7. Die Perspektive beim Bildaufbau
Die Perspektive in der Fotografie ist eines der wichtigsten Mittel des Bildaufbaus.
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Perspektive / perspective
- Bereits die Griechen und Römer kannten Perspektiven und verwendeten sie auch.
- Perspektive bezeichnet nur den Blickwinkel der Kamera, mit dem man das Motiv aufnimmt. D.h. der Abstand zum Objekt oder die Brennweite des Objektivs spielen hierbei keine Rolle.
- Allerdings hat die Perspektive auch immer einen Einfluss auf die Größe, den Winkel der aufgenommenen Objekte und den Abstand der Objekte zueinander (den wahrgenommenen Raum zwischen ihnen).
- Es kann sehr aufwändig sein, die optimale Perspektive für eine Aufnahme zu finden. Erfahrene Fotografen verwenden darauf sehr viel Zeit. Auch sie müssen bei jedem Motiv vieles zuerst ausprobieren um die optimale Position für sich und die Kamera zu finden.
- Perspektive - Perspective (visual) - Perspective (graphical)
Lineare Perspektive
- Menschen orientieren sich nach abnehmender Größe der Objekte (Dwindling Size Perspective) und an den Winkeln, mit denen Linien aufeinander zulaufen.
Volume Perspective
- Vor allem die Schatten und deren Richtung sowie Form und Ausbereitung mehrerer Objekte helfen Menschen, diese Objekte räumlich einzuordnen und das Volumen dieser Objekte einzuschätzen. Fotos mit Schatten wirken dreidimensional, Fotos ohne Schatten wirken flach.
- Vor allem die Abstände zwischen den Schatten erlauben Rückschlüsse auf die räumliche Tiefe des Bildes.
Vertikale Perspektiven
Zentralperspektive, Zentral-Projektion, Fluchtpunkt, Vanishing Point Perspective, one-point perspective
- Das Motiv wird aus dessen Mitte heraus aufgenommen, oder aus Augenhöhe des Fotografen (Augenperspektive).
- Letzteres ist aber eigentlich nicht immer korrekt, sondern bezieht sich oft auf Personenaufnahmen.
- Die meisten Linien (Diagonalen) und somit Blicke sind auf die Bildmitte gerichtet.
- Zumindest sollte der Aufnahmewinkel horizontal sein.
- Es ist die klassische Perspektive. Der Horizont befindet sich meist in der Bildmitte.
- Flächen parallel zur Sensor-/Filmebene werden (theoretisch / je nach Objektiv weitgehend) verzeichnungsfrei abgebildet.
- Kreise bleiben rund und Winkel identisch.
- Geraden werden als gerade Linie abgebildet.
- Parallelen bleiben parallel.
- Senkrechte Objekte (Häuser, Bäume) werden auch vertikal abgebildet.
- Diese Rechtwinkligkeit führt zu nur einem Fluchtpunkt / Fernpunkt auf Höhe des Betrachters.
- Der mittige Horizont kann zwar manchmal statisch und langweilig wirken, bietet jedoch auch ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität.
- Unter perspektivischer Verkürzung versteht man die scheinbare Abnahme der Größe von Objekten und von deren Abständen hin zum Fluchtpunkt. Dies ist ein wichtiger Anhaltspunkt für das menschliche Gehirn zur Assoziation von Tiefe.
Nimmt man nicht die Frontseite eines Objektes plan auf, fotografiert man also auf eine Ecke (z.B. eines Hauses), so ist nur die Z-Achse parallel zur Fotoebene. Deshalb bilden sich dann zwei Fluchtpunkte die nach links und rechts auf den gemeinsamen Horizont zustreben.
Je steiler der Aufnahme-Winkel wird, umso größer werden die Winkel zwischen den Fluchtlinien, umso schneller nimmt die Größe von Objekten in der Entfernung ab. Je nachdem spricht man auch von flacher oder steiler Perspektive.
Froschperspektive, Untersicht, Low Angle, Low Viewpoint
- Die Kamera wird bei der Aufnahme unterhalb des Mittelpunktes des Motivs gehalten und nach oben gerichtet.
- Der Himmel bildet meist einen sauberen Hintergrund.
- Auch störender Vordergrund verschwindet meist völlig.
- Die Hauptanwendung der Froschperspektive liegt in der Architekturfotografie.
- Die Größe der Motive wird extrem betont (nicht nur Wolkenkratzer, sondern auch Blumen).
- Bei Personenaufnahmen kann so der Eindruck der Unterdrückung, Schwäche, Erniedrigung des Betrachters eingebracht werden bzw. die Übermacht, Stärke, Vorherrschaft, Dominanz des Fotografierten erzeugt werden. Objekte die von relativ gesehen oberhalb der Augenlinie herunterschauen, werden als dominant gesehen.
- Das Bild erhält so eine gewisse Dramatik.
- Als Nachteil werden alle ursprünglich vertikalen Linien gestürzt: Häuser kippen nach hinten. Manchmal werden Gesichtszüge - von unten aufgenommen - grotesk verzerrt.
