmal die Fotos der neuen Sensoren (z.B. auf Messen) anschauen, ein paar unterbelichtete Fotos machen und ggf. mit eigenen Bildern vergleichen.
Ich behaupte, dass man in 85% der Fälle der Fotografie mit herkömmlichen Kamerasensoren und korrekter Einstellung der Kamera Bilder identischer Qualität herstellen kann. Für 5% kann man auch mit alten Sensoren 1-2 Blenden unterbelichten und danach in der Software wieder aufhellen, sowie mit heute sehr guter Rauschunterdrückung das Bild optimieren (ggf. gelingen sogar extreme Problemfälle mit Masken). Für weitere mindestens 5% findet sich bereits heute Reihenbelichtungen und HDR(I)-Software.
Ob sich für die restlichen 5% der in der praktischen Fotografie auftretenden Fälle die Anschaffung einer neuen Kamera mit derartigem Sensor lohnt, hängt von Ihrer Tätigkeit ab:
Hobbyfotografen rate ich von einem sofortigen Neukauf nur aus diesem Grunde ab. Warten Sie lieber noch etwas ab, bis es aufgrund eines technischen Defektes an der jetzigen Kamera wirklich notwendig wird. Denn die Sensoren werden ständig weiterentwickelt und somit noch besser. ISO-Invarianz ist eine Technologie, die in jeder neuen Kamera technisch noch etwas hochwertiger umgesetzt wird. Schauen Sie lieber einmal hier vorbei: Was soll ich kaufen? und suchen Sie sich dort ein paar preiswerte Dinge zum Fotografien aus, welche die Bildqualität Ihrer Fotos sofort und viel deutlicher erhöhen sowie zudem auch mehr Freude beim täglichen Arbeiten bereiten. - Oder überlegen Sie sich die Anschaffung einer spezielle Software zur Nachbearbeitung Ihrer jetzigen Fotos, mit der Sie meist deutlich mehr sichtbare Bildqualitätsverbesserungen erzielen, als mit einer neuen Kamera.
Profifotografen, die davon leben müssen und dafür bezahlt werden, dass sie auch unter kritischen und extremen Lichtbedingungen jederzeit hochwertige Fotos für DIN-A3-Magazine und anspruchsvolle Kunden abliefern, kann man hingegen nur zuraten. Diesem Personenkreis fallen dann auch hohe vierstellige Ausgaben nicht schwer.
Und bevor Sie mit einer alten Kamera mit ISO-variantem Sensor ganz unglücklich werden, versuchen Sie doch auch einmal, 1-2 Blenden unterzubelichten und dann in Lightroom oder Adobe Camera RAW wieder aufzuhellen. M.E. vertragen die meisten Vollformat-Kameras dies auch mit dem alten Sensor relativ gut - auch ohne spezielle nachträgliche Rauschunterdrückung.
Und zum Abschluss noch die goldene Regel: Jedes verrauschte Bild ist immer noch wesentlich besser als ein verwackeltes. Also verzichten Sie nun - nach dem Lesen dieses Artikels - bitte nicht auf die ISO-Automatik in den als schwierig bekannten Grenzbereichen des Lichtes.
Nachtrag Ende 2017: Inzwischen verblasst die Wirkung des Zauberwortes ISO-Invarianz im angloamerikanischen Raum bereits wieder. In neueren Kameratests wird es kaum mehr erwähnt. Fast alle neuen Kameramodelle verwenden diese Technik inzwischen irgendwie und die Unterschiede halten sich eher in Grenzen.
Vor allem seit 2018 ist auch offiziell bekannt, dass sich die einstufige ISO-Invarianz inzwischen zu einer mehrstufigen weiterentwickelt hat. So konnte man bei den neueren Sony-Modellen A7RIII und A7III eine sogenannte dual-gain architecture nachweisen, die zumindest zwei ISO-invariante Bänder zeigt, bei der A7III z.B. bei rund: ISO 100-500, sowie ISO 640-51.200. Generell betrachtet hat dies gewisse Vorteile. Es kann jedoch auch an den Grenzen (ISO 500 gegenüber ISO 640) zu sichtbaren und hässlichen Effekten mit unerwartet schlechterer Bildqualität führen. In der Praxis führt dies dazu, dass man ISO-Auto (vor allem im unteren Bereich) nur eingeschränkt verwenden kann. Man sollte hingegen die jeweiligen Optimal-Werte des spezifischen Sensors der ISO-Skala verwenden. Bei der A7III sind dies z.B. ISO 50, 100 und 640. Bei der Nikon D850 liegen die Werte bei ISO 32 und ISO 400.
