Jedes Foto ist selbsterklärend. Und: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. - Wirklich?
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Vorab: Hintergrund, Inhalt, Motiv, Zielgruppen des Artikels
Bei sehr vielen Fragen von Fotografen, welche ich erhielt und zu beantworten versuchte, schwebte im Raum eine (teilweise auch brüsk ausgesprochene) Annahme der folgenden Art mit:
Jedes Foto kann für sich alleine stehen. / Jedes Foto steht für sich allein.
Jedes (gutes / künstlerisches) Foto ist selbsterklärend. / Jedes Foto erklärt sich von selbst.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Ein Foto erweckt bei allen Menschen (dieselben) Emotionen.
Ein Foto ist das ideale Kommunikationsmittel (für alle Zwecke).
Mir ist bewusst, dass dies weit verbreitete Ansichten - ja fast Volksweisheiten - zu sein scheinen.
Allerdings hege ich hierbei doch aus wissenschaftlicher Sicht Zweifel, welche ich darlegen möchte.
Mit dem Artikel hoffe ich sowohl für fotografische Neulinge als auch alte Hasen etwas Klarheit bei Gedanken und in der Wortwahl beitragen zu können und Ihnen verständlich zu machen, was ein Bild bei vielen / allen Betrachtern bewirken kann und was eher nur bei einzelnen Personen eine Wirkung erzielen kann sowie, wovon die erzielbaren Wirkungen abhängen.
Ziel ist es, Ihnen zu verständlicheren Fotos in der bildlichen Kommunikation zu verhelfen.
Zeichen
Semiotik
Geht man die Sache abstrakt an, so fallen Fotos, Bilder etc. in das Fachgebiet der Zeichen - der Semiotik oder Semiologie - die Wissenschaft von den Zeichenprozessen in Kultur und Natur. Ferner werden diese Fragen im Bereich Strukturalismus behandelt.
Semiotikerinnen und Semiotiker fragen allgemein danach, was alles Zeichen sein kann, nach den Ordnungen und Strukturen von Zeichensystemen, den verschiedenen Funktionen und Gebrauchsweisen von Zeichen, nach ihrer Materialität, Medialität, Performativität und Ästhetik sowie nach den Beziehungen zwischen verschiedenen Zeichensystemen und Medien.
Der Begriff des Zeichens ist grundlegend für alle Wissenschaften, seien es Natur- oder Geisteswissenschaften, wie auch von Technik und Kunst. Dies gilt sowohl für die praktische Forschung als auch für deren theoretische Grundlagen. (Quelle.)
Die Lehre von den Zeichen findet sich vor allem in der strukturalistischen Linguistik und der Philosophie.
Während meines Studiums traf ich einmal einen sehr berühmten Wissenschaftler, der kurz davor für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde. Als ich neugierig fragte, warum so viele Menschen nach dieser seltenen Auszeichnung streben, sagte er etwas ketzerisch: Ohne Nobelpreis ist man doch im Grunde genommen nur ein Dilettant auf seinem Gebiet. - Obwohl ich zahlreiche Vorlesungen zu jenem Thema besucht habe, dilettiere ich somit auf diesem Fachgebiet und freue mich, wenn Fachkräfte mich bei evtl. Fehlern korrigieren respektive mit verständlicheren Beispielen ergänzen. - Allerdings muss klar bleiben, dass es hier nur um eine sehr einfache und verständliche Einführung für Laien und die Fotografie - also die visuelle Kommunikation - gehen kann. (Wer mehr wissen möchte, kann sich z.B. über den Einstiegspunkt bei Wikipedia und seinen Links langsam durch die Details der Semiotik hindurcharbeiten.)
Was ist ein Zeichen?
Das scheint doch trivial zu sein, oder? Jeder weiß, was ein Zeichen ist.
Die meisten Menschen denken hierbei an grafische Zeichen - Symbole.
Dann denken Fotografen natürlich an Fotos / Bilder.
Maler denken an Gemälde / Bilder.
Musiker denken an Musiknoten.
Mathematiker, Chemiker und Physiker denken vermutlich zuerst an Formeln, Funktionen etc.
Aber auch Buchstaben sind Zeichen (a, b, c, X, Y, Z). Selbst Teile eines Buchstabens wie die Accents oder Umlautdoppelpunkte sind Zeichen. Auch Anführungsstriche und Satzzeichen gehören dazu. Sogar ganze Wörter kann man als Zeichen bezeichnen.
War letzteres schon für viele unerwartet, so werden die weiteren Zeichen wie Gesten, Mimik, Laute und Gerüche noch mehr erstaunen.
Alle können Informationen vermitteln. D.h. diese Zeichen können Informationsträger sein.
Manche behaupten, dass Zeichen die Grundlage jeder Kommunikation darstellen.
Unterscheidung
Wissenschaftlich unterscheidet man drei Ebenen:
Mittel - gemeint ist das materielle Zeichen (Grafik, Buchstabe, Foto etc.)
Objekt - worauf sich das Zeichen bezieht.
Interpretanten - Damit meint man (meist) nicht den Menschen, der es interpretiert, sondern eher abstrakt das gesamte System, das festlegt, wie ein Zeichen zu verstehen ist.
Ein weiteres Differenzierungsmittel ist das semiotische Dreieck:
Zeichenform - Darstellung des Symbols. Die Beziehung zwischen dieser Zeichenform und dem folgenden Bezeichneten nennt man Referenz.
Bezeichnetes - worauf sich das Zeichen bezieht
Zeichenbenutzer - In unserem Fall der Fotograf oder Videograf.
Wieder-Erkennen und Erinnerung
Beispiel
Zwei selbsterklärende Fotos.
Test
Bevor Sie weiterlesen, machen Sie sich nun auf einem Zettel bitte kurze Notizen zu all Ihren Emotionen zum linken Bild und dann zum rechten.
Halt, Stopp: Ich sagte: Sie sollen einen Zettel herausholen und Notizen zu den beiden Bildern machen.
Ergebnis
Nachdem Sie die Notizen gemacht haben, dürfen Sie diesen Link anklicken, um die Ergebnisse zu sehen.
Vermutlich werden Sie viel mehr Notizen gemacht und Emotionen zum linken Foto gefunden haben.
Faktisch handelt es sich jedoch um zwei Fotos von zwei Turmuhren.
Beim linken handelt es sich allerdings um ein weltbekanntes Symbol, das als Pars pro Toto für das englische Parlament, London, England, die Demokratie und vieles mehr steht. P.S.: Big Ben ist selbst ein Pars pro Toto, da es nur die größte Glocke bezeichnet. Der Turm heißt seit 2012 offiziell Elizabeth Tower.
Ferner war fast jeder in seinem Leben entweder direkt davor gestanden oder zumindest in London oder hat davon gelesen, gehört, Fotos und Filme gesehen. Sie als Bildbetrachter schwelgen somit in einem gigantischen Überfluss an Erinnerungen und Emotionen.
Hingegen dürfte das den meisten Betrachtern beim rechten Bild schwerer fallen. Diese Turmuhr ist kaum bekannt in einem abgelegenen Stadtteil. Selbst, wenn Sie das kennen sollten, kann es niemals jene Assoziationen auslösen, wie das linke Foto.
Aber der Hauptgrund für das weitgehende Fehlen tiefer Emotionen liegt in der Nichtkenntnis des Motives. Sie erkennen nichts wieder. Somit haben sie auch kaum Gerüche, Geschmack, Laute, Gefühle, Assoziationen damit in Verbindung, welche spontan abgerufen werden können.
Hinzu kommt, dass ich so dreist-frech war wie die Personen, die mir dies schreiben, und unter das Bild das Wort selbsterklärend schrieb. Die meisten Fotos sind leider nicht selbsterklärend.
Nun können Sie vielleicht auch etwas nachvollziehen, wie man früher seinen Besuch mit der abendlichen Diaschau von nur 1.265 Bildern langweilen konnte.
Langweilen Sie bitte die Betrachter digitaler Fotos auch heute nicht mit ähnlichen Bildern aus Ihrem Urlaub, ohne etwas Erklärendes dazu zu sagen oder zu schreiben.
Bei Videos wird zwar die Bewegung vermittelt (Umfang / Geschwindigkeit und Richtung) und meist auch Ton, der z.B. die Stille des Waldes oder den Lärm der indischen Großstadt wiedergibt. Aber ohne erklärenden Text wird kaum jemand die (für Sie eventuell wichtigen) Details erkennen.