- Da keine Ebene mehr Parallel zur Fotoebene verläuft, bilden sich drei Fluchtpunkte (Three-point perspective). Bei der Froschperspektive liegt der Dritte Fluchtpunkt im Himmel.
Vogelperspektive, Vogelschau, Luftbilder, aerial viewpoint, Obersicht
- Die Kamera wird bei der Aufnahme oberhalb des Mittelpunktes des Motivs gehalten und nach unten gerichtet.
- Viele Dinge werden klein.
- Bei Personenaufnahmen kann so der Eindruck der Größe, Macht, Erhabenheit beim Betrachter entstehen.
- Je höher der eigene Standort ist, je größer der Neigungswinkel der Kamera, desto eher erhält der Betrachter einen Überblick über die Gegend.
- Der Himmel mit dem Horizont verschiebt sich nach oben oder verschwindet ganz aus dem Bild.
- Flächen auf der Ebene (dem Boden) werden betont.
- Die aufgenommenen Subjekte werden immer kleiner, miniaturisierter, schwächer und machtloser.
- Manchmal werden - bei Aufnahmen von schräg oben - die Beine der Personen extrem verkürzt. Auch sonst können die Proportionen von Kopf, Rumpf, Händen und Füßen völlig ungewöhnlich ausfallen.
- Da keine Ebene mehr Parallel zur Fotoebene verläuft, bilden sich drei Fluchtpunkte (Three-point perspective). Bei der Vogelperspektive liegt der Dritte Fluchtpunkt in der Erde.
Luftperspektive, Atmospheric Perspective, Aerial perspective
- Das Motiv liegt in sehr großer Entfernung.
- Dadurch wird das Bild heller und verliert an Kontrast und Sättigung.
- Ferner gewinnen die Hintergrundfarben (meist kalte Blautöne) die Oberhand.
- Eine Ausnahme ist der Sonnen-Untergang bzw. -Aufgang: Dort kommt es zu einer Rotverschiebung.
- Ein klassisches Beispiel der Luftperspektive sind Hochgebirgsaufnahmen.
- Der Fotograf muss nichts tun, da die Luftfilterung durch die Entfernung den Effekt automatisch entstehen lässt.
- Aerial perspective
Farbperspektive
- Dies ist die Reihenfolge von warmen Farben in der Nähe und zunehmend kalten Farben in der Ferne.
- Manche setzen Farbperspektive auch mit Luftperspektive gleich, da bei der Luftperspektive automatisch die warmen Farben mit der Entfernung abnehmen.
Dreidimensionalität / Tiefe (depth)
- Ein klassisches Foto ist immer zweidimensional. Da die Kameras nur ein Auge / Objektiv besitzen. (Wir sehen hier einmal von der Stereofotografie ab, bei der zwei versetzt aufgenommene Fotos vorliegen, die zusammen einen 3D-Eindruck erzeugen können.)
- Der Dreidimensionale Eindruck eines zweidimensionalen Fotos entsteht folglich im Gehirn des Betrachters durch Erfahrungswerte. Räumliches Sehen / eine dreidimensionale Tiefe auf einem Foto ist folglich immer eine Illusion.
- Da Künstler wie Escher,
William Ely Hill, mit derartigen Vexierbildern und Kippfiguren spielen und in die Irre leiten können, muss es Regeln der Bildgestaltung geben, welche die Dreidimensionalität bestimmen.
- Es finden sich zahlreiche Orientierungspunkte des Gehirns für das Vorliegen einer Dreidimensionalität:
- Tonabstufungen: Wie wird aus einem Kreis eine Kugel? Indem man mit sichelförmigen, weichen, kontinuierlichen Tonabstufungen einen vermeintlichen Lichteinfall simuliert, der sich typischerweise nur auf runden dreidimensionalen Körpern findet. Siehe hierzu den Film Values.
- Perspektiven
- Verläufe
- Farbunterschiede: Blau wirkt fern (die anderen Lichtfarben werden auf weite Distanz gefiltert). Rot wirkt als warme Farbe hingegen nah.
- Größenunterschiede: Großes wirkt nah, Kleines eher fern. Dieser Effekt wird durch Ultraweitwinkelobjektive sogar noch verstärkt, weshalb man diese Objektive gerne zur Erzeugung von Tiefe verwendet. - Dies unterscheidet die modernen Perspektiven z.B. von der Bedeutungsperspektive, wie sie z.B. in manchen religiösen mittelalterlichen Gemälden zu finden ist. Früher wurden oft bedeutende Elemente teilweise größer dargestellt, als es die realen räumlich-geometrischen Gegebenheiten vorgesehen hätten.
- Linien: Die Linearperspektive - wenn alle oder viele Linien in eine bestimmte Richtung zeigen - kann räumliche Tiefe erzeugen.
- Vor allem Diagonalen assoziieren Menschen oft mit Tiefe.
- Details wirken nah, grobe Umrisse, abstrakte Strukturen eher fern.
- Abnehmender Kontrast, weiche Kanten deuten auf Ferne.
