Warum das Interesse an System-Kameras abnimmt. Oder: Fotografie und die Firma Vorwerk - das System-Denken und sein Wandel.
Angesichts meiner jahrelangen Analysen und negativen Prognosen zur Fotowirtschaft (die sich allerdings ständig bestätigen), werde ich immer wieder gefragt, warum der Markt sich so spektakulär bergab bewegt? Bisher verwies ich immer auf die bereits gegebenen vielen Fakten in obigem Artikel und antwortete zusätzlich darauf, dass es ein kompliziertes und sehr schwieriges Gemenge an Faktoren ist, das sich gegenseitig beeinflusst. Das ist natürlich korrekt. Denn in unserer hochkomplexen Welt sind monokausale Ursachen und Erklärungen undenkbar - falls sie überhaupt je eine Berechtigung hatten.
Heute will ich wieder einmal einen weiteren kleinen Baustein herausgreifen und einfach sowie verständlich mit Beispielen erläutern - und für meine Verhältnisse auch ganz kurzgefasst: Die Käuferpsychologie. Sie trug maßgeblich zum jahrzehntelangen Erfolg der Fotobranche bei und hat durch ihre Verhaltensänderung auch maßgebenden Anteil am Niedergang.
Begeben wir uns zum Verständnis der früheren Grundlagen zurück in die analoge Zeit, als es noch Einheits-Telefone mit runden Wählscheiben gab. (Für die jüngeren Leser hier ein Beispielfoto: Das Bakelit-Modell gab es zur Auswahl in den damaligen Designer-Farben Schwarz und Elfenbein) - Zur Klarstellung vorab: Das war nicht die von manchen Nostalgikern hochgelobte gute alte Zeit
. - Es war damals nur anders.
Ich erinnere mich noch genau daran, dass meine Mutter u.a. einen Kobold besaß. Für alle Nichteingeweihten: Das war so eine Art Schweizer Taschenmesser für den Haushalt. Zwar erinnere ich mich nicht mehr so genau daran, wie wir an dieses sündhaft teure Wunderding kamen. Aber vermutlich hat es sich meine gutmütige Mutter von einem der Direktvertriebsmenschen an der Haustür aufschwatzen lassen. - Und im Gegensatz zu 99% der Dinge, welche man an der Haustüre erwirbt, hat sich diese Investition gelohnt. Wir hatten Vorwerk, wie es allgemein kurz hieß, fast 3 Jahrzehnte im Einsatz.
Als ich klein war, wuchs ich somit mit diesem Vorwerk-/Kobold-System im wahrsten Sinne des Wortes auf: Es bestand aus einem Motor und einer - aus meiner damals kindlichen Sicht - wunderbaren Welt an riesigem Zubehör, das man Stück für Stück - also in bezahlbaren Schritten - nacheinander erwarb. Später erfuhr ich, dass viele Nachbarn es in Raten abbezahlten, was meine Mutter jedoch strikt ablehnte, weshalb wir auch nur die sinnvollen Dinge anschafften, welche meine Mutter überzeugten. Jedes Mal, wenn der freundliche Vertreter zu uns kam und wieder eine Neuerung ausführlich in der Küche vorführte, blieb zu meiner Freude und zum Kopfschütteln meines Vaters ein weiteres Zubehörteil bei uns. Bereits spieltechnisch war der Besuch des Vorwerk-Vertriebsberaters so etwas wie Weihnachten oder Geburtstag für mich, und ich zog diesen Vertreter Knecht Ruprecht deutlich vor.
Man erwarb einen Antrieb / Motor und konnte daran sehr viele sinnvolle Geräte anschließen, welche nicht nur die Arbeiten im Haushalt erleichterten, sondern auch technisch mir viel Freude bereiteten. So durfte ich in der Regel alle Teile zu den Arbeiten vorbereiten und danach wieder abmontieren. Dass ich dann viele Teile auch komplett (bis in für Endkunden nicht vorhergesehene Einzelteile) zerlegte, führte meine Mutter nicht selten an den Rand der Verzweiflung. Nachdem ich jedoch gezeigt hatte, dass ich (wie alle Kinder mit fotografischem Gedächtnis) alles wieder zusammen hatte, bevor mein Vater nach Hause kam und dann sogar alles wieder einwandfrei funktionierte, beruhigte sie dies und erzählte es sogar dem Vertreter, wie kinderleicht das System zu bedienen war, der dies natürlich nicht glauben wollte. Durch letzteres Fehlverhalten
erlitt die Firma Vorwerk jedoch bereits damals in meinen Kinderaugen ihren ersten Image-Schaden
. Man sollte auch Kinder ernst nehmen.