Wissen
Um Zeichen korrekt oder überhaupt interpretieren zu können, muss man sie verstehen.
Bei Fremdsprachen mit anderen Schriftsystemen leuchtet dies jedem Lernenden sehr schnell ein.
Aber selbst angeblich banalste Alltagsdinge sind überhaupt nicht so einfach zu verstehen. Nehmen wir hierzu einmal den Wind und dabei wiederum das Detail der Windrichtungsdarstellung.
Der Wetterhahn oder ein im Masttopp von z.B. Segelbooten verwendeter Windex-Anzeiger dreht sich so, dass er mit der Spitze in die Windrichtung zeigt.
Eine Flagge hingegen zeigt zwar auch die Windrichtung an, weht jedoch vom Wind weg.
Trivial sind beide Zeichen nur für denjenigen, der das Wissen darum besitzt. - Wie hochkompliziert das alles bereits ist, zeigt sich daran, dass wir - als Wissende - über grundlegende physikalische (Rahmen-) Bedingungen wie in diesem Fall die drehbare Lagerung aller Windmess-Systeme schon gar nicht mehr nachdenken.
Ein ähnlich indirektes Messinstrument / Zeichen ist z.B. das Fieberthermometer. Es zeigt nicht die Krankheit an, sondern nur die Körpertemperatur. Erst aufgrund unseres Wissens der je nach Lebewesen erforderlichen Temperaturspanne können wir über den Umweg der davon abweichenden Temperatur auf eine Krankheit schließen. Erfahrene Mütter und Ärzte können dies im Übrigen bereits anhand anderer Symptome / Zeichen wie glänzende Augen, Sprache, Körperhaltung, Körpergeruch etc.
Fachleute nennen diese Beziehung auch Index (oder Symptom). Gemeint ist ein Folgeverhältnis zum Bezeichneten aufgrund eines erlernten Erfahrungswissens. Ein einfaches klassisches Beispiel ist: Rauch deutet auf ein Feuer hin.
Ohne den erfahrenen Fotografen zu nahe treten zu wollen: Vielen Normalbetrachtern von Fotos fehlt entweder das gesamte oder zumindest ein sehr großer Teil des fotografischen Fachwissens zur Interpretation von Bildern.
Bei Bildern handelt es sich im Prinzip um eine Sprache. Sie besteht zwar aus einer begrenzten Anzahl an Elementen / Stilmitteln etc., die jedoch in einer schier endlosen Anzahl an Möglichkeiten miteinander kombiniert werden können. D.h. ein unbedarfter Betrachter muss sich zuerst einmal diese komplizierte Fremdsprache aneignen. Falls Sie sich nicht mehr erinnern können, wie schwer Ihnen selbst das in der Schule fiel, dann widmen Sie einfach einmal etwas Zeit einer Ihnen nicht bekannten asiatischen Fremdsprache, sei es in Schriftform oder als Tondokument.
Erstaunlicher Weise sieht es im Bereich Film / Video trotz der großen Fernseh-Erfahrung (und teilweise auch Kino-Kenntnisse) oft noch schlechter aus. Das umfangreiche Fachwissen fehlt den meisten Betrachtern.
Sofern dies jedoch als unleugbare Fakten hingenommen werden muss, kann ein Normalbetrachter auch nicht dasselbe aus einem Bild / Film heraus-interpretieren, was der Fotograf und Videomacher hinein-interpretiert und hinein-konzipiert hat, weil ihm schlichtweg dazu dessen gesamtes Wissen fehlt.
Erwartung
Bei manchen Kunstwerken behaupte ich sogar, dass das Fehlen von Zeichen wiederum selbst ein Zeichen sein kann. Denken Sie nur an das Abendmahl in unserer christlichen Kultur. Falls hierbei einer der zwölf Jünger fehlt, sagt dieses fehlende Zeichen etwas aus.
Oder, wenn einem Lebewesen ein Bein oder ein Arm fehlt, dann ist dies ein Zeichen.
Oder, wenn in einem Wort oder einer Wortkombination ein oder mehrere Buchstaben durch Zusammenziehung, Abkürzung, Auslassung etc. fehlen.
Das nicht vorhandene Zeichen - das Fehlen oder die Leerstelle - wird somit selbst zum Zeichen.
Der Hintergrund liegt dabei vermutlich in unserer eigenen Erfahrung etc., die uns eine gewisse Vollständigkeit in gewissen Situationen erwarten lässt - also in unserer eigenen Erwartung.
Umfeld
Auch die Behauptung, dass ein Bild für sich allein steht, sich selbst erklärt und dies sogar in jeder Umgebung, halte ich für unzutreffend.
Nehmen wir das Foto eines Zigarettenstummels.
In einer Reihe von an der Wand ausgehängten Fotos von anderem Schmutz, Müll und Unrat in der freien Natur dürften sehr viele Betrachter eher den Zusammenhang mit Umweltverschmutzung herstellen.
In einer Reihe von an der Wand ausgehängten Fotos von anderen Gegenständen, wie Konfetti, Sektgläser, benutztem Geschirr, Musikern, Tanzpaaren etc. dürften sehr viele Betrachter eher den Zusammenhang mit ausgelassener Festlichkeit, Feier, Party herstellen.
In einer Reihe von an der Wand ausgehängten Fotos von abgemagerten, schwerkranken, im Krankenhaus liegenden, verstorbenen Personen dürften sehr viele Betrachter eher den Zusammenhang mit den Gesundheitsfolgen des Rauchens herstellen.
Sie dürfen gerne weiter Beispiele zu diesem einen Foto sich ausdenken oder beliebig viele andere zu jedem anderen Bildmotiv. Sie werden dabei selbst unterschiedliche Assoziationen haben.
Fakt bleibt, dass wir als Menschen über tausende von Jahren Evolutionsgeschichte gelernt haben, uns durch das Umfeld zu orientieren. Ein Säbelzahntiger oder Eisbär auf der anderen Flussseite war und ist anders zu bewerten, als so ein Tier direkt links neben einem. Alle Menschen, welche diese winzig kleine Grundregel missachteten, sind - gemäß Darwins Survival of the fittest evolutionstechnisch gesehen - ausgestorben.
Im Übrigen ist dies mit ein Grund, warum sich überall der Hinweis findet, man solle sich bei der Fotografie auf das Hauptmotiv konzentrieren. Deshalb wird auch so viel an Fotos beschnitten und herausretuschiert. Der Blick wird gezielt auf das Wichtigste gelenkt. Wenn jeder Betrachter eines Fotos diese Fähigkeit, das Hauptmotiv zu erkennen, von selbst automatisch besäße, wären die meisten Bildbeschneidungen und Retuschen nicht erforderlich. Letztendlich würde dann auch die so komplizierte Perspektive, die Lichtführung und der Bildaufbau überflüssig. Jeder Bildbetrachter müsste es von sich aus erkennen. Aber das kann er nicht, denn das Gefüge ist mehr als die einzelnen Elemente, aus denen es besteht. Fachkräfte sprechen hier von der Totalität.
Dies gilt bereits für die Reihenfolge der Bilder. So macht es sehr wohl einen Unterschied, ob Ihr Bild eines süßen kleinen Kätzchens am Anfang der Galerie hängt oder am Ende. Angenommen es steht am Anfang und danach kommen Fotos von aggressiven Hunden und zum Schluss das Bild einer Blutlache, so werden viele Menschen daraus etwas anderes herauslesen, als wenn die Blutlache zuerst erscheint, dann die Hunde und zum Schluss das Kätzchenbild.
Somit ist die Aussage, dass Fotos eine Geschichte erzählen können, zumindest teilweise, zutreffend. Aber Die Bildreihenfolge bestimmt hierbei maßgeblich die Assoziationen und Interpretation. Fachleute nennen dies Interdependenz.
Fachbetrachter
Hierunter verstehe ich u.a. zumindest im Bild-Aufbau erfahrene Fotografen, die sich auch mit dem Medium Fotografie sehr gut auskennen.
Als mir immer gut in Erinnerung bleibendes Beispiel fällt mir hierbei Midsomer Murder (Deutsch: Inspektor Barnaby) Picture of Innocence / Kameraschüsse (2007 / 2009) ein. Dort zeigt der Inspektor einem erfahrenen Fotografen und Foto-Club-Vorsitzenden ein Foto einer sehr schütter bekleideten Dame. Daraufhin lässt sich jener sofort über die amateurhafte Beleuchtung der Studioaufnahme, die ungünstige Perspektive, die unnatürlichen Farben, die unpassende Pose, die falsch gewählte Blende etc. aus. Sichtlich genervt unterbricht ihn der Inspektor und fragt: Mir geht es eher darum, ob Sie die Frau kennen. Worauf der Fotofachmann verdutzt zuerst ihn und dann nochmals das Foto betrachtet sowie kurz angebunden und desinteressiert antwortet: Die Dame? - Nein.