- Texturverlust deutet auf Ferne hin. Man spricht hierbei auch von Texturgradient: Unter dem Texturgradienten versteht man die abnehmende / sich verkleinernde Strukturen von Oberflächen oder Mustern mit der Entfernung. Bei etwa gleichgroßen Objekten mit etwa gleicher Oberflächenstruktur resp. Mustern wird eine Tiefenwirkung dadurch erzeugt, dass diese Oberflächenstruktur / das Muster mit zunehmender Entfernung immer kleiner wird.
- Hell-Dunkel-Unterschiede: Normalerwiese ist in der Natur die dunkelste Stelle nah im Vordergrund am Boden (dunkle Büsche), die mittelhellen Bereiche liegen im Mittelgrund und die hellen Bereiche liegen hoch und weit in der Ferne (Himmel: Hellblau bis Weiß).
- Schatten (insbesondere bei Seiten- und Streiflicht können räumliche Tiefe erzeugen, da sie Strukturen sichtbar machen und betonen.
- Schwarze Schatten können jedoch zu viel Aufmerksamkeit auf sich selbst ziehen. Vorteilhafter sind oft Schatten, welche noch Details und farbliche Unterschiede im Innern zeigen.
- Ein Stapel von Gegenständen, also die räumliche Wiederholung ergibt Tiefe.
- Überlappungen, Staffelung, Überschneidungen von Objekten erzeugen Tiefe (Overlap Perspective, Überlappende Perspektive).
- In Landschaften trennt Dunst/Nebel dazwischen die unterschiedlichen Ebenen (insbesondere bei Bergzügen und Wäldern) und erzeugt so räumliche Tiefe.
- Rahmen um ein Motiv herum können eine Tiefenwirkung erzeugen.
- Luftperspektive erzeugt durch die kalten Farben Tiefe (siehe Luftperspektive, Atmospheric Perspective, Aerial perspective).
- Tiefe durch Bewegungsunschärfe:
- Durch das Mitziehen der Kamera mit einem bewegten Objekt trennt man das Objekt vom Hintergrund und erzeugt so zwei deutlich voneinander getrennte Ebenen.
- Auch durch Fixieren der Kamera auf den Hintergrund und die Verwendung einer zu langen Verschlusszeit für das bewegte Objekt trennt man das Objekt vom Hintergrund und erzeugt so zwei deutlich voneinander getrennte Ebenen.
- Bilder werden häufig in drei Ebenen unterteilt: Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund. Seltener sind es zwei Ebenen: Vordergrund und Hintergrund, noch seltener sind es viele Ebenen.
- Man muss somit festlegen, in welchem Grund - oder auf welcher Ebene sich das Hauptmotiv befinden soll. Das muss nicht immer der Vordergrund sein.
- Falls es Nebenmotive gibt, so sollte man diese eher in eine andere Ebene legen als das Hauptmotiv. Oder man muss andere bildkompositorische Möglichkeiten nutzen, um deren Nebenrollencharakter herzustellen.
Weitere Fachausdrücke
Ferner werden weitere Perspektiven verwendet, die jedoch primär nichts mit den obigen Perspektiven (Erzeugung von Raum und dreidimensionaler Tiefe) zu tun haben. Es handelt sich eher um technische Ausdrücke, welche sich auf die Wirkung bestimmter Objektive beziehen.
Weitwinkelperspektive
- Darunter versteht man die Verwendung von (ultra-) Weitwinkelobjektiven. Damit kann man kleine Objekte im Vordergrund in einen besonderen / bedeutungsvollen (Verbindungs-) Zusammenhang zu großen Objekten im Hintergrund stellen.
- Hierzu nutzt man die physikalischen Eigenschaften der Weitwinkelobjektive aus: Nahe Objekte werden groß, weit entfernte sehr klein dargestellt, Winkel werden aufgesteilt. So wird ein weiter Blickwinkel erzeugt und damit viel Hintergrund in das Bild eingebaut.
- Details und Proportionen können je nach ihrem Abstand zur Kamera erheblich verzerrt werden.
Teleperspektive
- Unter Teleperspektive versteht man, dass man Motive aus großer Distanz mit Objektiven mit langen Brennweiten fotografiert.
- Die Proportionen der Objekte bleiben weitgehend erhalten. Motive werden kaum verzerrt.
- Die wahrgenommene Tiefe zwischen den Objekten im Raum reduziert sich jedoch, wodurch grafische, flache, verdichtete Bilder entstehen, welche Farben und Formen betonen.
Sphärische Projektion, Fischaugenprojektion, Fish-eye-perspective
- Hierbei handelt es sich um eine extrem über das menschliche Sehvermögen hinausgehende Darstellung mit Raumblick bis zu 180 Grad.
- Allerdings werden hierbei alle Geraden, welche nicht durch die Mitte laufen deutlich verbogen.
- Flächen werden je nach Ort der Abbildung (Zentrum bis Rand) unterschiedlich dargestellt.
Hier geht es weiter in der Bildgestaltung: Verbinden, trennen, Licht
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