4. Der Kontrast beim Bildaufbau
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Kontraste
- Kontraste sind Gegenüberstellungen. Sie erzeugen Interesse, Spannung.
- Die Hauptkontraste sollten sich beim Hauptmotiv befinden.
- Liegen weitere (fast) gleichstarke Kontraste in anderen Bildteilen vor, so streiten diese um die Aufmerksamkeit des Betrachters.
- Viele Künstler raten deshalb, die sonstigen Kontraste im Bild zumindest etwas geringer zu halten.
Tonale Kontraste
- In Schwarz-Weiß-Bildern treten besonders tonale Kontraste hervor (helle Elemente kontrastieren gegen dunkle und umgekehrt).
- Harte tonale Kontraste symbolisieren Stärke, Macht, Härte.
- Weiche geringe, flache tonale Kontraste stehen für das Weiche, Sanftmut, Milde, Freundlichkeit.
Farbkontraste
- Da sich Farben in den drei Bereichen Farbton (hue), Sättigung (saturation), Helligkeit (brightness) unterscheiden, wirken die Kontraste umso stärker, je weiter die Einzelwerte in den drei Kategorien auseinander liegen.
- D.h. jeder Unterschied bei Farben bildet somit einen (wenn auch geringen) Farbkontrast.
- Oft versteht man unter Farbkontrast jedoch ein hartes Aufeinanderprallen / Gegeneinander unterschiedlicher (oft komplementärer) Farben. Je nach Farbkreis meint man mit Komplementär-Kontrast oft die im jeweiligen Kreis gegenüberliegenden Farben.
- Bei sich (in den drei oben genannten Kategorien Farbton, Sättigung, Helligkeit) nur gering unterscheidenden Farben spricht man auch oft von Farbharmonien.
- Bei einem Farbkontrast betont jede Farbe die Wirkung der anderen. D.h. deren charakteristische Eigenschaften werden gegenseitig herausgestrichen. Treffen diese Kontrastfarben aufeinander so verstärken sie sich gegenseitig.
- Wenige gezielt eingesetzte Farben können ein Bild beleben. Viele bunte Farben können jedoch den Betrachter auch verwirren.
- Oft findet sich der Warm-Kalt-Kontrast, wobei man meist den Farbkreis halbiert / aufteilt: die Farben Violett bis Grün-Gelb als kalt und von Orange bis Rot als Warm einteilt.
- Warm-Kalt-Kontrast: Über die Farbtemperatur lässt sich auch eine dreidimensionale Tiefe, ein Raumeindruck erzielen. Kalte Farben scheinen weiter entfernt, während warme Farben sich in den Vordergrund drängen.
- Der Quantitätskontrast / Mengenkontrast beschreibt die Flächenverhältnisse bestimmter Farben oder Farbgruppen: (Siehe auch: Visuelles Gleichgewicht / Ungleichgewicht)
- Allerdings ist der Flächenbedarf bei einem psychologischen Gewichtsausgleich der Farben unterschiedlich: Gelb ist die auffälligste Farbe und benötigt sehr wenig Fläche gegenüber Violett, Orange benötigt etwas mehr gegenüber dem großflächigen Blau, während sich rot und Grün in etwa die Waage halten.
- Klassisch in der Malerei war früher die rot gekleidete Person in einer grünlichen Landschaft. Ein kleiner roter Fleck stach dort besonders hervor. In der Fotografie wurde dies oft kopiert und folglich sattgesehen. Heute verwendet man in Landschaften auch Gelb und Orange als Kleidungsfarben für Personen. D.h. man wählt fast immer Farben, die in der Natur selbst eher selten vorkommen.
- Broken Color / gebrochene Farben produzieren Interesse und bringen Leben in ein Bild. Dabei handelt es sich um ähnliche Farben (Mischfarben der Hauptgruppen), die zwischendrin sichtbar sind (z.B. Blumen auf einer Wiese, Lichtreflexe auf Blättern).
- Der Farbe-an-sich-Kontrast betrifft den Unterschied zwischen den Farben untereinander, besonders deutlich sichtbar bei den Grundfarben des Farbkreises. Manche unterscheiden auch einen Farbe-an-sich-Kontrast gegenüber den in Schwarz-Weiß gehaltenen Teilen (eines Fotos) - also den Kontrast Farbe zu Schwarz-Weiß.
- Derartige Farbkontraste finden sich sowohl in der Natur, wie auch insbesondere in der modernen Stadt.
- Solche unerwarteten Gegensätze ziehen den Blick an, überraschen und fesseln den Betrachter.
- Am stärksten betonen Farbkontraste möglichst reiner Farben zusammen mit ihren Komplementärfarben den wichtigsten Bildteil.
- Qualitätskontrast: verwandte - d.h. nah auf einem Farbkreis beieinander liegende - Farben haben vieles gemeinsam und bilden einen geringen Kontrast, während weit auf dem Farbkreis auseinanderliegende Farben härter miteinander kontrastieren. Ausgehend von Helligkeit, Sättigungsgrad und Farbreinheit bezeichnet man damit oft den Gegensatz von leuchtenden / gesättigten Farben zu trüben / gebrochenen / gemischten (typisch: Grau). Die Wirkung des Qualitätskontrastes ist allerdings abhängig von den benachbarten Farben und somit relativ und ortsabhängig.