Sicherlich wurde hier persifliert. Aber ein Körnchen Wahrheit liegt schon in der zugrunde liegenden Aussage, dass jeder Betrachter offensichtlich auf andere Details achtet.
Wandel - zeitliche und kulturelle Veränderungen
Die Zeichen verändern mit der Zeit, je nach Kultur(kreis) und Politik, ihre Bedeutung. Fachleute sprechen hier gerne von Transformation. Dabei behaupten einige, dass diese Veränderung sich selbst reguliert (Selbstregulierung).
Ein Säbelzahntiger stand früher für sofortige Lebensbedrohung. Heute ist er wohl eher ein belustigendes Schauobjekt für Kinder in Freizeitparks, auf denen man reiten kann.
Aktfotos von Kindern und Jugendlichen waren im 19. Jahrhundert weltweit verbreitete Kunstobjekte, welche selbst von den berühmtesten sowie angesehensten Persönlichkeiten erstellt und gesammelt wurden. Heute sind sie das Symbol für verabscheuungswürdige Kriminalität.
Die Farbe Blau stand früher in Europa für Frauen und Rot kennzeichnete Männer. Heute hat sich dies exakt umgedreht.
Die Farbe Weiß steht in den meisten westlichen Kulturen für viele positive Aspekte, wie Reinheit / Sauberkeit, Unschuld, Winter, Anfang, Sachlichkeit / Neutralität, das Gute, Leichte, die Eindeutigkeit, Wahrheit, Ehrlichkeit, Frömmigkeit / der Glaube, das Leise, Neue, Ideale / die Vollkommenheit, die Genauigkeit etc. - In einigen asiatischen Kulturen hingegen steht Weiß für Tod und Trauer.
Wir können allerdings auch in unserer Kultur bleiben, um die gleichzeitige Ambivalenz der Zeichen zu belegen: So wird Rot mit der Liebe aber auch mit Blut, Zorn und Gefahr assoziiert.
Ferner ändert sich auch jeder Fotostil laufend. Nicht nur durch die brachialen Unterschiede Schwarz-Weiß zu Farbe können erfahrene Fotografen und Videografen Fotos und Filme zeitlich einordnen.
Weder waren noch sind Zeichen somit überall noch zu allen Zeiten gleich verständlich. Ein Foto kann es somit auch nicht sein.
Verständlichkeit und Eindeutigkeit von Zeichen
Nicht wenige Fotografen behaupten (nicht nur mir gegenüber), dass Fotos eindeutig seien. Es gäbe somit nur eine korrekte Interpretation, die auch immer zuträfe (und in der Folge auch von jedem Betrachter so erkannt werden muss).
Das eindeutige Stop-Schild
Beginnen wir zur Klärung des ersten Aspektes der Eindeutigkeit mit der vermutlich allen Menschen bekannten Straßenverkehrsordnung.
Alle dort verwendeten Symbole sind hochgradig konventionell und rechtlich präzise festgelegt. Juristen würden somit behaupten, jedes Zeichen ist eindeutig definiert. Dieses Fachwissen müssen alle Verkehrsteilnehmer von Kraftfahrzeugen auch in umfangreichen theoretischen und praktischen Prüfungen nachweisen.
Also keine Ausrede: Sie sollten sich darin bereits aufgrund der jahrelangen Erfahrung perfekt auskennen.
Schreiben Sie nun stichwortartig alles auf einen Notizzettel, was Ihnen zum Stop-Schild einfällt - wirklich alles.
Sie sind auch noch Fotograf, erkennen Details und beherrschen die fotografische Fachsprache. Also, auf geht's.
Stoppschild
Das Wissen rund um das Stop-Schild
Nachdem Sie die Notizen gemacht haben, dürfen Sie diesen Link anklicken, um die Ergebnisse zu sehen.
Es handelt sich um das Zeichen mit der Nummer 206 aus der Anlage 2 der StVO. - Das ist ein derart unwichtiges Wissen, dass selbst ich für das Memorieren mir keine Zeit nehme. Wer dies wusste, darf sich einen Bonuspunkt zuschreiben.
Es handelt sich um das Zeichen B2a der Wiener Konferenz zur Vereinheitlichung des Straßenverkehrs aus dem Jahr 1968 (Wiener Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen). Auch dieses unnütze Wissen ergibt neben dem normalen Punkt einen Bonus-Punkt.
Dieses neue Stop-Schild wurde 1972 in Deutschland eingeführt.
Als Fotograf haben Sie selbstredend sofort erkannt, dass es sich um ein achteckiges Zeichen (das einzige) der StVO handelt. Wer das nicht notierte, muss sich einen Malus-Punkt abziehen.
Zusatzwissen mit Bonuspunkt: Sie erinnern sich noch daran, dass das Stop-Schild früher eine andere Form und Farbe besaß.
Zusatzwissen mit Bonuspunkt: Sie erinnern sich noch daran, dass das Stop-Schild bereits 1938 in Deutschland eingeführt wurde.
Als aufmerksamer Fotograf fiel Ihnen sofort auf, dass das Wort auf Englisch geschrieben ist mit nur einem P. Falls Ihnen das entging, ziehe ich Ihnen einen Maluspunkt wegen Unaufmerksamkeit und mangelnden Rechtschreibkenntnissen ab.
Das Schild trägt die rechtlich verbindliche Bezeichnung Halt. Vorfahrt gewähren. Wer das nicht wusste, muss sich einen Malus-Punkt abziehen. Das ist wirklich Kernwissen der Prüfung.
Es handelt sich um ein Zeichen der Kategorie Ge- oder Verbot.
Als aufmerksamer Fotograf und Verkehrsteilnehmer fiel Ihnen auf, dass das Stop-Schild i.d.R. vor der Haltelinie ausgestellt / angebracht ist.
Man muss an der Haltelinie zwingend anhalten.
Ist eine Haltelinie nicht vorhanden oder nicht mehr erkennbar, ist an der Sichtlinie anzuhalten, also an dem Punkt, von dem die Straße des Querverkehrs überblickt werden kann. Zugegeben, dieses Detail hätte ich zwar so ungefähr befolgt, aber definitiv nicht ohne nachzulesen (also ungestützt) auf den Notizzettel geschrieben. Meine Führerscheinprüfung lag auch schon etwas zurück. Wer es so detailliert wusste, darf sich zusätzlich einen Bonuspunkt aufschreiben.
Die Mindesthaltedauer wird von den Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Definitiv müssen die Räder stehen und das Fahrzeug zum Stillstand kommen. Also darf es keine Vollbremsung mit blockierenden Reifen über die Haltelinie hinweg und dann zügiges Weiterbeschleunigen sein. Blockierende Räder sind kein Halten. Die von mir auffindbare Mindestzeit wurde mit einer Sekunde Stillstand angegeben. Es wird allerdings empfohlen, an einem Stop-Schild mindestens drei Sekunden zu halten, auch wenn kein Querverkehr vorhanden ist. - Ganz ehrlich: gefühlsmäßig mache ich das immer so. Aber schriftlich festgehalten hätte ich den präzisen Zeitraum ohne Nachzulesen kaum in dieser Art.
In manchen Fällen liegt die Haltelinie vor der Sichtlinie. Die StVO ist hier nicht eindeutig. Rechtsexperten empfehlen hier, an beiden Linien stehen zu bleiben. - Das Detail dürfte einen Bonuspunkt wert sein.
Bei einem im Zuge der Vorfahrtstraße (Zeichen 306) verlaufenden Radweg ist die Haltlinie unmittelbar vor der Radwegefurt angebracht. - Das sollten Sie in unseren Öko-Fahrrad-Städten wirklich wissen, sonst kostet es einen weiteren Malus-Punkt. Besonders schön finde ich die Wortschöpfung Radwegefurt.
Man muss bei jeder Witterung sowie Tages- und Nachtzeit - auch ohne querenden Verkehr - anhalten.
Man muss auf jeden Fall jedem querenden Verkehr Vorfahrt gewähren.