Viele kennen den Kobold (wenn überhaupt) nur als Staubsauger. Aber es handelte sich wirklich um ein universelles System: Bereits früh wurden sogar auf den ersten Blick abwegige Anwendungen mit Zubehör bedacht, wie zum Haaretrocknen oder zur Fellpflege von Pferden.
Ähnlich war es bei der ebenfalls von uns besessenen Küchenmix-Maschine der Firma Vorwerk: Ein Grundsystem und sehr viel Zubehör für fast jeden erdenklichen Einsatzzweck.
Alles in diesen Systemen war hoch-modular aufgebaut: Für jeden Einsatzzweck benutzte man ein exakt dafür optimiertes Zubehör-Einzelteil.
Man mag heute darüber schmunzeln oder sogar lachen. Aber die Firma Vorwerk machte damals alles richtig. Denn Aufbausysteme passten in jene Zeit.
Das jeweilige Grundgerät bestand aus einem qualitativ hochwertigen Motor auf einer sehr stabilen Plattform. Diese Grundeinheit war langlebig und der Service im seltenen Schadensfall hochwertig sowie schnell.
Die Firma Vorwerk garantierte das System. Da gab es keine Komplettwechsel alle paar Jahre, welche einen dazu veranlassten, alles wegwerfen zu müssen. Diese langfristige System-Sicherheit = Investitionsschutz war ein Grundpfeiler des Erfolges.
Der Direktvertrieb an der Haustür war damals die einzige Möglichkeit, das Produkt und dessen real vorhandenen Vorteile dem Endkunden perfekt vorzuführen.
Ich erinnere mich noch genau, wie wir immer wieder staunten, was der Vertriebsmensch mit der Poliermaschine auf dem Holzparkett oder mit dem Mixer in der Küche so alles produzierte. - Das war nicht Heinz Erhard, der in einer seiner Filmrollen ein Chaos hinterließ. Ganz im Gegenteil. Das waren geschulte Personen, die zwar immer alle Vorzüge bewusst herausstellten, aber nicht logen, weil sie dies beim nächsten Besuch hätten ausbaden müssen.
Wenn etwas nachher einmal nicht so funktionierte, wie gedacht oder vorgeführt, dann hatte man auch keine Hemmungen und sagte es dem Vertreter beim nächsten Besuch. Er nahm die Rückmeldung resp. Beschwerde höflich, sachlich sowie kompetent auf und meldete sie an die Zentrale weiter. Von dort kam auch eine Antwort - meist in der Form eines verbesserten Teiles. D.h. die Rückmeldung wurde tatsächlich ernsthaft bearbeitet sowie eine Lösung dafür gesucht und in der Regel auch gefunden.
Eigentlich hätten alle Firmen von Vorwerk die Themen Kundenbindung und Beschwerdemanagement lernen können.
Der personelle Aufwand war hoch. Aber es lohnte sich dennoch für den Hersteller, da viele Menschen bereit waren, den höheren Preis für das Gesamtsystem inklusive der persönlichen Betreuung und Beratung zu bezahlen.
Im Übrigen sparte sich die Firma durch diesen Direktvertrieb die hohen Margen an den Einzelhandel ein. Ferner kam hinzu, dass damals noch viel mehr Menschen ohne Pkw auf dem Lande lebten, wo es keinen derartig ausgestatteten Haushalts-Einzelhandel gab.
Für die Kunden hatte das System den Vorteil, dass man nach und nach damit wachsen konnte. Einerseits wuchs der Zubehörpark mit der Familiengröße / Kinderanzahl - also den Anforderungen -, andererseits mit dem Einkommen.
