Crowd-Funding in der Fotografie und Videografie

vg

Die Finanzierung von Foto- und Video-Projekten durch Dritte.

Das Fremd-Finanzierungs-Syndrom

Es finden sich auch weitere Schreibweisen und Namen wie Crowdfunding, Fundraising, Schwarmfinanzierung, Schwarmökonomie, Crowdinvesting, Mikrofinanzierung etc.:

Das Ziel ist es, mit vielen kleinen Geldbeträgen von vielen Einzelpersonen ein Projekt zu finanzieren.

Zwar ist das ein altbekanntes Phänomen. Aber seit ein Influencer dies für die Fotografie auch für große Kamerahersteller pauschal lobte, stürmen auch die ökonomischen Fragen dazu ein. Und im Gegensatz zu vielen sehe ich das nicht nur positiv, sondern ziemlich differenziert.

Fast jeder hat schon einmal zumindest von einer dieser Plattformen gehört: Kickstarter (seit 2009), Crowdfunder, Patreon, Startnext, Indiegogo (seit 2008), Steady, Gofundme etc. Eine gut erklärte Liste dazu. Eine weitere Liste mit Bewertungen sowie eine allgemeine Liste der Crowdfunding-Plattformen.

Ursprünglich war die Idee der Fremd- und Vor-Finanzierung über Portale durch Dritte für eine Entwicklung und Herstellung eines neuen Produktes (auch für die Fotografie) für Kleinstfirmen und ehrliche Selbständige gedacht, welche eine brillante Idee haben aber schlichtweg nicht selbst das Projekt finanzieren konnten, weil sie dazu zu arm waren. Dafür hat(te) es seine Berechtigung.

Vorteile

Vor allem dafür werden immer alle möglichen Vorteile aufgezählt: Schnelle und unbürokratische Geldbeschaffung, Unabhängigkeit von großen Sponsoren / Finanziers und deren Sonderwünschen, günstige Geldbeschaffung, schnelle bis zeitnahe Finanzierung, hohe Reichweite der eigenen Werbemaßnahme, evtl. Aufbau einer eigenen aktiven Community in einer jungen Zielgruppe, wachsende Identifizierung und Gemeinschaftsgefühl durch ein gemeinsames Projekt, für das man persönlich Geld investiert, etc.

Weitere Motive

Zunehmend fanden sich jedoch ganz andere Motive, die man zumindest kennen sollte.

Unseriöses

Da gab und gibt es schlichtweg die Betrüger und Ganoven, welche so eine Finanzierungs-Plattform nur dazu missbrauchen, um schnell Geld einzusammeln, sich auf ein Konto im Ausland überweisen zu lassen und dann die erfundenen eigenen Personen- sowie Firmendaten schlichtweg zu löschen. Quasi eine Neudefinition von Cash and Carry. Dadurch haben fast alle Plattformen drastisch an Ruf verloren, da keine wirklich sicher ist vor derartigen Betrugsmethoden. D.h. diese Art der Fremdfinanzierung durch Dritte über Plattformen hat inzwischen bei vielen (gebrannten Kindern) einen negativen Beigeschmack. Man sollte es sich somit vorher genau überlegen, ob man damit in Verbindung gebracht werden will.

Mangelnde Kompetenzen

Hinzu kamen schlichtweg geniale Erfinder, die jedoch von (Patent-) Recht, Marketing, Produktion und Vertrieb keine Ahnung hatten, und dadurch nie das Produkt zu dem vorgesehenen Preis in der versprochenen Qualität zu dem anvisierten Zeitpunkt in der gewünschten Anzahl an die Kunden bringen konnten. Auch das hatte oft negative finanzielle Konsequenzen für alle Beteiligten.

Marketing und Werbung

Zunehmend stiegen dort aber auch größere und sogar bekannte (auch optische) Firmen ein, um das soziale Netz für eigene Zwecke zu missbrauchen und massiv Geld zu sparen, sowie eigenes Personal zu entlassen (Entschuldigung: einzusparen).