Wer ein Fahrzeug führt, darf bis zu 10 m vor diesem Zeichen nicht halten (gemeint ist im Volksmund: parken), wenn das eigene Fahrzeug dadurch das Zeichen verdeckt. - Ganz offen: Da ich weder im SUV fahre noch ein Wohnmobil bewege, hatte ich das vergessen.
Findet sich bei einem Stop-Schild eine Ampel, hat diese Vorrang (sofern sie funktioniert). Sie brauchen dort bei grün nicht anzuhalten. - Das macht wohl jeder so richtig. Aber haben Sie es aufgeschrieben - also aktiv beim Sehen des Zeichens gewusst.
Bei der Ampelanlage wussten Sie selbstredend, dass man bei einem Stop-Schild zuerst an der Ampel-Haltelinie und dann nochmals an der Sichtline halten muss, sofern die Ampel außer Betrieb ist, sich dahinter ein Zebrastreifen befindet und die Ampel (somit) deutlich vor der Sichtlinie der Kreuzung liegt. Eigentlich ist dies ja klar, da Sie schließlich keine Beulen von auf dem Zebrastreifen überfahrenen Passanten im neuen Auto haben wollen.
Das Gleiche wie bei Ampeln gilt bei einem Stop-Schild für die Zeichen eines Verkehrspolizisten. - Das hingegen dürfte wieder einen Bonuspunkt und ein Lob wert sein. Den Verkehr regelnde Polizisten sind heute selten, da sie meist sofort überfahren werden.
Das Gleiche gilt für Schranken (z.B. an Bahnübergängen). - Wenn Sie das vergessen haben sollten, macht es nichts: Den Fehler überleben Sie im Zweifel nicht.
Bonuspunkt für Vielfahrer: Sie haben auf Ihrem Notizzettel vermerkt, wie Sie sich als Linksabbieger auf einer geraden Straße mit Stop-Schild oder als Geradeausfahrer auf einer abknickenden Vorfahrtstraße zu verhalten haben.
Bonuspunkt für Radfahrer in der Gruppe oder Fahrer in einem Pkw-/Lkw-Verband: Sie haben auf Ihrem Notizzettel vermerkt, wie Sie als Verband nur mit den vordersten Fahrzeug anhalten müssen und dann als Verband komplett durchfahren dürfen / müssen, weil Verbände anders gewertet werden als Einzelfahrzeuge. Weiterer Bonuspunkt, weil Sie sicherlich vermerkt haben, dass man dann ggf. sehr lange auf eine freie Straße warten muss, um jede Gefährdung auszuschließen.
Bonuspunkt für Vielreisende: Sie haben auf Ihrem Notizzettel vermerkt, wie die Beschriftung in anderen Staaten lautet (z.B. französisch ARRÊT, in Südamerika PARE etc.).
Bonuspunkt für Vielflieger und Piloten: Sie haben auf Ihrem Notizzettel vermerkt, wie das Stop-Schild auf Flugfeldern aussieht.
Bonuspunkt für Streber: Sie wussten, dass es zu diesem Zeichen 206 ein Erläuterungs-Zeichen mit dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren - mit dem Zusatz in x Metern) gibt, wobei es jenes Zeichen 206 in gebührendem Abstand vorher bereits das Haltgebot ankündigt. Das findet sich meist vor nichteinsehbaren Kurven etc.
Bonuspunkt für notorische Raser: Sie wissen (aus Erfahrung), dass ein Verstoß gegen das Stop-Schild zwischen 10 und 85 Euro Bußgeld kosten und bis zu einem Punkt in Flensburg einbringen kann. Wer auch noch aufzählen kann, welche Bußgelder bei welchen Details beim Stop-Schild verhängt werden, darf sich einen weiteren Bonus-Punkt zuerkennen.
Einen weiteren Bonuspunkt für jeden, der genau niederschrieb, in welchen Fällen Fahranfänger bei Verstößen gegen das Stop-Schild mit bis zu 2 Jahren Verlängerung der Probezeit rechnen müssen, respektive ab wann für diese Gruppe ein Aufbauseminar fällig wird.
Hunderte weitere zu beachtende Punkte bei diesem einfachen Verkehrszeichen finden Sie sicherlich in jeder Datenbank mit Gerichtsurteilen zur StVO.
Wer mehr als 20 Punkte erzielt hat, darf sich mehrfach auf die Schulter klopfen. Ich gebe zu: Juristen auf dem Fachgebiet der StVO haben hier viele Vorteile. Aber so ungerecht ist das Leben nun einmal. Sie hätten auch Verkehrsrichter werden können.
Alle anderen (inklusive mir selbst) müssen jedoch wohl erkennen, dass das mit dem Wissen um die Bedeutung von Zeichen nicht ganz so gut bestellt ist, wie man gemeinhin denkt.
(Lebens-) Wichtige Zeichen
Kommen wir zum zweiten Aspekt, dass die Aussage des Zeichens immer zutrifft.
Bereits früh als neugieriges Kind habe ich immer alles nachgeprüft, auch das, was alle Menschen als absolut sicher annahmen.
So prüfe ich bis heute in Hotels und Krankenhäusern, in denen ich mich länger aufhalte, die Fluchtwegbeschreibung nach. Alle meine Freunde schütteln darüber regelmäßig den Kopf.
Jeder kennt diese grünen Zeichen, welche meist Tag und Nacht beleuchtet in den Gängen und auch auf oder über Türen hängen.
Meine traurige Erkenntnis ist, dass in nicht wenigen Fällen, manche dieser Zeichen entweder in die falsche Richtung weisen oder in eine verschlossene, verstellte, oder von außen verbarrikadierte Sackgasse führen.
Von diesem Zeichen hängt im Ernstfall Ihr Leben ab. Blind darauf verlassen kann man sich allerdings oft nicht.
Daraus folgt, dass der Bedeutungsgehalt eines Zeichens nicht garantiert ist. So stabil sind die Bezüge zwischen einem Zeichen und der Realität nicht. Manche bezeichnen dies auch als Arbitrarität.
Untiefenangaben auf Gewässern
Als Segler kann ich - aus leidiger Erfahrung - weitere Zeichen anführen, die oft trügerisch sind.
Da hätten wir die Untiefenzeichen, welche eine Tiefenlinie kennzeichnen, welche den seewärtigen tieferen Teil von dem landwärtigen flachen Seeteil abgrenzen.
Ohne auf die komplizierten pegelabhängigen Details einzugehen, halten wir pauschal fest, dass sie am Bodensee die 2-Meter-Tiefenlinie kennzeichnen. Daraus folgt, dass man mit einem Segelboot mit 1,5 Meter Tiefgang sicher direkt seewärts von jenen Zeichen segeln kann. Dies gilt vor allem, sofern diese Seezeichen in Reihe aufgestellt sind. Dann kann man theoretisch diese Linie entlangsegeln.
Leider wurden nicht wenige davon jedoch seit Jahrzehnten wissentlich an der falschen Stelle angebracht, weil es dort einfacher war. So befindet sich ganz in der Nähe meines Heimathafens an einem Horn (Landspitze / Kap) so ein Seezeichen, das die zwei-Meter-Linie kennzeichnet. Deutlich davor ragt jedoch ein ziemlich flacher, massiver Felsen, über den ich bei wenig Wind und ausnahmsweise niedrigem Wasserpegel mit einem eher flachen, kleinen Segelboot unwissend, dafür aber lautstark hinweg-kratzte.
In mindestens zwei Seeteilen wurden sogenannte See-Berge nicht vermessen und bis heute nicht kartografisch erfasst noch mit Untiefen-Zeichen versehen. Auf den einem - im Abstand von weit über 100 Metern vom Ufer und den dort angebrachten Seezeichen lief ich einmal im Herbst bei Niedrigwasser auf und musste mich mühsam rückwärts wieder aus dem Schlick schieben. Keine 5 Meter links und rechts davon kann man problemlos passieren.
Alle diese Umstände gehören - wie ich so gerne sage - zu dem am Bodensee Üblichen: Entweder man weiß es vorher, oder man weiß es eben nachher.
Sachlich kann ich festhalten, dass außer jenen wissenden segelnden Fotografen wohl kaum jemand eines meiner Fotos jener durchaus gefährlichen Seestellen korrekt interpretieren würde, da man die unter der Wasseroberfläche liegenden Gefahren auf einem Foto nicht erkennen kann. Man muss diese Orte vorher kennen und wissen, dass jene sichtbar angebrachten Zeichen (oder fehlenden Zeichen) irreführen.