Nachtrag 2023
Inzwischen verwenden alle Hersteller in allen Kameramodellen nur noch diese moderne Technik - jedoch in zahlreichen Abwandlungen.
D.h. ISO-Invarianz ist überall - bei allen Herstellern in allen modernen Kameras - vorhanden, jedoch in einem unterschiedlichen Ausmaß sowie leicht anderer Ausprägung. Keineswegs alle beherrschen 5 oder mehr Blenden Aufhellung, da dies auch nicht mehr gefordert wird.
Heute dominieren Sensoren mit Dual-gain-Architektur, also zwei ISO-Basen. Zahlreiche dieser modernen Sensoren verwenden einen ISO-invarianten Teil vom Basiswert 64 oder 100 ISO. Ab der zweiten Basis, die oft zwischen 400 und 600 ISO (aber meist unter 1.000) liegt, folgt darauf entweder ein zweiter invarianter oder ein sogar varianter ISO-Teil.
Man fand inzwischen heraus, dass beide Arten vor- und Nachteile zeigen, die sich z.T. sogar gut ergänzen. Der ISO-invariante Teil wird gerne bei tiefen ISO-Werten verwendet, wo er seine Vorteile ausspielen kann. Der ISO-variante Teil kommt bei höheren ISO-Werten zum Einsatz, da sich dort in Zusammenarbeit mit anderen Techniken ein geringeres Rauschen erzielen lässt. Manche Sensorentwickler verwenden ab der zweiten Basis nochmals einen ISO-invarianten Teil, erzielen damit jedoch zumindest bisher nicht immer ganz so gute Wert.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich moderne Kameras in den Labormessungen noch leicht unterscheiden, dass jedoch die heute übliche produktionstechnische Serienstreuung und die verschiedensten praktischen Anwendung in der Summe dies kaum mehr für den Anwender spürbar machen.
Ein weiterer Aspekt liegt darin, dass man zunehmend auf höhere ISO-Wert optimierte, weil die Hersteller ihre Kameras vermehrt auf die Sport-Fotografie und Wildtierfotografie mit 20, 30, 40 und mehr Bildern in der Sekunde ausrichten - sowie natürlich Video mit bis zu 120 Bildern in der Sekunde oder mehr. Dafür nahm man sogar einen leicht sinkenden Dynamikumfang und etwas schlechtere Bildqualität in den unteren ISO-Stufen in Kauf.
Ferner wurde auch aus den sogenannten alten / ISO-varianten Sensoren durch zahlreiche andere Detailverbesserungen ein höherer Dynamikumfang und eine höhere Bildqualität gewonnen.
Hinzu kam die KI sowohl in der Kamera als auch in der nachgelagerten Software auf dem PC, welche in der fotografischen Praxis zu weitgehend identischen Bildergebnissen führen.
Im Übrigen hüllen sich alle Sensor- und Kamerahersteller bei diesem Thema völlig in Schweigen, da sie diese Sensoren mit ganz wenigen externen Firmen zusammen entwickeln und deren Verschwiegenheitsklauseln in den Verträgen einhalten müssen. Es wird noch nicht einmal die zweite Basisstufe in den Handbüchern der Kameras angegeben. Selbst diese müssen externe Tester mühsam selbst herausbekommen. Allerdings ist diese für die Fotopraxis wichtig, da sich an der Grenze immer öfter sichtbare Unstimmigkeiten ergeben. Angenommen die ISO-Grenze / zweite Basis läge bei ISO 500, dann wäre ein Bild mit ISO 400 aufgenommen sichtbar verrauschter als ein solches mit ISO 600 und somit auch die Bildqualität geringer. Das widerspricht aber der herkömmlichen Denkweise der Fotografen. D.h. man kann unter der zweiten Basis oft keine ISO-Auto-Funktion verwenden.