- Simultan-Kontrast / Simultaneous Contrast: Zwei Farben, die nahe beieinander liegen und gleichzeitig vom Auge erfasst werden, können sich gegenseitig beeinflussen. Ähnliches tritt bei bunten und unbunten Farben auf, wobei die unbunte Farbe (z.B. Grau) im Extremfall die Komplementärfarbe der bunten Farbe annehmen kann.
- Sukzessiv-Kontrast, Nachfolge-Kontrast: Der längere Blick auf eine Farbe (Farbfläche) kann danach (z.B. auf einer neutralen Fläche) die Komplementärfarbe als Nachbild hervorrufen.
- Insgesamt gesehen kommt es zu vielen allerdings komplexen Wechselwirkung von Farben:
- So wirken leicht veränderte Farben alleine wie die Kernfarbe: Ein leicht nach rot verändertes Blau oder ein leicht nach grün verändertes Blau wirkten für sich alleine stehend als Blau.
- Stellt man nun diese zwei Farben direkt nebeneinander, entsteht dadurch ein sichtbarer Farb-Kontrast.
- Stellt man dann zwischen diese zwei Farben als dritte Farbe wiederum das absolut neutrale Blau, so entsteht dadurch ein (Farb-) Anpassung. Der Kontrast wird nicht mehr betont.
- Ein strahlend blauer Himmel kann einen grünen Wald und eine grüne Wiese sehr hart kontrastieren. Will man diese Trennung etwas auflockern, so kann man das Blau in einem Streifen Wasser (Teich, Pfütze als Spiegelung) im Vordergrund aufnehmen. So kann man die Farbharmonie erhöhen.
- Eine Sonderform der Kontraste entsteht durch nahe Schatten: Schatten lassen Farben intensiver strahlen, die Leuchtkraft und Sättigung scheint höher zu sein.
Formenkontraste
- Ein hartes Aufeinanderprallen / Gegeneinander unterschiedlicher Formen - meist runde gegen eckige.
- Ist die Form gefüllt (was fast immer der Fall ist), dann sprechen manche hierbei auch von einem Flächenkontrast. In diesem Fall kommt noch der Kontrast zwischen symmetrischen und unsymmetrischen Flächen hinzu.
- Stark vereinfacht finden sich auch Linienkontraste, wobei jegliche Ausprägungsunterschiede (z.B. Dicke, Farbe, Durchgängigkeit, Richtung etc.) als Kontrast aufgefasst werden können.
- Solche unerwarteten Gegensätze ziehen den Blick an, überraschen und fesseln den Betrachter.
Helligkeitskontrast, Hell-Dunkel-Kontrast, Tonwertkontrast, values
- Ein hartes Aufeinanderprallen / Gegeneinander unterschiedlicher Helligkeiten. Der stärkste Hell-Dunkel-Kontrast findet sich bei den Farben Schwarz und Weiß.
- Solche unerwarteten Gegensätze ziehen den Blick an, überraschen und fesseln den Betrachter. Deshalb werden sie gerne für das bildbestimmende Hauptmotiv gewählt.
- Für viele Betrachter wirken helle Farbtöne angenehmer als dunkle Farbtöne. Das Auge des Betrachters wird daher von hellen Bildpartien angezogen und verweilt auch länger auf hellen Bildelementen.
- Je höher der Hell-Dunkel-Kontrast, desto höher wird die im Bild liegende Spannung empfunden.
- Mittlere Hell-Dunkel-Kontraste werden oft als ruhig oder beruhigend empfunden.
- Bilder mit extrem geringen Helligkeitskontrasten können hingegen auf manche Betrachter als langweilig wirken.
- Mit dem Helligkeitskontrast gehen auch Größen- und Gewichtsmerkmale einher: Helle Objekte, Elemente, Flächen, Formen wirken grösser und leichter als gleichgroße dunkle. Oder mit anderen Worten: dunkle Objekte, Elemente, Flächen, Formen wirken kleiner und schwerer als gleichgroße helle. (Siehe auch: Visuelles Gleichgewicht / Ungleichgewicht)
- Der wahrgenommene Hell-Dunkel-Kontrast ist abhängig von der externen Beleuchtung. So verändern sich die wahrgenommenen Werte je nach Tageslicht oder überhaupt nach Lichtmenge. Dies betrifft einerseits das aufgenommene Objekt als auch das später ausgestellte Foto.
Ort des stärksten Kontrastes
- Da der Ort des stärksten Kontrastes den Blick des Betrachters automatisch anzieht und hält, sollte er beim Hauptmotiv liegen.
- D.h. die hellste sollte eng neben der dunkelsten Stelle im Hauptmotiv liegen.
- D.h. die leuchtendste warme Farbe sollte eng neben der ungesättigten kalten Stelle im Hauptmotiv liegen.