Da hätten wir den Marketing-Kanal: So eine Plattform stellt den Zugang zu einer bestimmten Klientel sicher, die kaum ein klassischer Hersteller (auch von Fotoprodukten) unter seiner Stammkundschaft besitzt. So erhält man potentiell preiswert neue Kunden, ohne sich anstrengen zu müssen. Das ist definitiv preiswerter als die klassische Neukundenakquise (vor allem in diesen Kreisen / Zielgruppen). Falls man einen bekannten Firmennamen besitzt, kann man damit richtig Schindluder treiben. So ist es inzwischen nicht nur nachgewiesen, sondern offiziell von manchen Managern zugegeben, dass dort Billigkopien bereits existierender chinesischer Fotoobjektive unter anderem Markennamen für ein Vielfaches verkauft wurden (höflich: Rebranding). D.h. die dort auftretende Firma hat sich komplett die Forschung und Entwicklung, die Produktion und das Marketing gespart. Überdies erachte ich so etwas für Betrug, da schlichtweg von vorne herein die Unwahrheit behauptet wurde.

Dann gibt es den Versuchsballon: Wenn man sich die eigene Marktanalyse für ein Produkt oder auch nur eine Produktidee sparen will, dann stellt man mit einem professionell gemachten Video einfach das Ganze auf eine derartige Finanzierungsplattform. Je nachdem, wie viele Menschen sich in welchem Zeitraum dafür interessieren oder noch besser dafür Geld bezahlen, desto höher wird evtl. die Wahrscheinlichkeit, dass der Anbieter, dann aus seiner vagen Idee auch noch etwas entwickelt. Bei Desinteresse war es eine Idee, die man kostengünstig getestet hat und sang- und klanglos sterben lässt.

Seriöse Anbieter

Aber auch für ganz seriöse Anbieter ist einiges zu beachten.

Bereits die Auswahl der passenden / richtigen Plattform für die eigene Idee / das Produkt ist für Laien schwierig.

So ist der Erfolg einer derartigen Kampagne nur schwer im Voraus abschätzbar. Selbst wirklich gute Produkte finden in dieser Zielgruppe nicht immer Interessenten. Das hängt auch viel von der eigenen Darstellung ab.

Dann ist das Risiko der Raubkopie: Sofern das Produkt genial ist, findet sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein asiatischer Anbieter, der es binnen Tagen kopiert und preiswerter weltweit vertreibt. Die Beweislage des im englischen / internationalen Raum vorhandenen Rechts der Prior Art ist für Laien kaum widerlegbar. Da behaupten dann einfach 10 Inder oder Chinesen etc., sie hätten die Idee bereits zwei Jahre vorher gehabt und in ihrem Slum in der Garage entwickelt.

Dann ist das Verlustrisiko bei Nichterreichen des Produktionszieles vorhanden. Selbst bei guten Ideen kann sich im Laufe der Massen-Produktion herausstellen, dass es nicht ganz wie geplant funktioniert. Rückzahlungen sind aufwändig.

Die Projektdauer und Projektgröße: Es handelt sich fast immer um kleine Kurzzeitprojekte. Langfristige Dinge oder große Entwicklungen lassen sich kaum so finanzieren. Dazu sind die meisten potentiellen Kunden auf jenen Plattformen zu ungeduldig und vor allem zu wechselhaft.

Für jedes Produkt / jede Idee muss man erneut um Aufmerksamkeit werben. Für Laien / geniale Erfinder ist dies oft schwer durchführbar.

Die wahren Kosten der Plattformen werden häufig unterschätzt. Zwar locken viele Plattformen mit kostenlos oder nur einstelligen Prozentzahlen der Einnahmen. Allerdings kommen da schnell weitere oft monatliche (Grund-) Gebühren etc. hinzu. Und die Bezahldienste wollen auch einen Anteil. Da werden insgesamt durchaus ein Drittel und mehr der Einnahmen abgezweigt. Ferner kommt die Mehrwertsteuer etc. Netto klingen die brutto oft beachtlichen Erlöse dann nicht selten eher ernüchternd.

Großfirmen

Wenn also große Firmen wie Canon seit 2021 und Ricoh/Pentax seit 2022 auch ihre neuen Kameras über Crowdfunding finanzieren wollen, so sehe ich dies skeptisch:

Es ist eine Perversion des ursprünglichen Finanzierungsgedankens dieser Crowdfunding-Portale, da den Großkonzernen nun wirklich nicht das erforderliche Kapital zur Eigeninvestition fehlt. Falls es dennoch zur Auslagerung des intern selbst gekürzten Forschungs- und Entwicklungs-Etats führt, dann wäre es ein Armutszeugnis.

Man spart sich Kosten für Fehlentwicklungen und zumindest die weltweite Marktstudie.

Dabei wird ein erhebliches unternehmerisches Risiko auf die (Privat-) Kunden verlagert.