Somit ist der Rummel um die ISO-Invarianz weitgehend verschwunden. Wenn alle in etwas dasselbe bieten, lohnt sich das Streiten nicht mehr.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim regelmäßigen Fotografieren.
Nachtrag Ende 2023 aufgrund von Fragen
Manche Fragen lauten bis heute: 'Kann ich es selbst nachprüfen, ob der Sensor meiner Kamera ISO-invariant ist'? Oder: 'Wie stark ist mein Sensor im Kameramodell # ISO-Invariant?'
Die kurze Antwort lautet 'Ja', die lange 'Nein'.
Im Grunde genommen wurde im obigen Kapitel (Nachtrag 2023) auf die wichtigsten Rahmenbedingungen eingegangen. Aber dennoch nochmals langsam im Detail.
Hardware:
Die Technik der ISO-Invarianz wurde langsam entwickelt und weiterentwickelt - von Sensor zu Sensor. Sie fand in ihrer Reinform in der Nikon D850 aus dem Herbst 2017 ihren Höhepunkt und wurde damals weltweit diskutiert.
Danach wurde sie immer weiter- und ausentwickelt.
Aber weder früher noch heute war respektive ist ISO-Invarianz eine binäre Funktion wie ein Lichtschalter: 0 oder 1 respektive Ein oder Aus. Vielmehr handelt es sich bei allen Kameras um ein Spektrum von mehr oder weniger ISO-invariant.
In einem dieses Jahr publizierten Fachmagazin nannte ich ISO-Invarianz ferner das 'i-Tüpfelchen' einer Kamera-Gesamt-Ausrüstung. Nur wenn Sie die hochwertigsten Objektive, die optimalsten Filter und auch sonst das teuerste Zubehör verwenden, spielt der Punkt ISO-Invarianz heute noch eine relevante Rolle.
Heute sind praktisch alle modernen Sensoren mit einer sogenannten Dual-Gain-Basis ausgestattet. Zumindest die untere Stufe besitzt somit die ISO-Invarianz.
Somit die praxisbezogene Antwort: Ja, mit neueren Kameras sind Sie auf der sicheren Seite der ISO-Invarianz (in Teilbereichen des ISO-Spektrums).
Und nochmals 'Ja'. Man kann dies selbst austesten, indem man z.B. mit der Basis-ISO der eigenen Kamera (meist 100 oder 64) eine Aufnahme mit Normalbelichtung (Auto) durchführt und nachträglich in der Software am PC um ca. 3 Lichtwerte (Blenden) das Bild aufhellt. Dies sollte bei jeder modernen Kamera funktionieren, ohne dass extremes Rauschen auftritt.
Aber man sollte trotzdem keine Wunder erwarten: Je nach eigener Sehkraft, Monitorqualität, Bildauflösung und weiteren Rahmenbedingungen des herangezogenen Fotos wird der erfahrene Betrachter Unterschiede erkennen. D.h. es ist noch immer sinnvoll, vor der Aufnahme die korrekte (im Sinne von persönlich für das Endergebnis gewünschte) Belichtung einzustellen.
Faktisch verwenden die meisten erfahrenen Fotografen ISO-Invarianz sowieso nur zum leichten Aufhellung eines Gesamtbildes und vor allem zur Aufhellung der Schattenbereiche. Das früher in Fachzeitschriften oft verwendete absichtliche Unterbelichten um 5 Blenden, ist heute die Ausnahme, weil es mit zu vielen Nachteilen bereits bei der Aufnahme selbst und vor allem bei der qualitativ hochwertigen Nachbearbeitung versehen ist.
Damit ist auch die Frage beantwortet, wofür die ISO-Invarianz dienen sollte: nur für die dunklen Stellen im Bild. ISO-Invarianz kann nicht und will nicht die Lichter retten. Was ausgebrannt ist, respektive was über der sogenannten Brunnentiefe des Sensors liegt bleibt unrettbar verloren. Das hat mit ISO-Invarianz nichts zu tun. - Ganz im Gegenteil ermöglicht ISO-Invarianz dem Anwender, persönlich durch manuelle Einstellungen absichtlich (in Grenzen) unterzubelichten, um selbst die Lichter nicht ausbrennen zu lassen. Das nennen manche auch ein 'Exposure to the Left'.