Oberflächen-Kontraste / Struktur-Kontraste / Textur-Kontraste / Stofflichkeits-Kontraste
- Falls sich verschiedene Oberflächenstrukturen gegenüberstehen, so kann es zu entsprechenden Kontrasten und der dementsprechenden Aufmerksamkeit des Betrachters dafür kommen.
- Glatte reine Baby-Haut gegen Falten, Runzeln, Narben.
- Polierte, glatte, glänzende Fläche gegen raue Felsen, Schmirgelpapier, Riefen, Kratzer etc.
- Weiche, feingewebte Kaschmirkleidung gegenüber verfilzten, spleißigen, groben Schafswollpullover.
- Stacheldraht - Watte.
- Oft reicht bereits das unterschiedliche Material an sich aus, um im Gehirn des Betrachters diesen Kontrast zu konstruieren: z.B. hart-weich, sanft-rau.
- Textur entsteht oft als Nebenprodukt seitlich einfallenden Lichts. Je flacher das Licht einfällt, desto stärker wird die Oberflächenrauheit sichtbar / herausgearbeitet. Daraus folgt auch, dass man mit direktem Auflicht Texturkontraste verringern kann.
Richtungskontrast
- Zum Richtungskontrast siehe auch Linien und besonders Pfeile.
- Linien und Pfeile können Beziehungen herstellen und sogar harmonisch wirken. Dann sind sie meist gleichmäßig oder zumindest auf dasselbe Ziel ausgerichtet.
- Völlig unterschiedlich verlaufende Linien und Pfeile (z.B. sich kreuzende Linien, Kreuzung zweier Straßen, Andreaskreuz, Ähren) können auch einen Richtungskontrast erzeugen.
- Je großflächiger dies ausfällt, umso deutlicher werden dann auch Musterkontraste (z.B. die diagonal verlaufenden Halme der Strohdächer zweier Häuser).
- Die Wirkung hängt maßgeblich von der Auffälligkeit der Linien ab, ist aber auch dann nicht immer bei allen Betrachten gleich wirksam.
Mengenkontrast
- Stehen sich zwei Objekte gegenüber, erkennt man einen mehr oder weniger klaren Kontrast auf vielen Bereichen.
- Kommt jedoch auf der einen Seite noch etwas hinzu, sei dies ein gleiches drittes Objekt oder ein anderes so treten Zahlen- / Mengenunterschiede in Erscheinung.
- Je auffälliger diese Unterschiede sind (zwei Autos, Äpfel, Volleyballspieler gegen nur einem Objekt auf der anderen Seite), umso deutlicher wird dies wahrgenommen.
- Verwechseln Sie diesen Mengenkontrast nicht mit dem flächenmäßigen Quantitätskontrast der Farben.
Größenunterschiede / Größenkontrast
- Auch bei Größenunterschieden handelt es sich um Kontraste.
- Als Stilmittel wird der Größenunterschied oft verwendet, um die Tiefe / Räumlichkeit darzustellen. Hierbei werden als etwa gleichgroß bekannte Elemente (z.B. Menschen) in unterschiedlicher Größe abgebildet.
- Solche unerwarteten Gegensätze ziehen den Blick an, überraschen und fesseln den Betrachter.
Schärfekontraste
- Scharfe und unscharfe Bildteile betonen sich gegenseitig.
- Tiefenwirkung: Scharfe und unscharfe Bildteile werden von den meisten Betrachtern unterschiedlichen Ebenen - also unterschiedlichen Entfernungen zugeordnet.
- Unscharfe Bildteile lenken den Blick auf die scharfen Elemente.
Inhaltliche Kontraste
- Auch unerwartete Bildinhalte ziehen den Blick an, erstaunen und faszinieren.
- Baden / Schwimmen im Winter bei Schnee und Eis.
- In Winter-(Ski-)Kleidung/-Ausrüstung gehüllte Personen am tropischen Sonnen-Strand.
- Jung-alt
- Schön-hässlich-Gegensatz
- Neu-gebraucht
- Hochglänzend-verschmutzt oder verrostet
Nichtkonformität
- Wenn alle Teile dieselbe Farbe, oder Form oder Textur etc. besitzen, fällt ein davon abweichendes Element auf und sticht aus der Masse heraus. (Z.B. hundert weiße Limousinen auf einem Parkplatz und ein roter Kombi.)
Ruhepunkte
Man sollte jedoch nicht das gesamte Bild nur aus Kontrasten aufbauen.
- Zahlreiche Maler legen vor den bildwichtigen Bestandteil eine ruhige Fläche, um Unruhe im Bild zu vermeiden.
- Diese Stelle wird auch als Verweilfläche zum Ausruhen für den Betrachter gesehen.
- Sehr oft handelt es sich dabei um eine etwas hellere Fläche direkt unter / vor dem bildwichtigen Inhalt. D.h. diese ruhige Fläche zieht bereits die Aufmerksamkeit auf sich, bevor sie sie zum Hauptmotiv weiterlenkt.
Hier geht es weiter in der Bildgestaltung: Gestaltgesetze
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