Hinzu kam nicht nur der Ratenkauf, welche viele Menschen damals dazu verlockten, sondern der tatsächliche finanzielle Vorteil, wenn man statt eines neuen Gesamtgerätes mit teurem, anfälligen Motor nur noch das kleine Zubehörteil anschaffen musste. D.h. ganz konkret: Für den Kunden lohnte sich der Systemkauf mit der zunehmenden Anzahl der Einzelkomponenten immer mehr.
Der Hersteller wiederum erhielt mit seiner Motor-Plattform eine Produkt-Basis, die er ständig ausbauen und verfeinern konnte, um die Kundenbindung weiter zu erhöhen.
Der Kunde als Jäger und Sammler erhielt ständig neue Teil-Produkte, die für sich genommen preiswert waren und ihm Freude sowohl bei der Anschaffung als auch Anwendung machten. Man sollte diesen psychologischen Effekt der Vervollständigung der Sammlung nicht unterschätzen. Damals gab es noch Briefmarkensammler und Sammler von Fußballer-Fotos etc. Ich erinnere mich sogar noch an Sammler von Micky-Maus- oder Asterix-Heften, welche sehnsüchtig am Kiosk auf jede Neuerscheinung warteten.
Aus ökologischer (den Begriff gab es damals noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch) wie ökonomischer Sicht war dies damals ein Vorreiter.
Wer neben dem Lesen dieser Zeilen mitgedacht hat, dem sind inzwischen die vielen Parallelen zur Fotografie mit Systemkameras aufgefallen. Ihm sind jedoch auch die vielen Defizite im Vertrieb der Kamerahersteller aufgefallen und wie jene bis heute mühsam versuchen, diese aufzuholen oder halbwegs auszugleichen.
Es mag zwar banal klingen: Aber wer mit einem solchen System aufgewachsen ist, der hat auch ein gewisses Verständnis für Systemkameras. Zumindest erkennt er sachlich deren Vorzüge und auch Einschränkungen.
Nachdem wir bereits herausgearbeitet haben, dass dieses System ökonomisch für alle Vorteile hatte sowie ökologisch für die Natur unschlagbar war, stellt sich die ernsthafte Frage, warum es sich nicht bis heute durchsetzte.
Es finden sich viele Ursachen, von denen ich einige beispielhaft auflisten möchte:
Die Plattformen aller Geräte (der Motor, das Getriebe und der gesamte Antriebsbereich) waren früher die Herausforderung. Es war teuer und zeitaufwändig einen Motor zu entwickeln und dessen hohe Qualität in der Produktion zu garantieren, damit er die Langzeitanforderungen im Haushalt erfüllte. D.h. wenn man einmal so einen Motor / so eine solide Plattform besaß, dann besaß man einen ökonomischen Vorteil gegenüber Herstellern, die jedes Mal für jedes Gerät wieder einen neuen Motor entwickelten. Kurzum: Die früheren Einzelgeräte waren in der Tat auch bei geringerer Belastung nicht so haltbar wie so eine ausgereifte System-Plattform.
Hinzu kam ein gerne übersehenes Phänomen: Auch damals gab es bereits durch die sowieso schon vor dem ersten Weltkrieg vorhandene Globalisierung einen Welthandel und man konnte als Firma im Ausland produzieren lassen. Aber die Qualität war damals in der Tat oft noch spürbar schlechter als bei einer Fertigung im Inland. Vor allem funktionierten Rückmeldungen, Verbesserungen etc. ohne schnelle und preiswerte Kommunikationsmittel erheblich eingeschränkt und definitiv oft zu langsam. Deshalb konnten inländische Produkte damals mithalten.
Jedoch änderten sich mit der Entspannungspolitik die Wirtschaftsbeziehungen zu den kommunistischen Staaten, welche seit den 1970er Jahren West-Devisen benötigten, und spätestens seit den 1990er Jahren die Kommunikationstechnik weltweit. Vor allem die Produktionsqualitäten glichen sich weltweit an. Auch wenn dies die Europäer ungern hören: In Europa wurde die Produktqualität aus Kostengründen oft abgesenkt und die sogenannten Schwellenländer holten qualitativ massiv auf.
