Das 18. Gemälde zur Geschichte der Insel in Konstanz bedeckt als Abschluss direkt neben dem früheren Hoteleingang nur einen Bogen.
Die Dimensionen des Wand-Gemäldes betragen: 210 * 280 cm. Die historische Szene wird in einem einzigen Architektur-Bogen dargestellt.
Die Ersterstellung des Freskos wurde im Jahr 1896 durch den Stuttgarter Historienmaler Carl von Haeberlin ausgeführt.
Der Ort der Anbringung des Wandgemäldes: Das Fresko befindet sich auf der Südwand des Kreuzganges des Inselhotels. - Bitte beachten Sie hierzu den Lageplan (rechts) mit der in Rot gehaltenen Hervorhebung des Standortes. Sie können dazu auch den Überblick mit der Anordnung aller im Kreuzgang angebrachten Gemälde einsehen.
Das Farb-Foto oben zeigt das Fresko mit dem Titel: Insel-Hotel seit 1874 - im Zustand des Jahres 2014.
Diese Ankunftsszene spielt offensichtlich am Konstanzer Bahnhof, der jedoch fast einen Kilometer entfernt im Süden der Insel liegt. - Dieser Aspekt wird jedoch - wie so vieles in den Fresken - bewusst übergangen. Denn das Gemälde suggeriert, dass das Inselhotel einen direkten Bahnanschluss gehabt hätte. Evtl. war dies als Marketing-Aktion von Eberhard Graf Zeppelin gegen das damalige vom Konkurrenten Ferdinand Halm 1874 gegründete mit 90 Betten größte Hotel am Bodensee mit einem Maurischen Saal gedacht, das tatsächlich direkt gegenüber dem Konstanzer Bahnhof lag. In der Technikeuphorie des 19. Jahrhunderts waren Bahnhöfe noch positiv als Zeichen des Fortschrittes besetzt und wurden nicht als störende Elemente einer damaligen Bildungs-Reise angesehen.
Ein verglaster und mit Vorhängen versehener Reisewagon der Oberklasse bildet den Hintergrund dieser lebhaften Szene.
Von dessen Dach, auf dem man das größere Reise-Gepäck damals verstaute, reicht ein Bahnbediensteter einem Gast eine große lederne Tasche herunter.
Weitere zahlreiche Taschen, Koffer, Kisten, Körbe und Reisegepäck finden sich überall auf dem Bild, entweder am Boden stehend oder von Gepäckträgern transportiert.
In der Mitte empfängt ein Bediensteter des Hotels den offensichtlich wichtigsten Gast persönlich, indem er sich mit einem Schrieb in seiner linken Hand um die Formalitäten kümmert.
Die anderen Gäste der Reisegruppe stehen oder sitzen kreisförmig um diese beiden Personen herum. - Auffällig ist, dass die zwei Damen links offenbar erschöpft auf der aus Korbflechten hergestellten Reisetruhe sitzen. So etwas galt damals als nicht ganz so schicklich und ziemlich für Damen. (Siehe dazu unten.) Dennoch wurde es offenbar toleriert, als zu einer langen sowie anstrengenden Reise gehörend.
Rechts erkennt man die Schauspielerin Louise Dumont, welche Eberhard Graf Zeppelin dem Stuttgarter Historienmaler Carl von Häberlin als Modell für ein Gemälde empfohlen hatte. 1 - Warum der Graf sie abbilden ließ, ist nicht ganz klar, denn zum Zeitpunkt der Bilderstellung war sie noch keineswegs die berühmte Schauspielerin aus Köln, welche mit der Stücken Henrik Ibsens in Berlin große Erfolge feierte. Auch war damals noch nicht absehbar, dass sie mit ihrem Gatten Gustav Lindemann in Düsseldorf ein Theater mit angeschlossener Theaterakademie gründen würde, aus dem im 20. Jahrhundert berühmte deutsche Schauspieler hervorgehen sollten, war in den 1890er Jahren noch nicht absehbar. Damals war sie eher eine noch junge aufstrebende Schauspielerin (seit 1888) am Königlichen Hoftheater in Stuttgart. Eventuell hatte Graf Zeppelin sie aufgrund deren Freundschaft zur württembergischen Königin Charlotte kennen gelernt.