Somit dürfen wir sachlich festhalten, dass sich Normalbetrachter eines Fotos oder Videos vermutlich mit diesem nicht täglich erforderlichen und auch nie für Zwangsprüfungen angelerntem Wissen der Fotografen und Videografen noch weniger auskennen, als Sie sich in den beiden lebenswichtigen obigen Zeichensprachen.
Emotionen
Immer wieder hört und liest man in Fotokreisen, dass bestimmte Zeichen bei allen Menschen angeblich automatisch dieselben Emotionen auslösen.
Universelle Emotionen
Beginnen wir mit universellen Emotionen, also Gefühlen, die sich bei allen Menschen weltweit in Studien nachweisen ließen.
Forscher sprechen hierbei von Grundgefühlen, Primäraffekten sowie Basisemotionen und Grundemotionen. Untersucht wurden sie vor allem von den Evolutionspsychologen Paul Ekman und Carroll Izard.
Dazu zählen je nach Forscher: Freude, Überraschung, Ärger / Wut, Traurigkeit / Trauer, Angst und Ekel. Manche Wissenschaftler zählen auch noch Liebe und Verachtung / Hass dazu. Sie sind in allen Kulturen gleichermaßen anzutreffen und werden auf dieselbe Art zum Ausdruck gebracht.
Aber bereits bei der Anzahl und dem Umfang jener Gefühle sind sich die Wissenschaftler nicht einig. Was jedes Individuum fühlt, wie intensiv diese Gefühle sind und was davon das Individuum seiner Umwelt zeigt, ist individuell unterschiedlich und hängt definitiv von zahlreichen (auch äußeren) Faktoren ab.
Ferner wird über die Qualität sowie den Umfang derselben in allen Menschen gestritten. Basisemotionen gelten zwar als kulturunabhängig und äußern sich auch international durch die gleichen Gesichtsausdrücke. Aber je nach Individuum werden sie unterschiedlich stark sichtbar. Selbstredend kann man sich damit behelfen, dass man ein Zuviel oder Zuwenig, ein Mehr oder Weniger oder ein Fehlen oder eine Übersteigerung als krankhaft anhand statistischer Verteilungen in der Gesamtbevölkerung einstuft. Das hat jedoch keinen Einfluss auf den in diesem Artikel behandelten Umstand der nicht bei allen Menschen identisch voraussetzbaren Gefühlswelt und vor allem der Darstellung derselben noch der inneren Auslebung derselben Gefühle.
So halte ich es z.B. für ziemlich unwahrscheinlich, dass ein ausgebildeter buddhistischer Mönch dieselbe Wut wie ein cholerischer deutscher Politiker oder denselben Hass wie ein islamistischer Terrorist zeigen wird.
Genauso wie man manche Menschen mit einem einzigen unbedachten Wort oder einer unbedachten Geste oder dem Unterlassen z.B. derselben zu einem Wutausbruch treiben kann, existieren derart stoisch ausgeglichene Menschen, welche nichts aus der Ruhe bringt oder, die sich derartiges nie in jenem Umfange anmerken lassen. - Es existieren somit Menschen, welche Ihre Gefühle durchaus (zumindest zu einem erstaunlichen Teil) kontrollieren können.
Überdies gilt, dass das reine Vorhandensein von Emotionen nichts über deren Trigger / Auslöser aussagt.
Zeichen als Trigger von Emotionen
Wir wären nicht die heutige Konsumgesellschaft, wenn nicht Psychologen und Psychiater im Marketing alle jene Tricks und Zeichen ausgetestet hätten, welche bei uns z.B. zu einem jeweils bestimmten Prozentsatz ziemlich erstaunlich genau vorhersagbare Kaufreaktionen auslösen. Siehe Verkaufspsychologie.
So wurde statistisch ermittelt, dass kleine Lebewesen - vor allem Babys, kleine Kätzchen und junge Hunde, aufgrund ihrer Ungeschütztheit, Unbeholfenheit und ihren (im Verhältnis zur Körpergröße) viel zu großen Augen bei vielen Menschen den Beschützerinstinkt auslösen und mit einer erstaunlich hohen Trefferquote positive Gefühle evozieren.
Aber vor Pauschalierungen warne ich dringend. Hierzu ein Beispiel:
Wer jemals in England war, weiß um die ziemlich merkwürdige Ausdruckweise auf Veranstaltungen, die von Touristen gerne als inhaltsleere Gespräche über das Wetter lächerlich gemacht werden. Faktisch ist es so, dass die meisten gebildeten Engländer sehr sensitiv sind und auf keinen Fall andere Menschen unbeabsichtigt verletzen wollen. Deshalb meiden sie zu Beginn (in der Kennenlernphase) fast jede erdenklichen Themen, die für beide Seiten peinlich werden können.
Als ich einmal auf einer Kennenlern-Party zwischen einem US-amerikanischen Geschäftsmann mit Familie und seinem potentiellen zukünftigen englischen Geschäftspartner mit Familie anwesend war, geschah das Folgende: Wie in der deutschen Sparkassen-Werbung erzählte der US-Amerikaner stolz von seinem Haus, seinem Auto und seiner Yacht. Danach ging er zu seinen Hobbies über. Er meinte alles wirklich positiv, und es war insgesamt trotz der Angabe dennoch ein Genuss seinen eloquenten und teilweise witzigen Ausführungen zuzuhören. Dann erzählte er jedoch von seiner Liebe zu seinen beiden Hunden. - Plötzlich verbreitete sich betretenes Schweigen, man hörte einzelne Räusperer und dann legte sich eine eisige Kälte über die Anwesenden. Der US-Amerikaner bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Aber als man ihn zur Seite nahm und es ihm diskret erklärte, war die Beziehung bereits für immer belastet.
Viele Anwesende machten ihm schwere Vorwürfe, dass er dieses Thema angeschnitten hatte. Er hätte wissen müssen, dass sein englischer Gesprächspartner vor einiger Zeit, die Enkelin dadurch verloren hatte, dass sie von einem Hund attackiert und zu Tode gebissen wurde. Nur ich nahm ihn in Schutz, denn so etwas muss man nicht wissen. Dazu ist es eine viel zu seltene Konstellation, deren Risiko maximal eins zu einer Million beträgt. Aber er hätte - wie jeder Mensch - sehr wohl um die potentielle Mehr- oder Vieldeutigkeit jedes Zeichens wissen müssen.
Genauso ist es mit den Assoziationen bei vielen anderen Dingen.
Während die einen das Lächeln, die Freude, das Strahlen mit Babies assoziieren, denken andere an das Geschrei, die schlaflosen Nächte und die stinkenden Windeln.
Während ich mich mit Freude an meine nächtlichen Ausflüge mit unübersehbarer Fotoausrüstung in die dunkelsten und verwinkeltsten Gassen vieler südlicher Altstädte erinnere, denken andere nur an den Taschendiebstahl oder Schlimmeres, den sie in jener Stadt oder jenem Land am helllichten Tag erlitten haben.
Während viele Menschen von der Erhabenheit großer Gebirge fasziniert sind, werden andere durch deren schroffe Kälte abgestoßen.
Während viele Menschen von der Weite des Meeres beeindruckt werden, flößt diese unbegrenzte Endlosigkeit anderen Angst ein.
Während viele Menschen Wasser mit Leben in Verbindung bringen, sehen andere darin die Gefahr des Ertrinkens.
Während viele Betrachter mit Blumen und Blütenbildern Frühlingsgefühle und Lebenslust verknüpfen, denken andere nur an ihren Heuschnupfen oder die sie über Monate plagende Pollenallergie.
Während manche stundenlang den Sonnenuntergang betrachten können, bis die Sterne am Himmel erscheinen, hört man andere sagen: Ja, Schatz, komm jetzt trotzdem essen.
Selbst ein Hochzeitspaar besitzt von der Hochzeitsreise nicht exakt dieselben Erinnerungen und verbindet damit nicht die exakt identischen Emotionen.
Kein Zeichen ist eindimensional emotional belegt. Jeder Mensch hat damit andere Erinnerungen und Konnotationen verknüpft. Und je älter man wird, desto mehr verschiedene Erinnerungen und Emotionen sind mit jedem Zeichen verbunden.
Wer als Fotograf den Betrachtern seiner Fotos eine derartig maschinelle Eindimensionalität der Gefühle unterstellt, versteht nicht nur sein Zielpublikum (Bild-Betrachter) nicht, sondern verachtet letztendlich andere Menschen.