Das Management gibt indirekt zu, dass es an die Idee nicht wirklich glaubt. Sonst würde die Firma das Produkt einfach auf den Markt bringen.

Es ist vermutlich eher ein neuer Marketing- und Vertriebs-Kanal, um andere, neue, junge Zielgruppen anzusprechen, die man sonst kaum erreichen würde, und deren Nischenprodukte man sonst nie verkaufen könnte.

Aber auch für den Hersteller ist das Vorgehen riskant: Einen Flopp darf man sich als große Firma nicht leisten. Der Image-Schaden in dieser Zielgruppe wäre erheblich und die Schadenfreude der Mitbewerber sowie der das alles beobachtenden Fachmedien wären ätzend.

Letztendlich erkenne ich die erforderlichen Skaleneffekt für derart große Firmen nicht. Das sind für multinational agierende Konzerne wirklich Kleinstserien. Um damit langfristig ökonomisch erfolgreich zu sein, fehlt den großen japanischen Tankern schlichtweg die Flexibilität.

Denn auf diese Geldbeschaffungsmethode sind keine neuen APS-C- oder Vollformat-Sensoren oder KI-gestützte Autofokus-Technik oder spiegellose Kameras finanzierbar.

Das Crowdfunding funktioniert im Fotobereich nur für kleinste Produkte in Nischen und mit sehr überschaubaren Kosten.

Um es noch härter zu formulieren: Crowdfunding ist für Jugendliche ohne Geld aber mit genialen Ideen durchaus sinnvoll. Wenn jedoch Konzerne mit Milliarden-Umsatz und riesigem eigenen Vermögen das Risiko neuer Produkte komplett auf die Kunden abwälzen, halte ich das für inakzeptabel.

Niemals würde ich behaupten, das große Firmen so einen Werbekanal nur zum Anfixen neuer Kunden mittels eines preiswerten kleinen Produktes für die wahren und dann für den Hersteller lukrativen großen Fotokameras missbrauchen würden.

Deshalb halte ich es eher für ein kurzes Engagement mit dem man neue Zielgruppen versucht anzusprechen und der medialen Welt (sowie den Mitbewerbern) zeigt, wie Hipp man angeblich sei.

Risiken für Privatinvestoren

Allerdings handelt sich erstens um ein grundlegendes Problem / Phänomen, das zweitens durch die pandemiemitverursachte Wirtschaftskrise verstärkt wurde.

Derartige Projekte, die auf private Financiers hoffen, sind generell mit hohen Risiken verbunden. Deshalb nannte man dies früher auch Risikokapital, das nur von wenigen reichen und darauf spezialisierten Investoren mit Fachberatern aus den Bereichen Technik und Finanzen betrieben wurde.

Meines Erachtens ist das - aufgrund meiner eigenen Erfahrung im Bankbereich u.a. als Fachgutachter in diesem Gebiet - für Privatleute / Amateurfotografen mit höchsten Risiken verbundenes Glücksspiel, das man wirklich nur mit zusätzlichem freien Geld betreiben sollte, das man auch bereitwillig das Klo herunterspülen würde.

In der schweren Wirtschaftskrise im Fotobereich können allerdings auch hochsolide Firmenideen schlichtweg irgendwann ihre Rentabilität verlieren.

Das hat im Übrigen oft überhaupt nichts mit der genialen Erfindung oder den sympathischen Entwicklern noch mit deren Kompetenzen zu tun. Manchmal ändert sich schlichtweg der Markt / das Umfeld nur schneller als das Produkt entwickelt oder umgestaltet werden kann.

Selbst unter normalen ökonomischen Umständen und nach solider Prüfung durch technische sowie ökonomische Berater gehen Investoren beim übrig bleibenden fein ausgesiebten Rest von mindestens 50% Verlust aus. D.h. jede zweite Investition geht erfahrungsgemäß verloren.

Der Unterschied liegt bei Finanzinvestoren hingegen darin, dass sie an den wenigen mit rigiden Praktiken bis zum Börsengang durchgeboxten Projekten sich dann eine goldene Nase verdienen. Letzteres ist bei Privatinvestoren für Fotoprodukte definitiv ausgeschlossen, da Sie dabei persönlich nur ein Produkt (vielleicht etwas früher und etwas billiger) erwerben - aber keine Firmenanteile.

Also nochmals: Vorsicht.

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Foto Video Design - Dr. Schuhmacher

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