Wie die meisten Gemälde wurde auch dieses Fresko unter anderem von einem Fotografen der Familie Wolf aufgenommen und wird bis heute aufgrund seiner Detailtreue zur Darstellung des Tourismus im 19. Jahrhundert verwendet. 2
Alle Reisenden tragen z.B. die damals üblichen Reisemäntel, welche sehr weit und lang geschnitten waren und man als Schutzmantel über der Kleidung trug, um sich den Rauch, Ruß und Schmutz von den eigentlichen Kleidern zu halten und sich auch vor dem nassen Dampf der Dampfmaschinen sowohl beim Zug als auch auf den Dampfschiffen zu schützen. Auffällig sind die geradezu gigantischen Truhen, welche man damals statt moderner Koffer oft verwendete. Überhaupt besaßen die Utensilien zur Kleideraufbewahrung riesige Dimensionen, da man damals immer lange und erstaunlich viellagige sowie dicke Kleidung trug. Selbst im Sommer verhüllte man sich in der Kaiserzeit vor der Sonne, und Damen schützten sich zudem mit tragbaren Sonnenschirmen vor der Sonneneinstrahlung. Man erkennt deshalb unter anderem einen ganzen länglichen Sack in der unteren Bildmitte, welcher mit derartigen Schirmen angefüllt ist. Denn weiße Haut galt als edel beziehungsweise adlig, während gebräunte Haut für mühselige Arbeit, Bauern und das niedrige Volk stand. Sport und Bewegung als gesundheitlicher Faktor wurde in der Oberschicht bis zum Ende des 19. Jahrhunderts meist noch nicht als positiver Aspekt gewürdigt.
Auffällig sind neben den verschiedenen damaligen Herren vor allem die exklusiven Damenhüten, denn ohne standesgemäße Kopfbedeckung liefen damals (wie in obigem Bild zu sehen) nur die Bediensteten und andere Arbeiter herum. Auch sonst reiste man standesgemäß mit Weste und selbstverständlich mit eng gebundener Krawatte. Reisen oder die sogenannte Sommerfrische war damals kein Erholungsurlaub im modernen Sinne. Typisch war auch die blauweiße Reisedecke, welche die Dame in der Mitte über ihrem linken Unterarm trägt. Man konnte sie für fast alles verwenden, sei es um sich irgendwohin zu setzen, ohne sich zu beschmutzen, oder sich damit vor Wind und Kälte zu schützen etc.
Interessant sind auch die verschiedenen Handtaschen der Damen. Einerseits war dies ein Zeichen der Mobilität, andererseits auch der Emanzipation. Denn die reisende Frau wollte nun die wichtigsten kosmetischen Utensilien immer und überall dabei haben. Andererseits erkennt man das Fernglas in der Tasche der Dame rechts der Bildmitte, welches sie in einem edlen Leder-Futteral über der Schulter trug. Man ging Reisen, um etwas zu sehen. Und offenbar war es bereits im 19. Jahrhundert auch für Frauen der Oberschicht nicht mehr unschicklich, solch einen technischen Apparat persönlich mit sich herumzutragen. Denn auch Herren trugen auf Reisen - wie der Herr in der Mitte mit dem damals modischen kinnfreien Bart, der eine relativ große Reisetasche schräg über die Schulter geschnallt hat.
Typisch für das 19. Jahrhundert ist auch der Herr rechts im Hintergrund, welcher bereits seinen dicken Reisemantel abgelegt hat und über seinem linken Arm trägt. Er hat sich sogar zwei derartiger kleiner Reisetaschen schräg über die Schulter geschnallt. Dass man auch auf der Reise und im Urlaub nicht auf seine (teilweise sehr große) Pfeife verzichten wollte, oder auch nur für den Urlaub auf eine Reise-Pfeife umstieg, mag heute erstaunen, war damals in einer Gesellschaft, in welcher fast jeder Herr exzessiv und demonstrativ in Innenräumen (also auch dem Zugabteil) rauchte, selbstverständlich. Wichtiger - und für moderne Reisende kaum mehr verständlich - ist jedoch das rote Buch, welches er in seiner linken Hand hält. Es war im 19. Jahrhundert das Synonym für Reisen und das Erkennungszeichen aller Reisenden schlechthin. Hierbei handelte es sich um den Baedeker-Reiseführer. Denn damals orientierte man sich an den beschriebenen Sehenswürdigkeiten, welche die meisten Reisenden in der Art einer verpflichtenden Bucket List als Mitglied der elitären Oberschicht fast zwanghaft abarbeitete.
Dieses Schwarz-Weiß-Foto oben zeigt das Insel-Hotel seit 1874 - im Original-Zustand um das Jahr 1900 fotografiert.
Unter anderem im Schreiben vom 5.3.1895 teilte Eberhard Graf Zeppelin Häberlin nun ganz vorsichtig und mit vielen sich zierenden Floskeln sehr höflich und fast bittend mit, wie er sich das Schlussbild vorstellen könnte, wobei er Häberlins eigenen Vorschlag aufgriff und dem Maler große Freiheit ließ: ...Ihr ursprünglicher Vorschlag, irgendeine Scene aus der Hotelgegenwart, z.B. Ankunft von Gästen...