In der Folge kam es zu einer ökonomischen Veränderung mit weitreichenden Auswirkungen: Nicht alle - aber viele Produkte wurde als Einzelanfertigungen preiswerter - bei etwa gleicher Lebensdauer.
Hinzu kamen zahlreiche soziale Veränderungen: Die Familiengröße nahm ab, die Wohnungsgröße nahm zu, der gefühlte Stress nahm zu. All dies führte dazu, dass viele Menschen nun plötzlich nichts mehr gegen Einzelgeräte einzuwenden hatten und im Gegenteil deren Vorzüge zu sehen begannen. Während mir als Kleinkind (ohne KiTa-Zwang) mit viel Freizeit das Montieren der Zubehörteile noch Freude bereitete, so hält sich diese Begeisterung bei modernen jungen freizeitorientierten Menschen, welche den Haushalt führen müssen, in engen Grenzen. Fast alle bevorzugen den Griff in die Schublade, um das einsatzbereite Spezialgerät zu verwenden. Keine moderne Nebenberufs-Hausfrau oder -Hausmann würde heute noch auf die Idee kommen, den Staubsauger in einen Haarföhn umzubauen.
Hinzu kam der Akku- und Mobilitätswahn, der dazu führte, dass man in jedes denkbare Gerät einen Akku einbaute, damit man damit mobil sein kann. Als ob sich alle Männer den Bart im Bus auf der Fahrt zur Arbeit rasieren würden oder die Damen in der S-Bahn ihre Beine epilieren würden. Dafür nimmt jeder ganz kritiklos inzwischen sogar eine Schwemme an unterschiedlichen Akku-Ladestationen hin. Einer meiner Bekannten besitzt ein ganzes Regal davon - fein säuberlich beschriftet, damit man auch ja nie etwas verwechselt, was zweifellos zum sofortigen Totalschaden führen würde, da alle Akkus inkompatibel zueinander sind.
Der Trend ist so groß, dass man heute in vielen Fällen überhaupt keine Version mehr ohne Akku erwerben kann. D.h. ein wirkliches System mit nennenswerten Modulen ist somit fast ausgeschlossen. Denn jede Anwendung erfordert i.d.R. eine andere Leistung, die sich in einem anderen Akku-Volumen und Gewicht niederschlägt.
Nachdem der Beweis angetreten worden war, dass Einzelgeräte mehr oder weniger gleichwertig waren zu Systemgeräten (also gut-genug), kamen ökonomische Skaleneffekte sowie Niedriglöhne im Ausland hinzu. Es wurde für den Hersteller und den Endkunden immer preiswerter, auf Einzelgeräte umzusteigen. Dazu kam die Geiz-ist-Geil
-Werbung, die oft belächelt wurde, deren faktische Wirkung jedoch im gleichen Ausmaß unterschätzt wird. - Die horrende ökologische Gesamtrechnung werden später andere bezahlen.
Aber auch die Hersteller von Systemgeräten begingen teilweise Fehler. Manche wechselten in Panik ihre Systeme, um der Konkurrenz nacheifernd schnell Neues anzubieten. Das wiederum hinterließ bei vielen Kunden einen pauschal nachteiligen Eindruck: Die Systemsicherheit und damit der Investitionsschutz gingen verloren.
Oft wurde gleichzeitig der Service reduziert, um Geld einzusparen. Die enge Kundenbeziehung wurde immer weitmaschiger und (gefühlt) qualitativ minderwertiger. Ist der Service bereits für einfache Produkte hilfreich, so stellt er für Systemprodukte das Sine Qua Non dar. Wer hier falsch spart, zerstört das gesamte System. Service meint hierbei alles rund um das System: Die Beratung zum Erstkauf, die weiterführende Beratung beim Zubehör, die Betreuung bei Fragen oder Anwenderproblemen bis hin zum Reparaturfall. Selbst wenn nur ein Teil eines Systems ausfällt, ist meist das ganze Systemprodukt dadurch beeinträchtigt. Sofern die zentrale Einheit ausfällt, ist sofort alles betroffen.