Netzwerk der Erinnerungen, Erfahrungen und Konnotationen
Sofern man unter idealen Laborbedingungen mit einem einzigen Anreiz nur ein einziges Gefühl hervorruft, dann mag die oben geschilderte Theorie durchaus ihre statistischen Anwendbarkeit besitzen. Aber wir leben in einer Welt der Reiz- sowie Informationsüberflutung. Und Fotos sind per se mit mehr als nur einer Information - meist sogar einer Vielzahl an Informationen - verknüpft. (Siehe hierzu jedoch einschränkend meine Ausnahmen im Kapitel Kunstwerk.)
Das Gelingen jeder Kommunikation entscheidet sich in Bezug auf den Interpretanten, das System, in dem das Zeichen zu verstehen ist. Eine Klärung setzt dabei mindestens ein anderes Zeichen voraus. Wenn jemand beispielsweise fragt, was ist ein Pharao, lautet die Antwort in der Regel: ein König bei den alten Ägyptern. Um aber wirklich zu verstehen, was ein Pharao ist, muss ich die Kultur kennen, muss die Vorstellung von einem Gottkönig nachvollziehen können. Andererseits bin ich belastet mit Konnotationen, die der Begriff König in unserer Kultur mit sich bringt. Derartiges Kulturwissen, alle Erlebnisse und Erfahrungen sind Teil der Bedeutung. Daher können zwei Menschen niemals ein exakt gleiches Verständnis einer Sache haben. (Quelle: Semiotik bei Wikipedia.)
Wir interpretieren somit jedes Zeichen auch in einem weiteren Meta-Kontext. Das grundlegende Problem liegt jedoch darin, dass der Fotograf als Bilderzeuger kaum den gesamten Kontext der Kommunikation kennt oder in seinem Sinne beeinflussen oder gar steuern kann.
Mir scheint das sogar noch viel weiter zu gehen. Meine Drama-Lehrerin sagte mir einmal, dass man als Jugendlicher Shakespeare nicht wirklich in seiner Tiefe verstehen kann. Dazu benötigen selbst die Intelligentesten und Belesensten erst Jahrzehnte der Lebenserfahrung.
Selbst, wenn nicht jedes Foto die Bedeutungstiefe mancher Werke Shakespeares besitzt, so ist es dennoch eine Illusion mancher Fotografen, pauschal anzunehmen, jeder Betrachter lese automatisch dasselbe aus dem eigenen Werk heraus wie der Erzeuger.
Illusionen
In unserem Alltagsleben beziehen sich viele Zeichen auf die erlebbare Wirklichkeit. D.h. sie beziehen sich auf ein existierendes Objekt, das jeder kennt. Ein Schreiber, Sprecher, Kommunikator darf folglich meist davon ausgehen, dass der Empfänger den Inhalt der Kommunikation (das Gemeinte) auch versteht. Falls dies nicht der Fall sein sollte, werden viele Empfänger nachfragen, wodurch der Sender wiederum die Möglichkeit der nachsteuernden Korrektur besitzt. Auch das ist, wie wir alle schon aus leidvoller Erfahrung wissen, keine Garantie für eine gelungene Kommunikation. Jedoch erhöht es zumindest die Wahrscheinlichkeit derselben erheblich. - Aber wie soll der Betrachter eines Fotos bei Fotografen nachfragen? In der Realität ist das sowohl bei einem Bild in einer Galerie als auch im Internet zu aufwändig.
In der Wissenschaft unterliegt die Fachkommunikation einem extrem genauen Regelwerk (bis hin zur Mathematik). Hier verweisen die Zeichen auf stringente Notwendigkeiten und folgen detaillierten fachspezifischen Regeln. Dazu werden verwendete Begriffe vorab sauber definiert. Aussagen muss man belegen. Und logische Schlussfolgerungen muss man beweisen. - Die Kommunikation mit Fotos unterliegt keineswegs einer derart peinlich genauen Kommunikation.
Auch in der Fotografie findet sich zwar ein Regelwerk der Zeichensprache:
Aber die Regeln (siehe Bild-Aufbau) sind deutlich schwächer ausgeprägt. Faktisch sind es weder strikte noch bindende Regeln, sondern eher früher aus der Malerei erarbeitete Hinweise und Empfehlungen. Ferner unterteilen sich die Wissenschaften (wie z.B. die Mathematik) zwar auch in Unterdisziplinen und Teilgebiete, aber in erstaunlich wenige, logisch voneinander abgetrennte. Alleine in der Fotografie finden sich hingegen mehrere hundert Foto-Stile, worunter eigene Foto-Disziplinen gemeint sind. D.h. bereits die Botschaft selbst ist keineswegs logisch eineindeutig chiffriert.
Während in der Schule und an den weiterführenden Bildungseinrichtungen bis hin zur Universität für viele Kommunikationssysteme (z.B. Sprachen, Rechnen) nicht nur Kurse und Schulungen mit Prüfungen des Erlernten durchgeführt werden, ist dies auf dem Feld der Fotografie und Videografie - höflich ausgedrückt - eher sporadisch und rudimentär sowie oft sogar widersprüchlich. Man spricht hier auch gerne von Schulen, Richtungen etc. was im Grunde nur die persönlichen (nicht selten abwegigen) Meinungen einzelner sich selbst medial inszenierender Personen meint. Daraus folgt, dass die Sender (Fotografen und Videografen) sehr oft die wenigen und weichen medialen Regeln weder beherrschen und teilweise sogar nicht einmal kennen. Hieraus ergibt sich jedoch von vorne herein eine vage bis gestörte Kommunikation.
Schließlich sind auch die meisten Empfänger überhaupt nicht geschult. Für das Betrachten eines Fotos oder eines Filmes benötigt man weder Kurse noch Prüfungen. Angeblich kann und folglich darf dies jeder. Während man bei Besuchern einer kostenpflichtigen Gemäldegalerie oder eines Museums noch eine gewisse Grundbildung oder zumindest ein gesteigertes Interesse an Bildern voraussetzen darf, so muss man dies bei Stand- und Bewegtbildern bezweifeln. Die Krux der Fotografie und Videografie scheint in puncto Kommunikation vor allem in dieser extremen Verbreitung zu liegen. Fast jeder hält sich qua Geburt für befähigt, Fotos und Videos zu erstellen, und selbstverständlich hält sich jeder für berechtigt und befähigt, diese zu interpretieren.
Sofern Fotografie mehr als reine Dokumentation (Knipsen) sein soll, begeben wir uns zudem auf das Feld der Kunst. Exakt dies beanspruchen die meisten Fotografen explizit für sich - insbesondere jene, welche die in diesem Artikel widerlegten Behauptungen äußern.
Im Bereich der Kunst kann ein Zeichen immer nur Möglichkeiten vermitteln[,] es gibt keine festen Bedeutungen, sondern nur individuelle Interpretationen. (Semiotik bei Wikipedia.)
Kunst
Während man in der Alltagskommunikation irgendwann einen (irgendwie gearteten) Konsens über den Inhalt der Kommunikation sowie die daraus zu folgernde Handlung erzielt und damit diesen Punkt abhakt, funktioniert das in der Kunst nicht: Da der Interpretant stets ein Zeichen ist, das wiederum nur durch ein Zeichen erklärt werden kann, wird die Semiose zu einem prinzipiell endlosen Prozess. (Quelle: Semiotik bei Wikipedia)
Bei Kunstwerken will ich dies anhand von Gemälden darlegen. Ein Kunstprofessor sagte einmal in einem Vortrag: Ein Kunstwerk entlässt den Betrachter mit mindestens einer unbeantworteten Frage.
Eine Dozentin über Kunst: Kunstwerke stellen generell etwas in Frage. Sie meinte u.a. Sichtweisen, Annahmen, Handlungen, die eigene bisherige Kunstrichtung, oder sogar die gesamte Kultur. - Im Zusammenhang mit Teilnehmerfragen sagte sie dann noch: Werke, welche den Rezipienten nur in seinen alten Sichtweisen bestätigen, bezeichnet man landläufig als Kitsch.
Wenn Zeichen / Gemälde / Fotografien im Sinne von Kunstwerken eindeutig wären, dann ließe sich nicht erklären, warum bis heute sehr viele dieser Kunstwerke bei Fachkräften umstritten sind. Ferner werden selbst heute noch zu alten Gemälden immer wieder neue Dissertationen mit neuen Interpretationen geschrieben.
Dies gilt selbst für mittelalterliche Kunstwerke, die hochgradig über die Bibel reglementiert sind.