Jedoch lautet die Antwort auf die Zusatzfrage, ob man die Qualität oder den Umfang der ISO-Invarianz des Sensors selbst als Laie mit den frei verfügbaren Mitteln einfach aus einem Bild zurückberechnen kann, 'Nein'. Dafür sind zahlreiche Gründe verantwortlich:
Moderne Kamera-Hardware:
Alle modernen Kamera unterscheiden sich im Sprungwert / Grenzwert des Dual-Gain-Sensors. D.h. die Bildqualität erfährt irgendwo (meist unter 1.000 ISO) einen drastischen Sprung, weil man neu und tiefer z.B. beim Rauschen wieder ansetzt.
Jedoch können nur Experten diese Grenze mit Messgeräten oder sehr aufwändigen Untersuchungen an speziellen Fotos herausfinden. Auch die Kamerahersteller publizieren dazu in der Regel nichts. Für viele Kameramodelle, welche selten verkauft werden, ist dies deshalb nicht ermittelt worden.
Bei einem Dual-Gain-Prozessor gilt somit nur innerhalb der jeweils ISO-Invarianten Stufe (z.B. dem Bereich von 100-400 ISO) die lineare Invarianz - rein theoretisch (siehe unten).
Da allerdings an der Grenze zur zweiten ISO-Invarianten Basis ein Qualitätssprung eintritt, setzt sich die Linearität nicht über diese Grenze fort.
Hinzu kommt die nicht selten fehlende lineare Ausrichtung oberhalb der zweiten ISO-Stufe, die bis hin zur ISO-Varianz führen kann, welche der Hersteller bewusst erzielen will, um das Rauschen in höheren ISO-Werten zu reduzieren.
Moderne Kamera-Software:
ISO-Invarianz ist nur bei RAW-Dateien wichtig, die man in großem Umfang nachbearbeiten will.
Es hat jedoch vermutlich nie ein wirkliches Roh-Datenmaterial in einer Kamera gegeben, das die komplett unbehandelten RAW-Daten des Sensors unverändert abspeicherte. Von Anfang an handelte es sich bei RAW-Dateien nur um ein von Kameraherstellern für sich erfundenes (sogenanntes proprietäres) Dateiformat, das sie jederzeit abändern und inhaltlich verändern können.
Spätestens seit 2018 kann man von gezieltem RAW-Betrug bei allen Kameraherstellern sprechen. Dabei werden die Sensordaten im Kameraprozessor 'aufgehübscht': Vor allem in den verrauschten Schattenbereichen wird das Rauschen unterdrückt, die Strukturen werden geglättet und dann wird wieder nachgeschärft.
Mit zunehmender Prozessorleistung sowie KI (künstlicher Intelligenz) wurden diese Bildveränderungen an der Roh-Datei immer umfangreicher sowie ausgefeilter. Heute kann man das Bild in der Kamera unterteilen und dutzende Einzelsektoren, welche der Hersteller z.B. als zu dunkel ansieht, entrauschen, aufhellen etc. Daraus folgt, dass sich diese RAW-Tricks ganz partiell auf kleine Bildteile anwenden lassen.
Für den Laien ist es sehr schwierig, diese Tricks von der klassischen ISO-Invarianz zu unterscheiden. Denn das Endergebnis sieht in fast allen Fällen inzwischen so hochwertig aus, wie vom teuersten ISO-invarianten Sensor.
Es kommt sogar noch ungünstiger für Endanwender: Mittels KI-Software kann man für jede in der Kamera vorgewählte ISO-Stufe einen anderen Korrekturfaktor auf die RAW-Datei anwenden, bevor sie abgespeichert wird.
Daraus folgt, dass sich heute bereits die RAW-Dateien wieder je nach vorgewählter ISO-Einstellung unterscheiden, obwohl in der Kamera evtl. ein ISO-invarianten Sensor verbaut wurde.
Moderne PC-Software für die Bildbearbeitung:
Hinzu kommen die RAW-Konverter. Jeder Konverter für RAW-Dateien unterscheidet sich von den anderen. Kein einziger ist standardisiert.