Schließlich kam das schon in so vielen Artikeln zu Tode geredete Internet (eigentlich WWW) hinzu, das den weltweiten Einkauf sowie den Test und die Einholung von Testergebnissen sowie Meinungen zu Produkten erleichterte. Aber nicht das Netz selbst war entscheidend, sondern der Wunsch vieler Menschen, dieses zu exakt jenen Zwecken zu benutzen. D.h. es handelte sich um eine aktive Handlung der Menschen. Das Internet gab es nämlich schon Jahrzehnte früher.
In den letzten ca. zehn Jahren ging die Entwicklung sogar noch weiter. Während ich als altmodischer / in Technik erfahrener Mensch in vielen Fällen noch Einzelgeräte erwerbe, da ich um deren Ausfallrisiko weiß und es hasse, wenn bei einem Schaden am multifunktionalen Fernseher plötzlich auch die Heizung im Winter kalt bleibt, so scheint dies die Mehrzahl der modernen Kunden nicht mehr zu stören. Kombigeräte liegen heute im Trend: Der Drucker ist mit einem Scanner ausgestattet, der gleichzeitig als Kopierer und Faxgerät dient. Die mir genannte Begründung ist erstaunlich: Ganz plötzlich zählt wieder der Platz, obwohl man inzwischen noch größere Wohnungen besitzt. Aber diese benötigt man für image-trächtigere Fernseher mit mindestens 1,5 Meter Breite oder will einfach leere Fläche / Räume genießen. Lachen Sie nicht. Das sind legitime Motive, die man als Hersteller berücksichtigen muss. Auch die Inneneinrichtung unterliegt der Mode und Trends.
Hinzu kommt das Statusdenken: Wenn Besuch kommen sollte, so will man das neueste Multifunktionsgerät in der Küche etc. zeigen, auch wenn man kaum mehr zu Hause kocht. Quasi die eierlegende Wollmilchsau. - Entschuldigung, das heißt heute Thermomix oder Siebträger-Espressomaschine. - Aber ich darf mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, da ich bereits in den 1990er Jahren eine High-Tech-Microwelle mit Backofen, Heißluftsystem, Grill und allem weiteren Schnick-Schnack anschaffte - die vermutlich teuerste Küchenuhr der Welt.
Letztendlich hat heute fast jeder das alles überragende Kombiprodukt ständig bei sich, das Smartphone. Es ist Telefon, Taschenrechner, Telefonbuch, Notizblock, Diktaphon, Kalender, Uhr, Wecker, Navigationsgerät, Computer, mobiles Büro, Fernseher, Radio, Stereo-Anlage, Playstation, VR-Brille, Steuerzentrale für Heizung, Rollläden, Klima und Alarmanlage ... in einem. Fast hätte ich Foto- und Videokamera vergessen. - Wie wichtig dieses Vademecum ist, bemerkt jeder beim Ausfall oder Verlust. Dann treten u.a. Entzugserscheinungen, Panikattacken bis hin zu Depressionen auf.
Selbst, wenn es Sie auf den ersten Blick erstaunen mag, das hatte alles Einfluss auf den Fotobereich:
Einzelgeräte wurde auch im Fotobereich immer hochwertiger. Betrachten Sie nur die Pocket-Kameras für über 1.000 Euro bis hin zu Vollformat-Edelkameras mit einer fest verbauten Festbrennweite für viele tausend Euro.
Auch, wenn alle Influencer immer davon faseln, dass man nur mit Festbrennweiten hochwertig fotografieren könne, so hat sich bereits früh der Wunsch zu Kombigeräten in der Form von Zooms weit verbreitet. Und zu Ihrer Beruhigung: Wie über 90% aller Fotografen fotografiere auch ich überwiegend mit Zoom-Objektiven. Wer die Zahlen bezweifelt, der kann gerne einmal die CIPA-Statistiken zu Objektiven einsehen. Zooms fanden sogar in den Sport-Bereich und die Wildtierfotografie bis hin zu über 600 mm Telebrennweiten Einzug.