Bei arroganten Fotografen kommt nun allerdings hinzu, dass sie Fotos für selbsterklärend halten. D.h. die Kommunikation wird unhöflich abgebrochen. Der Betrachter darf nicht nachfragen, wenn er etwas nicht verstanden hat. Somit existiert keine für das tiefere Verständnis oft wichtige Rückkopplung. Ferner wird so das Erlernen der Bildsprache für den Betrachter drastisch erschwert. - Letztendlich läuft dies auf die rotzfreche Beleidigung hinaus: Wenn Du mein Kunstwerk / Foto nicht verstehst, dann bist Du als Betrachter kein Künstler oder schlichtweg zu blöde.
Wirkung
Ein immer wieder zu hörendes Argument in der Fotografie ist: Ein gutes Foto wirkt unabhängig von seiner Größe. Oder: Ein gutes Bild erzeugt in jeder Größe dieselben Emotionen beim Betrachter etc.
Im Folgenden biete ich Ihnen ein Foto in mehreren Größen an:
100 * 20 Pixel
300 * 60 Pixel
750 * 150 Pixel
3.000 * 599 Pixel
Ein Bildausschnitt aus dem Panorama mit ebenfalls 3.000 * 1.802 Pixel, um Ihre Geduld und Ladezeit nicht allzu sehr zu strapazieren.
100 * 20 Pixel.
300 * 60 Pixel.
Oben: 750 * 150 Pixel in der für Textseiten im Internet angemessenen Größe für den ersten Eindruck. 750 Pixel Breite respektive bei Hochkantaufnahmen 500 Pixel Höhe erachte ich als die Mindestgröße in modernen Medien.
Das große Foto. Bildschirmfüllen auf modernen Browsern / Monitoren halte ich für die heutige Mindestgröße zum Genießen.
Der große Bildausschnitt aus dem Panorama. Nur hier erkennt man wichtige Details.
Und selbst das letzte Foto ist immer noch verkleinert - im Vergleich zur Originalgröße. Im Original sind noch viel mehr Details zu sehen.
Da mir bewusst ist, dass sich manche Menschen für die Details zum Verständnis des Fotos interessieren, hier der Link zu meinem passenden Artikel: 17. Kaiser Wilhelm II.
Selbst wenn Sie die oben zuerst angebotenen kleinen Versionen des Fotos auf Ihre Bildschirmgröße hochskalieren, sehen jene grausam aus und zerstören definitiv die gewünschten Emotionen beim Betrachter.
Keineswegs will ich einem Kritiker widersprechen, wenn er behauptet, dass er evtl. auf seinem kleinen, alten Monitor mit seinen schlechten Augen keinen Mehrwert in größeren Bildern erkennt. Aber eine Marketing-Regel lautet: Der Köder muss nicht dem Angler schmecken, sondern dem Fisch.
Ferner stellt sich dann die ernstgemeinte Frage, warum jene Fotografen nicht mit einem Smartphone fotografieren. Jenes kann leichter, einfacher, schneller und preiswerter kleine Fotos (immerhin bis 4.000 * 3.000 Pixel) erstellen. Dedizierte Foto- und Video-Kameras sind für kleine Fotoformate völlig übertrieben.
Fakt ist, dass schon lange UHD (=4K) mit 3.860 * 2.160 Pixel bei PC-Monitoren der Standard ist. Das bietet heute fast jeder Billig-Fernseher aus dem Lebensmittel-Discounter für ein paar hundert Euro. Das bieten inzwischen sogar erste Smartphones an.
Fakt ist, dass bei Apple seit mindestens 2015 5K (5.120 * 2.880) Standard sind und seit 2020 sogar 6K-Monitore Verbreitung fanden.
Bei wohlhabenden Nutzern und im Berufsbereich sind 8K (7.680 * 4.320 Pixel) seit Jahren in der Anwendung als Monitor oder Fernseher.
Dadurch, dass die Nutzer den Monitor meist so eingestellt haben, dass Browser alles für eine halbwegs ergonomische Lesegröße der Schrift im Format 2:1 herunterrechnen, sollte man seine eigenen Fotos im Internet zumindest im Querformat 3.000 * 2.000 Pixel bei ca. 50% JPEG-Qualität anbieten. Dies ist ein für alle fairer Kompromiss, der die Bildqualität mit der Ladezeit in guten Einklang bringt. Von diesen Daten ausgehend kann jede Grafikkarte die Bilder ggf. etwas hochskalieren oder herunterrechnen, um sie mit hoher Qualität bildschirmfüllend darzustellen.
Abschließend noch eine Frage zur Bildgröße im Druck und bei der Ausbelichtung: Wenn die These derjenigen Fotografen zutreffen würde, dass jedes Foto in jeder Größe die gleiche Wirkung zeigt, warum wurden / werden dann nicht alle Fotos nur 10 * 15 cm ausbelichtet und in Zeitschriften sowie Fotobüchern gedruckt sowie in jener Standardgröße auch in Museen und Galerien aufgehängt? Da könnte man sehr viel Platz und Geld sparen. Warum legten dann so viele Fotografen Wert auf ein größeres Bildformat (u.a. Gursky, der damit Millionen verdiente)?
Kunstwerk
Erstaunlich häufig finden sich die obigen unhaltbaren Aussagen bei Fotografen, welche sich als Künstler sehen oder sogar offiziell bezeichnen.
Dann stellt sich natürlich sofort die Frage, was ist Kunst?
Das ist sehr schwer zu beantworten. Wer es nicht glaubt, sollte bitte einfach wieder einmal ein Museum der modernen Kunst besuchen. Ja, das meine ich ganz im Ernst. Dasjenige in Frankfurt ist z.B. immer einen Besuch wert.
Ketzerisch sowie pragmatisch will ich es so formulieren: Sofern Ihre Werke in mindestens einem Museum ausgestellt werden, ist es wohl Kunst.
Dann stellt sich jedoch die Frage, ab welcher Schaffenshöhe etwas als Kunstwerk angesehen werden kann?
Das beginnt erstaunlicher Weise bei null.
Bevor nun einige Leser genervt mit den Worten abbrechen: Nun hat Doc Schuhmi die Bodenhaftung verloren, hier eine amüsante Geschichte: Jens Haaning sollte für ein Museum in Aalborg (Dänemark) eine Collage aus Geldscheinen im Wert von 70.000 Euro herstellen. Er sackte das Geld ein und lieferte eine gerahmte leere Leinwand. Der Künstler nannte sein Kunstwerk Take the Money and Run - Nimm das Geld und hau ab. (Quelle mit dem abgebildeten aufgehängten Kunstwerk im Museum.)
Persönlich hätte ich bei einem dänischen Museum wohl eher Andersens Titel Des Kaisers neue Kleider gewählt.
Wenn also ein Nicht-Gemälde (eine leere Leinwand) ein ausstellungswertes Gemälde ist und sogar ein Kunstwerk, dann ist auch ein Nicht-Foto - ein unbelichteter schwarzer Filmstreifen oder eine schwarze (=leere) digitale Datei - ein Foto, oder eine völlig überbelichtetes, ausgebranntes, weißes Bild ein Foto oder sogar Kunstwerk.
Ganz analog (oder besser digital) dazu habe ich bereits in Museen drei ganz einfarbige, große nebeneinander hängende Gemälde gesehen mit dem Titel Rot Grün Blau.
Folglich wäre auch ein rein violettes Foto im Maß 3 * 2 Meter ein Foto oder sogar Kunstwerk, sofern es ein Museum erwirbt respektive ausstellt.
Selbst, wenn dieses Werk in Violett nun sogar gestandene Fotografen in ihren Analysefähigkeiten überfordert, so kann es fotografische Kunst sein. Haben Sie somit bitte Nachsicht mit den Normalbetrachtern, die kein langjährig geschultes Fotografenauge besitzen, wenn sie derartige Zeichen evtl. nicht wie erwartet deuten können.
Zwischen den Jahren habe ich (wie es in Kochsendungen immer heißt) schon einmal etwas vorbereitet, das ich kreativ LICHT.schatten nenne. Es besteht aus einer zweidimensionalen Collage der oben genannten beiden Nicht-Fotos. Da es (wie angeblich jedes Foto) selbsterklärend ist, schreibe ich auch nichts weiter dazu. Außer, dass Sie die Bildrechte daran erwerben können, gerne auch als NFT und in Bitcoin bezahlt.
Ohne Perspektive? - selbsterklärend. Das große Foto.