3 . Dies erstaunt umso mehr, als Ein großer kostümierter Ball im Saale des jetzigen Inselhotels
von Zeppelin ursprünglich als 17. Abschlussbild vorgesehen war. 4 Das ist kein Druckfehler, denn ursprünglich waren nur 17 statt der heute vorhandenen 18 Bilder geplant.
Auch hier ist die Datierung nicht ganz korrekt. Es fanden Ende 1874 zwar erste Konzerte im Gebäude statt. Aber das Insel-Hotel eröffnete erst am 15. April 1875, wobei man erste Gäste auf Vorbestellung auch bereits ab Mitte März aufnahm.
Die Abbildung oben zeigt die offizielle Anzeige zur Eröffnung des Insel-Hotels für den 15. April 1875 in der Konstanzer Zeitung vom 28. März 1875.
Wichtiger für die Bildwirkung war jedoch, dass sich Zeppelin (für seine Verhältnisse) scheinbar tatsächlich weitgehend aus der Gestaltung heraushielt und Häberlin so erstmals frei sein Bild malen konnte. Von allen Gemälden wirkt es am dynamischsten. Vor allem die zahlreichen Lichteffekte haben einen erheblichen Anteil daran. Durch die Komprimierung so vieler Personen und Gegenstände auf engstem Raum, verstärkt durch den extremen Detailreichtum sowie der Bewegung in der linken oberen Bildhälfte, wird die Spannung am Bahnhof für den Betrachter direkt erlebbar. Und gleichzeitig bringt Häberlin es fertig, dass keine Hektik aufkommt und das Bild eine gewisse Ruhe ausstrahlt, die man mit Urlaub assoziiert möchte. Dies geschieht vor allem durch den aufrecht stehenden Hotelbediensteten (eventuell handelt es sich um den Empfangschef), auf dem auch die Blicke der meisten anderen Personen ruhen.
Das Bild scheint auf den ersten Blick keinen Marketing-Auftrag zu verfolgen und auch keine Werbebotschaft zu beinhalten. Aber es war als Abschlussbild in mehrerer Hinsicht erforderlich. Primär schloss es - wie man erkannte - den letzten noch leeren / Bogen / weißen Fleck an der Südwand. Aber sekundär brachte es das Marketing-Konzept nach dem kaiserlichen Höhenflug wieder auf den Boden der Realität zurück, indem es sich auf das wahre Zielpublikum konzentrierte. Von den wenigen Hoheiten, die selten im Hotel residierten, konnte man als geschäftstüchtiger Hotelier nicht leben. Aber von den oberen Bürgerschichten, dem Großbürgertum und dem bürgerlichen Mittelstand, die sich von diesem Glanz des Adels angezogen fühlten, sehr wohl. Das scheint auch der Grund zu sein, warum dieses Foto so gerne betrachtet und verwendet wird. Es scheint den Tourismus / die Sommerfrische des Bürgertums im späten 19. Jahrhunderts so perfekt darzustellen. Aber bei diesen Personen handelte es sich weder um eine Familie, noch um herkömmliche Reisende, sondern um eine komplette Theatergruppe auf Tournee, wodurch sich das äußerst umfangreiche Gepäck erklärt.
1 Aus den Briefen von Eberhard Graf Zeppelin an Haeberlin aus den Jahren 1886-1904, Landesbibliothek Stuttgart, Cod. Hist. 4° 445, Fasz. V, Brief vom 19.1.1892, zitiert nach Pech, Carl von Haeberlin, S. 23.
2 Die Original-Foto-Glasplatte befindet sich im Stadtarchiv Konstanz. Verwendet wurde sie unter anderem in Klöckler und Fromm, S. 100 Sammlung Wolf, Glasplatte 12,9 * 20,8 cm, ebenso in Moser, Mit prächtiger Aussicht auf See und Gebirge
, S. 36.
3 Aus den Briefen von Eberhard Graf Zeppelin an Haeberlin aus den Jahren 1886-1904, Landesbibliothek Stuttgart, Cod. Hist. 4° 445, Fasz. V, Brief vom 5.3.1895, zitiert nach Pech, Carl von Haeberlin, S. 233.
4 Siehe hierzu Die neuen Fresken im Kreuzgang des Inselhotels, in: Konstanzer Zeitung 15.07.1886.
Hier geht es zum Fazit mit den Ergebnissen.
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