Am deutlichsten erkennt man den Kombinationswahn bei den Bridge-Kameras, die vom Makro-Objektiven über das Ultra-Weitwinkel- bis hin zum 3.000 mm Telezoom alles in einer einzigen Kamera anbieten. - Ohne Käufer würden die Hersteller so etwas nicht seit Jahren produzieren.
Wie man in der Küche und im Haushalt nicht mehr ständig Module wechseln wollte, so stellten die Hersteller fest, dass die meisten Kunden bei Systemkameras eine Kamera und ein Mega-Zoom erwarben, das niemals gewechselt wird. Es finden sich sogar Fotografen, welche für jedes Zoom-Objektiv eine Kamera erwarben. Die Begründung ist logisch und gleichzeitig erstaunlich: Dadurch wird die Sensorreinigung durch Schmutz reduziert. Das ist letztendlich - wie in der Küche - die Frage nach der Zeit, die man nicht mehr zu haben glaubt. Und es ist eine Frage der zunehmenden Bequemlichkeit, die gerne verleugnet wird, aber dennoch wichtig ist.
Provokativ formuliert bilden Systemkameras heute für viele Fotografen kein System mehr:
Noch vor etwa 100 Jahren war es unter vielen Lichtbedingungen physikalisch und technisch unmöglich, ohne Stativ zu fotografieren. Sogar vor 50 Jahren wurde man ohne Stativ nur belächelt. Damals stand in fast jedem zweiten Buch der arrogante Satz: Fotografieren heißt, mit dem Stativ arbeiten. - Ohne Stativ nennt man es knipsen.
Das Stativ und dessen Kameraanschluss waren somit integrativer Bestandteil der Systemfotografie. - Heute verwenden fast alle eine Bildstabilisierung in den Objektiven (IS/VR) oder in der Kamera (IBIS) oder sogar beides zusammen. Das bedeutet, dass moderne Systemkameras das System bereits um das Zubehör Stativ verringert haben. - Wer es nicht glaubt, soll einmal seinen Fotofachhändler fragen, wie viele Stative er im letzten Jahr verkauft hat und wie viele Kameras.
Noch vor etwa 20 Jahren war es unter zahlreichen Lichtbedingungen physikalisch und technisch unmöglich, ohne Blitzgerät zu fotografieren. - Heute verwenden fast alle Fotografen die ISO-Automatik und erzielen mit astronomischen ISO-Werten im 5-stelligen Bereich eine Bildqualität, die oft beeindruckend ist. Die meisten Fotografen erwerben heute folglich keinen zusätzlichen System-Blitz mehr zur Kamera. Somit hat sich das System um ein weiteres Modul verkleinert. - Wer es nicht glaubt, soll auch hier einmal seinen Fotofachhändler fragen, wie viele System-Blitzgeräte er im letzten Jahr verkauft hat und wie viele Kameras.
Zum Abschluss noch ganz ketzerisch: Zahlreiche Fotografen kaufen sich das teuerste Amateur-/Semiprofessionelle Kameramodell von Canon, Nikon, Sony etc., um dann nur einen lichtschwachen Megazoom mit mäßiger Abbildungsleistung daran zu hängen. Fast immer erhalte ich bei Fragen dazu die Antwort, dass die Kamera so gut sei, dass sie (die Fotografen) sich das leisten können. Die Bilder wären noch immer super
. Da ist sicherlich korrekt. Aber im Grunde lautet die Antwort eher: Die Kamera ist viel zu gut für mich, ich kann sie nicht ausreizen (und will es auch gar nicht) und deshalb nehme ich aus Bequemlichkeit einen breiten Zoom, den ich nicht wechseln muss, da er für mich die meisten Anforderungen abdeckt. Das sind dann keine Systemkameras mehr, da man auch eine Bridge-Kamera mit fest angebrachtem Objektiv hätte erwerben können.
Nur so lässt sich erklären, dass sich in Befragungen zum Systemwechsel 2018 6 von 7 Fotografen sofort dazu bereit erklärten, auch wenn sie nicht einmal ihre eigenen alten Objektive übernehmen könnten. Sie besitzen im Grunde kein System resp. nutzen es nicht als modulares System.