Ebenso auf Schwarz:
Ohne Perspektive? - selbsterklärend. Das große Foto.
Vieldeutigkeit und geringer Informationsgehalt
Kommen wir abschließend zum wohl geflügeltsten Spruch der Fotoszene: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Alle meine Recherchen zur Geschichte jener Aussage ergaben widersprüchliche Ergebnisse, die allesamt sehr jung sind (Quelle u.a. Wikipedia). Im deutschen Sprachraum lässt es sich auf Kurt Tucholsky zurückführen, der 1926 unter dem Pseudonym Peter Panter über Werbung und Propaganda schrieb: Und weil ein Bild mehr sagt als hunderttausend Worte, so weiß jeder Propagandist die Wirkung des Tendenzbildes zu schätzen: von der Reklame bis zum politischen Plakat schlägt das Bild zu, boxt, pfeift, schießt in die Herzen und sagt, wenn[']s gut ausgewählt ist, eine neue Wahrheit und immer nur eine. (Quelle.) Erstaunlicher Weise lassen sich auch die wenige Jahre älteren englischen Beispiele auf die Werbung zurückführen, welche nach dem Ersten Weltkrieg an Bedeutung gewann. - Überdies stellen alle Quellen (unbewiesene) Behauptungen von Werbetreibenden (keine Wissenschaftler) zur Werbung dar, nicht zur Fotografie oder zur Kunst an sich. Historisch muss man allerdings auch wissen, dass Werbung vor jener Zeit fast ausschließlich Textwerbung war, und Plakate erst langsam mit Bildern in Form von (zunehmend farbigen) Zeichnungen aufkamen. Ferner handelte es sich somit um einen sogenannten Blickfang (Eye-catcher) in der damals engst bedruckten Textwüste der früheren Zeitungen. Und schließlich darf man nicht vergessen, dass damals (abgesehen von Ländern wie Deutschland und ganz wenigen anderen Nationen mit Schulpflicht) noch keineswegs jeder gut lesen konnte.
Spürt man der älteren englischen Quelle nach, auf die sich Tucholsky bezieht, dann stößt man auf den US-Werbefachmann Frederick R. Barnard, der 1921 jedoch schlicht einen Plagiat beging und zur Vertuschung das Zitat zuerst einem japanischen und später einem
chinesischen Philosophen zusprach. In Wirklichkeit wurde der Ausspruch bereits mindestens seit dem 19. Jahrhundert für ganz andere Dinge verwendet als Bilder. Nämlich Taten, Tränen, Fakten. (Quelle) 1861 verwendete der russische Schriftsteller Iwan Turgenjew einen ähnliche Aussage erstmals für Bilder in seinem Roman Väter und Söhne. Aufgrund des von den Grünen gegen den Willen der Nutzer durchgepeitschten EU-Urhebergesetzes darf ich Ihnen in Deutschland (im Gegensatz zum Rest der Freien Welt) leider nur die englische Fassung verlinken. In Kapitel 16 (XVI) findet sich: For a picture may instantly present what a book could set forth only in a hundred pages. Je nach Übersetzer variiert die Übersetzung etwas. Und spätestens ab 1911 wurde es in US-Zeitungen immer wieder verwendet in der Form: Use a picture. It's worth a thousand words. (Quelle) - Aber selbst dann wurde damit meist eine Zeichnung oder ein Gemälde gemeint - und kein Foto.
Falls jene Aussage wahr wäre, warum wurden dann nicht alle Zeitungen in Bilderbücher verwandelt?
Wenn diese Aussage wahr wäre, dann könnten Sie das aufmerksame Lesen dieses Artikels durch das schnelle Betrachten einer Bildergalerie ersetzen und müssten danach denselben Informationsstand / dasselbe Wissen besitzen.
Warum wurde das Stand-Bild (Foto) sogar durch das Bewegt-Bild (Video, Fernsehen etc.) abgelöst?
Bilder sind überwiegend ziemlich unscharfe und nur additive Kommunikationsmittel. Weder lässt sich die subjektive Interpretation durch den Betrachter voraussagen, noch lässt sich wirklich viel mit einem Bild kommunizieren.
Selbst Filmsequenzen können das gesprochene Wort nicht ersetzen, da letzteres eine (wie Schrift) viel höhere Informationsdichte besitzt. Deshalb läuft fast immer ein ziemlich umfassender Textkommentar bei allen Filmsequenzen in der Tagesschau oder Tierdokumentationen, Landschaftsfilmen etc.
Wer es nicht glaubt, oder nicht versteht, warum man derartige Filmsequenzen B-Roll nennt, darf gerne einmal einen Test durchführen: Schauen Sie sich 15 Minuten Tagesschau (oder eine andere Nachrichtensendung) ohne Ton an und überdecken Sie dabei alle Texteinblendungen (an den meist oberen und unteren Bildschirmrändern. Wie viel haben Sie danach im Detail nur von den Bildern wirklich verstanden?
Die Bildinterpretation ist selbst für modernste Hochleistungsrechner mit modernster Künstlicher Intelligenz ein derzeit noch extrem schweres Unterfangen. KI kann zwar inzwischen gewisse Grobformen erstaunlich zutreffend erkennen. So werden Menschen von Tieren und wiederum von Landschaften ziemlich treffsicher getrennt und auf Augen etc. automatisch scharf fokussiert.
Aber bereits bei den Details scheitert jedes Analysesystem: Welche Vogelart ist abgebildet? Welcher Berg? Welche Stadt? Abgesehen von den am meisten fotografierten Motiven scheitert da nicht nur die Software, sondern oft auch der sehr erfahrene Fotograf. Nochmals: Es geht um faktisches Wissen - nicht um Vermuten oder Raten.
Deshalb sind auch Suchmaschinen - zumindest bis heute - eher schwachbrüstig bei der korrekten Indizierung von Fotos. Meist orientieren sie sich am hinzugefügten Text.
Fazit
Fotos sind komplexe Zeichen, die keine eindimensionale Interpretation bei jedem Betrachter erzwingen.
Fotos können Emotionen beim Betrachter erwecken. Ob diese jedoch intersubjektiv identisch sind, also alle Betrachter wirklich dasselbe beim Betrachten empfinden, ist wissenschaftlich zumindest umstritten.
Erfahrene Fotografen und Videografen überschätzen oft die Kenntnisse und Fähigkeiten der Betrachter eines Stand- oder Bewegt-Bildes. Folglich können Betrachter kaum das herauslesen, was der erfahrene Künstler alles hineingelegt hat.
Gehen Sie zukünftig viel öfter davon aus, dass unbedarfte Laien Ihre Fotos ansehen, die bei Weitem nicht das erkennen, was Sie mit dem Foto evtl. ausdrücken wollen. Für die meisten Betrachter ist ein Foto kein tiefgründiges, hintersinniges Kunstwerk. Sie nehmen sich für dessen Interpretation folglich auch kaum Zeit.
Hinterfragen Sie somit zukünftig die oben zitierten vagen Sprüche. In der Regel sind Bilder weder selbsterklärend, noch eindeutig. Und definitiv ersetzen sie keine anderen Zeichen wie die Schrift oder Sprache.
Praxistipps
Sofern Sie sicher gehen wollen, dass andere Betrachter und somit auch die Suchmaschinen Ihre Fotos und Videos finden, dann beschriften Sie diese ausreichend.
Zuerst wären da einmal die klassischen W-Fragen - vor allem: Wann wurde was wo aufgenommen?
Dann ist es hilfreich, auch das Bild oder Video entsprechend zu benennen: Rhein_bei_Worms_bei Sonnen-Aufgang_Sommer_2021 ist verständlicher als DSC_12975.JPG.
Liefern Sie Hintergrundinformationen zu dem Bild. Erstens muss der Betrachter dann zum Lesen länger verweilen. Zweitens wird er dadurch den Text immer wieder mit dem Bild vergleichen, weil er das Geschriebene nachprüfen will. Somit beschäftigt er sich automatisch länger mit jedem Detail.
Bieten Sie Fotos in verschiedenen Bildgrößen an. Die kleine Version hilft bei der schnellen Orientierung / Suche zum Wieder-Auffinden, das große Bild zum Genießen. Falls Sie Angst vor Diebstählen haben, so können Sie das große Bild mit einem Wasserzeichen schützen.
Weiterhin viel Freude beim Fotografieren - gleichgültig, was Sie mit Ihren hochwertigen Bild-Endprodukten aussagen wollen.
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