Nicht einmal alle Software-Hersteller arbeiten mit den Kameraherstellern zusammen. Respektive umgekehrt: Viele Kamerahersteller sind nicht bereit, an alle Software-Hersteller alle Daten auszuhändigen. Dies erkennt man immer wieder bei neuen Kameramodellen, bei denen es oft Monate dauert, bis die Software-Hersteller (durch eigenes mühsames Reverse-Engineering) einen passenden RAW-Konverter herausbringen.
Ganz unbefriedigend sieht es bei Fujifilm aus, die in vielen Kameras der APS-C-Klasse eine eigene Sensormatrix verwenden, welche willkürlich die Anzahl der ohnedies überbetonten grünen Filter vor den Pixeln nochmals erhöht. Dort lässt sich laut zahlreichen Aussagen bis heute nur das Programm Capture One Pro (COP) halbwegs sinnvoll verwenden.
Klartext: Sie werden mit jedem RAW-Konverter aus der identischen RAW-Datei ein anderes - angeblich unbehandeltes - Bild erhalten, bevor Sie auch nur einen einzigen Regler in der Software verwendet haben.
Das den meisten Anwendern unbekannte Hauptproblem liegt daran, dass alle RAW-Konverter ein unbekanntes aber heimlich unterlegtes Kameramodell-Profil verwenden. Da werden ohne Rückmeldung an den Nutzer entweder das ganze Bild oder Teile bis zu 3 Blenden aufgehellt, entrauscht, farbverändert, nachgeschärft, aufgesteilt etc.
Fazit: Ohne ein für das eigene Kameramodell erstelltes lineares Profile kann man sowieso nicht das Geringste erkennen respektive zur ISO-Invarianz des Sensors aussagen.
Im schlimmsten Fall kann man ohne ein lineares Kameraprofil noch nicht einmal die oben erwähnten 3 Lichtwerte bei der Helligkeit relativ rauschfrei erhöhen, weil der RAW-Konverter das eventuell bereits durchgeführt hat.
Somit bleibt das Gesamtfazit:
Fast alle modernen (spiegellosen) Kameras verwenden heute einen Dual-Gain-Sensor, der in zumindest einer Teil-Stufe in einem gewissen Ausmaß ISO-invariant ist.
Dies bedeutet heute jedoch keinen linearen Verlauf mehr.
Anhand der KI in der Kamera und der KI in der PC-Software ist es Anwendern unmöglich, etwas Genaues zur ISO-Invarianz auszusagen.
Anhand der Weiterentwicklung der ISO-Invarianten Sensoren, der KI in der Kamera und der Software ist es jedoch Laien auch unmöglich, umgekehrte Rückschlüsse zu ziehen. D.h. weder kann man behaupten, dass ISO-Invarianz als Technologie nicht existiert, noch in welchem Ausmaße sie wie in einem neuen Kameramodell wirkt.
Die früher heiß diskutierte ISO-Invarianz des Sensors ist heute nur noch ein Kriterium unter vielen für die Bildqualität einer Kamera.
Weiterführende Artikel
Raw DR: ISO-invariance - Über 40 Kamera-Vergleichsmuster nachträglich gepuschter Beispielfotos - Englisch
Exposure versus Brightening - Zum Unterschied zwischen Belichtung der Kamera (exposure) und Helligkeit beim Endbetrachter - Englisch. Dort findet sich auch ein Ablaufdiagramm zur Bildentstehung in der Kamera bei klassischen / alten Sensoren, wie ich es oben im Absatz Technik beschrieben habe.
Bewusst habe ich hier keine Videos (z.B. von YouTube) zu dem Thema ISO-Invariance als Referenz aufgeführt, da die Materie m.E. zu komplex ist, als dass man sie mit schnell gesprochenen Texten verstehen kann, ohne dass man die Logik dahinter bereits vorab begriffen hat. Für derart komplexe Themen - wie ISO-Invarianz - eignet sich (mehrfach und langsam lesbarer) Text zum Verstehen und Erlernen noch immer am besten. Wer es bezweifelt, darf gerne einmal ein paar englische Videos zum Thema ISO-Invariance anschauen. Nachdem Sie nun meinen Text gelesen (und hoffentlich etwas davon verstanden und sich gemerkt) haben, werden Sie zumindest Teile der Videos besser verstehen.
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