So vorteilhaft diese Wechselbereitschaft für die Hersteller klingt, umso nachteiliger wirkt sie sich aus. Die durch harte Preiskämpfe inzwischen subventionierten Endkundenpreise der Kameragehäuse vieler Modelle machen die Hersteller nicht reich. Und die überwiegende Zahl jener wechselbereiten Kunden kaufen sich kaum weitere teure Objektive. Deshalb sind die extremen Kosten für die Entwicklung des Gesamtsystems bei diesen Kunden nicht einspielbar.
Das hat wiederum Folgen auch für die wenigen ernsthaften System-Fotografen: Sie müssen durch nochmals höhere Preise für das Systemzubehör, insbesondere die hochwertigen Objektive, die Gesamtkosten des Herstellers für das System tragen. Aber dann geht die ursprüngliche Kalkulation, dass man mit einem System durch den Kauf von immer mehr Zubehör Geld sparen würde, nicht mehr auf. D.h. der Vorteil des Systems verliert auch in den Augen der Kernzielgruppe irgendwann an Attraktivität.
Verheerend wird sich jedoch langfristig für die Hersteller die Einstellung der Mehrheit erweisen, da sie kein System wollen, brauchen oder kaufen, sind sie auch zukünftig schneller zum Wechsel bereit. D.h. die Kundenbindung an eine Firma / ein System nimmt ab. Damit bricht jedoch für die Hersteller ein strategischer Grundpfeiler des eigenen Systems weg.
Es sind nicht nur die großen Weltwirtschaftskrisen oder das Missmanagement der Hersteller, welche dem klassischen Fotomarkt zu schaffen machen. Es sind eher viele kleine Veränderungen des menschlichen Verhaltens, die wiederum auf vielen anderen Feldern ihre eigentlichen Ursachen haben.
Auch hier zeigte sich somit, dass der Niedergang der Fotobranche nicht an der seit Jahren künstlich hochgespielten Frage Spiegel oder nicht
hängt, sondern ganz andere und viel tiefer liegende Ursachen hat, die sich nicht so einfach ändern lassen.
Die Welt der Käufer ist - trotz ständiger lautstarker Beteuerungen zahlreicher (pseudo-) grüner Schwätzer, die ihre Kinder im Diesel-SUV zur KiTa, Schule etc. fahren und exakt jene obigen Kombiprodukte verwenden - nicht im geringsten ökologisch orientiert. Denn ansonsten würden zumindest sie selbst Systemprodukte, die vielfältig anpassbar und einsetzbar sind, verwenden.
Wir alle sind als Käufer Kinder unserer Zeit
. Selbst, wenn wir es wollten, könnten wir nicht so einfach ausbrechen und alles anders machen. Die meisten wollen es noch nicht einmal.
Unsere allgemeinen Einstellungen zu alltäglichen Produkten haben jedoch auch einen erheblichen Einfluss auf die seltener angeschafften Dinge wie Fotoapparate.
Ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, das System an sich habe sich überlebt. Aber der Wert und die Bedeutung der Systeme für viele haben sich zumindest verändert.
Denken in Systemen setzt zuerst einmal ein ganzheitliches Denken der Menschen voraus. Letzteres wird jedoch zunehmend von Wissenschaftlern den meisten Menschen abgesprochen oder zumindest infrage gestellt.
Ohne generelle Trendwende bei den Alltagsprodukten, die nur in den Köpfen der Käufer stattfinden kann, sehe ich deshalb die Systemprodukte und besonders die Systemkameras in Gefahr.
Gleichgültig wie alt Sie sind: Denken Sie einmal über die zahlreichen Veränderungen in Ihrem eigenen Leben nach. Hierin liegen viele der wahren Gründe für den Niedergang der klassischen Fotografie.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim regelmäßigen Fotografieren - und möglichst wenig Frust beim gelegentlich erforderlichen Kauf einer Kameraausrüstung.
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Foto Video Design - Dr. Schuhmacher